Deutschland hatte mit Australien, Frankreich, Großbritannien, Japan und Kanada (E6-Staaten) im Rahmen des BEPS-Aktionsplans (Base Erosion and Profit Shifting) der OECD einen weitreichenden Informationsaustausch über verschiedene Unternehmen der digitalen Wirtschaft vereinbart. Um die gesetzlichen Ursachen für die niedrige effektive Steuerbelastung bestimmter multinationaler Unternehmen zu klären, sollen ohne Anonymisierung und unabhängig von der konkreten Besteuerung der einzelnen Gesellschaften Informationen zu Strukturen und Geschäftsmodellen ausgetauscht werden. Die Informationen sollen der Einführung von Antimissbrauchsregelungen in den gegebenenfalls neu zu verhandelnden Doppelbesteuerungsabkommen und im internationalen Recht dienen.

Diesen Auskunftsaustausch hat nun das Finanzgericht Köln dem hierfür in Deutschland zuständigen Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) im Wege einer einstweiligen Anordnung (vorläufig) untersagt, entsprechende Informationen zu erteilen oder einzuholen. Der zwischen den „E6-Staaten“ vereinbarte Informationsaustausch verstößt nach Auffassung des Finanzgerichts Köln gegen das in § 30 AO geregelte Steuergeheimnis und ist deshalb unzulässig.
Das Finanzgericht Köln stützt seine Entscheidung unter anderem darauf, dass die niedrige Steuerbelastung auf der „Ausnutzung“ bestehender Gesetze beruhe. Vor diesem Hintergrund könne die schlichte Behauptung des BZSt, die auszutauschenden Informationen dienten der Subsumtion unter steuerrelevante Sachverhalte, den beabsichtigten Austausch nicht rechtfertigen. Es sei nicht erkennbar, in welchem Staat welches konkrete Besteuerungsrecht bestehen und welcher konkrete Steuerpfli chtige hiervon betroffen sein soll. Den Finanzverwaltungen der „E6-Staaten“ ginge es „lediglich“ um die Klärung, worin die gesetzlichen Ursachen der niedrigen effektiven Steuerbelastung bestünden, um durch Gesetzesänderungen Abhilfe schaffen zu können. Das zwischenstaatliche Auskunftsverfahren bilde hierfür jedoch keine gesetzliche Grundlage. Nach jeder insoweit in Betracht kommenden Rechtsgrundlage sei nämlich Voraussetzung, dass die Informationen zur Durchführung konkreter Besteuerungsverfahren oder zur Vermeidung von Steuerhinterziehungen „erforderlich“ bzw. „voraussichtlich erheblich“ seien. Diese Anforderungen sah das Finanzgericht aber nicht als erfüllt an.
Im Wege der einstweiligen Anordnung wird dem BZSt bis zum rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens untersagt, den Finanzverwaltungen Australiens, Kanada, Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und Japans jeweils Informationen über die Konzernstruktur, die Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, die daraus folgende Besteuerung sowie sonstige Anmerkungen zu tatsächlichen und rechtlichen Besonderheiten der Antragstellerin zu übermitteln und sie um Übermittlung entsprechender Informationen zu ersuchen.
Vorläufiger Rechtsschutz gegen die Weiterleitung von Auskünften bzw. gegen das Ersuchen um Auskünfte ist im Wege einer einstweiligen Anordnung i.S.d. § 114 FGO statthaft.
Nach § 114 Abs. 1 Satz 1 FGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Nach Satz 2 dieser Vorschrift sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass der im Hauptverfahren geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) bezeichnet und glaubhaft gemacht werden (§ 114 Abs. 3 FGO i.V.m. § 920 Abs. 1, 2 ZPO). Bezeichnung und Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruchs bedeuten, dass der Antragsteller den Anspruch rechtlich schlüssig darlegen und dessen tatsächliche Voraussetzungen glaubhaft machen muss (§ 155 FGO i.V.m. § 294 ZPO).
Die Antragstellerin begehrt den Erlass einer Sicherungsanordnung, denn durch die gerichtliche Anordnung möchte sie verhindern, dass der BZSt sie betreffende steuerliche Verhältnisse an eine ausländische Steuerbehörde im Wege der Auskunftserteilung und des Auskunftsersuchens mitteilt. Sie möchte damit die Veränderung eines bestehenden Zustandes verhindern [1].
Die entsprechenden Voraussetzungen sind erfüllt. Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch ist gegeben. Die Antragstellerin hat einen Anspruch gegen den BZSt, die beabsichtigte Erteilung der Auskünfte bzw. das beabsichtigte Ersuchen um Auskünfte zu unterlassen.
Die Grundlage für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch bildet § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 30 AO [2]. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind erfüllt. Durch die Weiterleitung der erbetenen Auskünfte bzw. das Ersuchen um Auskünfte werden steuerliche Verhältnisse der Antragstellerin – nämlich Informationen über ihre Konzernstruktur, Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, der daraus folgenden Besteuerung sowie sonstige Anmerkungen in diesem Zusammenhang – unbefugt offenbart, so dass die Antragstellerin einen Unterlassungsanspruch hat.
Eine Duldungspflicht der Antragstellerin besteht nicht. Insbesondere hat sie es nicht analog § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, dass der BZSt die Informationen an die australische, kanadische, französische, britische und japanische Steuerbehörde weiterleitet. Die Antragstellerin ist insoweit durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO geschützt.
Dem Schutz durch das Steuergeheimnis steht nicht § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO entgegen, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind. Hiernach ist die Offenbarung steuerlicher Verhältnisse, die dem Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 2 AO unterliegen, ausnahmsweise zulässig, wenn sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist. Hieran mangelt es im Streitfall.
