Die atypisch stille Beteiligung – und die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft

Mit der Frage der Organschaftsanerkennung bei einer atypisch stillen Beteiligung des vermeintlichen Organträgers am Handelsgewerbe der vermeintlichen Organgesellschaft hatte sich aktuell der Bundesfinanzhof zu befassen:

Die atypisch stille Beteiligung – und die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft

Im zugrundeliegenden Streitfall war die vermeintliche Organträgerin, eine GmbH,  atypisch still am Unternehmen einer anderen GmbH, wodurch eine steuerrechtliche Mitunternehmerschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG begründet wurde1

Nach der Rechtsprechung des BFH ist die 100 %-ige Beteiligung der Organträgerin an der Organgesellschaft -die zugleich zu deren finanzieller Eingliederung i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG führte- grundsätzlich dem Sonderbetriebsvermögen II des atypisch still beteiligten Gesellschafters bei der Mitunternehmerschaft zuzuordnen2. Die Zuordnung der Kapitalgesellschaftsbeteiligung zum Sonderbetriebsvermögen II des atypisch still beteiligten Gesellschafters hat zur Folge, dass dieser Sonderbetriebseinnahmen erzielt, wenn die Kapitalgesellschaft (im Streitfall die Organgesellschaft), an ihren Anteilseigner (im Streitfall die Organträgerin), der als „Doppelgesellschafter“ zugleich an ihr atypisch still beteiligt ist, verdeckt Gewinne ausschüttet3.

Verfahrensrechtlich sind die in der Mitunternehmerschaft erzielten Einkünfte und die mit ihnen in Zusammenhang stehenden anderen Besteuerungsgrundlagen gesondert und einheitlich gemäß § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO festzustellen4. Zu den „anderen Besteuerungsgrundlagen“ gehören nach ständiger Rechtsprechung insbesondere die Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben des einzelnen Mitunternehmers und damit auch derjenigen Person, die sich atypisch still am Handelsgewerbe eines anderen beteiligt hat5. Die Feststellung, dass ein Mitunternehmer Sonderbetriebseinnahmen bezogen hat, ist selbständig anfechtbar und kann daher, wenn eine Anfechtung nicht erfolgt, in Teil-Bestandskraft erwachsen6.

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Wiederum zutreffend und in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Beteiligten ist das Finanzgericht davon ausgegangen, dass die Organgesellschaft finanziell i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG eingegliedert war, ein wirksamer Ergebnisabführungsvertrag zwischen den beiden Kapitalgesellschaften bestand und insofern die wesentlichen Grundlagen für eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft gelegt waren. Die höchstrichterlich nicht entschiedene Streitfrage, ob die atypisch stille Beteiligung des vermeintlichen Organträgers am Handelsgewerbe der vermeintlichen Organgesellschaft (im Streitfall die Organgesellschaft) und die damit verbundene anteilige Gewinnzurechnung an den Mitunternehmer dazu führt, dass i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG keine Abführung des „ganzen Gewinns“ mehr erfolgen kann7, hat das Finanzgericht bejaht. Es hat daher die Organschaft nicht anerkannt und die gleichwohl vollzogene Gewinnabführung in Übereinstimmung mit der Bundesfinanzhofsrechtsprechung als vGA der vermeintlichen Organgesellschaft an die vermeintliche Organträgerin qualifiziert8.

Das erstinstanzlich hiermit befasste Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern9 ist ferner davon ausgegangen, dass verfahrensrechtlich in einem Fall wie dem vorliegenden über die materiell-rechtliche Streitfrage der Organschaftsanerkennung und die davon abhängige Qualifizierung der getätigten Gewinnabführung als organschaftlich veranlassten Vorgang oder als vGA nicht im Körperschaftsteuerbescheid für die vermeintliche Organgesellschaft, sondern aufgrund der Qualifizierung der vGA als Sonderbetriebseinnahme des die Ausschüttung empfangenden Mitunternehmers im Feststellungsbescheid für die Mitunternehmerschaft zu entscheiden ist.

