Der betriebliche Kindergarten – und die Gemeinnützigkeit

Eine Körperschaft, die Kinderbetreuungseinrichtungen betreibt, fördert nicht die Allgemeinheit, wenn sie bei der Belegung der Plätze die Belegungspräferenz ihrer Vertragspartner, bestimmter Unternehmen, in der Weise berücksichtigt, dass sich der geförderte Personenkreis nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.

Der betriebliche Kindergarten – und die Gemeinnützigkeit

Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG sind Körperschaften, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und den Bestimmungen entsprechen, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO). Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.

Zudem ist eine Förderung der Allgemeinheit gemäß § 52 Abs. 1 Satz 2 AO nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist, zum Beispiel Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann.

Hierzu hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass der Träger einer Privatschule mit dem Schulbetrieb nicht die Allgemeinheit fördert, wenn die Höhe der Schulgebühren auch unter Berücksichtigung eines Stipendienangebots zur Folge hat, dass die Schülerschaft sich nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt1. Danach ist von einer Förderung der Allgemeinheit nur dann auszugehen, wenn im Grundsatz jedermann freien Zutritt zur Körperschaft oder zu ihren Leistungen hat und sich der geförderte Personenkreis dementsprechend zumindest als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt2 und die Allgemeinheit repräsentiert3.

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Eine Förderung der Allgemeinheit liegt jedoch nicht mehr vor, wenn der begünstigte Personenkreis i.S. des § 52 Abs. 1 Satz 2 Alternative 1 AO fest abgeschlossen ist, da die Interessen der Begünstigten klar von den Interessen der Allgemeinheit abgegrenzt sind4.

Danach fördert im hier entschiedenen Fall die klagende GmbH einen fest abgeschlossenen Personenkreis und nicht die Allgemeinheit:

Ohne Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Satz 2 AO und die hierzu ergangene BFH-Rechtsprechung konnte das Finanzgericht Düsseldorf5 dies damit begründen, dass bei drei der vier Betreuungseinrichtungen sämtliche Plätze von den Mitarbeitern bestimmter Unternehmen besetzt werden konnten, und es nur in einer Kinderbetreuungseinrichtung zwei von 20 Plätzen gab, die nicht einem Unternehmen zur Verfügung zu stellen waren. Dass das Finanzgericht es als unerheblich ansah, nicht belegte Restplätze vertraglich anderweitig vergeben zu können, was dazu führte, dass z.B. nach den bindenden Feststellungen des Finanzgericht in einer Kinderbetreuungseinrichtung deutlich mehr als die Hälfte der Plätze betriebsfremd belegt wurden, ist gleichfalls revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Eine anderweitige tatsächliche Belegung ist nach den Verhältnissen des Streitfalls bereits deshalb unerheblich, da die Körperschaft „darauf gerichtet sein muss, die Allgemeinheit (…) zu fördern“, was unter den Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO ohne feste „Restplatzquote“6 zu verneinen ist.

Nach den  Feststellungen des Finanzgericht hatte sich die GmbH vertraglich verpflichtet, fast sämtliche von ihr angebotenen Betreuungsplätze den Unternehmen als ihren Vertragspartnern anzubieten. Das Finanzgericht hat hierzu insbesondere festgestellt, dass für die Aufnahme der zu betreuenden Kinder für die Beschäftigten der Vertragspartner der GmbH die Aufnahmebedingungen der GmbH galten, wobei die GmbH auf die Belegungspräferenz der jeweiligen Vertragspartner Rücksicht nehmen sollte, sofern dies mit den gesetzlichen Bestimmungen, behördlichen Auflagen und dem pädagogischen Konzept vereinbar war. Es ist bei seiner Würdigung davon ausgegangen, dass die Betreuungsplätze wegen der Berücksichtigung der Belegungspräferenz der Vertragspartner der GmbH vorrangig den Beschäftigten der Vertragspartner der GmbH und damit nicht der Allgemeinheit zugutekamen, auch wenn die Plätze tatsächlich teilweise anderweitig belegt wurden. Dass das Finanzgericht es zudem für unerheblich hielt, dass die GmbH in einer Einrichtung vier von insgesamt zwölf Plätzen der Stadt A zur Erfüllung des Rechtsanspruchs auf einen Krippenplatz ab August 2012 zur Verfügung stellte, ist angesichts der insgesamt bestehenden Kapazitäten der GmbH von seinerzeit insgesamt 102 Plätzen revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn diese nur wenigen Plätze führen nicht dazu, dass sich der von der GmbH geförderte Personenkreis als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt7.

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Diese Würdigung des Finanzgericht verstößt nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze und ist möglich, weil mit der vertraglich geregelten Belegungspräferenz wesentlich das Partikularinteresse der Unternehmen, ihre eigene Attraktivität als Arbeitgeber für Eltern mit Kindern zu erhöhen, gegenüber dem Interesse der Allgemeinheit an Kinderbetreuungsplätzen in den Vordergrund tritt8.

