Forderungsverzicht als verdeckte Einlage – und ihr Teilwert

Der durch den Forderungsverzicht eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft bei dieser entstehende Gewinn ist in Höhe des Teilwertes der Forderung zu neutralisieren, wenn der Verzicht durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst war.

Forderungsverzicht als verdeckte Einlage – und ihr Teilwert

Zur Ermittlung des Teilwerts einer gegen eine Kapitalgesellschaft gerichteten Forderung der Muttergesellschaft ist zunächst vom Vermögensstatus der Tochtergesellschaft laut Handelsbilanz auszugehen. Ist die Gesellschaft bilanziell überschuldet, ist zu prüfen, ob eine wirtschaftliche Überschuldung vorliegt oder ob die bilanzielle Überschuldung durch stille Reserven ausgeglichen wird.

Der Teilwert einer Forderung kann sich auch aus der zu erwartenden künftigen Entwicklung der Zahlungsfähigkeit etwa aufgrund einer positiven Gewinn- und Liquiditätsprognose ergeben. Ist der Marktzins höher als der vereinbarte Zinssatz, ist der Nennwert der Forderung in Höhe der Zinssatzdifferenz für die Zeit zwischen Verzicht und voraussichtlicher Tilgung abzuzinsen.

Schließlich ist bei der Ermittlung des Teilwerts einer Gesellschafterforderung die funktionale Bedeutung der schuldenden Tochterkapitalgesellschaft für den Gesamtkonzern zu berücksichtigen.

Der Teilverzicht auf die Darlehensforderung ist eine (verdeckte) Einlage der Gesellschafterin (hier: Konzernmutter).

Eine verdeckte Einlage liegt vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahe stehende Person der Körperschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Einlagen einen einlagefähigen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist1. Das Gesellschaftsverhältnis ist ursächlich für die Vermögensmehrung bei der Kapitalgesellschaft, wenn ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns den Vermögensvorteil der Gesellschaft nicht eingeräumt hätte2. Bei dem Forderungsverzicht eines Gesellschafters gegenüber einer sanierungsbedürftigen Gesellschaft ist zu vermuten, dass der Verzicht gesellschaftlich und nicht betrieblich veranlasst ist, wenn sich fremde Gläubiger nicht an der Sanierung beteiligen3.

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Der Teilverzicht ist vorliegend durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Es ist auch nicht ersichtlich, dass und aus welchem Grund ein fremder Dritter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns ersatz- und bedingungslos in derselben Höhe auf eine Darlehensforderung verzichtet hätte. Zwar hätte auch ein Nichtgesellschafter im Hinblick auf den (vorübergehenden) Liquiditätsengpass und die erhoffte finanzielle Sanierung der GmbH womöglich auf eine sofortige Beitreibung seiner Forderung verzichtet und eine Stundung gewährt oder auch vorübergehend auf die Verzinsung verzichtet, nicht aber auf die Darlehensforderung selbst. Dementsprechend hat auch kein anderer Gläubiger der GmbH einen Verzicht erklärt.

Der durch den Forderungsverzicht entstandene Gewinn ist außerbilanziell in voller Höhe zu neutralisieren, weil der Teilwert der Forderung, auf die die C verzichtet hat, ihrem Nennwert entsprach.

Die Einlage ist gemäß §§ 8 Abs. 1 Satz 1 FinanzgerichttG, 7 Satz 1 GewStG i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG mit dem Teilwert der Forderung, auf die verzichtet wurde, im Zeitpunkt der Zuführung zu bewerten. Soweit die Forderung im Zeitpunkt des Verzichts nicht (mehr) werthaltig war, bleibt es bei der durch den Wegfall der Verbindlichkeit ausgelösten Gewinnerhöhung4. Diese Grundsätze gelten auch im Fall eines Darlehensverzichtes mit eigenkapitalersetzendem Charakter5.

Der Teilwert ist gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des Betriebs für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. Es kommt darauf an, welchen Betrag ein gedachter Erwerber für den Erwerb der Forderung (Herbeiführung des Verzichts) hätte aufwenden müssen6. Der Teilwert einer Darlehensforderung ist im Wege der Schätzung aufgrund der am Bilanzstichtag gegebenen objektiven Verhältnisse zu ermitteln und wird durch die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners und durch ihre Verzinslichkeit beeinflusst. Maßgebend ist, ob nach der allgemeinen Lebenserfahrung aufgrund der Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners mit einem (teilweisen) Forderungsausfall zu rechnen ist7.

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Zur Ermittlung des Teilwerts einer gegen eine Kapitalgesellschaft gerichteten Forderung der Muttergesellschaft ist zunächst vom Vermögensstatus der Tochtergesellschaft laut Handelsbilanz auszugehen und anschließend die Existenz stiller Reserven bei positiver Fortführungsprognose zu prüfen unter Berücksichtigung der Ertragserwartungen und der konkreten Konditionen der Gesellschafterforderung und der funktionalen Bedeutung der Tochtergesellschaft im Konzern8.

