Die Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs um seiner selbst willen verstößt gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO. Ob eine wirtschaftliche Tätigkeit um ihrer selbst willen ausgeübt wird, kann sich danach richten, wie viel Zeit und Personal im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eingesetzt wird.

Dem zugrunde lag ein Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV), in dem die Beteiligten über die körperschaftsteuerrechtlichen Folgen sog. Dividendenstripping-Geschäfte einer im März 2015 errichteten Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) stritten, deren satzungsmäßiger Unternehmensgegenstand die selbstlose Unterstützung und Förderung von Kunst und Kultur ist. Da nur die körperschaftsteuerrechtliche Ebene berührt ist, betrifft das Verfahren nicht die kapitalertragsteuerlichen Folgen der Geschäfte und die sich in diesem Zusammenhang möglicherweise ergebende Problematik eines Missbrauchs von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 AO. Auf Antrag stellte das Finanzamt mit Bescheid nach § 60a Abs. 1 AO vom 25.03.2015 fest, dass die Unternehmergesellschaft die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke gemäß §§ 51, 59, 60 und 61 AO erfüllt.
Im Verlauf des Jahres 2016 (Streitjahr) erwarb die Unternehmergesellschaft in erheblichem Umfang jeweils kurz vor dem Dividendenstichtag dividendenberechtigte Aktien („cum Dividende“) von ausländischen Anteilseignern, ließ sich die Dividende -aufgrund der Vorlage des Bescheids nach § 60a AO- ohne Kapitalertragsteuerabzug auf ihr zuvor bei der D-Bank eröffnetes Konto/Depot auszahlen und verkaufte die Aktien anschließend wieder an die bisherigen Anteilseigner zurück. Die Transaktionen wurden im außerbörslichen Handel („OTC-„[over the counter]Geschäft) getätigt. Nachdem das Finanzamt durch die Steuerfahndung von den Aktiengeschäften Kenntnis erlangt hatte, versagte es der Unternehmergesellschaft die Steuerbefreiung wegen Verstoßes der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Gemeinnützigkeitserfordernisse.
Wie in der Vorinstanz bereits das Hessische Finanzgericht1 hat auch der Bundesfinanzhof keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Unternehmergesellschaft körperschaftsteuerpflichtig und nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit gewesen ist. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO), von der Körperschaftsteuer befreit. Aufgrund der vom Finanzgericht hervorgehobenen Umstände muss davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Geschäftsführung der Unternehmergesellschaft nicht auf die ausschließliche Verfolgung der satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke2 gerichtet war und damit gegen § 56 AO verstoßen hat, dem zufolge die steuerbegünstigten Zwecke von der Körperschaft ausschließlich verfolgt werden müssen. Zwar steht die Unterhaltung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs der Steuerbegünstigung nicht entgegen, wenn dieser betrieben wird, um der Körperschaft Mittel für die gemeinnützigen Zwecke zu verschaffen und die Überschüsse dem steuerbegünstigten Zweck zugutekommen3. Jedoch darf der Geschäftsbetrieb nicht um seiner selbst willen betrieben werden. Ob eine wirtschaftliche Tätigkeit um ihrer selbst willen ausgeübt wird, kann sich danach richten, wie viel Zeit und Personal im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eingesetzt wird4.
Das Hessische Finanzgericht hat hierzu ausgeführt, der überwiegende Teil der tatsächlichen Geschäftsführung der Unternehmergesellschaft sei darauf gerichtet gewesen, Aktiengeschäfte durchzuführen. Dies ergebe sich aus dem Umfang der Aktientransfers, aus dem hierzu notwendigen Aufwand für die komplexen vertraglichen Gestaltungen der Aktiengeschäfte, deren Kreditfinanzierung sowie den Sicherungsgeschäften, aus der Erstellung und Abstimmung der diesem Gesamtkonzept zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen und Erklärungen und aus der Rolle des Geschäftsführers der Unternehmergesellschaft, der bei Depoteröffnung von der D-Bank als „professioneller Kunde“ i.S. des § 31a Abs. 7 des Wertpapierhandelsgesetzes eingestuft wurde. Die Allgemeinheit habe demgegenüber im Gründungsjahr und im Streitjahr mit Ausnahme einer einwöchigen Kunstausstellung keinen Nutzen von den Tätigkeiten der Unternehmergesellschaft gehabt. Diese Umstände lassen bei der gebotenen summarischen Betrachtung auch aus Sicht des Bundesfinanzhofs darauf schließen, dass die satzungsmäßige Verankerung der Gemeinnützigkeit primär dem Zweck diente, den Bescheid nach § 60a AO zu erlangen, um mit dessen Hilfe sodann die Dividendenstripping-Geschäfte tätigen zu können.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 4. März 2020 – I B 57/18