Entgegen dem Urteil des Finanzgericht kommt es auf die Frage der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) zur Beurteilung der Gemeinnützigkeit nicht an, da es nach § 52 Abs. 1 Satz 2 AO bereits am Grundtatbestand der Gemeinnützigkeit fehlt.

Die von der GmbH vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.

Entgegen der Auffassung der GmbH setzt auch der Anwendungsbereich der Zweckbetriebsdefinition des § 68 Nr. 1 Buchst. b AO einen Betrieb durch eine Körperschaft voraus, die den Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO entspricht.

Die von der GmbH angeführte Gestaltungsempfehlung des öffentlichen Jugendhilfeträgers zu ihrer Gründung entbindet nicht von der Einhaltung des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO.

Soweit die GmbH meint, ihre Tätigkeit sei nicht auf die Belegschaft eines einzelnen Unternehmens festgelegt, da sie Verträge mit mehreren Unternehmen abgeschlossen habe, lässt dies die feste Abgeschlossenheit des Begünstigtenkreises nicht entfallen. Eine solche kann sich gleichermaßen aus der Vereinbarung mit nur einem oder aus gleichartigen Vereinbarungen mit mehreren Unternehmen über die Nutzung der Betreuungseinrichtungen ergeben.

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Anders als die GmbH vorbringt ist für Zwecke des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO auf die Beschäftigten der Vertragspartner der GmbH abzustellen, da diese Vorschrift die Zugehörigkeit zur Belegschaft eines Unternehmens gerade als Beispiel eines fest abgeschlossenen Personenkreises ausdrücklich benennt und dies im vorliegenden Fall zur Aufnahme dadurch bestimmter Kinder in den Einrichtungen der GmbH führt.

Daran ändern auch die Hinweise der GmbH nichts, sie setze mit ihrer Tätigkeit einen verfassungsrechtlichen Auftrag um, nämlich die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit, und bediene als Mittel zur Deckung des Bedarfs der Daseinsvorsorge zum allgemeinen Wohl die Nachfrage seitens der Allgemeinheit nach Kinderbetreuungsplätzen. Der Gesetzgeber hat dies im Rahmen seines Spielraums mit der Regelung des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO dann eingeschränkt, wenn eine derartige Förderung -wie im Streitfall- einem fest abgeschlossenen Personenkreis zugutekommt. Aus demselben Grund greift auch das Argument der GmbH nicht, sie unterstütze Kinder und damit im Gemeinwohlinteresse besonders schutzwürdige Personen.

Soweit sich die GmbH darauf beruft, ihre Tätigkeit erfülle die Förderung der Jugendhilfe sowie der Erziehung gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 bzw. Nr. 7 AO und sei schon deshalb als Förderung der Allgemeinheit anzusehen, gilt dies nach dem Einleitungssatz des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO lediglich „unter den Voraussetzungen des Absatzes 1“ und damit nur, wenn der grundsätzlich begünstigte Zweck mit einer die Allgemeinheit i.S. von § 52 Abs. 1 AO fördernden Tätigkeit verfolgt wird9.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Februar 2022 – V R 1/20

  1. BFH, Beschluss vom 26.05.2021 – V R 31/19, BFHE 272, 335, BStBl II 2021, 835, Leitsatz[]
  2. BFH, Beschluss in BFHE 272, 335, BStBl II 2021, 835, Rz 33 f.[]
  3. BFH, Beschluss in BFHE 272, 335, BStBl II 2021, 835, Rz 35; vgl. auch BFH, Urteile vom 23.07.2003 – I R 41/03, BFHE 203, 305, BStBl II 2005, 443, unter II. 1.; und vom 13.08.1997 – I R 19/96, BFHE 183, 371, BStBl II 1997, 794, unter II. 4.[]
  4. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 52 AO Rz 67; Seer in Tipke/Kruse, § 52 AO Rz 10; Jachmann in Gosch, AO § 52 Rz 24; Geibel in Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, § 52 AO Rz 19; Weidmann/Kohlhepp, Die gemeinnützige GmbH, 4. Aufl.2020, S. 61; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 132 f.; Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl., § 6 Rz 48[]
  5. FG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2019 – 6 K 94/16 K[]
  6. vgl. zur Bedeutung einer Stipendiatenquote bei Schulen BFH, Beschluss in BFHE 272, 335, BStBl II 2021, 835, Rz 36 ff.[]
  7. vgl. BFH, Beschluss in BFHE 272, 335, BStBl II 2021, 835, Rz 40[]
  8. vgl. zur Bindungswirkung allgemein BFH, Beschluss in BFHE 272, 335, BStBl II 2021, 835, Rz 37; BFH, Urteil vom 05.12.2018 – XI R 10/16, BFH/NV 2019, 433, Rz 80[]
  9. BFH, Beschluss in BFHE 272, 335, BStBl II 2021, 835, Rz 45; Seer in Tipke/Kruse, § 52 AO Rz 17; Musil in HHSp, § 52 AO Rz 100[]
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