Körperschaftsteuerrechtliche Organschaft – und die Insolvenz

Die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags ist Voraussetzung für die Anerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Kann ein vorläufiger Jahresabschluss der Organgesellschaft wegen Insolvenz nicht mehr korrigiert werden und wäre bei zutreffender Anwendung der handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze im endgültigen Jahresabschluss ein anderes Ergebnis auszuweisen, kann diese Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags ungeachtet der Insolvenz nicht in (analoger) Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG „geheilt“ werden.

Körperschaftsteuerrechtliche Organschaft – und die Insolvenz

Kommt es während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zur Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags, führt dies nicht nur zu einer Unterbrechung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft für einzelne Veranlagungszeiträume, sondern insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.

Verpflichtet sich eine Europäische Gesellschaft, Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag i.S. des § 291 Abs. 1 des Aktiengesetzes, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Zu diesen Voraussetzungen gehört u.a., dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG).

Sofern sich eine andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG bezeichnete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland -und damit auch eine inländische GmbH wie die X-GmbH- wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen i.S. des § 14 KStG abzuführen, gelten nach § 17 Satz 1 KStG die §§ 14 bis 16 KStG entsprechend. Darüber hinaus sind die zusätzlichen Voraussetzungen des § 17 Satz 2 KStG zu berücksichtigen.

Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft i.S. der §§ 14, 17 oder 18 KStG, gilt sie gewerbesteuerrechtlich als Betriebsstätte des Organträgers (§ 2 Abs. 2 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung).

Im vorliegenden Fall ist das erstinstanzlich hiermit befasste Finanzgericht Nürnberg zu Recht davon ausgegangen, dass zwischen der Holding-GmbH als Organträgerin und der X-GmbH als Organgesellschaft zunächst eine wirksame Organschaft i.S. des § 14 KStG begründet wurde1.

Insbesondere erfüllte der EAV die Bedingung der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Hierfür reicht es aus, dass ein EAV auf mindestens fünf Zeitjahre vereinbart wird2.

Dass die Mindestvertragslaufzeit im Streitfall aufgrund der nachträglichen Umstellung des Wirtschaftsjahrs während eines laufenden Wirtschaftsjahrs endete und dies u.a. wegen § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG dazu führen könnte, dass der EAV steuerlich nicht über die gesamte Mindestvertragslaufzeit wirkt und durchgeführt wird, ist für die Begründung der Organschaft unschädlich. Denn die Geltung und Durchführung des EAV über die gesamte Mindestvertragslaufzeit von fünf Zeitjahren kann durch nachträgliche Maßnahmen (z.B. erneute Umstellung des Wirtschaftsjahres oder Fortsetzung des Vertrags bis zum Ablauf des Wirtschaftsjahres) sichergestellt werden3. Da zwischen den Beteiligten dazu kein Streit besteht, sieht der Bundesfinanzhof von weiteren Ausführungen ab.

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Die Entscheidung des Finanzgericht, auch die Voraussetzung der tatsächlichen Durchführung des EAV nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG sei erfüllt, ist dagegen rechtsfehlerhaft.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt die tatsächliche Durchführung des EAV voraus, dass er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird. Dies bedeutet u.a., dass die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden4. „Verrechnung“ ist in diesem Zusammenhang dahin zu verstehen, dass es sich um eine einer tatsächlichen Zahlung gleich stehende Aufrechnung handeln muss; die reine Buchung der Forderung ohne Erfüllungswirkung ist dagegen nicht ausreichend5.

Die Gewinne und Verluste der X-GmbH für die in den Jahren 2006 und 2007 endenden Wirtschaftsjahre sind nach den bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) aufwands- bzw. ertragswirksam auf einem Verrechnungskonto gebucht und anschließend auf das Cash-Clearing-Konto umgebucht worden. Da auf dieser Grundlage zwischen den Beteiligten kein Streit über die Erfüllung der sich aus dem EAV ergebenden Verpflichtungen und damit auch über die tatsächliche Durchführung des EAV für die Jahre 2006 und 2007 besteht, sieht der Bundesfinanzhof hierzu von weiteren Ausführungen ab.

