Die Darlehensforderung auf dem Gesellschafterverrechnungskonto – und ihre fremdübliche Verzinsung

Der Verzicht auf eine angemessene Verzinsung einer auf einem Gesellschafterverrechnungskonto verbuchten Darlehensforderung einer GmbH kann zu einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führen. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die regelmäßig gebotene Schätzung der fremdüblichen Zinsen erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen (sog. Margenteilung)1.

Die Darlehensforderung auf dem Gesellschafterverrechnungskonto – und ihre fremdübliche Verzinsung

Nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG mindern vGA das Einkommen der Kapitalgesellschaft nicht. Unter einer vGA ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrags gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Bundesfinanzhof die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte („Fremdvergleich„)2. Außerdem muss der Vorgang geeignet sein, bei dem begünstigten Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen3.

Ob und ggf. in welchem Umfang bei Geschäften zwischen einer Kapitalgesellschaft und deren beherrschendem Gesellschafter die tatsächlich vereinbarten Preise von denjenigen abweichen, die zwischen fremden Dritten vereinbart worden wären, ist eine „tatsächliche“ Frage, deren Beantwortung im gerichtlichen Verfahren in erster Linie dem Finanzgericht obliegt.

Das Finanzgericht muss den maßgeblichen Fremdvergleichspreis unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls ermitteln, was im Regelfall eine Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 AO notwendig macht. Die Entscheidung darüber, wie der Fremdvergleich im Einzelfall durchzuführen ist, obliegt dabei grundsätzlich dem Finanzgericht. Dieses muss bei der Ermittlung des „fremdüblichen“ Preises allerdings beachten, dass es häufig für die betreffende Leistung nicht „den“ Fremdvergleichspreis, sondern eine Bandbreite von Preisen geben wird. In einem solchen Fall ist bei der Berechnung der vGA von dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Vergleichspreis auszugehen. Davon abgesehen kann die vom Finanzgericht angestellte Würdigung jedoch im Revisionsverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zu-stande gekommen ist und ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Ist dies nicht der Fall, so muss sie auch dann Bestand haben, wenn sich aus den vom Finanzgericht vorgefundenen tatsächlichen Umständen gleichermaßen andere Beträge hätten ableiten lassen4.

Die Rechtsprechung hat diese allgemeinen Grundsätze bei der Beurteilung von Darlehensgeschäften zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter wie folgt präzisiert:

Gewährt die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen, kommt der Ansatz einer vGA insoweit in Betracht, als der Kredit zinslos oder zu einem unangemessen niedrigen Zins gewährt wird. Davon kann insbesondere auszugehen sein, wenn die Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto führt (§ 42 Abs. 3 GmbHG), das einen Saldo zugunsten der Gesellschaft ausweist5.

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Zur Bestimmung des angemessenen (fremdüblichen) Zinses ist vorrangig die Preisvergleichsmethode anzuwenden, weil diese Methode unmittelbar zur Feststellung des Vergleichspreises führt und sie daher als die Grundmethode zur Bestimmung angemessener (Verrechnungs-)Preise anzusehen ist; Fremdpreis ist der Zins, zu dem Fremde unter vergleichbaren Bedingungen den Kredit am Geld- oder Kapitalmarkt gewährt hätten6.

Der Bundesfinanzhof hat für Fälle, in denen eine Gesellschaft für den bei ihr angestellten Gesellschafter ein unangemessen verzinstes Verrechnungskonto nach § 42 Abs. 3 GmbHG führt, zur Bemessung des angemessenen Zinssatzes den schlagwortartig als „Margenteilungsgrundsatz“ bezeichneten Erfahrungssatz als sachgerecht anerkannt.

Bei Kreditgeschäften zwischen einer Kapitalgesellschaft, die selbst keine Bankgeschäfte betreibt und als privater Darlehensgeber agiert, und ihrem Gesellschafter als privatem Darlehensnehmer berechnet sich die für den Ansatz einer vGA erforderliche verhinderte Vermögensmehrung nach den in Rechnung gestellten Sollzinsen, wenn und soweit davon ausgegangen werden kann, dass der dem Gesellschafter zinslos überlassene Darlehensbetrag anderenfalls zur Kreditrückzahlung verwendet worden wäre. Hat die Gesellschaft selbst keinen Kredit aufgenommen, so bilden die banküblichen Habenzinsen die Unter- und die banküblichen Sollzinsen die Obergrenze der verhinderten Vermögensmehrung. Der im Einzelfall maßgebliche Betrag innerhalb der genannten Marge ist durch Schätzung zu ermitteln, wobei dem Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, besondere Bedeutung zukommt. In der Regel ist der Ansatz der Sollzinsen jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesellschaft keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb auch nicht den damit verbundenen Aufwand hat. Sind keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar, ist es nicht zu beanstanden, wenn von dem Erfahrungssatz ausgegangen wird, dass sich private Darlehensgeber und -nehmer die bankübliche Marge zwischen Soll- und Habenzinsen teilen7.

