Heilung eines „fehlerhaften“ Gewinnabführungsvertrages in Altfällen

Der Eintritt der Heilungswirkung nach den Übergangsregelungen in § 17 Abs. 2 i.V.m. § 34 Abs. 10b Satz 2 und 3 KStG n.F. zum gesetzlichen Erfordernis des dynamischen Verweises auf § 302 AktG (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 KStG n.F.) hängt vom Verhalten des Steuerpflichtigen ab. Deshalb tritt bei Beendigung der steuerlichen Organschaft vor dem 01.01.2015 die Heilungswirkung gemäß § 34 Abs. 10b Satz 3 KStG n.F. nicht ein, wenn der Steuerpflichtige durch eine nach außen erkennbare Handlung den Willen äußert, eine Heilung des „fehlerhaften“ Gewinnabführungsvertrages nicht herbeiführen, sondern die Rechtsfolgen des „fehlerhaften“ Gewinnabführungsvertrages tragen zu wollen.

Heilung eines „fehlerhaften“ Gewinnabführungsvertrages in Altfällen

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall waren in sämtlichen Streitjahren die Voraussetzungen für eine steuerrechtliche Anerkennung der Organschaft nicht erfüllt, weil im Ergebnisabführungsvertrag (EAV) entgegen § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.20131 eine Verlustübernahme nicht entsprechend den Vorschriften des § 302 AktG vereinbart worden war. Denn der EAV enthielt keine Verjährungsregelung, die der im Dezember 2004 eingeführten Verjährungsvorschrift des § 302 Abs. 4 AktG entsprochen hat. Zur weiteren Begründung verweist der Bundesfinanzhof zur Vermeidung von Wiederholungen auf die von ihm in ständiger Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Rechtsgrundsätze, die die Vorinstanz fehlerfrei auf den Streitfall angewendet hat2.

Zwar hat der Bundesfinanzhof in seinem Urteil in BFHE 259, 49, BStBl II 2019, 278 offen gelassen, innerhalb welcher zeitlichen Grenze nach Inkrafttreten des § 302 Abs. 4 AktG im Dezember 2004 ein vor diesem Zeitpunkt vereinbarter Vertrag („Altvertrag“) anzupassen ist. Jedoch ist mit Blick auf diese Anpassungsobliegenheit jedenfalls eine jahrelange Untätigkeit für die Anerkennung der Organschaft schädlich. Und so liegt der Streitfall, da zu Beginn des ersten Streitjahres (2007) immer noch keine dem § 302 Abs. 4 AktG entsprechende Verjährungsregelung zwischen der Obergesellschaft und der GmbH vereinbart worden war.

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Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Münster3 ist im hier entschiedenen Fall der fehlerhafte EAV jedoch nicht durch die gesetzlichen Übergangsregelungen geheilt worden. Eine steuerrechtlich anzu Organschaft zwischen der Obergesellschaft und der GmbH hat daher in den Streitjahren nicht bestanden:

Der Gesetzgeber hat mit dem oben bereits genannten Gesetz vom 20.02.20131 in § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG das zwingende Erfordernis („weitere Voraussetzung ist …“) eines „dynamischen“ Verweises auf § 302 AktG verankert. Zugleich hat er in § 34 Abs. 10b KStG in der Fassung dieses Gesetzes Übergangsregelungen getroffen, die in allen offenen Verfahren anzuwenden sind4 und die in der Fassung des Artikels 12 des Gesetzes zur Anpassung des Investmentsteuergesetzes und anderer Gesetze an das AIFM-Umsetzungsgesetz (AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz) vom 18.12.20135 gemäß § 17 Abs. 2 KStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.07.20146 -KStG n.F.- dauerhaft fortgelten (im Folgenden § 34 Abs. 10b KStG n.F.).

Danach steht es der Anwendung der §§ 14 bis 16 KStG für Veranlagungszeiträume, die vor dem 01.01.2015 enden, nicht entgegen, wenn der Gewinnabführungsvertrag (GAV), der vor dem 21.02.2013 abgeschlossen wurde, keinen den Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 15.10.20027 entsprechenden Verweis auf § 302 AktG enthält, wenn eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG tatsächlich erfolgt ist und eine Verlustübernahme entsprechend § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG i.d.F. des Gesetzes vom 20.02.2013 (als „dynamischer“ Verweis auf § 302 AktG) bis zum Ablauf des 31.12.2014 wirksam vereinbart wird (§ 34 Abs. 10b Satz 2 KStG n.F.). Nach Satz 3 des § 34 Abs. 10b KStG n.F. ist für die Anwendung des Satzes 2 die Vereinbarung einer Verlustübernahme entsprechend § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG i.d.F. des Gesetzes vom 20.02.2013 nicht erforderlich, wenn die steuerrechtliche Organschaft vor dem 01.01.2015 beendet wurde.