Dem kann sich der Bundesfinanzhof aus folgenden Gründen nicht anschließen:

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Zwar führt die Nichtanerkennung der Organschaft zum Ansatz einer vGA, wenn die (vermeintliche) Organgesellschaft ihrer unternehmensvertraglichen Pflicht zur Gewinnabführung im Einzelfall nachgekommen ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist aber auch über die Frage des Ob und ggf. der Höhe einer vGA grundsätzlich im Rahmen der Besteuerung der Kapitalgesellschaft zu entscheiden10. Etwas anderes kann ausnahmsweise dann gelten, wenn eine Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft beteiligt und die Frage nach dem Vorliegen einer vGA untrennbar mit der Höhe ihres Gewinnanteils an der Personengesellschaft verbunden ist; in diesem Fall ist die vGA in die Gewinnfeststellung der Personengesellschaft einzubeziehen11.

Im Streitfall kommt diese Ausnahme indes nicht zum Tragen.

Auf Seiten der (vermeintlichen) Organgesellschaft hat eine durch Nichtanerkennung der Organschaft ausgelöste vGA keine Auswirkungen auf ihren Anteil an den gemeinschaftlich erzielten Einkünften. Dass die von der Organschaftsanerkennung abhängige Frage der „Selbstversteuerungspflicht“ der Organgesellschaft für das von ihr erzielte Einkommen die Sphäre der gemeinschaftlichen, also in der Mitunternehmerschaft erzielten Einkünfte nicht berührt, zeigt bereits das folgende einfache Beispiel: Erzielt die Mitunternehmerschaft einen Gewinn von 100.000 €, der -wie auch im Streitfall geschehen- nach dem gesellschaftsvertraglich vereinbarten Schlüssel von 90 zu 10 aufzuteilen ist, dann sind der (vermeintlichen) Organgesellschaft als feststellungsbeteiligter Mitunternehmerin 90.000 € und dem (vermeintlichen) Organträger 10.000 € als Gewinnanteile zuzuweisen. Ob der Gewinnanteil von 90.000 € von der (vermeintlichen) Organgesellschaft wegen der Einkommenszurechnung gemäß § 14 Abs. 1 KStG nicht (Organschaftsanerkennung) oder wegen der Einkommenserhöhung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG selbst zu versteuern ist (Nichtanerkennung der Organschaft), hat mit den gemeinschaftlich erzielten Einkünften, deren Höhe und deren Verteilung ersichtlich nichts zu tun12. Die Tatbestandsmerkmale der Organschaft gehören nicht zum Bereich der gemeinschaftlich verwirklichten Tatbestandsmerkmale, sondern zu den persönlich vom jeweiligen Mitunternehmer verwirklichten Tatbestandsmerkmalen13.

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Im vorliegenden Fall zeigt der Vergleich zwischen dem ursprünglichen Feststellungsbescheid 2004, der auf der Annahme einer bestehenden Organschaft beruht, und dem angegriffenen Änderungsbescheid, dass die Höhe der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb und die Höhe des Gewinnanteils der (vermeintlichen) Organgesellschaft jeweils unverändert geblieben sind. Es wurde lediglich der 90 %-ige Gewinnanteil i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbsatz 1 EStG als Folge der Nichtanerkennung der Organschaft und Annahme einer vGA in eine Sonderbetriebseinnahme der (vermeintlichen) Organgesellschaft beziehungsweise eine „Gewinnhinzurechnung aufgrund verdeckter Gewinnausschüttung“, so der Tenor des Finanzgericht, Urteils, umqualifiziert. Das ist nach dem vorstehend Gesagten jedoch unzutreffend. Die fehlerhafte Qualifizierung stellt eine Rechtsverletzung dar, die von der Organgesellschaft auch prozessual geltend gemacht werden kann14.

