Eine berufsständischen Versorgungseinrichtung übt nach einem aktuellen Urteil des Finanzgerichts Düsseldorfs trotz der auch insoweit bestehenden Pflichtmitgliedschaft der Kammerangehörigen anders als die öffentlich rechtlichen Träger der gesetzlichen Sozialversicherung keine Tätigkeit aus, die der Körperschaft des öffentlichen Rechts als Trägerin der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten ist, so dass das Versorgungswerk auch nicht deshalb als Betrieb gewerblicher Art im Sinne der vorgenannten Vorschriften zu qualifizieren ist. Hiervon geht auch der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung aus1.

Dieser von der Klägerin unterhaltene Betrieb gewerblicher Art ist eine öffentlich-rechtliche Versorgungseinrichtung im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG und § 3 Nr. 11 GewStG und damit mit seiner gesamten Tätigkeit ertragsteuerbefreit.
Nach den insoweit gleichlautenden § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG und § 3 Nr. 11 GewStG sind steuerbefreit öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen, deren Angehörige auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder dieser Einrichtung sind, wenn die Satzung der Einrichtung die Zahlung keiner höheren jährlichen Beiträge zulässt als das Zwölffache der Beiträge, die sich bei einer Beitragsbemessungsgrundlage in Höhe der doppelten monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung ergeben würden. Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist unstreitig, dass die Satzungsanforderungen, an die die Befreiungsvorschriften die Privilegierung knüpfen, im Streitfall erfüllt sind.
Bereits der Wortlaut der Befreiungsvorschriften lässt die vom Beklagten vorgenommene Differenzierung nach steuerfreien vermögensverwaltenden und steuerpflichtigen gewerblichen Kapitalanlagen der Versorgungseinrichtung nicht zu. Steuerbefreit ist die Einrichtung als solche mit ihrem gesamten Geschäftsbetrieb. Die Steuerfreiheit beschränkt sich weder auf einzelne Tätigkeiten, noch sind einzelne Tätigkeitsbereiche, anders als etwa in § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG, von der Steuerbefreiung ausgenommen.
Kennzeichnend für die unter § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG und § 3 Nr. 11 GewSt fallenden berufsständischen Versorgungswerke ist die rentierliche Anlage der Mitgliedsbeiträge im Deckungsplan- oder Anwartschaftsdeckungsverfahren2. Die Versorgungswerke haben ähnlich wie Lebensversicherungsunternehmen in Anlehnung an die Regelungen des § 54 VAG und der Anlageverordnung die Bestände ihres Sondervermögens so anzulegen, dass möglichst große Sicherheit und Rentabilität bei jederzeitiger Liquidität unter Wahrung angemessener Mischung und Streuung erreicht wird. Als zulässige Anlageformen kommen auch eine Vielzahl gewerblicher Kapitalanlagen in Betracht, die zum üblichen Geschäft der steuerbefreiten Versorgungseinrichtung rechnen.
Für eine Unterscheidung zwischen vermögensverwaltenden und gewerblichen Kapitalanlagen ist schon deshalb kein Raum, weil die über die reine Vermögensverwaltung hinausgehende gewerbliche Tätigkeit überhaupt erst den – von der Steuer freigestellten – Betrieb gewerblicher Art begründet3. Es ist zudem im Ansatz verfehlt, einen bereits bestehenden Betrieb gewerblicher Art daraufhin zu untersuchen, ob einzelne zu diesem Betrieb gehörende Tätigkeiten ihrerseits geeignet sind, einen – eigenständigen – Betrieb gewerblicher Art zu begründen. Einer tätigkeitsbezogenen Betrachtungsweise bedarf es nur, falls die Einrichtung der juristischen Person des öffentlichen Rechts gleichzeitig hoheitlich und wirtschaftlich tätig ist. Derartige Abgrenzungsfragen stellen sich im Streitfall jedoch nicht.