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Mit § 34 Abs. 10b Satz 2 KStG n.F. hat der Gesetzgeber eine Vorschrift geschaffen, die es ermöglicht, einen GAV, der bislang keine ausreichende Vereinbarung entsprechend § 302 AktG enthielt und in diesem Sinne für die Rechtsfrage der steuerrechtlichen Anerkennung fehlerhaft war, durch Aufnahme eines „dynamischen“ Verweises rückwirkend zu heilen. Eine solche Vertragsänderung ist allerdings nach § 34 Abs. 10b Satz 3 KStG n.F. entbehrlich, wenn die Organschaft vor dem 01.01.2015 beendet wird.

Da der streitgegenständliche EAV zum 31.05.2012 wirksam gekündigt und die Organschaft dadurch beendet wurde, ist das Finanzgericht unter Verweis auf Satz 3 des § 34 Abs. 10b KStG n.F. von einer rückwirkenden Heilung des fehlerhaften EAV ausgegangen. Dem ist nicht zu folgen. Denn Satz 3 ist lediglich eine Ergänzung des Satzes 2 („Für die Anwendung des Satzes 2 …“), der den Grundtatbestand der Heilung beinhaltet und dabei den Eintritt der Heilungswirkung vom Verhalten des Steuerpflichtigen abhängig macht. Dann muss aber auch für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger, der die Organschaft bereits vor der gesetzlichen Neuregelung beendet hatte, mittels Einlegung von Rechtsbehelfen ausdrücklich dem möglichen Eintritt einer Heilungswirkung widerspricht, Rechnung getragen werden (keine nachträgliche Anerkennung der Organschaft).

Der Wortlaut der Regelung ist nicht in dem Sinne eindeutig, dass Satz 3 den Eintritt der Heilungswirkung bei vor dem 01.01.2015 beendeten Organschaften zwingend und ausnahmslos anordnet. Denn mit den Formulierungen „für die Anwendung des Satzes 2“ und „nicht erforderlich“ verknüpft der Gesetzgeber Satz 3 unmittelbar mit dem in Satz 2 geregelten Grundtatbestand der Heilung. Dies bestimmt die Deutung der inhaltlichen Reichweite des Satzes 3.

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Mit der Aussage, dass die GAV-Änderung (im Sinne einer Vereinbarung einer der Neufassung des § 17 KStG -Erfordernis eines „dynamischen Verweises“ auf § 302 AktG- entsprechenden Verlustübernahmeklausel) „nicht erforderlich ist“, um die in Satz 2 vorgesehene Rechtsfolge der Heilung eintreten zu lassen, zeigt der Gesetzgeber den komplementären Charakter des Satzes 3 auf. Es handelt sich nicht um eine verschärfende Regelung, sondern um eine Erleichterung und damit um eine gesetzliche Erweiterung der Begünstigungswirkungen, die Satz 2 zugunsten der Steuerpflichtigen anordnet. Der rein begünstigende Charakter des Satzes 3 liegt auf der Hand, da der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen im Unterschied zu dem in Satz 2 geregelten Grundtatbestand von der Obliegenheit befreit, den GAV zwecks Herbeiführung der Heilung ändern zu müssen. Damit ist nicht zuletzt eine Verfahrensvereinfachung verbunden, weil ein GAV-Änderungserfordernis ungeachtet bereits vollzogener oder unmittelbar bevorstehender Organschaftsbeendigung eine unnötige Förmelei wäre.

Die rein begünstigende Zwecksetzung des Satzes 3 folgt schließlich auch aus folgendem Umstand: Wenn der Gesetzgeber den Steuerpflichtigen im Anwendungsbereich des Satzes 2 eine Frist bis zum 31.12.2014 einräumt, um den fehlerhaften GAV zu ändern und die Heilungswirkung eintreten zu lassen, können im Anwendungsbereich des Satzes 3 keine höheren Anforderungen gestellt werden. Auch die von Satz 3 betroffenen Steuerpflichtigen dürfen den zeitlichen Änderungsrahmen uneingeschränkt ausnutzen8.