Die Würdigung des Finanzgericht, der EAV sei auch für das Jahr 2008 tatsächlich durchgeführt worden, ist dagegen rechtsfehlerhaft.

Nach den Feststellungen des Finanzgericht liegt für das Jahr 2008 ein vorläufiger Jahresabschluss der X-GmbH vor, der einen Jahresüberschuss vor Gewinnabführung von … € ausweist. Dieser Jahresüberschuss wurde am 02.02.2009 über das Aufwandskonto „Abgef Gew aufgr EAV“ auf dem Verrechnungskonto X-GmbH/Holding-GmbH verbucht. Der vorläufige Jahresabschluss war der Holding-GmbH bekannt und wurde von den Geschäftsführern der X-GmbH am 20.02.2009 im Rahmen eines Konzernberichtspakets freigegeben. Eine Umbuchung auf das Cash-Clearing-Konto erfolgte nicht. Darüber hinaus fehlte bis zur Entscheidung des Finanzgericht eine endgültige Feststellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2008.

Ausgehend von diesen -den Bundesfinanzhof bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO)- Feststellungen hat das Finanzgericht entschieden, dass der EAV tatsächlich durchgeführt worden sei. Hierfür hat das Finanzgericht darauf abgestellt, dass ein vorläufiger Jahresabschluss für die tatsächliche Durchführung des EAV ausreiche, der von der X-GmbH darin ausgewiesene Jahresüberschuss den handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätzen entspreche und der Anspruch der Holding-GmbH auf Gewinnabführung bereits durch die Verbuchung auf dem Verrechnungskonto erfüllt worden sei. Dem vermag der Bundesfinanzhof nicht zu folgen.

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Zwar trifft es zu, dass der Anspruch auf Gewinnabführung unabhängig von der Feststellung des Jahresabschlusses zum Bilanzstichtag entsteht und bei Unstimmigkeiten zunächst ein vorläufiger Jahresabschluss zu erstellen ist6, um die Voraussetzung der tatsächlichen Durchführung des EAV i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG (vorläufig) sicherzustellen.

Das Finanzgericht ist allerdings rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass das Tatbestandsmerkmal der tatsächlichen Durchführung des EAV durch den vorläufigen Jahresabschluss auch endgültig erfüllt werden kann. Vielmehr kommt es für die tatsächliche Durchführung des EAV auf das Ergebnis an, das bei zutreffender Anwendung der handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätze in einem endgültigen Jahresabschluss auszuweisen wäre. Dieser Betrag ist im Streitfall aber unter keinen Umständen tatsächlich an die Holding-GmbH abgeführt worden.

Zwischen den Beteiligten besteht kein Streit, dass das endgültige Ergebnis in jedem Fall vom vorläufigen Jahresabschluss abweichen würde; der Jahresüberschuss wäre geringer oder würde sich sogar in einen Jahresfehlbetrag wandeln (nach der Auffassung des Insolvenzverwalters: Verlust von … €). Auch das Finanzgericht hat seine Aussage, das Ergebnis entspreche den handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätzen, nur auf den Zeitpunkt des vorläufigen Jahresabschlusses bezogen. Auf Seite 23 der Urteilsgründe hat es dagegen die grundsätzliche Notwendigkeit einer Korrektur aufgrund der Insolvenz der Y-GmbH anerkannt, dies aber für unerheblich gehalten, weil diese Korrekturen aufgrund der Insolvenz der X-GmbH nicht mehr umgesetzt werden könnten.

Die Annahme des Finanzgericht, zumindest im Fall der Insolvenz könne für die Durchführung des EAV auf einen vorläufigen Jahresabschluss abgestellt werden, ist rechtsfehlerhaft.

Zwar verhindern die insolvenzrechtlichen Restriktionen, dass eine Korrektur des vorläufigen Jahresabschlusses tatsächlich umgesetzt werden könnte, da die aus dem EAV resultierenden Forderungen lediglich Insolvenzforderungen i.S. des § 38 InsO sind, die grundsätzlich nicht mehr bedient werden dürfen. Sofern der vorläufig abgeführte Gewinn bzw. der vorläufig erstattete Fehlbetrag nicht dem Betrag entsprechen, der in einer endgültigen Bilanz auszuweisen wäre, führt dies aber zu einer schädlichen Nichtdurchführung des EAV7.