Die einzige im Streitfall in Betracht kommende ausdrückliche gesetzliche Zulassung in diesem Sinne enthält § 117 Abs. 2 AO, wonach die Finanzbehörden u.a. auf Grund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vereinbarungen sowie des EU-Amtshilfegesetzes Amtshilfe leisten können. Durch eine Maßnahme, die sich in diesem Rahmen hält, wird deshalb das Steuergeheimnis nicht verletzt [3].
Im Streitfall hat die Antragstellerin glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen für die Anwendung einer solchen völkerrechtlichen Vereinbarung weder hinsichtlich der geplanten Auskunftserteilung an die verschiedenen ausländischen Finanzbehörden noch hinsichtlich des geplanten Ersuchens um Auskunft bei den ausländischen Finanzbehörden gegeben sind.
Als innerstaatlich anwendbare völkerrechtliche Vereinbarung im Sinne des § 117 Abs. 2 AO, die zur Erteilung der beabsichtigten Auskunft befugen könnte, kommt im Verhältnis zu Australien, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Japan die jeweils im entsprechenden Doppelbesteuerungsabkommen geregelte Auskunftsklausel in Betracht (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-Australien, Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Kanada, Art. 22 Abs. 2 DBA-Frankreich, Art. 27 Abs. 1 DBA-Großbritannien, Art. 26 Abs. 1 DBA-Japan).
Danach tauschen die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten die Informationen aus, die zur Durchführung des jeweiligen Abkommens betreffend die unter das Abkommen fallenden Steuern „erforderlich“ (so Art. 24 Abs. 1 Satz 1 DBA-Australien, Art. 26 Abs. 1 Satz 1 DBA-Kanada, Art. 22 Abs. 2 DBA-Frankreich, Art. 26 Abs. 1 DBA-Japan) bzw. „voraussichtlich erheblich“ sind (so Art. 27 Abs. 1 DBA-Großbritannien). Das DBA-Japan beschränkt sich hierauf (sog. kleine Auskunftsklausel). Der Austausch nach den DBA-Australien, DBA-Kanada, DBA-Frankreich und DBA-Großbritannien umfasst dagegen zusätzlich die Informationen, die zur Durchführung des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten bzw. zur Vermeidung von Steuerhinterziehung erforderlich bzw. voraussichtlich erheblich sind (sog. große Auskunftsklausel, vgl. hierzu Hendricks, in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 27; Czakert, in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 26 Rn. 50 f.; Seer, in Tipke/Kruse, § 117 AO, Tz.19 ff.).
Eine Auskunftserteilung ist „erforderlich“, wenn die ernstliche Möglichkeit besteht, dass der andere Vertragsstaat abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht hat und ohne die Auskunft von dem Gegenstand dieses Besteuerungsrechts keine Kenntnis erlangt [4]; Hendricks, IStR 2008, 31, 33 f.; vgl. Seer, in Tipke/Kruse, § 117 AO, Tz. 18)). Die um Auskunft ersuchte Behörde muss dabei nicht den genauen Inhalt des ausländischen Rechts ermitteln. Es genügt eine „Schlüssigkeitsprüfung“. Allerdings muss ein Bezug zur Besteuerung im ersuchenden Staat bestehen [5]. Die Auskünfte müssen zudem vom ersuchenden Staat auch nach Ausschöpfung eigener Auskunftsquellen nicht erreichbar sein [6]. Folglich ist die Auskunftserteilung nicht schon dann legitimiert, wenn das entsprechende Ersuchen aus der Sicht des ersuchenden Staates effektiver oder einfacher ist als innerstaatliche Mittel [7].
Das Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ in dem DBA-Großbritannien, das Art. 26 OECD-MustAbk in seiner ab 2005 geltenden Fassung entspricht, verlangt, dass zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens eine vernünftige Möglichkeit aus Sicht des ersuchenden Vertragsstaates besteht, dass die Information für steuerliche Zwecke relevant sein wird [8]. Die Daten müssen für die Subsumtion unter Besteuerungstatbestände des ersuchenden Vertragsstaates von Bedeutung sein [9]. Darauf, ob die Information nach ihrer Übermittlung tatsächlich relevant ist, kommt es nicht an und macht das ursprüngliche Ersuchen nicht unzulässig [8]. Indes wird mit dem Tatbestandsmerkmal auch klargestellt, dass es den Vertragsstaaten nicht freisteht, „fishing expeditions“ bzw. Anfragen „ins Blaue hinein“ zu stellen oder um Auskünfte zu ersuchen, die wahrscheinlich für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen unerheblich sind (Art. 26 Rz. 5 OECD-MustAbk). Es muss ein Einzelfallbezug bestehen [10].
Rechtlich unterscheidet sich das Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ nicht vom Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“ [11]. Nach dem OECD-Musterkommentar sollte die Wirkung der Regelung nicht verändert werden (Art. 26 Abschn.04.1 OECD-MK). Das Kriterium der voraussichtlichen Erheblichkeit der Auskunft soll lediglich besser zum Ausdruck bringen, dass der ersuchte Staat regelmäßig nicht in der Lage sein wird, die tatsächliche Bedeutung der Information für das Besteuerungsverfahren im Empfangsstaat zu beurteilen [12].
Im Streitfall ist die geplante Weiterleitung der Auskünfte an die australische, kanadische, französische, britische und japanische Finanzbehörde nicht erforderlich bzw. voraussichtlich erheblich.
Geht man von der gegenüber der Antragstellerin in Aussicht gestellten Auskunftserteilung vom 28.08.2014 bzw. vom 04.05.2015 aus, so ist nicht erkennbar, inwieweit die ernstliche Möglichkeit besteht, dass Australien, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Japan abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht zusteht.