Auf Seiten des Organträgers kann sich der etwaige Ansatz einer vGA, die sich aus der (streitigen) Nichtanerkennung der Organschaft ergeben könnte, ebenfalls nicht auf die Höhe der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte und seinen Anteil hieran auswirken. Denn im Streitfall besteht die Besonderheit, dass eine aus der Nichtanerkennung der Organschaft folgende und zu Sonderbetriebseinnahmen führende vGA aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr im Feststellungsbescheid für die Mitunternehmerschaft erfasst werden darf. Dies folgt daraus, dass das Finanzamt keine Feststellung zu Sonderbetriebseinnahmen der Organträgerin in den angegriffenen Feststellungsbescheiden getroffen hat und die Klägerinnen diesbezüglich auch keinen Rechtsbehelf eingelegt haben (Eintritt der Teil-Bestandskraft). Zudem steht das finanzgerichtliche Verböserungsverbot einer erstmaligen Berücksichtigung von Sonderbetriebseinnahmen bei der Organträgerin entgegen. Damit verbleibt es bei der im ursprünglichen Feststellungsbescheid getroffenen Regelung, wonach der Organträgerin ein zehnprozentiger Anteil an den gemeinschaftlich erzielten Einkünften sowie Einkünfte gemäß ihrer Ergänzungsbilanz und Tätigkeitsvergütungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage zugewiesen wurden. Was diese Besteuerungsgrundlagen angeht, besteht zwischen den Beteiligten jedoch kein Streit.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. Juli 2020 – I R 33/18

  1. vgl. z.B. BFH, Urteile vom 12.02.2015 – IV R 48/11, BFH/NV 2015, 1075; vom 19.07.2018 – IV R 10/17, BFH/NV 2018, 1268[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 18.06.2015 – IV R 5/12, BFHE 250, 121, BStBl II 2015, 935, m.w.N.[]
  3. BFH, Urteil in BFHE 250, 121, BStBl II 2015, 935[]
  4. z.B. BFH, Urteil in BFH/NV 2015, 1075[]
  5. vgl. BFH, Beschluss vom 11.04.2005 – GrS 2/02, BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679; Kunz in Gosch, AO § 180 Rz 49, m.w.N.[]
  6. vgl. z.B. BFH, Urteil vom 24.09.2015 – IV R 39/12, BFH/NV 2016, 30[]
  7. vgl. BFH, Beschlüsse vom 31.03.2011 – I B 177/10, BFH/NV 2011, 1397; vom 11.08.2011 – I B 179/10, BFH/NV 2011, 2052[]
  8. vgl. BFH, Urteile vom 28.11.2007 – I R 94/06, BFHE 220, 51; vom 10.05.2017 – I R 19/15, BFHE 258, 344, BStBl II 2019, 81[]
  9. FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 05.09.2018 – 1 K 396/14[]
  10. BFH, Urteile vom 29.10.1991 – VIII R 2/86, BFHE 167, 316, BStBl II 1992, 832; vom 23.03.1995 – IV R 94/93, BFHE 177, 408, BStBl II 1995, 637[]
  11. BFH, Urteil vom 15.09.2004 – I R 7/02, BFHE 207, 429, BStBl II 2005, 867; BFH, Beschluss vom 29.11.2006 – I R 78-80/05, BFH/NV 2007, 1091; s. zur vergleichbaren Situation bei einer GmbH & atypisch Still BFH, Urteil in BFHE 250, 121, BStBl II 2015, 935[]
  12. gleicher Auffassung Brühl, GmbH-Rundschau 2019, 796, 805[]
  13. vgl. BFH (GrS), Beschluss in BFHE 209, 399, BStBl II 2005, 679[]
  14. vgl. BFH, Urteile vom 24.01.1985 – IV R 249/82, BFHE 143, 75, BStBl II 1985, 676; vom 04.07.2007 – VIII R 77/05, BFH/NV 2008, 53, m.w.N., zur Feststellung einer unzutreffenden Einkunftsart[]
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