Dies folgt bereits daraus, dass es sich bei der Besteuerung nach §§ 14 ff. KStG um eine Ausnahme vom steuerrechtlichen Grundprinzip der getrennten Besteuerung einzelner Steuersubjekte handelt. Für die Voraussetzungen einer Organschaft kommt es deshalb grundsätzlich nicht darauf an, ob und in welchem Umfang der Steuerpflichtige auf deren Erfüllung selbst Einfluss nehmen konnte oder ob er -wie im Fall der Insolvenz- durch rechtliche Restriktionen daran gehindert wurde. Aufgrund des Ausnahmecharakters ist auch der Einwand nicht erfolgreich, es müsse vermieden werden, dass bereits geringe Verschiebungen des Zeitpunkts der Insolvenz zu unterschiedlichen Folgen führen (z.B. höheres Risiko der Nichtdurchführung eines EAV bei einer Insolvenz am Anfang eines Wirtschaftsjahrs im Vergleich zur Insolvenz am Ende eines Wirtschaftsjahrs).

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Dass im Streitfall die Tatbestandlichkeit der Organschaft für das Finanzamt -und nicht den Steuerpflichtigen- vorteilhaft ist, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insbesondere kann sich das Finanzgericht nicht darauf berufen, dass die Nichtdurchführung des EAV im Fall der Insolvenz nicht auf einer Manipulation beruhe, sondern umgekehrt die strikte Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG für den Insolvenzverwalter Gestaltungsspielräume eröffne. Wenn der Insolvenzverwalter zur Sicherung der Masse und zum Zweck der Gläubigerbefriedigung eine Nichtanerkennung der Organschaft anstrebt, da er dadurch Steuererstattungsansprüche erlangen kann, entspricht dies seinem gesetzlichen Pflichtenkreis. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Nichtanerkennung der Organschaft letztlich nur eine (einmalige) Rückkehr zum steuerrechtlichen Grundprinzip der getrennten Besteuerung einzelner Steuersubjekte bedeutet. Dies haben die Steuerpflichtigen -in den Grenzen des § 42 AO- auch sonst in der Hand, da sie bis zum Ablauf der Mindestvertragslaufzeit durch schlichte Nichtdurchführung des EAV insgesamt in die Normalbesteuerung zurückkehren können.

Die Nichtdurchführung des EAV kann für das Jahr 2008 auch nicht durch § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG geheilt werden. Diese Regelung, die durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.02.20138 eingefügt worden ist, zeitlich nach § 34 Abs. 9 Nr. 7 KStG9 aber für alle noch offenen Verfahren Anwendung findet, gilt ausdrücklich nur für die spätere Korrektur fehlerhafter Bilanzansätze eines wirksam festgestellten Jahresabschlusses. Hieran fehlt es im Streitfall, da nur ein vorläufiger Jahresabschluss vorliegt.

Die Nichtdurchführung des EAV für das Jahr 2008 war auch nicht in (analoger) Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG, der vorsieht, dass eine vorzeitige Beendigung des Vertrags durch Kündigung unschädlich ist, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt, unerheblich.

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sowohl über das Vermögen des Organträgers als auch über das Vermögen der Organgesellschaft stellt zwar einen wichtigen Grund im Sinne dieser Vorschrift dar10. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass die Verbindlichkeiten aus dem EAV durch die Insolvenz zu Insolvenzforderungen i.S. des § 38 InsO werden, die grundsätzlich nicht mehr bedient werden dürfen.

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Nach dem Wortlaut ist aber nur die „vorzeitige Beendigung des Vertrags durch Kündigung“ unschädlich. Damit wird nur auf die erste Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG Bezug genommen, d.h. die Mindestvertragslaufzeit des EAV von fünf Jahren. Eine Ausdehnung auf die zweite Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG, die tatsächliche Durchführung des EAV, lässt sich auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Vorschrift nicht herleiten11. Für eine solche Auslegung bestehen im Gesetz keine ausreichenden Ansatzpunkte.

