Keine inländische Betriebsstätte – keine Betriebsausgabenfiktion

Die Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben nach Maßgabe von § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG (sog. Schachtelstrafe) geht ins Leere, wenn die veräußernde Kapitelgesellschaft im Inland über keine Betriebsstätte und keinen ständigen Vertreter verfügt.

Keine inländische Betriebsstätte – keine Betriebsausgabenfiktion

In einem solchen Fall ist mithin dem auf die Gesellschafterin entfallenden Veräußerungsgewinn i.S. des § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG kein Anteil von 5 % als nicht abziehbare Betriebsausgaben den beschränkt steuerpflichtigen inländischen Einkünften der Gesellschafterin hinzuzurechnen.

Zwar bestimmt § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG, dass von dem jeweiligen Gewinn i.S. des Abs. 2 Satz 1 der Norm 5 % als Ausgaben gelten, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Die Fiktion pauschalierter Betriebsausgaben geht indessen im Fall der Gesellschafterin ins Leere, weil diese im Streitjahr mangels inländischer Betriebsstätte oder ständigen Vertreters keine inländischen Einkünfte erzielt hat, bei deren Ermittlung Betriebsausgaben berücksichtigt werden könnten.

Im Schrifttum bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten zu einer Hinzurechnung nicht abziehbarer Betriebsausgaben führen kann, wenn die betreffende Körperschaft über keine inländische Betriebsstätte verfügt. Während ein Teil der Literatur dies -ebenso wie die Vorinstanz- bejaht1, schließen andere eine solche Rechtsfolge aus2.

Der Bundesfinanzhof hält die letztgenannte Auffassung für zutreffend. Die Betriebsausgabenfiktion des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG greift zwar als typisierende Pauschalierung unabhängig davon, ob und in welchem Umfang beim Steuerpflichtigen tatsächlich Betriebsausgaben im Zusammenhang mit dem veräußerten Anteil angefallen sind3. Fingiert werden aber lediglich der betriebliche Aufwand und dessen Nichtabziehbarkeit. Nicht Gegenstand der Fiktion ist der Besteuerungszugriff des deutschen Fiskus auf den fingierten betrieblichen Aufwand. Dieser muss sich daher aus anderen Bestimmungen ergeben. Die Fiktion nicht abziehbarer Betriebsausgaben durch § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG kann nur dann zu einer Erhöhung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage führen, wenn der fingierte betriebliche Aufwand, falls er tatsächlich entstanden wäre, dem Besteuerungszugriff des deutschen Fiskus unterliegen würde. Bei der Gesellschafterin ist dies nicht der Fall.

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Die Gesellschafterin erzielt zwar aufgrund der Bestimmung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa i.V.m. § 17 EStG inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Zur Ermittlung dieser Einkünfte ist jedoch keine Gewinnermittlung nach § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 4, § 5 EStG durchzuführen, in deren Rahmen Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) berücksichtigt werden könnten. Objekt der beschränkten Steuerpflicht der Gesellschafterin ist ausschließlich der Veräußerungsgewinn gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG, d.h. der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Es handelt sich dabei um den sich punktuell aus dem einzelnen Veräußerungsvorgang ergebenden Differenzbetrag zwischen Veräußerungspreis einerseits und Anschaffungskosten sowie Veräußerungskosten andererseits. Dieser Saldobetrag wird aufgrund gesetzlicher Fiktion als gewerbliche Einkünfte qualifiziert, ohne dass insoweit ein Betriebsvermögensvergleich nach den Maßgaben von § 4 Abs. 1, § 5 EStG oder eine Einnahmen-Überschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG durchzuführen wäre. Soweit in den Saldo tatsächlicher betrieblicher Aufwand in Form der Veräußerungskosten eingeht, ist dieser von der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG umfasst und ist schon von daher nicht abziehbar4. Ein etwaiger weiterer betrieblicher Aufwand der Gesellschafterin, der in einem Veranlassungszusammenhang mit den veräußerten Anteilen steht, würde mithin in Ermangelung einer inländischen Betriebsstätte oder eines für das Inland bestellten ständigen Vertreters (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) nicht dem deutschen Besteuerungszugriff unterliegen.