Denn in der Ankündigung der Auskunftserteilung vom 28.08.2014 führt das Finanzamt A lediglich aus, dass die Staaten die Geschäftsmodelle der digitalen Wirtschaft und deren Besteuerung untersuchen. Es wird weiterhin dargelegt, dass W u.a. in den genannten Ländern jeweils wirtschaftlich tätig sei und den dortigen Besteuerungsregelungen unterliege. Zur Prüfung der steuerlichen Konsequenzen sei die deutsche Finanzverwaltung jeweils von den genannten Finanzbehörden gebeten worden, die „firmen- und gesellschaftsrechtlichen Strukturen Ws darzustellen und die in Deutschland getätigten wirtschaftlichen Aktivitäten sowie die hieraus folgenden Besteuerungsrechte Deutschlands zu erläutern“. Diese Ausführungen sind sehr allgemein gehalten. Hieraus lässt sich nicht schließen, inwieweit die ernstliche Möglichkeit besteht, dass den genannten Staaten abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht zusteht.
Auf Nachfrage der Antragstellerin führte der BZSt in der letztmaligen Ankündigung der Auskunftserteilung vom 04.05.2015 zum Umfang der beabsichtigten Informationsweitergabe mit, dass es sich bei den weiterzuleitenden Daten um die bekannte Konzernstruktur, die Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, die hieraus folgende Besteuerung, und gegebenenfalls Anmerkungen zu tatsächlichen oder rechtlichen Besonderheiten handele.
Diese Angaben zu den beabsichtigten Auskunftserteilungen sind sehr abstrakt und unbestimmt. Es ist nicht erkennbar, welche Auskünfte in concreto übermittelt werden sollen. Es lässt sich erst Recht nicht erkennen, ob und inwieweit sie überhaupt einen Bezug zu einem Besteuerungsrecht und insbesondere gerade zu einem Besteuerungsrecht Australiens, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und Japans haben. Es geht nicht hervor, welcher vermeintlich steuerlich relevante Sachverhalt übermittelt werden soll.
Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der BZSt in einer E‑Mail vom 23.07.2014 (konkreter Absender geschwärzt) schreibt, dass er mit dem zuständigen Sachbearbeiter des Finanzamtes A vereinbart habe, dass er Anhörungsschreiben für jeweils fünf Länder sowohl für die Antragstellerin als auch für ein weiteres Unternehmen wortgleich (nur unter Anpassung der Firmen und unter Entfernung des Hinweises auf die Holding) erstellt. Auch hieran ist zu erkennen, dass es an einem Bezug zum Einzelfall mangelt.
Aber auch unter ergänzender Würdigung des Fallprofils, das jeweils an die australische, kanadische, französische, britische und japanische Finanzverwaltung übermittelt werden soll, sind die beabsichtigten Auskunftserteilungen weder erforderlich noch voraussichtlich erheblich im Sinne der Auskunftsklausel der jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen.
Das Fallprofil besteht in einer Bestandsaufnahme der Verhältnisse des W‑Konzerns. So werden die weltweite Struktur und das Geschäftsmodell des W‑Konzerns dargelegt.
Es wird wiederholt festgestellt, dass die Besteuerung des Konzerns auf der Grundlage der geltenden Gesetzeslage nicht zu beanstanden sei. Im Hinblick auf die Verrechnungsproblematik wird dies im Besonderen hervorgehoben. In dem Fallprofil wird zwar u.a. festgestellt, dass die Wirtschaftsprüfer nicht in der Lage seien, einen entsprechenden Beweis hervorzurufen, dass die Antragstellerin als abhängiger Vertreter in Form einer dauerhaften Betriebsstätte behandelt werden könne. Hieraus wird jedoch kein Informationsbedarf der Auskunft ersuchenden Finanzbehörden Australiens, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und Japans gefolgert. Vielmehr wird hieraus die Konsequenz gezogen, dass es „ohne eine internationale neue Regulierung der Besteuerung dieser Betriebe“ nicht möglich sein werde, zu einer Besteuerung zu gelangen, die spürbar von der bestehenden abweiche. Dass die Beweisbarkeit eines abhängigen Vertreters in Form einer dauerhaften Betriebsstätte nicht steuerlich erforderlich oder voraussichtlich erheblich ist, wird zudem dadurch bestätigt, dass die deutsche Finanzverwaltung in dem Fallprofil ausführt, dass selbst wenn man das Bestehen eines dauerhaften Vertreters mit einer deutschen Betriebsstätte beweisen könnte, die aktuelle Gesetzgebung keine Zuordnung bedeutsamer Gewinne zur dauerhaften Betriebsstätte erlaube. Schließlich liegt ein weiterer Schwerpunkt des Fallprofils in der Zusammenstellung von Empfehlungen de lege ferenda.