Dieses Verständnis der § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG und § 3 Nr. 11 GewStG als umfassende Befreiungsvorschrift für den dort hinreichend genau bezeichneten Betrieb gewerblicher Art wird durch das BFH-Urteil vom 19.08.19584 jedenfalls im Ergebnis nicht in Frage gestellt. Dort hat es der BFH zwar für möglich gehalten, dass die nach einer vergleichbaren Vorschrift (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1968) ohne Einschränkung von der Körperschaftsteuer befreite Deutsche Bundesbahn, die bereits zum damaligen Zeitpunkt mit ihrem gesamten Unternehmen als Betrieb gewerblicher Art zu qualifizieren war, mit der gewerblichen Verpachtung ihrer Bahnhofhotels einen eigenständigen steuerpflichtigen Betrieb gewerblicher Art unterhält. Die Steuerfreiheit der Hotelverpachtung hat der BFH gleichwohl mit der Begründung bejaht, dass sich die Deutsche Bundesbahn mit dieser Tätigkeit im Rahmen der ihr vom Gesetz zugewiesenen Aufgaben gehalten hat.
Auch im Streitfall hält sich das Versorgungswerk mit den streitigen Kapitalanlagen im Rahmen der ihm durch die Verordnung zu den Grundsätzen der Versicherungsaufsicht über die berufsständischen Versorgungswerke der Freien Berufe in Nordrhein-Westfalen und den Anlagegrundsätzen des § 54 Abs. 1 VAG in Verbindung mit der Anlageverordnung gezogenen Grenzen. Nach diesen Vorschriften lässt sich unbeschadet ihrer vorrangig außersteuerlichen Motive der Rahmen der betriebsgewöhnlichen Geschäfte des Versorgungswerks hinreichend sicher bestimmen. Zum üblichen Geschäftsbetrieb des steuerbefreiten Betriebs gewerblicher Art rechnen sämtliche zulässige Kapitalanlageformen. Dass hierunter auch die streitigen Tätigkeiten fallen, wird auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Die vom Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußerte Befürchtung, das Versorgungswerk könne unter dem Deckmantel der Steuerbefreiung seinen Geschäftsbetrieb auch auf untypische Anlageformen ausweiten, ist schon im Hinblick auf die ständige aufsichtsrechtliche Überwachung des Geschäftsbetriebs durch das Landesfinanzministerium nach § 1 und § 3 des Landesversicherungsaufsichtsgesetzes NRW vom 20.04.1999 unbegründet.
Die umfassende Steuerbefreiung des Betriebs gewerblicher Art Versorgungswerk wird durch eine mögliche Wettbewerbsbeeinträchtigung nicht berührt. Fragen des Wettbewerbs sind lediglich bei der Abgrenzung des Hoheitsbetriebs i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG vom Betrieb gewerblicher Art bedeutsam5. Stellt der Gesetzgeber einen Betrieb gewerblicher Art von der Steuer frei, nimmt er damit eine mögliche Wettbewerbsbeeinträchtigung bewusst in Kauf. Es kann deshalb dahinstehen, ob die steuerfreie Verpachtung des Pflegeheims „L-Stadt“ überhaupt wettbewerbsrelevant ist. Der Senat stellt vorsorglich klar, dass das Versorgungswerk als Bestandteil des öffentlich-rechtlichen Pflichtversicherungssystems jedenfalls in keinem Wettbewerb zu privaten Kapitalsammelstellen, insbesondere Lebensversicherungsunternehmen steht.
Die umfassende Steuerbefreiung des Betriebs gewerblicher Art Versorgungswerk wird schließlich nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gesetzgeber mit der Steuerfreistellung möglicherweise lediglich eine ertragsteuerliche Gleichbehandlung der berufsständischen Versorgungswerke mit der gesetzlichen Sozialversicherung bezweckt hat.
Die Steuerbefreiung berufsständischer Versorgungseinrichtungen findet sich erstmals in dem durch das Steueränderungsgesetz 1965 vom 14.05.19656 eingefügten § 4 Abs. 1 Nr. 10 KStG 1965. Die Befreiungsvorschrift wurde ursprünglich damit gerechtfertigt, dass diese Pflichtversicherungseinrichtungen weitgehend Aufgaben der nicht der Körperschaftsteuer unterworfenen Sozialversicherungsträger, die von der Finanzverwaltung seit alters als Hoheitsbetriebe angesehen worden waren7, wahrnähmen8.
