In der Satzung sind die jeweils verfolgten steuerbegünstigten Zwecke soweit wie möglich zu konkretisieren.

Gemäß § 59 AO wird die Steuervergünstigung nur gewährt, wenn sich aus der Satzung ergibt, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Dazu müssen die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein, dass aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben sind (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AO; sog. formelle Satzungsmäßigkeit). Der Satzungszweck und die Art seiner Verwirklichung sind -jedenfalls, soweit ihnen kein jedermann bekanntes, begrifflich fest umrissenes gedankliches Konzept zugrunde liegt- so weit wie möglich zu konkretisieren. Zwar genügt es, dass diese Voraussetzungen aufgrund einer Auslegung der (gesamten) Satzungsbestimmungen als gegeben angesehen werden können. Jedoch muss die Satzung zweifelsfrei erkennen lassen, dass und welche ausschließlich steuerbegünstigten Zwecke der Steuerpflichtige verfolgt. Insoweit bestehende Unklarheiten gehen zu Lasten dessen, der sich auf die Steuervergünstigung beruft1. Dies erfordert insbesondere eine Abgrenzung nach den gemäß §§ 52 bis 54 AO bestehenden Zwecken, die die Körperschaft verfolgen will.
Diese Anforderungen erfüllt die Satzung der Körperschaft hinsichtlich mildtätiger Zwecke nach den Verhältnissen des hier entschiedenen Streitfalls nicht:
#Zweck der Körperschaft ist nach ihrem Gesellschaftsvertrag „die gemeinnützige Förderung der Jugendhilfe sowie der Bildung und Erziehung“ und „die Förderung der Altenhilfe“. Zudem verfolgt die Körperschaft danach „ausschließlich und unmittelbar nur gemeinnützige Zwecke im Sinne des Abschnitts ’steuerbegünstigte Zwecke‘ der Abgabenordnung“.
Aufgrund dieser eindeutig auf § 52 AO beschränkten Eigenbeschreibung der Zwecke, die die Körperschaft zu verfolgen beabsichtigt, ist es nicht möglich, die Satzung dahingehend auszulegen, dass die Körperschaft auch die Verfolgung mildtätiger Zwecke i.S. von § 53 AO anstrebt. Damit ist nicht zu entscheiden, ob sich der Bundesfinanzhof einer im Schrifttum vertretenen Auffassung anschließen könnte, nach der der Begriff „mildtätig“ nicht wörtlich in die Satzung aufgenommen werden müsse2. Denn jedenfalls dann, wenn die Körperschaft nach ihrer Satzung eindeutig gemeinnützige Zwecke verfolgen soll, ist es erforderlich, die Art der anderen steuerbegünstigten Zwecke des § 51 Abs. 1 Satz 1 AO („mildtätig“ oder „kirchlich“) eindeutig in der Satzung zu benennen. Fehlt es daran wie im Streitfall, ist für die Anerkennung mildtätiger Zwecke im Rahmen der formellen Satzungsmäßigkeit schon deshalb kein Raum, weil ohne eine derartige Festlegung in der Satzung unklar bleibt, anhand welcher Steuerbegünstigung mit ihren jeweils eigenständigen Voraussetzungen (vgl. §§ 52, 53 und 54 AO) die Satzungsbestimmungen zu prüfen sind3. Auf dieser Grundlage besteht auch keine Divergenz zum BFH-Urteil vom 27.11.20134, dem sich im Übrigen zur Frage der Satzungsangaben nichts entnehmen lässt.
Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Feststellungsbescheid nach § 60a Abs. 1 AO vom 11.04.2014, zu dem das Finanzgericht allerdings keine Feststellungen getroffen hat. Bedarf es daher der Auslegung des Feststellungsbescheids, ist über dessen Inhalt entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Folgeverfahren zu klären, wie ein verständiger Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste5. Der gegenteiligen Auffassung des Finanzgericht München6 schließt sich der Bundesfinanzhof nach den Verhältnissen des Streitfalls, in dem eine Auslegung noch in einem Revisionsverfahren möglich ist, nicht an.
Denn die im Rahmen der Auslegung zu berücksichtigenden Umstände7 verweisen nur auf den in den Streitjahren geltenden Gesellschaftsvertrag der Körperschaft, der lediglich gemeinnützige Zwecke benennt. Zudem kommt dem Feststellungsbescheid bei einer Auslegung entsprechend dem objektivierten Empfängerhorizont8 keine weitergehende Bedeutung zu als der zuvor erteilten vorläufigen Bescheinigung, die ebenso wie auch die vor der Außenprüfung ergangenen Körperschaftsteuerbescheide ausdrücklich von einer lediglich gemeinnützigen Zweckverfolgung ausgingen, wie sich auch daraus ergibt, dass das in der vorläufigen Bescheinigung in Bezug auf die Mildtätigkeit vorgesehene Vordruckfeld nicht ausgefüllt war. Dem steht die bisherige Rechtsprechung9 nicht entgegen. Zwar ist der Bundesfinanzhof dort davon ausgegangen, dass Bescheide nach § 60a AO grundsätzlich aus sich heraus auszulegen sind. Dies bezieht sich aber darauf, dass Bescheide nach § 60a AO bereits in sich eindeutige Regelungen enthalten.
Daher ist nicht zu entscheiden, ob diesem Feststellungsbescheid, der aufgrund des am 29.03.2013 in Kraft getretenen § 60a AO (Art. 12 Abs. 2 i.V.m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Stärkung des Ehrenamts -Ehrenamtsstärkungsgesetz- vom 21.03.2013, BGBl I 2013, 556) ergangen ist, für die zuvor ergangenen Steuerbescheide der Streitjahre Bindungswirkung zukommen kann.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. Februar 2022 – V R 1/20
- BFH, Urteil vom 15.11.2017 – I R 39/15, BFH/NV 2018, 611, Rz 23, m.w.N.[↩]
- so Musil in HHSp, § 53 AO Rz 12; wohl auch Seer in Tipke/Kruse, § 53 AO Rz 1; von Cube in Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, a.a.O., § 53 AO Rz 53; differenzierend Kröger, Deutsche Steuer-Zeitung 1990, 79, 80 f.[↩]
- so zutreffend Hessisches FG, Urteil vom 27.11.2020 – 4 K 619/18 Rz 45; vgl. auch Hessisches FG, Urteil vom 26.02.2020 – 4 K 594/18, EFG 2020, 902 Rz 46[↩]
- BFH, Urteil vom 27.11.2013 – I R 17/12, BFHE 244, 194, BStBl II 2016, 68[↩]
- BFH, Urteile vom 18.07.2012 – X R 28/10, BFHE 238, 484, BStBl II 2013, 444, Rz 17; und vom 10.06.2015 – I R 63/12, BFH/NV 2016, 1, Rz 16[↩]
- FG München, Urteil vom 25.06.2019 – 6 K 173/19, EFG 2019, 1421, Rz 21[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 16.01.2020 – V R 56/17, BFHE 268, 107, Rz 17; und vom 23.07.2020 – V R 40/18, BFHE 270, 43, BStBl II 2021, 3, Rz 27; vgl. allgemein zur Auslegung eines Verwaltungsakts durch das Revisionsgericht BFH, Urteil vom 24.03.1998 – I R 83/97, BFHE 186, 67, BStBl II 1998, 601, unter II. 1.b[↩]
- BFH, Urteil vom 21.06.2017 – V R 3/17, BFHE 259, 140, BStBl II 2018, 372, Rz 18[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 270, 43, BStBl II 2021, 3, Rz 28[↩]