Aus dem Fallprofil ergibt sich nicht, dass und unter welchen Aspekten die ernstliche Möglichkeit besteht, dass der andere Vertragsstaat abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht hat und ohne die Auskunft von dem Gegenstand dieses Besteuerungsrechts keine Kenntnis erlangt. Ebensowenig ergibt sich, dass eine vernünftige Möglichkeit aus Sicht des ersuchenden Vertragsstaates besteht, dass die Information für steuerliche Zwecke relevant sein wird. Es ist kein Bezug zur Besteuerung in den einzelnen jeweiligen ersuchenden Staaten ersichtlich. Hieran mangelt es insbesondere auch deshalb, weil in dem Fallprofil nicht nach den Auskunft ersuchenden Staaten differenziert wird. Zwar hat das Finanzamt A in seinem Schreiben vom 28.08.2014 mitgeteilt, dass W u.a. in den betreffenden Ländern jeweils wirtschaftlich tätig sei und den dortigen Besteuerungsregelungen unterliege. Dies reicht jedoch nicht aus. Entsprechendes gilt für die Feststellung des BZSt in seinem Schreiben vom 04.05.2015. Hierin wird mitgeteilt, dass die betreffenden Länder auf Anregung Australiens die zutreffende Besteuerung bestimmter multinationaler Unternehmen prüften. Ebenso gilt entsprechendes, soweit der BZSt im vorliegenden Antragsverfahren vorträgt, dass durch die Auskunftserteilung eine Ermittlung nicht deklarierter Einkünfte ermöglicht bzw. erleichtert wird. Auch hierbei handelt es sich um eine schlichte Behauptung. Ungeachtet dessen, dass das tatsächlich mit der Auskunftsübermittlung verfolgte Ziel ein anderes ist – nämlich die effektive Änderung von Gesetzen – sind die vorgenannten Behauptungen nicht substantiiert dargelegt. Es handelt sich um schlichte, völlig abstrakt gehaltene Behauptungen. Es findet sich kein Hinweis darauf, dass gerade Australien, Kanada, Frankreich, Großbritannien und Japan ein Besteuerungsrecht haben könnten, das ihnen ohne die Auskunft unbekannt bliebe. Im Gegenteil, einen Schwerpunkt des Fallprofils bildet das Verhältnis zwischen der Antragstellerin und der W Inc. mit Sitz in den USA sowie der W … AG mit Sitz in der Schweiz. Dabei wird gemutmaßt, dass W die Besonderheiten des US-Steuersystems nutze, um Einkommen in Rechtsgebiete mit niedrigen Steuersätzen umzuschichten. Ungeachtet der mangelnden Erkennbarkeit eines bislang nicht bekannten möglichen Besteuerungsrechts sind die Finanzbehörden der USA und der Schweiz an dem Auskunftsaustausch schon gar nicht beteiligt.
Soweit der BZSt geltend macht, dass die Auskunftserteilung der zutreffenden Besteuerung oder der Ermittlung nicht deklarierter Einkünfte dient, rückt die Auskunftserteilung jedenfalls in die Nähe sog. „Fishing expeditions“, also von Auskunftserteilungen „ins Blaue hinein“. Denn dabei geht der Einzelfallbezug verloren. Weder ergibt sich, in welchem konkreten Staat welches vermeintliche Besteuerungsrecht bestehen soll, noch welcher konkrete Steuerpflichtige hiervon betroffen sein soll. Der W‑Konzern ist als solcher kein Steuerpflichtiger, sondern eine Zusammenfassung von einzelnen Steuerpflichtigen. Dass das Fallprofil in „irgendeinem“ Staat möglicherweise zur Besteuerung „irgendeiner“ Gesellschaft des W‑Konzerns führen könnte, reicht für dessen steuerliche Erforderlichkeit bzw. voraussichtliche Erheblichkeit nicht aus.
Dass das Erfordernis der Erforderlichkeit bzw. voraussichtlichen Erheblichkeit nicht erfüllt ist, wird zudem dadurch bestätigt, dass den Finanzbehörden aller fünf betreffenden Staaten das gleiche Fallprofil übermittelt werden soll. Auch hieran ist zu erkennen, dass nicht über einen Sachverhalt Auskunft erteilt werden soll, der im jeweils anderen Staat steuerlich relevant sein könnte.
Das Fallprofil dient – nach dem ausdrücklichen Vortrag des BZSt – vielmehr dazu, durch eine Zusammenarbeit der Finanzverwaltungen der beteiligten Staaten die Ursachen für die „niedrige effektive Steuerbelastung bestimmter multinationaler Unternehmen der digitalen Wirtschaft – wozu der W‑Konzern gehört – zu ermitteln. So endet das Fallprofil auch mit Empfehlungen.
Der BZSt beruft sich ausdrücklich auf den von der OECD veröffentlichten Aktionsplan gegen Base Erosion and Profit Shifting (BEPS), der der mangelhaften Besteuerung der digitalen Wirtschaft einen eigenen Aktionspunkt gewidmet hat. Der BZSt trägt dabei vor, dass die auszutauschenden Informationen präventiv zielorientiert im Sinne des BEPS zur Einführung von Antimissbrauchsregelungen in den gegebenenfalls neu zu verhandelnden DBAs und im internationalen Recht dienen würden. Denn die niedrige effektive Steuerbelastung beruht auf der „Ausnutzung“ der bestehenden Gesetzeslage. Es wird nicht substantiiert dargelegt, dass die niedrige effektive Steuerbelastung nicht im Einklang mit den Gesetzen stehen dürfte. Es wird lediglich – ohne nähere Konkretisierung – behauptet, dass die auszutauschenden Informationen u.a. der Subsumtion unter steuerrelevante Sachverhalte dienen würden. Den Finanzverwaltungen Australiens, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und Japans kommt es indes darauf an, zu klären, welche gesetzlichen Ursachen für die niedrige effektive Steuerbelastung bestehen, damit die Gesetzgeber der verschiedenen Staaten gesetzlich Abhilfe schaffen können.
Dies wird auch durch das Muster für das Fallprofil, welches dem Protokoll der Telefonkonferenz vom 15.01.2014 beigefügt ist, bestätigt. Hiernach sollen die Informationen einen Überblick über die Unternehmensgruppe, die Globale Struktur und das Geschäftsmodell, Anforderungen an Besteuerung und Verwaltung (Bestandsaufnahme und Bedürfnisse) im Hinblick auf BEPS sowie Empfehlungen für die Zukunft umfassen.