Hätte sich ein Sozialversicherungsträger im Rahmen eines Pachtverhältnisses oder einer mitunternehmerischen Beteiligung gewerblich betätigt, so läge es nicht fern, diese Tätigkeiten als steuerpflichtige Betriebe gewerblicher Art gem. § 1 Abs. 1 Nr. 6 in Verbindung mit § 4 KStG zu qualifizieren, die schon im Hinblick auf die dem Umlageverfahren in der gesetzlichen Rentenversicherung eher wesensfremden langfristigen Kapitalanlagen nicht als Hoheitsbetrieb im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG behandelt werden könnten.
Indes könnte selbst die vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichstellung der berufsständischen Versorgungswerke mit den hoheitlich tätigen Sozialversicherungsträgern nicht zu einer vergleichbaren Einschränkung der Steuerbefreiung dieser Betriebe führen. Abgesehen davon, dass diese Absicht in den Befreiungsvorschriften selbst keinen Niederschlag gefunden hat und es schon wegen der grundlegenden Unterschiede zwischen Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren an der Vergleichbarkeit beider Alterssicherungssysteme fehlt, hat der Gesetzgeber die Tätigkeit des Versorgungswerks gerade nicht einer Tätigkeit gleichgestellt, die wie die Tätigkeit des Sozialversicherungsträgers der öffentlich-rechtlichen Körperschaft eigentümlich und vorbehalten ist. Er hat vielmehr die ihrer Art nach steuerbare und steuerpflichtige Tätigkeit der berufsständischen Versorgungswerke unmittelbar von der Steuer freigestellt. Für die beim gesetzlichen Sozialversicherungsträger im Einzelfall gebotene Abgrenzung zwischen hoheitlicher und wirtschaftlicher Betätigung ist deshalb kein Raum.
Auf die Organisationsform eines berufsständischen Versorgungswerks kommt es insoweit nach Auffassung des FG Düsseldorf für die Entscheidung nicht an. Diese Einrichtungen sind entweder als selbständige rechtsfähige Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts oder – wie im Streitfall – als rechtlich unselbständiges Sondervermögen nach dem jeweiligen Landesrecht gegründet worden.
Ist das Unternehmen, in dem die Betätigung ausgeübt wird, im Rahmen des öffentlichen Rechts als selbständiger Rechtsträger organisiert, so ergibt sich die Steuerpflicht des Betriebs gewerblicher Art unmittelbar aus § 4 Abs. 2 KStG; handelt es sich dagegen um eine gewerbliche Betätigung unselbständiger Art im Rahmen einer im übrigen hoheitlich tätigen öffentlichen Körperschaft, so ist die Körperschaft mit diesem Betrieb gewerblicher Art nach § 1 Abs. 6 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 KStG steuerpflichtig. Die Rechtsfolgen sind in beiden Fällen identisch.
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 12. Mai 2009 – 6 K 3127/06 K,G,F
- vgl. grundlegend BFH, Urteil vom 4.02.1976 I R 200/73, BStBl II 1976, 355[↩]
- vgl. Lepelmeier/Roth, Berufsständische Versorgungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland, Wirtschaftswissenschaftliche Studien 2008, 445[↩]
- vgl. hierzu Blümich/Erhard, § 4 KStG Rdnr. 33 mit Rechtsprechungsnachweisen[↩]
- I 182/57 U, BStBl III 1958, 429[↩]
- siehe hierzu zuletzt BFH, Urteil vom 29.10.2008 I R 51/07, BFH/NV 2009, 308[↩]
- BGBl I 1965, 377[↩]
- vgl. hierzu BFH, Urteil vom 4.02.1976 I R 200/73, BStBl II 1976, 355[↩]
- Bundestags-Drucksache IV 3189 S. 10[↩]