Insofern wird zunächst auf die Ausführungen zur Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG für den Fall der Insolvenz Bezug genommen. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG, der eine steuerliche Rückwirkung der Beendigung des EAV im laufenden Wirtschaftsjahr auf den Beginn dieses Wirtschaftsjahrs vorsieht. Zum einen betrifft diese Vorschrift nur das laufende Wirtschaftsjahr, so dass der Umkehrschluss gezogen werden kann, dass eine Nichtdurchführung des EAV in den davor liegenden Wirtschaftsjahren schädlich ist. Zum anderen gilt § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 3 KStG für sämtliche Beendigungen des EAV während eines laufenden Wirtschaftsjahres und nicht nur für eine Beendigung aus wichtigem Grund. Hintergrund dieser Vorschrift ist allein die unklare Rechtslage im Gesellschaftsrecht, zu welchem Zeitpunkt die Beendigung innerhalb eines Wirtschaftsjahrs zivilrechtlich wirkt12. Die Regelung sollte insoweit steuerlich für Rechtssicherheit sorgen. Dies gilt aber ausschließlich für das laufende Wirtschaftsjahr (hier 2009) und nicht bereits für abgelaufene Wirtschaftsjahre (hier 2008).

Darüber hinaus ist auch hier zu berücksichtigen, dass die Regelungen über die Organschaft eine Ausnahme vom steuerrechtlichen Grundprinzip der getrennten Besteuerung einzelner Steuersubjekte darstellen, so dass eine strenge Auslegung der vom Gesetzgeber vorgegebenen Anforderungen geboten ist13. Im Übrigen bezieht sich das Kriterium der tatsächlichen Durchführung nicht auf die innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorzunehmenden Maßnahmen, sondern auf diejenigen Maßnahmen, die zur Durchführung des EAV für den Zeitraum der Mindestvertragslaufzeit erforderlich sind14. Eine vor Abschluss dieser Maßnahmen eintretende Insolvenz ändert daran nichts.

Schließlich ist auch eine analoge Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG ausgeschlossen.

Gegen eine Ausdehnung dieser Vorschrift im Wege der Analogie spricht ebenfalls der Ausnahmecharakter der Regelungen über die Organschaft. Im Übrigen ist keine Regelungslücke erkennbar. Der Gesetzgeber hat § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG ausdrücklich nur auf die erste Voraussetzung des Satzes 1 bezogen, d.h. die Mindestvertragslaufzeit des EAV. Daran hat er auch im Zuge der Einführung der Heilungsmöglichkeit nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 KStG festgehalten.

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Die Sache ist nicht spruchreif. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen.

Entgegen § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG ist der EAV für das Jahr 2008 -wie dargelegt- nicht tatsächlich durchgeführt worden. In der Folge kommt es für die Streitjahre zu einer rückwirkenden Nichtanerkennung der Organschaft.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs15 wird § 14 KStG nicht von einem allgemeinen Grundsatz getragen, dass sämtliche Erfordernisse einer Organschaft während der gesamten Vertragslaufzeit des EAV vorliegen müssten. Vielmehr ist auch während der Mindestvertragslaufzeit des EAV grundsätzlich eine „Unterbrechung der Organschaft“ für einzelne Veranlagungszeiträume denkbar. Dies hat der Bundesfinanzhof zum einen für die Voraussetzung der gewerblichen Tätigkeit einer Organträger-Personengesellschaft16 und zum anderen für die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung17 anerkannt.

Die für den Streitfall maßgebliche Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG sieht jedoch vor, dass der EAV auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und „während seiner gesamten Geltungsdauer“ durchgeführt werden muss.

Aufgrund des systematischen Zusammenhangs mit der Regelung der Mindestvertragslaufzeit kann daraus zwar nicht geschlossen werden, dass die Nichtdurchführung des EAV in einem Veranlagungszeitraum nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit zu einer rückwirkenden Nichtanerkennung der Organschaft seit Vertragsbeginn führt18. Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG macht aber deutlich, dass eine Nichtdurchführung des EAV während der Mindestvertragslaufzeit die Organschaft insgesamt entfallen lässt19. Dies lässt sich auch dem BFH, Urteil in BFHE 258, 351, BStBl II 2018, 30 entnehmen, da sich die dortigen Ausführungen zu einer etwaigen Unterbrechung der Organschaft nicht auf die Mindestvertragslaufzeit des EAV und die Durchführung des EAV während der Mindestvertragslaufzeit beziehen20.