Ungeachtet der zuweilen geäußerten Kritik ist an diesen Grundsätzen festzuhalten.

Ein Widerspruch zur oben bereits näher beschriebenen sog. Bandbreitenrechtsprechung, wonach der „richtige“ Fremdvergleichspreis keinen Punktwert darstellt, sondern aus einer Bandbreite von -allesamt fremdüblichen- Preisen besteht, liegt nicht vor. Denn der sich aus der Margenteilung ergebende „Mittelwert“ ist aus Fremdvergleichen (bankübliche Haben- und Sollzinssätze) abgeleitet8 und überdies nur dann anzusetzen, wenn anderweitige tatsächliche Anhaltspunkte für die Schätzung fehlen („im Zweifel“; vgl. etwa Urteil des Finanzgericht Baden-Württemberg vom 10.11.2005 – 3 K 353/01, EFG 2006, 594, zu einer abweichenden Würdigung der Einzelfallumstände)). Die Teilung der Marge selbst beruht auf einer Beobachtung des Wirtschaftslebens und damit auf einem Erfahrungssatz, den der Bundesfinanzhof als fremdübliches Verhalten auch für das Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter annimmt9. Es besteht auch kein zwingender Grund, sich in der „Kreditvergabesituation“ allein an dem vom Kreditgeber alternativ erzielbaren Habenzins als Vergleichsmaßstab und in der „Kreditaufnahmesituation“ allein an dem vom Kreditnehmer alternativ hinzunehmenden Sollzins zu orientieren10. Denn mit einem solchermaßen „gespaltenen“ Ansatz können bei der Beurteilung eines einheitlichen Rechtsverhältnisses unterschiedliche Fremdvergleichspreise hervorgehen, was in der Sache und aus Praktikabilitätsgründen nicht überzeugt.

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Es besteht schließlich auch kein Widerspruch zwischen dem Margenteilungsgrundsatz und neueren Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zu Darlehensgewährungen im Konzern. Vorliegend geht es um die gänzlich anders gelagerte Situation einer privaten Gelegenheitskreditvergabe durch eine personalistisch strukturierte Gesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschafter. Nur insoweit ist der Margenteilungsgrundsatz als praktikables Hilfsmittel für den Fall anzuerkennen, dass keine anderen Anhaltspunkte für die Schätzung erkennbar sind („im Zweifel“).

Allerdings ist ungeachtet des Umstands, dass in den Streitjahren ein Niedrigzinsniveau herrschte und im Falle der Geldanlage bei Banken sogar „Strafzinsen“ (Verwahrentgelte) drohten, aus Sicht der darlehensgebenden GmbH von einer verhinderten Vermögensmehrung auszugehen. Denn nach der Bundesfinanzhofsrechtsprechung ist der bankübliche Habenzins, der tatsächlich in den hier maßgeblichen Streitjahren nahezu bei Null lag, nicht der alleinige Maßstab für die Fremdvergleichsprüfung. Die Tatsache, dass die GmbH keine Bankgeschäfte betreibt und deshalb auch nicht den damit verbundenen („einzupreisenden“ banküblichen) Aufwand hat, führt nicht dazu, dass der Sollzinssatz als Fremdvergleichsmaßstab ausschiede und sich die Schätzung allein am Habenzinssatz zu orientieren hätte. Vielmehr ist dann grundsätzlich nicht allein auf den banküblichen Sollzinssatz abzustellen, sondern ein darunter liegender -also ein sich zwischen Haben- und Sollzinssatz bewegender- Zinssatz heranzuziehen11.

