Der Streit um die verdeckte Gewinnausschüttung – und die Beiladung von Gesellschaftern zu Klageverfahren der GmbH

Die Voraussetzungen für eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 AO sind bei der Beiladung von Gesellschaftern zu Klageverfahren der Gesellschaft wegen einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) nicht gegeben.

Der Streit um die verdeckte Gewinnausschüttung – und die Beiladung von Gesellschaftern zu Klageverfahren der GmbH

Die Beiladung eines Dritten ist nach § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 AO -unabhängig von den Voraussetzungen des § 60 FGO- zulässig, wenn ein Steuerbescheid aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts zugunsten des Steuerpflichtigen aufzuheben oder zu ändern ist und hieraus rechtliche Folgerungen bei dem Dritten zu ziehen sind1 und das Finanzamt die Beiladung des Dritten beantragt oder veranlasst hat2.

Denn die Möglichkeit zur Korrektur von Steuerbescheiden wegen irriger Beurteilung von bestimmten Sachverhalten besteht nicht nur gegenüber dem Steuerpflichtigen, aufgrund dessen Antrag der ursprünglich ergangene Steuerbescheid aufgehoben oder geändert wird, sondern gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1 AO auch gegenüber Dritten. Um dies zu gewährleisten, kann das Finanzamt die Beiladung dieses Dritten in dem gegen den ursprünglich ergangenen Bescheid angestrengten Klageverfahren beantragen. Der in mehreren Steuerfestsetzungen steuerrechtlich zu würdigende Sachverhalt, das zu würdigende tatsächliche Geschehen, muss jedoch identisch sein3.

So wie sich der Sachverhalt für den Bundesfinanzhof beim derzeitigen Verfahrensstand darstellt, sind diese Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt. Der Kläger strebt zwar mit seiner Klage eine Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Änderungsbescheide zu Gunsten der X-GmbH an, weil das Finanzamt die zugrundeliegenden Sachverhalte falsch beurteilt habe. Es ist jedoch beim gegenwärtigen Verfahrensstand nicht zu ersehen, inwiefern aus einem Erfolg oder Teilerfolg der Klage -d.h. aus der Rückgängigmachung der vom Finanzamt hinzugerechneten vGA (weil die Zahlungen nicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst worden waren) oder aus der Erhöhung der vom Finanzamt angesetzten Rückstellungen (weil die X-GmbH die Rückstellungen in richtiger Höhe angesetzt hatte)- möglicherweise steuerliche Folgerungen zu Lasten der Beigeladenen zu ziehen sein könnten.

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Es scheint vielmehr so zu sein, dass die steuerlichen Folgerungen gegenüber den Beigeladenen, die das Finanzamt bei seinem Beiladungsantrag in Betracht gezogen hat, nicht an einen Erfolg der Klage, sondern vielmehr an eine Bestätigung der angefochtenen Bescheide -insbesondere an eine Bejahung der vGA- durch das Finanzgericht anknüpfen würden (vGA als ggf. von den Beigeladenen zu versteuernde Kapitaleinkünfte). Für diesen Fall ist § 174 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 4 AO indes nicht einschlägig. Die Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 AO setzt vielmehr die Aufhebung oder Änderung des ursprünglichen Bescheids (hier: der Änderungsbescheide) auf Betreiben des Steuerpflichtigen voraus.

Im Beschwerdeverfahren gegen einen auf § 174 Abs. 5 Satz 2 AO gestützten Beiladungsbeschluss ist ggf. auch zu prüfen, ob die Beiladung auf eine andere Rechtsgrundlage gestützt werden kann4.

Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung i.S. von § 60 Abs. 3 FGO liegen mit Blick auf die in Streit befindlichen vGA nicht vor. Eine notwendige Beiladung setzt voraus, dass an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Das ist dann der Fall, wenn die Entscheidung notwendigerweise und unmittelbar Rechte Dritter gestaltet, verändert oder zum Erlöschen bringt5. Ein solches Verhältnis der gegenseitigen Abhängigkeit liegt im Hinblick auf die Behandlung einer Leistung als vGA einerseits auf der Ebene der vorteilsgewährenden Kapitalgesellschaft und andererseits auf der Ebene des empfangenden Gesellschafters nicht vor6.

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Die dort offen gelassene Frage, ob sich an dieser Beurteilung durch die Schaffung der Korrespondenzregeln der § 32a, § 8b Abs. 1 Satz 2 bis 4 KStG 2002, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 und 3 EStG 20027, etwas ändert8 bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung. Denn diese Regeln sind erstmals auf nach dem 18.12 2006 erlassene, aufgehobene oder geänderte Bescheide (§ 34 Abs. 13b Satz 1 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2007 -jetzt § 34 Abs. 13c Satz 1 KStG-) bzw. nach diesem Zeitpunkt erfolgte Zuflüsse (§ 34 Abs. 7 Satz 11 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2007 -jetzt § 34 Abs. 7 Satz 12 KStG-; § 52 Abs. 4b Satz 3 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007) anzuwenden. Die hier streitgegenständlichen Änderungsbescheide sind vor dem Stichtag 18.12 2006 erlassen worden

Ob in der Konstellation des Streitfalls eine „einfache“ Beiladung von Amts wegen nach § 60 Abs. 1 FGO geboten ist9 obliegt dem pflichtgemäßen gerichtlichen Ermessen10. Das Ermessen könnte zwar bei unterbliebener Ermessensausübung durch das Finanzgericht ggf. auch vom Beschwerdegericht ausgeübt werden11. Der Bundesfinanzhof sieht hiervon jedoch ab und macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch. Die Entscheidung könnte u.a. davon abhängen, ob die entsprechenden Steuerfestsetzungen der Beigeladenen überhaupt noch geändert werden könnten oder ob dem z.B. der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegensteht. Die diesbezüglichen Feststellungen sind zweckmäßigerweise vom Finanzgericht zu treffen.

  1. BFH, Beschlüsse vom 19.05.1981 – VIII B 90/79, BFHE 133, 348, BStBl II 1981, 633; vom 17.10.1985 – IV B 62/85, BFH/NV 1987, 479[]
  2. BFH, Beschluss vom 27.01.1982 – VII B 141/81, BFHE 134, 537, BStBl II 1982, 239[]
  3. vgl. BFH, Urteil vom 24.11.1987 – IX R 158/83, BFHE 152, 203, BStBl II 1988, 404; BFH, Beschluss vom 20.10.2000 – I B 55/00, BFH/NV 2001, 422[]
  4. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 6, m.w.N.[]
  5. z.B. BFH, Urteil vom 27.02.1969 – IV R 263/66, BFHE 95, 148, BStBl II 1969, 343[]
  6. BFH, Beschluss vom 14.10.2008 – I B 48/08, BFH/NV 2009, 213[]
  7. jeweils i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12 2006, BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28[]
  8. dagegen Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Rz 85[]
  9. vgl. dazu Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Rz 85[]
  10. z.B. BFH, Beschluss vom 15.03.1990 – V B 174/89, BFH/NV 1991, 246[]
  11. BFH, Beschluss vom 06.05.1988 – VI B 35/87, BFH/NV 1989, 113[]
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