Im Streitfall ist der EAV mit Wirkung ab dem 29.12.2005 abgeschlossen worden. Die Nichtdurchführung des EAV für das Jahr 2008 liegt innerhalb der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren und führt somit für die Streitjahre zur rückwirkenden Nichtanerkennung der Organschaft. Wie bereits ausgeführt, ist auch keine (analoge) Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG möglich.

Ungeachtet der Nichtanerkennung der Organschaft kann der Bundesfinanzhof nicht abschließend in der Sache entscheiden. Das Finanzgericht hat zwar die Höhe der Jahresüberschüsse bzw. Jahresfehlbeträge der X-GmbH festgestellt, die der Holding-GmbH aufgrund der Organschaft in den Streitjahren zugerechnet worden sind. Welche konkreten Folgen die Nichtanerkennung der Organschaft in den Streitjahren hat, lässt sich aber weder aus den tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht noch aus den Ausführungen der Beteiligten mit der erforderlichen Sicherheit herleiten. Hierzu sind in einem zweiten Rechtsgang weitere Sachverhaltsermittlungen erforderlich.

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BFh, Urteil vom 2. November 2022 – I R 29/19

  1. FG Nürnberg, Urteil vom 11.12.2018 – 1 K 483/17[]
  2. BFH, Urteil vom 12.01.2011 – I R 3/10, BFHE 232, 426, BStBl II 2011, 727[]
  3. BFH, Urteil vom 13.11.2013 – I R 45/12, BFHE 244, 277, BStBl II 2014, 486; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 14 Rz 323; solche nachträglichen Maßnahmen sogar für entbehrlich haltend Beinert/Nees/G. Wagner in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Rz 3.83 und 11.27[]
  4. BFH, Urteil vom 05.04.1995 – I R 156/93, BFHE 177, 429[]
  5. BFH, Beschluss vom 26.04.2016 – I B 77/15, BFH/NV 2016, 1177[]
  6. BGH, Urteil vom 11.10.1999 – II ZR 120/98, BGHZ 142, 382[]
  7. s.a. Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz 165; Neumann in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 14 Rz 318c; a.A. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz 585 und 626; s.a. Wagner in Prinz/Witt, a.a.O., Rz 24.71 [Anmeldung der Forderung aus dem EAV zur Insolvenztabelle sei ausreichend][]
  8. BGBl I 2013, 285, BStBl I 2013, 188[]
  9. in der Fassung dieses Gesetzes[]
  10. Dötsch in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, a.a.O., § 14 KStG Rz 582, 585 und 622 ff.; Neumann in Gosch, a.a.O., § 14 Rz 296; vgl. auch Brandis/Heuermann/Krumm, § 14 KStG Rz 165 [Zeitpunkt der Stellung des Insolvenzantrags][]
  11. a.A. Kahlert, Deutsches Steuerrecht 2014, 73, 76[]
  12. vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drs. 12/1108, S. 67[]
  13. BFH, Urteil vom 03.03.2010 – I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132[]
  14. Brink in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 14 Rz 488; Neumann in Gosch, a.a.O., § 14 Rz 318c; Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, a.a.O., § 14 Rz 322[]
  15. BFH, Urteil vom 10.05.2017 – I R 51/15, BFHE 258, 351, BStBl II 2018, 30[]
  16. BFH, Urteil vom 24.07.2013 – I R 40/12, BFHE 242, 139, BStBl II 2014, 272[]
  17. BFH, Urteil in BFHE 258, 351, BStBl II 2018, 30[]
  18. Rödder/Liekenbrock in Rödder/Herlinghaus/Neumann, a.a.O., § 14 Rz 322[]
  19. Brink in Schnitger/Fehrenbacher, a.a.O., § 14 Rz 491[]
  20. s.a. Prinz/Keller, Der Betrieb 2018, 400, 403 f.; Walter, GmbH-Rundschau 2017, 1222; Weiss, GmbH-Steuerberater 2018, 86, 89[]