Im Übrigen spricht für das Vorliegen einer vGA auch der Umstand, dass der Bundesfinanzhof in dem nicht vergüteten Entzug von Liquidität zu Lasten der Kapitalgesellschaft regelmäßig eine vGA angenommen hat12. Denn es ist zwischen fremden Dritten grundsätzlich nicht vorstellbar, dass Kapital und die damit verbundene Nutzungsmöglichkeit (Ertragschance) unentgeltlich und -wie im Streitfall- ohne Sicherheiten zur Verfügung gestellt wird. Fremde Dritte pflegen sich nichts zu schenken; außerdem nimmt der Entzug von Liquidität der das Kapital überlassenden Gesellschaft zumindest die Möglichkeit, mit der eigenen Geschäftstätigkeit eine Eigenkapitalverzinsung herbeizuführen13. Schließlich scheidet eine starre Orientierung an den banküblichen Habenzinsen auch deshalb aus, weil im Streitfall das Kapital ohne hinreichende Besicherung an den Gesellschafter-Geschäftsführer ungeachtet dessen zweifelhafter Bonität überlassen wurde, während eine Geldanlage bei einer inländischen Geschäftsbank typischerweise (etwa aufgrund der staatlichen Bankenaufsicht sowie vielfältiger Auflagen und Sicherungsmechanismen im Einlagengeschäft der Banken) nicht mit einem finanziellen Risiko verbunden gewesen wäre14. Dem Umstand fehlender Besicherung kommt bei der Fremdvergleichsprüfung nach der Rechtsprechung zum Margenteilungsgrundsatz besondere Bedeutung zu15.

Eine verhinderte Vermögensmehrung auf Seiten der Kapitalgesellschaft kann durch vermögenswerte Vorteile ausgeglichen werden, die der Gesellschaft von dem begünstigten Gesellschafter gewährt werden. Die gegenseitig gewährten Vermögensvorteile sind dann miteinander zu verrechnen. Soll der Vorteil zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter ausgeglichen werden, muss regelmäßig der Ausgleich durch eine im Vorhinein abgeschlossene und tatsächlich vollzogene Vereinbarung, die klar und eindeutig ist, abgedeckt sein16.

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Die Höhe des fremdüblichen Zinssatzes hat das Finanzamt im vorliegenden, die Jahre 2014 bis 2015 betreffenden Jahre gemäß § 162 AO auf 4, 5 % geschätzt. Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht hat die Grundlagen und das Ergebnis der Schätzung im Wesentlichen gebilligt17. Der Bundesfinanzhof billigte dies: Revisionsrechtlich ist diese Schätzung als Teil der Tatsachenfeststellung des Finanzgericht nur eingeschränkt überprüfbar. Revisible Schätzungsfehler liegen nicht vor.

Das Finanzamt ist von einer (geringen) Bandbreite von banküblichen Habenzinssätzen ausgegangen, die nur wenig über der 0 %-Marke lagen. Des Weiteren hat es bankübliche Sollzinssätze für revolvierende Kredite und Überziehungskredite an Privathaushalte herangezogen, die sich bei etwas über 9 % bewegten. Ausgehend von einer Margenteilung hat es mangels anderweitiger Anhaltspunkte sodann 4, 5 % angesetzt. In Ermangelung konkret vergleichbarer Kreditgeschäfte hat das Finanzamt statistische Angaben der Deutschen Bundesbank verwendet18. Gegen diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Annahme hat die GmbH keine begründeten sachlichen Einwendungen erhoben.

Dass auf Überziehungskreditzinssätze für private Haushalte abgestellt wurde, ist sachlich nachvollziehbar, weil die streitige Darlehensgewährung ebenfalls den Charakter eines unbesicherten Privatkredits hat. Revolvierende Kredite stellen Kredite dar, die vom Kreditnehmer bis zur maximalen Höhe einer Kreditlinie innerhalb der Kreditlaufzeit in wechselnder Höhe wiederholt in Anspruch genommen werden können, auch wenn zwischenzeitlich (Teil-)Tilgungen erfolgt sind. Das im Streitfall geführte Verrechnungskonto ließ sich in einer ähnlichen Weise für die Kreditgewährung und -rückzahlung verwenden, weshalb der Zinssatz für solche revolvierenden Kredite als Anhaltspunkt für eine Schätzung geeignet ist.

Wie bereits ausgeführt, ist der Einwand der GmbH, der fremdübliche Zinssatz sei allein anhand der banküblichen Habenzinssätze zu bestimmen, unzutreffend.

