Ambulante Chemotherapien

Ambulante Chemotherapien in einem von einem gemeinnützigen Träger geführten Krankenhaus sind nicht steuerpflichtig. Nachdem das Finanzgericht Münster die Abgabe von Krebsmedikamenten im Rahmen ambulanter Therapien bereits im vergangenen Jahr als umsatzsteuerfrei behandelt hat1, urteilte das Finanzgericht Münster nun zur Frage der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer und befand eine solche in einem Krankenhaus durchgeführte ambulante Chemotherapien auch insoweit als nicht steuerpflichtig, wie die zur Behandlung eingesetzten Zytostatika durch die Krankenhausapotheke zur Verfügung gestellt werden.

Ambulante Chemotherapien

In dem jetzt vom Finanzgericht Münster entschiedenen Streitfall betrieb die Klägerin verschiedene gemeinnützige Kliniken. Aufgrund einer sog. Institutsermächtigung war es ihr gestattet, ambulante Chemotherapien durchzuführen. Die notwendigen Zytostatika stellte die Krankenhausapotheke her. Ambulant therapiert wurden regelmäßig Krebspatienten, die zuvor stationär behandelt worden waren.

Das Finanzamt war der Meinung, dass zwar die Versorgung stationär aufgenommener Patienten mit Zytostatika als allgemeine Krankenhausleistung anzusehen und daher dem steuerfreien Zweckbetrieb zuzuordnen sei. Die Abgabe von Zytostatika im ambulanten Bereich erfolge hingegen im Rahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Daher sei das zu versteuernde Einkommen der Klägerin und der Gewerbeertrag um die aus dieser Tätigkeit resultierenden Gewinne zu erhöhen. Die Klägerin sah dies anders – und bekam vor dem Finanzgericht Münster Recht. Die ambulante Versorgung von Patienten mit Zytostatika sei, so das Finanzgericht Münster, dem Zweckbetrieb der Klägerin zuzuordnen. Der hieraus erzielte Gewinn unterliege weder der Körperschaft- noch der Gewerbesteuer.

Zwar unterhalte die Klägerin insoweit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb im Sinne des § 14 AO. Dieser unterliege jedoch nicht der Steuerpflicht, da die Abgabe der Zytostatika an ambulant behandelte Patienten dem Zweckbetrieb Krankenhaus (§ 67 Abs. 1 AO) zuzuordnen sei. Die von der Klägerin im Bereich der ambulanten onkologischen Therapien erbrachte Krankenhausbehandlung umfasse auch die Abgabe von Zytostatika durch die Krankenhausapotheke, die eng in das Behandlungskonzept eingebunden sei. Die Krankenhausbehandlung beschränke sich nicht nur auf ärztliche und pflegerische Leistungen, sondern erstrecke sich auf die Versorgung mit Arznei- und Hilfsmitteln. Dementsprechend sei auch die Abgabe von Zytostatika an stationär behandelte Patienten unstreitig dem Zweckbetrieb zuzuordnen. Nicht nachvollziehbar sei, warum – wie das Finanzamt meine – die Abgabe der Zytostatika im Rahmen ambulanter Therapien eine von der ärztlichen und pflegerischen Leistung zu trennende selbständige Leistung sein solle. Dies gelte umso mehr, als die Grenzen zwischen ambulanter und stationärer bzw. teilstationärer Behandlung fließend bzw. die Behandlungsformen eng miteinander verzahnt seien. Ohne Belang sei es auch, ob die Klägerin bei der Verabreichung der Zytostatika im Rahmen ambulanter Behandlungen im Wettbewerb zu anderen Anbietern von Zytostatika stehe.

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Die Abgabe von Zytostatika im Rahmen ambulanter Krebstherapien an Patienten des Krankenhauses. fallen unter § 4 Nr. 16 Buchstabe b) UStG a.F., wonach die mit dem Betrieb der Krankenhäuser, die im vorangegangenen Kalenderjahr die in § 67 Abs. 1 oder Abs. 2 AO bezeichneten Voraussetzungen erfüllt haben, eng verbundenen Umsätze steuerfrei sind. Diese Vorschrift beruht auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe b) der Sechsten Umsatzsteuer-Richtlinie 77/388/EWG2, der Art. 132 Abs. 1 Buchstabe b) der Mehrwertsteuersystemrichtlinie vom 28. November 2006 (MwStSystRL) entspricht. Danach befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, u.a. die Krankenhausbehandlung und die ärztliche Heilbehandlung sowie die mit ihnen eng verbundenen Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von der Steuer.