Das Aufklärungsbedürfnis der E6-Staaten bezieht sich dabei von der Zielsetzung her noch nicht einmal konkret auf den W‑Konzern, sondern auf die Unternehmen der digitalen Wirtschaft insgesamt. So trägt auch der BZSt vor, dass die geringe Steuerquote der Unternehmen im Bereich der digitalen Wirtschaft aufgeklärt werden soll. Die Untersuchung des Falls W ist folglich lediglich „Mittel zum Zweck“.
Daraus ist ersichtlich, dass die Übermittlung des Fallprofils nicht für die Besteuerung erforderlich bzw. voraussichtlich erheblich ist, sondern dass die Erforderlichkeit bzw. voraussichtliche Erheblichkeit für die zukünftige Gesetzgebung besteht.
Der Einwand des BZSt, dass bereits ein hinreichender Anlass, wie konkrete Umstände oder Erfahrungswerte, die auch branchenspezifisch sein könnten, für die Erteilung einer Auskunft ausreichen würden, verfängt im Streitfall nicht. Das Erfordernis eines Einzelfallbezugs kann nicht gänzlich außer Kraft gesetzt, sondern – je nach den konkreten Umständen – lediglich in einem weiteren Sinne verstanden werden.
So betrifft auch das vom BZSt in diesem Zusammenhang zitierte Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24.Oktober 1989 [13] ein Sammelauskunftsersuchen an Kreditinstitute. Dort knüpfte das Auskunftsersuchen an den Inhalt der Bescheinigungen des klagenden Kreditinstituts und das Ergebnis der Kontrollmitteilungen durch die Betriebsprüfungsstelle. Die Gruppe der betroffenen Steuerpflichtigen konnte durch diese spezifischen Suchkriterien identifiziert werden. Im Streitfall mangelt es an solchen spezifischen Suchkriterien. Allein die Zugehörigkeit zu den Unternehmen der digitalen Wirtschaft reicht hierfür nicht aus, da dieses Kriterium viel zu abstrakt ist. Hieran ändert auch nichts, dass sich der BZSt auf branchenspezifische Feststellungen beruft. Denn auch diese stellen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dar.
Hinzu kommt, dass die von dem BZSt vorgetragenen Erfahrungswerte darauf hinaus laufen, dass die Unternehmen der digitalen Wirtschaft durch steuerliche Gestaltungen einer niedrigen Steuerquote unterliegen. Indes ist dies auf eine „Ausnutzung“ der geltenden Rechtslage zurückzuführen. Die Besteuerung steht im Einklang mit den Gesetzen. Ziel des BZSt ist es, einen Beitrag zur Aufklärung der – rechtlich nicht zu beanstandenden – branchenspezifischen geringen Steuerquote der Unternehmen im Bereich der digitalen Wirtschaft zu leisten.
Soweit der BZSt erstmals mit Schriftsatz vom 24.07.2015 ausführlicher auf die Verrechnungspreisproblematik abstellt, vermag dies ebenfalls nicht das Tatbestandsmerkmal der „Erforderlichkeit“ bzw. „voraussichtlichen Erheblichkeit“ der Auskünfte zu erfüllen. Die diesbezüglichen Ausführungen sind sehr abstrakt gehalten und weisen keinen Bezug zum konkreten Streitfall auf. Außerdem spiegeln sich diese Ausführungen nicht in dem Fallprofil wider. In dem Fallprofil werden nicht unter Differenzierung zwischen den verschiedenen Empfängerstaaten hierauf konkret bezogene Auskünfte erteilt. Die Ausführungen sind vielmehr derart allgemein formuliert, dass sie auf jeden international tätigen Konzern übertragen werden könnten. Es wird noch nicht einmal dargelegt, im Verhältnis zwischen welchen Gesellschaften und welchen Staaten die Informationen im Hinblick auf die Verrechnungspreise relevant sein sollen.
Zwar führt der BZSt aus, dass im Wege des Auskunftsverkehrs geklärt werden könnte, ob oder in welchem Maße die Tätigkeit der Antragstellerin das Kerngeschäft des Konzerns beeinflusse und ob oder inwieweit die deutschen Geschäftsführer auch in den UK-Gesellschaften tätig seien. Jedoch ist nicht erkennbar, inwieweit durch das Fallprofil gerade hierzu relevante Auskünfte erteilt werden sollen. Es handelt sich vielmehr um einen Aufklärungswunsch, dem allgemein im Rahmen des Informationsaustauschsprojektes der E6 Rechnung getragen werden soll.
Mit den erst zuletzt im vorliegenden Verfahren nachgeschobenen Ausführungen versucht der BZSt, eine Relevanz der Auskunftserteilung für die Besteuerung darzulegen. Allerdings ist nicht erkennbar, inwieweit gerade das Fallprofil diese Relevanz erfüllt. Denn in ihm wird nicht konkret mitgeteilt, wie z.B. die Wertschöpfungsbeiträge verteilt sind. Letztlich formuliert der BZSt lediglich das Ziel und die Feststellung, dass nur mit länderübergreifenden Beiträgen die Art und Höhe der im Rahmen der Wertschöpfungskette in Deutschland und den weiteren beteiligten Ländern erbrachten Leistungen bestimmt werden können. Inwieweit gerade das Fallprofil hierfür erforderlich bzw. voraussichtlich erheblich ist, ist nicht erkennbar. Das Ziel kann – wenn überhaupt – nur als erstrebtes Ziel des Gesamtprojektes der E6 verstanden werden.
Allerdings ändert auch dies nichts daran, dass das Fallprofil einen ersten Beitrag zur Auswertung des aktuellen Steuersystems leisten soll, worauf der BZSt zum wiederholten Male auch in seinem zuletzt eingereichten Schriftsatz vom 24.07.2015 hinweist. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Zielsetzung, die nicht von den DBA-Auskunftsklauseln gedeckt ist.