Der Grundtatbestand der Heilungsregelung in Satz 2 stellt den Eintritt der Heilungswirkung in das Belieben des Steuerpflichtigen. Denn die wesentliche Voraussetzung für die Heilung -die fristgerechte Änderung des fehlerhaften GAV- muss vom Steuerpflichtigen geschaffen werden, ohne dass eine gesetzliche Pflicht zur Änderung des GAV bestünde. Der Steuerpflichtige hat es in der Hand, die Heilungsfolge durch fristgerechte Änderung des fehlerhaften GAV eintreten zu lassen oder sie eben nicht eintreten zu lassen, indem er untätig bleibt. Es spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber abweichend davon mit der rein ergänzenden Vorschrift des Satzes 3 einen vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängigen „Heilungszwang“ statuieren wollte oder dass die termingerechte Vertragskündigung zwingend die Heilungswirkung auslöst.

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Die Entstehungsgeschichte des § 34 Abs. 10b KStG n.F. belegt ebenfalls den begünstigenden, ergänzenden und nicht-zwingenden Charakter des Satzes 3. So heißt es in der Begründung des ursprünglichen Gesetzentwurfs, der den Satz 3 noch nicht enthielt, dass die Erfüllung der Organschaftsvoraussetzungen erleichtert werden solle, „formelle Fehler … können … nachträglich korrigiert werden“9. In der Begründung zur Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, der die Ergänzung des Gesetzesvorschlags um den späteren Satz 3 anregte, wird ausdrücklich ausgeführt, dass die Regelung keine Verpflichtung zur Anpassung von Gewinnabführungsverträgen enthalte. Unternehmen könnten daher auf eigenes Risiko auch die bisherigen Verweise auf § 302 AktG fortführen, wenn sie nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen wollten, den dynamischen Verweis bis zum 31.12.2014 aufzunehmen10. Mit dieser Aussage lässt sich die Deutung des Satzes 3 als zwingende Heilungsnorm nicht vereinbaren.

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs steht dieser Auslegung des § 34 Abs. 10b Satz 3 KStG n.F. nicht entgegen. Soweit der Bundesfinanzhof in dem Urteil in BFHE 242, 139, BStBl II 2014, 272 die Vorschrift zur Anwendung gebracht hat, betraf dies einen Rechtsstreit, mit dem die damalige Obergesellschaft im Unterschied zu dem jetzt zur Beurteilung anstehenden Fall die Anerkennung der Organschaft begehrt hatte.

Nach alledem ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen eine Auslegung des Satzes 3 geboten, die die Heilungswirkung dann nicht eintreten lässt, wenn der Steuerpflichtige vergleichbar mit der nach außen erkennbaren Änderung des GAV im Grundtatbestand des Satzes 2 durch eine nach außen erkennbare Handlung den Willen äußert, eine Heilung nicht herbeiführen zu wollen. Eine solche Handlung ist im Streitfall spätestens in der Einlegung von Rechtsbehelfen gegen die vom Finanzamt vollzogene Organschaftsbesteuerung zu erblicken. Hierbei genügt es, dass sich die Obergesellschaft als vermeintliche Organträgerin gegen die Heilung ausgesprochen hat. Denn im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 10b Satz 2 KStG n.F. als dem Grundtatbestand der Heilung hinge es ebenfalls allein vom Willen des Organträgers ab, ob die erforderliche Änderung des GAV zustande kommt oder nicht.

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Es muss somit nicht darüber entschieden werden, ob die Auslegung des Satzes 3 des § 34 Abs. 10b KStG n.F. als nicht-zwingende Heilungsregelung auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist, um eine Verletzung des Verbots der echten Rückwirkung zu vermeiden.

  1. BGBl I 2013, 285, BStBl I 2013, 188[][]
  2. z.B. BFH, Urteile vom 03.03.2010 – I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132; vom 24.07.2013 – I R 40/12, BFHE 242, 139, BStBl II 2014, 272; vom 10.05.2017 – I R 93/15, BFHE 259, 49, BStBl II 2019, 278[]
  3. FG Münster, Urteil vom 27.11.2019 – 13 K 2898/16 G, F[]
  4. vgl. BFH, Urteil in BFHE 242, 139, BStBl II 2014, 272[]
  5. BGBl I 2013, 4318, BStBl I 2014, 2[]
  6. BGBl I 2014, 1266, BStBl I 2014, 1126[]
  7. BGBl I 2002, 4144, BStBl I 2002, 1169[]
  8. Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 17 Rz 17[]
  9. BT-Drs. 17/10774, S. 9 [Hervorhebung nicht im Original][]
  10. BT-Drs. 17/11217, S. 8[]