Abweichend vom Grundsatz, dass Steuerbefreiungsvorschriften eng auszulegen sind, verlangt der Begriff der mit der Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsätze keine besonders enge Auslegung, da durch die Befreiung gewährleistet werden soll, dass der Zugang zu solchen Behandlungen nicht durch höhere Kosten versperrt wird, die entstünden, wenn die Behandlungen selbst oder eng mit ihnen verbundene Umsätze der Steuer unterworfen wären3. Die ärztliche Heilbehandlung und die Krankenhausbehandlung im Sinne dieser Vorschrift müssen zur Diagnose, Behandlung und, so weit wie möglich, Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienen4. „Eng verbundene Umsätze“ liegen vor, wenn sie als Nebenleistung zu einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung anzusehen sind, also keinen eigenen Zweck erfüllen, sondern das Mittel darstellen, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können5. Maßgebend für die Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebenleistung ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt6. Zu den eng mit dem Betrieb eines Krankenhauses verbundenen Umsätzen zählen u.a. die Versorgung der Patienten mit den für die Behandlung erforderlichen Medikamenten7, dagegen nicht die Arzneimittellieferungen durch eine Krankenhausapotheke an andere Krankenhäuser8.

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das Krankenhauses., die unstreitig die Voraussetzungen des § 67 AO erfüllt, hat mit der Durchführung der ambulanten Krebstherapien begünstigte Krankenhausbehandlungen durchgeführt. Die Therapien dienten der Behandlung von Krebserkrankungen und zielten auf deren Heilung ab. Die in diesem Rahmen erfolgte Abgabe von Zytostatika stellt einen eng mit den Krankenhausbehandlungen verbundenen Umsatz dar, denn sie wird als Nebenleistung zur Krebstherapie erbracht. Nach den Gesamtumständen ist die Abgabe der Medikamente von der Krankenhausbehandlung nicht trennbar. Der Patient erhält im Rahmen einer Chemotherapie eine Behandlung, die hauptsächlich in der Verabreichung der Zytostatika unter ärztlicher Aufsicht in den von des Krankenhauses. zur Verfügung gestellten Räumen besteht. Die daneben von des Krankenhauses. erbrachte zeitnahe und individuelle Herstellung der für die jeweilige Behandlung erforderlichen Medikamente stellt ein Mittel dar, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch nehmen zu können. Entgegen der Ansicht der Finanzverwaltung (Abschn. 100 Abs. 3 Nr. 4 UStR 2005, jetzt Abschn. 4.14.6 des Anwendungserlasses zur Umsatzsteuer, UStAE) kann sich kein Unterschied daraus ergeben, ob die Heilbehandlung im Rahmen einer stationären Aufnahme der Patienten oder ambulant erfolgt. Eine derartige Differenzierung ist weder den gesetzlichen Vorschriften zu entnehmen noch entspricht sie der Verkehrsanschauung, wonach die in einem Krankenhaus verabreichten Medikamente als Bestandteil der Heilbehandlung zur Verfügung gestellt und nicht als eigenständige Leistungen neben der Behandlung geliefert oder gar vom Patienten selbst mitgebracht werden. Mit dem vom Bundesfinanzhof bereits entschiedenen Fall der Medikamentenlieferung an andere Krankenhäuser9, die nicht an Patienten im Rahmen einer konkreten Heilbehandlung abgegeben werden, ist die Abgabe von Zytostatika bei einer Chemotherapie nicht vergleichbar.

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Die Steuerbefreiung ist nicht durch Art. 13 Teil A Abs. 2 Richtlinie 77/388/EWG ausgeschlossen. Die in Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchstabe a) Richtlinie 77/388/EWG (= Art. 133 MwStSystRL) enthaltenen Bedingungen sind vom nationalen Gesetzgeber in § 4 Nr. 16 Buchstabe b) UStG a.F. nicht eingeführt worden. Nach Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchstabe b) Richtlinie 77/388/EWG (= Art. 134 MwStSystRL) ist die Steuerbefreiung aber auch für Dienstleistungen und Lieferungen ausgeschlossen, wenn sie zur Ausübung der Tätigkeiten, für die Steuerbefreiung gewährt wird, nicht unerlässlich sind oder sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden. Obwohl der nationale Gesetzgeber auch diese Vorschrift nicht in das UStG übernommen hat, sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 UStG a.F. richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass die Steuerbefreiung bei Vorliegen der o.g. Voraussetzungen zu versagen ist10. Das Finanzgericht Münster braucht nicht zu entscheiden, ob Art. 13 Teil A Abs. 2 Buchstabe b) Richtlinie 77/388/EWG in den Fällen unanwendbar ist, in denen das UStG die steuerfreien Umsätze genau bezeichnet und sich der Steuerpflichtige auf das für ihn günstigere nationale Gesetz berufen kann11. Da § 4 Nr. 16 UStG a.F. – anders als § 4 Nr. 25 UStG – keine genaue Bezeichnung der steuerfreien Umsätze enthält, sondern dies vielmehr mit „eng mit dem Betrieb der Krankenhäuser verbunden“ umschreibt, sind auf diese Vorschrift dieselben Einschränkungen wie bei § 4 Nr. 20 und Nr. 21 UStG anzuwenden.