Der BZSt trägt auch vor, dass es zur Klärung der internen Beziehung der W Inc. (USA) sowie der W … AG (Schweiz) erforderlich sei, dass Kenntnisse über die vertraglichen Regelungen der einzelnen W Unternehmen im Detail erlangt würden. Wenn dies eines der Ziele der Auskunftserteilung sein soll, dann erscheint es zweifelhaft, dass ausgerechnet die Finanzbehörde der entsprechenden Sitzstaaten – USA und Schweiz – nicht an dem Informationsaustausch beteiligt sind.
Ungeachtet dessen ist auch nicht erkennbar, inwieweit die Informationen für die Finanzverwaltungen Australiens, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und Japans auch nach Ausschöpfung eigener Auskunftsquellen nicht erreichbar sind. Dies gilt umso mehr, als ein Teil der Informationen sogar im Internet frei zugänglich sind.
Entgegen der Auffassung des BZSt unterliegen die mit dem Fallprofil zur Weiterleitung vorgesehenen Informationen auch in vollem Umfang dem Schutzbereich des Steuergeheimnisses nach § 30 AO. Insbesondere das Tatbestandsmerkmal des „Offenbarens“ ist erfüllt.
Voraussetzung des Offenbarens ist, dass die Verhältnisse des anderen oder die Geheimnisse nicht bereits bekannt sind [14]. Was jedem Interessenten ohne größere Schwierigkeiten und Opfer zugänglich ist, ist offenkundig und kann nicht mehr offenbart werden [15], z.B. die durch Pressemitteilungen (im Internet) veröffentlichten Informationen [16].
Auch wenn der BZSt geltend macht, dass es sich bei einem Teil der Auskünfte, deren Weiterleitung geplant ist, um Informationen handelt, die im Internet zugänglich sind, vermag das Finanzgericht gleichwohl nicht für einen bestimmten Teil der zur Weiterleitung geplanten Informationen das Tatbestandsmerkmal des „Offenbarens“ zu verneinen und damit den Schutz durch § 30 AO auszuschließen. Denn zum einen lässt sich im Fallprofil nicht klar trennen, welche konkreten Informationen aus dem Internet stammen und welche nicht. Zum anderen führt die Nutzung der im Internet zugänglichen Informationen im Kontext mit den weiteren Informationen dazu, dass der Aussagewert für die Empfängerstaaten insgesamt ein höherer ist. Ein solcher Aussagewert kommt den im Internet zugänglichen Informationen jeweils für sich gesehen nicht zu.
Soweit der BZSt in Frage stellt, ob ein Informationsaustausch bezüglich einer internationalen Tätigkeit eines Unternehmens in der digitalen Wirtschaft überhaupt ein Steuergeheimnis nach § 30 AO verletzen könne, vermag das Finanzgericht dem nicht zu folgen. Im Streitfall geht es um den Schutz der Antragstellerin durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO. Nur weil sie Teil eines international tätigen Konzerns ist, ist dadurch nicht ihr Schutz reduziert. Der Besteuerung eines über mehrere Länder hinaus tätigen Unternehmens trägt der internationale Auskunftsverkehr Rechnung. Das Bedürfnis nach einem internationalen Auskunftsverkehr setzt den Schutzbereich des § 30 AO jedoch nicht dem Grunde nach außer Kraft. Es sind lediglich Durchbrechungen möglich, insbesondere wenn sie vom Gesetz vorgesehen sind. Solche gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen bilden u.a. die Auskunftsklauseln der Doppelbesteuerungsabkommen. Allerdings müssen deren Voraussetzungen erfüllt sein.
Im Verhältnis zur französischen und britischen Finanzbehörde ergibt sich eine gesetzliche Zulassung zur Durchbrechung des Steuergeheimnisses i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO auch nicht aus § 117 Abs. 2 AO i.V.m. dem EU-Amtshilfegesetz.
Insoweit kommt § 4 Abs. 1 Satz 1 EU-AHiG in Betracht. Hiernach erstellt die zuständige Finanzbehörde auf Ersuchen alle Antworten, die für die Festsetzung von Steuern nach § 1 EU-AHiG voraussichtlich erheblich sind. Hieran mangelt es.
Mit dem Tatbestandsmerkmal der „voraussichtlichen Erheblichkeit“ wurde der OECD-Standard im EU-AHiG übernommen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass ein Informationsaustausch in Steuerangelegenheiten im größtmöglichen Umfang stattfindet. Zugleich soll klargestellt werden, dass es den Mitgliedstaaten nicht gestattet ist, sich an Beweisausforschungen („Fishing Expeditions“) zu beteiligen oder um Informationen zu ersuchen, bei denen es unwahrscheinlich ist, dass sie für die Steuerangelegenheiten eines bestimmten Steuerpflichtigen erheblich sind [17].
Wie bereits zuvor im Zusammenhang mit den DBA-Auskunftsklauseln dargelegt, ist das Tatbestandsmerkmal der voraussichtlichen Erheblichkeit im Streitfall nicht erfüllt.
Eine gesetzliche Zulassung zur Durchbrechung des Steuergeheimnisses i.S.d. § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO ergibt sich – entgegen der Auffassung des BZSt – auch nicht aus § 117 Abs. 3 AO (sog. Kulanzauskunft). Denn diese Norm ist nicht anwendbar.
Nach § 117 Abs. 3 AO können die Finanzbehörden unter bestimmten Voraussetzungen nach pflichtgemäßem Ermessen zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe auf Ersuchen auch in anderen Fällen als denen des § 117 Abs. 2 AO leisten.