Dem Umstand fehlender Besicherung ist nach der Rechtsprechung bei der Feststellung des fremdüblichen Zinssatzes besondere Bedeutung beizumessen. Die Vorinstanz hat dieser Anforderung ausdrücklich Rechnung getragen und die nicht ausreichende Besicherung sowohl bei der Frage des Vorliegens einer vGA als auch bei der Schätzung des anzuwendenden Zinssatzes „zinserhöhend“ berücksichtigt bzw. als ein den Zinssatz von 4, 5 % stützendes Argument bewertet.

Das Finanzgericht ist angesichts der Höhe der Ausleihungen von über 200.000 € und der wirtschaftlichen Situation des A zu Recht von einem besonderen Sicherungsbedürfnis ausgegangen, dem ein gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter durch die Anforderung einer Sicherheit oder dem Verlangen nach einer das Ausfallrisiko „kompensierenden“ Zinssatzerhöhung Rechnung getragen hätte19. Denn nach den tatsächlichen und den Bundesfinanzhof im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) musste A im Jahr 2013 ein Grundstück veräußern, nachdem das Finanzamt wegen rückständiger Steuern die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt hatte. Diesem Antrag wiederum waren Pfändungsversuche vorausgegangen, die lediglich zu Teilzahlungen führten.

Der GmbH ist auch nicht darin zu folgen, dass der Zugriff auf pfändbare Teile der Gehaltsansprüche des A oder die Aufrechnung gegen dessen Abfindungsanspruch, der aus einem Abtretungsverlangen gemäß § 14 des Gesellschaftsvertrags resultieren würde, als „Sicherheiten“ zu werten seien. Denn die jedem Gläubiger einer Geldforderung offen stehende Möglichkeit, notfalls in das Vermögen (Grundstücke, Gehalts- oder sonstige Forderungen, bewegliche Sachen) seines Schuldners vollstrecken zu können, sichert den Rückzahlungsanspruch des Gläubigers nur unzureichend ab. Insbesondere kann das Vermögen im Zeitverlauf allmählich aufgezehrt werden oder durch Verfügungen des Schuldners zwischenzeitlich anderweitig abgetreten oder verpfändet worden sein20. Auch pfändbare Gehaltsansprüche entstehen nicht mehr, wenn der Arbeitnehmer das Beschäftigungsverhältnis beendet. Daher sieht die Rechtsprechung als „fremdübliche Sicherheiten“ ersichtlich nur solche Mittel an, die dem Gläubiger einen besonderen Zugriff auf bestimmte werthaltige Vermögensgegenstände seines Schuldners gewähren und ihm hierdurch einen Vorteil gegenüber anderen Gläubigern verschaffen (z.B. Grundpfandrechte, Bürgschaften, Sicherungsabtretungen, Sicherungsübereignungen, Eigentumsvorbehalte u.Ä.). Zudem zeichnen sich „fremdübliche Sicherheiten“ häufig dadurch aus, dass der Gläubiger gegen anderweitige Verfügungen des Schuldners geschützt wird.

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In den -fremdüblich zu verzinsenden- Forderungsbestand hat das Finanzamt Zinsansprüche eingerechnet, die in den Vorjahren aufgrund der damals vereinbarten Verzinsung des Verrechnungskontos entstanden, aber von A nicht befriedigt worden waren. Die GmbH meint, dass das Zinseszinsverbot (§ 248 BGB) insoweit dem Ansatz einer vGA entgegenstehe. Denn die Voraussetzungen einer Umschaffung der (nicht verzinslichen) Zins- in eine (verzinsliche) Darlehensschuld (Novation) lägen im Streitfall nicht vor. Dem ist nicht zu folgen.

Der Hinweis auf das „Zinseszinsverbot“ ist unbeachtlich. Denn dieses „Verbot“ betrifft nach dem Wortlaut des § 248 Abs. 1 BGB nur im Voraus getroffene Vereinbarungen, nach denen künftige Zinsen dem (verzinslichen) Kapital zugeschlagen werden sollen21. Die GmbH hat selbst nicht vorgetragen und das Finanzgericht hat auch nicht festgestellt, dass eine solche Vereinbarung im Streitfall zustande gekommen ist. Im Übrigen ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Regel eine Darlehensgewährung der Kapitalgesellschaft anzunehmen, wenn sie Verrechnungskonten für ihre bei ihr angestellten Gesellschafter führt und in Höhe der die Gehälter übersteigenden Sollbuchungen Forderungen der Gesellschaft entstehen. Für den Darlehenscharakter dieser Forderungen spricht, dass sie von vornherein auf Verrechnungskonten festgehalten werden und damit die Rückzahlungsverpflichtung zum Ausdruck gebracht wird. Dass auf den Verrechnungskonten tatsächlich weder Löhne noch Gehälter eingebucht werden, steht insoweit nicht entgegen22.