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Entgegen der vom Hessischen Finanzgericht5 in der Vorinstanz vertretenen Sichtweise kann der vom Gesetz beschrittene rechtliche Weg der Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben nicht durch eine wirtschaftliche Betrachtung überspielt werden, der zufolge die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG im Ergebnis nur zu 95 % gewährt werden solle und § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG daher als Vorschrift verstanden werden müsse, die die Steuerfreistellung partiell wieder zurücknimmt6.

Mit § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG flankiert das Gesetz die prinzipielle Freistellung des Veräußerungsgewinns nach § 8b Abs. 2 KStG durch Qualifizierung eines pauschalen Prozentsatzes des Nettogewinns als fiktive Nichtabzugsgröße „nichtabziehbare Betriebsausgaben“7. Auch wenn diese Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben wirtschaftlich wie eine partielle Rücknahme der Steuerfreistellung um 5 % wirkt, ist der vom Gesetz gewählte Weg der Qualifizierung der Nichtabzugsgröße als nichtabziehbare Betriebsausgaben wörtlich zu verstehen und ernst zu nehmen. Aus diesem Grund hat der Bundesfinanzhof zur Vorschrift des § 8b Abs. 7 KStG 1999 i.d.F. des Gesetzes zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften (Steuerbereinigungsgesetz 1999) (vom 22.12.19998, der eine vergleichbare Betriebsausgabenfiktion hinsichtlich der gemäß § 8b Abs. 1 KStG 1999 i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 von der Besteuerung freigestellten Dividenden enthält, entschieden, dass die vollständige Freistellung der Dividenden von der Besteuerung rechtlich nicht durch die 5 %-ige Betriebsausgabenfiktion beeinträchtigt wird und die Betriebsausgabenfiktion folglich nicht in Konflikt mit abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien steht9. Ein gleichermaßen wörtliches Normverständnis als echte Pauschalierung nicht abziehbarer Betriebsaufwendungen ist auch in Bezug auf die Betriebsausgabenfiktion des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG geboten10.

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Rückwirkende steuerliche Anerkennung von Gewinnabführungsverträgen

Bundesfinanzhof, Urteil vom 31. Mai 2017 – I R 37/15

  1. Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 8b KStG Rz 178; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, a.a.O., § 8b Rz 282; Blümich/Rengers, § 8b KStG Rz 263; Kröner in Ernst & Young, KStG, § 8b Rz 143; Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8b KStG Rz 103; Gröbl/Adrian in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 8b KStG Rz 157[]
  2. Gosch in Kirchhof, EStG, 16. Aufl., § 49 Rz 35b; Wassermeyer, Der Betrieb 2008, 430, 431; Frotscher in Frotscher/Drüen, KStG/GewStG/UmwStG, § 8b KStG Rz 255; Mohr in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, § 2 Rz 165; Kempf/Hohage, IStR 2010, 806, 807; Nitzschke, IStR 2012, 125, 126; skeptisch auch Weiss, Der Konzern 2017, 174, 180 f.[]
  3. BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224[]
  4. vgl. BFH, Urteile vom 12.03.2014 – I R 45/13, BFHE 245, 25, BStBl II 2014, 719; vom 09.04.2014 – I R 52/12, BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861; Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 8b KStG Rz 176[]
  5. Hess. FG, Urteil vom 28.04.2015 – 4 K 1366/14[]
  6. so aber Pung in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 8b KStG Rz 178[]
  7. BFH, Urteile in BFHE 245, 25, BStBl II 2014, 719, und in BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861[]
  8. BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13[]
  9. BFH, Urteil vom 29.08.2012 – I R 7/12, BFHE 239, 45, BStBl II 2013, 89; s.a. BFH, Beschluss vom 22.09.2016 – I R 29/15, BFH/NV 2017, 324[]
  10. vgl. BVerfG, Beschluss in BVerfGE 127, 224, Rz 53 f.[]
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Der Arbeitsunfall des Leiharbeitnehmers - und die Haftungsprivilegierung des Entleihers