Der genaue Anwendungsbereich von § 117 Abs. 3 AO, insbesondere das Verhältnis zu den in § 117 Abs. 2 AO genannten völkerrechtlichen Vereinbarungen, ist umstritten. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass eine Kulanzauskunft nach § 117 Abs. 3 AO ausscheidet, wenn mit dem ersuchenden Staat eine völkerrechtliche Vereinbarung über den zwischenstaatlichen Informationsaustausch existiert. Denn dann richte sich der Auskunftsverkehr ausschließlich nach an dieser Vereinbarung [18]. Zu einem anderen Teil wird die Auffassung vertreten, dass Kulanzauskünfte erteilt werden können, wenn entweder völkerrechtliche Vereinbarungen fehlen oder aber im Falle der Existenz völkerrechtlicher Vereinbarungen, diese im konkreten Fall nicht einschlägig sind [19].
Es kann im Streitfall dahingestellt bleiben, welcher Auffassung vor dem Hintergrund des Vorrangs völkerrechtlicher Vereinbarungen nach § 2 AO der Vorzug zu geben ist. Denn beide Auffassungen führen im Streitfall dazu, dass § 117 Abs. 3 AO nicht zur Anwendung gelangt. Denn im Hinblick auf die Staaten aller fünf Empfänger-Finanzbehörden existieren völkerrechtliche Doppelbesteuerungsabkommen, die im Streitfall auch einschlägig, also dem Grunde nach anwendbar sind. Die Auskunftserteilung nach den völkerrechtlichen Verträgen scheitert lediglich daran, dass die konkreten Tatbestandsmerkmale der „Erforderlichkeit“ bzw. „voraussichtlichen Erheblichkeit“ nicht erfüllt sind.
Die Antragstellerin hat es auch nicht analog § 1004 Abs. 2 BGB zu dulden, dass der BZSt ein Auskunftsersuchen an die australische, kanadische, französische, britische und japanische Steuerbehörde weiterleitet. Die Antragstellerin ist auch insoweit durch das Steuergeheimnis nach § 30 AO geschützt. Dem Schutz durch das Steuergeheimnis steht nicht § 30 Abs. 4 Nr. 2 AO entgegen. Die streitige Offenbarung der steuerlichen Verhältnisse ist nicht durch Gesetz ausdrücklich zugelassen.
Als Ermächtigungsgrundlage für das Auskunftsersuchen kommt im Streitfall § 117 Abs. 1 AO in Betracht, dessen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind.
Nach § 117 Abs. 1 AO können die Finanzbehörden zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe nach Maßgabe des deutschen Rechts in Anspruch nehmen. Aufgrund des Tatbestandsmerkmals „nach Maßgabe des deutschen Rechts“ ist keine spezielle Rechtsgrundlage erforderlich. Die Inanspruchnahme ausländischer Amtshilfe im Wege eines Auskunftsersuchens bedarf also keiner weiteren besonderen innerstaatlichen Rechtsgrundlage [20].
Die Inanspruchnahme zwischenstaatlicher Amts- und Rechtshilfe gemäß § 117 Abs. 1 AO ist nur unter den Voraussetzungen der nationalen Amtshilfe (§§ 111 ff. AO) zulässig. Deshalb müssen die Auskünfte zur Durchführung der deutschen Besteuerung „erforderlich“ sein (§ 111 Abs. 1 Satz 1 AO). Erforderlich sind Auskünfte dann, wenn diese für die Besteuerung rechtlich erheblich; und vom ersuchenden Staat auch nach Ausschöpfung eigener Auskunftsquellen nicht erreichbar sind [21].
Im Streitfall ist die Einholung der Auskünfte jeweils bei der australischen, kanadischen, französischen, britischen und japanischen Steuerbehörde nicht erforderlich i.S.d. § 111 Abs. 1 Satz 1 AO.
Der Inhalt der geplanten Auskunftsersuchen ergibt sich aus den an die Antragstellerin gerichteten Schreiben vom 28.08.2014; und vom 04.05.2015. Diese Schreiben lassen nicht erkennen, inwieweit und in Bezug worauf die Finanzbehörden Australiens, Kanadas, Frankreichs, Großbritanniens und Japans Auskünfte erteilen können sollen, die für die Besteuerung der Antragstellerin rechtlich erheblich sind.
Aus den beiden Schreiben ist zu schließen, dass hinsichtlich des W‑Konzerns um Auskunft ersucht werden soll zur Konzernstruktur, den Aufgaben, Funktionen und Vergütungen, der hieraus folgende Besteuerung, und gegebenenfalls Anmerkungen zu tatsächlichen oder rechtlichen Besonderheiten.
Dieses Auskunftsersuchen ist – entsprechend der geplanten Auskunftserteilung – sehr abstrakt und unbestimmt. Es ist nicht erkennbar, welche der jeweiligen Behörden um jeweils welche Auskünfte konkret ersucht werden soll. Es lässt sich erst Recht nicht erkennen, ob und inwieweit überhaupt ein Bezug zu einem Besteuerungsrecht Deutschlands besteht. Es geht nicht hervor, welcher vermeintlich steuerlich relevante Sachverhalt mit dem Auskunftsersuchen übermittelt werden soll.
Der BZSt hat zudem nicht dargelegt, welcher aufzuklärende Sachverhalt im Streitfall zu einer höheren Besteuerung führen kann und inwieweit gerade die ersuchten Finanzbehörden hierzu jeweils Auskünfte geben können sollen. Selbst im Zusammenhang mit der Verrechnungspreisproblematik, auf die der BZSt auch erst zuletzt im vorliegenden Verfahren eingegangen ist und die sich in dem abstrakt umschriebenen Auskunftsersuchen nicht widerspiegelt, bestehen keine derartigen Anhaltspunkte mit Bezug zu den jeweils ersuchten Staaten.