Nach diesen Grundsätzen spricht die vom Finanzgericht gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend festgestellte Verbuchung der errechneten Zinsbeträge in den Jahren 2005 bis 2013 auf dem Verrechnungskonto für den Darlehenscharakter des zugunsten der GmbH neu entstandenen Saldos23. Davon wäre nur dann abzusehen, wenn der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer durch eine im Vorhinein getroffenen Abrede mit der Kapitalgesellschaft klar und eindeutig die fortbestehende Selbständigkeit einer unverzinslichen Zinsforderung (hierzu allgemein BFH, Urteile vom 11.11.2015 – I R 5/14, BFHE 252, 353, BStBl II 2016, 491; vom 25.05.2016 – I R 17/15, BFHE 254, 228, BStBl II 2016, 930) vereinbart hätte. Daran fehlt es im hier entschiedenen Streitfall.

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Das Finanzgericht hat mangels Entscheidungserheblichkeit keine Entscheidung darüber getroffen, ob die in den Änderungsbescheiden des Streitjahres 2014 angesetzte vGA zum Ausgleich der Ausbuchung eines Teils der Forderung rechtmäßig war. Auch die insoweit angebrachte Revisionsrüge ist unbegründet.

Das Finanzgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass (entsprechend der Rechtsansicht des Finanzamtes) in Höhe der weiteren Verfügungen der GmbH im Jahr 2014 angesichts der wirtschaftlichen Notlage des Gesellschafters keine (aufstockende) Darlehensgewährung vorgelegen hat, was bei zutreffender Verbuchung den Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG berührt und eine (anteilige) Ausbuchung der Forderung in der Steuerbilanz zur Folge hat, die wiederum betragsgleich eine vGA (außerhalb der Bilanz) auslöst, sodass die Höhe des zu versteuernden Einkommens der GmbH unverändert bleibt24. Insoweit kann bei fehlender ernstlicher Vereinbarung eines Darlehens eine Verbuchung auf dem Darlehenskonto keine konstitutiven Wirkungen zeitigen und es geht auch nicht um eine (willensgetragene) Teilwertabschreibung auf den Bestand des Darlehenskontos (damit die Darlehensschuld) zum Abschlusszeitpunkt. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass auf der Grundlage des Rechtsstandpunkts der GmbH, den diese in der mündlichen Verhandlung dargelegt sowie in den nachgereichten Schriftsätzen wiederholt hat, dem ausgebuchten Teil der Forderung zwar Darlehenscharakter zukäme. Dies würde allerdings die Bemessungsgrundlage für den Ansatz der vGA unter dem Gesichtspunkt der Nicht-Verzinsung der (gesamten) Darlehensforderung erhöhen. Der damit verbundenen Steuererhöhung stünde aber -mit dem Finanzgericht- das im finanzgerichtlichen Verfahren zu beachtende Verböserungsverbot entgegen.

Der höhere vGA-Ansatz in den Änderungsbescheiden kann auch nicht deswegen mit Erfolg angegriffen werden, weil er gemäß § 32a KStG zu einer Änderung der Einkommensteuerfestsetzung beim Gesellschafter A führen könnte. Die genannte Vorschrift will rein verfahrensrechtlich Folgeanpassungen bei der Besteuerung des Gesellschafters ermöglichen. Eine verfahrensrechtliche oder materiell-rechtliche Bindung der vGA-Feststellung auf der Ebene der Körperschaft ergibt sich für den Gesellschafter nicht. Über den vGA-Ansatz auf Gesellschafterebene ist vielmehr ohne jede Bindungswirkung im Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters zu entscheiden25.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 22. Februar 2023 – I R 27/20