Ist die Kapitalgesellschaft überschuldet, beträgt der Teilwert einer gegen sie gerichteten Forderung im Allgemeinen 0, 00 €9. Maßgebend ist insoweit allerdings nicht die bilanzielle Überschuldung, die nur als Indiz herangezogen werden kann, sondern ob eine wirtschaftliche Überschuldung gegeben ist, die zur Insolvenzantragstellung verpflichtet und deren Vorliegen sich nach dem Überschuldungsstatus bestimmt, bei dem die tatsächlichen (Verkehrs-)Werte anzusetzen sind10. Die Kapitalgesellschaft ist daher wirtschaftlich nicht überschuldet, wenn stille Reserven in Höhe des bilanziellen Überschuldungsbetrages vorhanden sind11.

Schließlich ist bei der Ermittlung des Teilwerts einer Gesellschafterforderung die funktionale Bedeutung der schuldenden Tochterkapitalgesellschaft für den Gesamtkonzern zu berücksichtigen12. Nach der im Ergebnis ähnlichen Auffassung der Finanzverwaltung ist ein bestehender Rückhalt im Konzern als ausreichende Sicherheit für ein Konzerndarlehen anzusehen, solange die Tochtergesellschaft als Darlehensnehmerin ihre Verpflichtungen im Außenverhältnis tatsächlich erfüllt. Eine Teilwertabschreibung der Muttergesellschaft als Darlehensgeberin auf die Darlehensforderung sei dann nicht zulässig13.

Diese für die Bewertung der Forderung auf Seiten des Darlehensgebers und die Frage einer etwaigen Teilwertabschreibung entwickelte Auffassung ist auf die Bewertung der durch den Forderungsverzicht bewirkten Einlage auf der Ebene der Darlehensschuldnerin zu übertragen14. Denn der Erwerber einer Forderung bewertet diese höher, wenn sie gegen eine Konzerngesellschaft gerichtet ist, die für den – zahlungsfähigen – Konzern eine strategisch wichtige Bedeutung hat.

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Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 12. Februar 2014 – 6 K 203/11

  1. BFH, Urteil vom 04.03.2009 – I R 32/08, BFHE 224, 410, BFH/NV 2009, 1207[]
  2. BFH, Urteil vom 14.07.2009 – IX R 6/09, BFH/NV 2010, 397[]
  3. BFH, Urteil vom 29.07.1997 – VIII R 57/94, BFHE 184, 63, BStBl II 1998, 652[]
  4. BFH, Beschluss vom 09.06.1997 – GrS 1/94, BFHE 183, 187, BStBl II 1998, 307[]
  5. BFH, Urteil vom 28.11.2001 – I R 30/01, BFH/NV 2002, 677; BFH, Beschluss vom 16.05.2001 – I B 143/00, BFHE 195, 351, BStBl II 2002, 436[]
  6. BFH, Urteil vom 08.06.2011 – I R 62/10, BFH/NV 2011, 2117[]
  7. BFH, Urteil vom 20.08.2003 – I R 49/02, BFHE 203, 319, BStBl II 2003, 941; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.01.2013 12 K 12056/12, EFG 2013, 1560; Revision anhängig unter – I R 23/13[]
  8. vgl. Benz/Böing, Ubg 2012, 440[]
  9. BFH, Urteile vom 31.05.2005 – I R 35/04, BFHE 210, 487, BStBl II 2006, 132; vom 15.10.1997 – I R 103/93, BFH/NV 1998, 572; Ostermayer/Erhart, BB 2003, 449[]
  10. FG München, Urteil vom 04.02.2004 7 K 337/99[]
  11. BFH, Urteil vom 31.05.2005 – I R 35/04, BFHE 210, 487, BStBl II 2006, 132; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.10.2010 10 K 1724/08, BB 2011, 1263; FG Hamburg, Beschluss vom 30.08.2001 – VII 105/01, EFG 2002, 94[]
  12. BFH, Urteil vom 06.11.2003 – IV R 10/01, BFHE 204, 438, BStBl II 2004, 416, für eine Betriebsaufspaltung; FG Hamburg, Urteil vom 20.02.2013 2 K 89/12, EFG 2013, 1071; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 04.10.2010 10 K 1724/08, BB 2011, 1263[]
  13. BMF, Schreiben vom 29.03.2011, BStBl I 2011, 277, Tz. 11, 13[]
  14. Benz/Böing, Ubg 2012, 440; Kulosa in Schmidt, EStG, § 6 Rz. 283, 758; Urbahns, DStZ 2005, 148[]
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