Die mangelnde Erforderlichkeit wird auch dadurch bestätigt, dass das Ziel des Projektes der E6 in der Verhinderung von Steuergestaltungen, insbesondere BEPS besteht.
Die Tatsache, dass das Auskunftsersuchen an die Finanzbehörden aller fünf betroffenen Staaten gleich lautet, bestätigt zusätzlich, dass es sich um die Einholung um Auskünften handelt, die zumindest in die Nähe von Auskunftsersuchen „ins Blaue hinein“ rücken.
Als weitere Ermächtigungsgrundlage für das Auskunftsersuchen kommt im Verhältnis zur französischen und britischen Steuerbehörde zusätzlich auch § 6 EU-AHiG in Betracht. Auch dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt. Denn auch diese Vorschrift verlangt – wie die Auskunftserteilung nach § 5 EU-AHiG –, dass die Informationen für die Besteuerung voraussichtlich erheblich sind (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EU-AHiG). Hieran mangelt es.
Soweit die Beteiligten den Fragenkatalog gemäß der E‑Mail eines Mitarbeiters des BZSt (Urheber geschwärzt) vom 10.02.2015 ansprechen, ist dieser nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Der BZSt hat hierzu vorgetragen, dass es sich um Fragen handele, die im Rahmen des Informationsaustauschs auf Prüferebene an die beteiligten ausländischen Finanzbehörden gestellt werden sollen. Die Antragstellerin wurde bislang nicht hierzu angehört. Sie hat den Fragenkatalog auch nicht zum Gegenstand ihres Antrags gemacht.
Ein Anordnungsgrund i.S.d. § 114 FGO ist ebenfalls gegeben. Denn im Streitfall droht eine Verletzung des subjektiven Rechts der Antragstellerin auf Wahrung des Steuergeheimnisses durch eine nicht durch eine Rechtsgrundlage abgedeckte Auskunft; diese Verletzung könnte nicht mehr rückgängig gemacht werden und kann nur durch den Erlass der einstweiligen Anordnung aufgehalten werden [22]. In diesem Fall folgt der Anordnungsgrund aus dem Anordnungsanspruch.
Der Einwand des BZSt, dass die ausländischen Finanzverwaltungen ihrerseits zur Geheimhaltung der Informationen verpflichtet seien, vermag hieran nichts zu ändern. Denn das Steuergeheimnis ist im Streitfall unabhängig von der Geheimhaltungspflicht der anderen Behörden nicht gewahrt, da es an einer gesetzlichen Grundlage für dessen Durchbrechung mangelt.
Finanzgericht Köln, Beschluss vom 7. September 2015 – 2 V 1375/15
- vgl. hierzu BFH, Beschluss vom 28.10.1997 – VII B 40/97, BFH/NV 1998, 424[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 17.09.2007 – I B 30/07, BFH/NV 2008/51; vom 29.04.1992 – I B 12/92, BFHE 167, 11; BStBl II 1992, 645[↩]
- vgl. BFH, Beschlüsse vom 10.05.2005 – I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503; vom 29.04.1992 – I B 12/92, a.a.O.[↩]
- BFH, Beschluss vom 10.05.2005 – I B 218/04, BFH/NV 2005, 1503; vom 13.01.2006 – I B 35/05, BFH/NV 2006, 922; vom 17.09.2007 – I B 30/07, BFH/NV 2008, 51 ((jeweils im Zusammenhang mit einer Spontanauskunft[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.04.2008 – I R 79/07, BFH/NV 2008, 1807[↩]
- Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz.19.97; Eilers, in D/W, Doppelbesteuerung, Art. 26 MA Rz. 26[↩]
- Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz.19.97[↩]
- Hendricks, in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 29; Czakert, in Schönfeld/Ditz, DBA, Art. 26 Rn. 55[↩][↩]
- Hendricks, in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 29[↩]
- Hendricks, in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 26 Rn. 30[↩]
- vgl. Engelschalk in Vogel/Lehner, DBA, 5. Auflage 2008, Art. 26 Rz. 34[↩]
- vgl. Engelschalk in Vogel/Lehner, DBA, 5. Auflage 2008, Art. 26 Rz. 34; Herlinghaus, in FS Herzig, S. 933, 946[↩]
- BFH, Urteil vom 24.10.1989, VII R 1/87, BStBl II 1990, 198, BFHE 158, 502[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 29.04.1993 – IV R 107/92, BStBl II 93, 666; Drüen, in Tipke/Kruse, § 30 AO, Tz. 51a[↩]
- Drüen, in Tipke/Kruse, § 30 AO, Tz. 51a[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 14.04.2008 – VII B 226/07, BFH/NV 2008, 1295[↩]
- Begründung zum Entwurf des EU-Amtshilfegesetz der Bundesregierung vom 25.05.2012, BR-Drs. 302/12, S. 66 f.[↩]
- vgl. Wagner in Kühn/v. Wedelstädt, § 117 AO Rz. 5; Becker, JbFfSt 1980/81, 122, 135[↩]
- Hendricks, in Beermann/Gosch, § 117 AO, Rn. 102; Seer, in Tipke/Kruse, § 117 AO, Tz. 91; Söhn, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 117 AO Rn. 168[↩]
- vgl. Höppner, in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA-Kommentar, Art. 26 OECD-MustAbk Rz. 246[↩]
- Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 3. Aufl., Rz.19.63; vgl. Seer, in Tipke/Kruse, § 117 AO Tz. 11[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 15.02.2006 – I B 87/05, BStBl II 2006, 616, BFHE 212, 4[↩]