  1. Festhaltung an den BFH, Urteilen vom 28.02.1990 – I R 83/87, BFHE 160, 192, BStBl II 1990, 649; vom 19.01.1994 – I R 93/93, BFHE 174, 61, BStBl II 1994, 725; vom 22.10.2003 – I R 36/03, BFHE 204, 106, BStBl II 2004, 307[]
  2. ständige Rechtsprechung seit BFH, Urteil vom 16.03.1967 – I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626[]
  3. z.B. BFH, Urteile vom 07.08.2002 – I R 2/02, BFHE 200, 197, BStBl II 2004, 131; vom 08.09.2010 – I R 6/09, BFHE 231, 75, BStBl II 2013, 186[]
  4. s. BFH, Urteil vom 18.05.2021 – I R 4/17, BFHE 273, 440, m.w.N.[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 23.06.1981 – VIII R 102/80, BFHE 134, 541, BStBl II 1982, 245; BFH, Beschluss vom 16.12.1999 – I B 115/97, BFH/NV 2000, 753; BFH, Beschluss vom 05.04.2004 – X B 130/03[]
  6. zu Einzelheiten vgl. BFH, Urteil in BFHE 273, 440, m.w.N.[]
  7. BFH, Urteile vom 28.02.1990 – I R 83/87, BFHE 160, 192, BStBl II 1990, 649; vom 19.01.1994 – I R 93/93, BFHE 174, 61, BStBl II 1994, 725; vom 22.10.2003 – I R 36/03, BFHE 204, 106, BStBl II 2004, 307[]
  8. vgl. BFH, Urteil vom 17.10.2001 – I R 103/00, BFHE 197, 68, BStBl II 2004, 171, Rz 55; s.a. Wassermeyer/Baumhoff in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, § 1 AStG Rz 918[]
  9. Buciek, Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht -JbFSt- 2008/2009, 794; s.a. Baumhoff in Gocke/Gosch/Lang [Hrsg.], Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, Festschrift für Franz Wassermeyer, 2005, S. 347, 353[]
  10. gleicher Ansicht z.B. Brandis/Heuermann/Rengers, § 8 KStG Rz 594; Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8 Rz 1234; vgl. auch Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 8 Abs. 3 Teil D KStG Rz 1067 ff.; a.A. Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8 Rz 693; ablehnend auch Nolden/Bonekamp, Internationale Steuer-Rundschau 2016, 348[]
  11. vgl. BFH, Urteil in BFHE 204, 106, BStBl II 2004, 307; Buciek, JbFSt 2008/2009, 794; Neumann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, a.a.O.[]
  12. z.B. BFH, Urteil vom 17.12.1997 – I R 70/97, BFHE 185, 224, BStBl II 1998, 545[]
  13. zutreffend Kohlhepp, Der Betrieb 2021, 2920, 2923[]
  14. vgl. allgemein BFH, Beschluss vom 07.08.1985 – I B 8/85, BFH/NV 1986, 767[]
  15. BFH, Urteil in BFHE 160, 192, BStBl II 1990, 649[]
  16. ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteile vom 21.07.1976 – I R 223/74, BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734; vom 07.12.1988 – I R 25/82, BFHE 155, 349, BStBl II 1989, 248[]
  17. Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 28.05.2020 – 1 K 67/17[]
  18. vgl. auch allgemein Wassermeyer/Baumhoff in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, a.a.O., § 1 AStG Rz 2226[]
  19. vgl. allgemein BFH, Urteil vom 18.05.2021 – I R 62/17, BFHE 273, 457; BFH, Beschluss in BFH/NV 1986, 767[]
  20. vgl. BFH, Urteil in BFHE 273, 457, Rz 16[]
  21. Erman/Martens, BGB, 16. Aufl., § 248 Rz 3[]
  22. BFH, Urteile in BFHE 134, 541, BStBl II 1982, 245; vom 08.10.1985 – VIII R 284/83, BFHE 146, 108, BStBl II 1986, 481[]
  23. vgl. auch allgemein BFH, Urteil in BFHE 146, 108, BStBl II 1986, 481, zur Verbuchung nicht gezahlter Darlehenszinsen auf dem Verrechnungskonto; s.a. Gosch in Gosch, a.a.O., § 8 Rz 688; Lang in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 8 Abs. 3 Teil D KStG Rz 1134[]
  24. s. insoweit auch allgemein Brandis/Heuermann/Rengers, § 8 KStG Rz 571[]
  25. z.B. BFH, Urteile vom 18.09.2012 – VIII R 9/09, BFHE 238, 512, BStBl II 2013, 149; vom 16.12.2014 – VIII R 30/12, BFHE 248, 325, BStBl II 2015, 858; s.a. Streck/Binnewies, KStG, 10. Aufl., § 32a Rz 5[]
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