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Die Abgabe von Zytostatika durch das Krankenhauses. ist für die Krankenhausbehandlung als unerlässlich anzusehen. Sie ist insbesondere nicht deshalb nicht unerlässlich, weil die Patienten die Zytostatika auch in einer öffentlichen Apotheke erwerben und zur Behandlung in das Krankenhaus mitbringen könnten. Unerlässlichkeit bedeutet nicht, dass die Haupttätigkeit ohne die damit eng verbundene Leistung nicht denkbar wäre, denn sonst würde die Steuerbefreiung für solche Leistungen letztlich leer laufen. Unerlässlich für eine Haupttätigkeit ist eine damit eng verbundene Leistung vielmehr auch dann, wenn sie die Ausübung der Haupttätigkeit objektiv erheblich fördert12. Die Herstellung und Verabreichung der Zytostatika durch das Krankenhauses. fördert die ambulanten Krebstherapien erheblich, weil die einzelne Behandlung und ihre Vorbereitung hierdurch sowohl für das Krankenhauses. als auch für die Patienten effektiv und mit möglichst geringem Aufwand gestaltet wird. Ein vorheriger Erwerb in einer öffentlichen Apotheke nach Rezepterstellung durch den Krankenhausarzt ist den schwerkranken Patienten nach Auffassung des Finanzgerichts Münster nicht zuzumuten.

Die Abgabe der Zytostatika war nicht im Wesentlichen dazu bestimmt, des Krankenhauses. zusätzliche Einnahmen durch eine Tätigkeit zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu öffentlichen Apotheken steht. Allein die Höhe der Umsätze mit Zytostatika führt nicht zu der Annahme, dass diese „im Wesentlichen“ zur Einnahmeerzielung abgegeben werden. Das Finanzgericht Münster ist vielmehr davon überzeugt, dass die Abgabe dieser Medikamente in erster Linie dem reibungslosen Ablauf der Chemotherapie und damit einer möglichst effektiven Heilbehandlung dient. Hierfür spricht zunächst die des Krankenhauses. erteilte Institutionsermächtigung nach § 116a SGB V, die nur bei einer ansonsten nicht ausreichenden ärztlichen Versorgung erteilt wird. Mit der Erbringung von einheitlichen Leistungen, die sowohl die Lieferung der Medikamente als auch die ärztliche Aufsicht bei der Verabreichung beinhalten, steht das Krankenhauses. nicht im Wettbewerb zu öffentlichen Apotheken, denn öffentliche Apotheken könnten allenfalls die Lieferung von Zytostatika, nicht aber die damit verbundene Behandlungsleistung erbringen. Auch der von des Krankenhauses. vorgetragene Umstand, dass nur ca. 1% der öffentlichen Apotheken bundesweit Zytostatika herstellen, spricht dafür, dass ein unmittelbarer Wettbewerb zwischen Krankenhausapotheken und öffentlichen Apotheken nicht besteht. Anhaltspunkte, die für einen solchen Wettbewerb sprächen, sind vom Finanzamt, das insoweit die Feststellungslast trägt, nicht dargelegt worden.

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Finanzgericht Münster, Urteil vom 23. Februar 2012 – 9 K 4639/10 K, G

  1. FG Münster, Urteil vom 12.05.2011 – 5 K 435/09 U[]
  2. Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern[]
  3. EuGH, Urteil vom 11.01.2001 – C-76/99, Slg. 2001 I-00249, Rn. 23; BFH, Urteil vom 25.01.2006 – V R 46/04, BStBl II 2006, 481[]
  4. z.B. EuGH, Urteile vom 06.11.2003 – C-45/01 [Dornier], Slg. 2003 I-12911, Rn. 48; vom 01.12.2005 – C-394/04 [Ygeia], Slg. 2005 I-10373, Rn. 24; und vom 10.06.2010 – C-262/08, BFH/NV 2010, 1589, Rn. 28[]
  5. EuGH, Urteil vom 01.12.2005 – C-394/04 [Ygeia], Slg. 2005 I-10373, Rn. 18f.; und BFH, Urteil vom 25.01.2006 – V R 46/04, BStBl II 2006, 481[]
  6. z. B. BFH, Urteile vom 09.06.2005 – V R 50/02, BStBl II 2006, 98; vom 18.08.2005 – V R 20/03 BStBl II 2005, 910; und vom 06.09.2007 – V R 14/06, BFH/NV 2008, 624[]
  7. BFH, Urteile vom 18.10.1990 – V R 76/89, BStBl II 1991, 268; und vom 18.03.2004 – V R 53/00, BStBl II 2004, 677; so auch Abschn. 100 Abs. 2 Nr. 1 UStR 2005 für im Rahmen von stationären oder teilstationären Behandlungen abgegebene Arzneimittel[]
  8. BFH, Urteile vom 18.10.1990 – V R 76/89, BStBl II 1991, 268[]
  9. BFH, Urteil vom 18.10.1990, aaO[]
  10. so auch BFH, Urteile vom 18.08.2005 – V R 20/03, BStBl II 2005, 910 zu § 4 Nr. 20 Buchstabe a) UStG; und vom 21.03.2007 – V R 28/04, BStBl II 2010, 999 zu § 4 Nr. 21 Buchstabe b) UStG[]
  11. so FG Düsseldorf, Urteil vom 07.11.2008 – 1 K 356/06 U, EFG 2009, 143 zu § 4 Nr. 25 UStG[]
  12. FG München, Urteil vom 13.07.2000 – 14 K 3516/98[]
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