Vereinnahmt der i.S. von § 17 Abs. 1 EStG beteiligte Steuerpflichtige Zurückzahlungen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG, erklärt er im Rahmen seiner Veranlagung aber keinen Veräußerungsgewinn, sondern legt dem Finanzamt nur eine Steuerbescheinigung über die zurückgezahlten Beträge vor, kann das Finanzamt einen ohne Berücksichtigung eines Veräußerungsgewinns ergangenen Einkommensteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern, wenn ihm nachträglich bekannt wird, dass die zurückgezahlten Einlagen die Anschaffungskosten übersteigen. Der i.S. von § 17 Abs. 1 EStG beteiligte Gesellschafter erzielt steuerbare Einnahmen aus § 17 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 EStG durch Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG nur, soweit diese die Anschaffungskosten der Beteiligung übersteigen.

Nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsachen im Sinne der Vorschrift sind Lebensvorgänge, die insgesamt oder teilweise einen gesetzlichen Steuertatbestand oder das einzelne Merkmal eines solchen Tatbestands erfüllen1.
Wenn im Streitfall das Finanzgericht es als „steuerrelevante Tatsache“ ansieht, dass die aus dem Einlagekonto zugeflossenen Zahlungen die Anschaffungskosten überstiegen haben, so mag offenbleiben, ob es sich bei der Differenz von Einnahmen und Erwerbsaufwendungen um eine Tatsache i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO oder nicht vielmehr um eine Schlussfolgerung handelt2. Nach der Rechtsprechung sind Einkünfte als eine Tatsache anzusehen und einheitliche Einkünfte nicht in Einnahmen und Ausgaben aufzuspalten, wenn sich nachträglich, z.B. nach einer Schätzung, ergibt, dass Einkünfte einer Einkunftsart als Unterschied zwischen steuerbaren Einnahmen und Erwerbsaufwand nicht oder nicht richtig erklärt und berücksichtigt wurden3.
Indes geht es um diese Problematik hier nicht. Das Finanzgericht hat den Sachverhalt zutreffend dahin gewürdigt, dass das Finanzamt bei Vornahme der ursprünglichen Veranlagung nicht wusste, dass der Kläger steuerbare Einnahmen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG erzielt hat. Zwar war ihm die Tatsache der Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG bereits aufgrund der Steuerbescheinigung der GmbH bekannt, die der Steuererklärung beigefügt worden war. Ferner wusste das Finanzamt aufgrund eines in den Akten enthaltenen Vermerks vom 18.10.2001, dass der Kläger i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG qualifiziert an der GmbH beteiligt war. Damit waren aber noch nicht alle Tatsachen schon im Zeitpunkt der ursprünglichen Veranlagung bekannt, um den Steuertatbestand bei der Steuerfestsetzung feststellen zu können.
Der Umstand, dass dem Finanzamt keine Erwerbsaufwendungen erklärt waren, mag –insoweit ist der Revision beizupflichten– das Finanzamt zwar noch nicht daran hindern, den Steueranspruch festzustellen. Werden keine Anschaffungskosten erklärt, können sie gegebenenfalls geschätzt werden (§ 162 AO). Besteht dafür keine Grundlage, muss das Finanzamt den Steuertatbestand erfassen, ohne Erwerbsaufwendungen zu berücksichtigen.
Indes haben die Anschaffungskosten, deren Umfang das Finanzamt im Streitfall unstreitig nicht kannte, im Tatbestand des § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG eine die Steuerbarkeit der Einnahmen leitende Funktion. Wird eine qualifizierte Beteiligung nach § 17 Abs. 1 EStG veräußert, ist der Veräußerungspreis steuerbar, auch wenn die Veräußerung deshalb zu einem negativen Ergebnis (Verlust) führt, weil der Preis die Anschaffungskosten nicht übersteigt. Anders verhält es sich bei dem Ersatztatbestand der Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG (§ 17 Abs. 4 Satz 1 EStG). Hier bilden die Anschaffungskosten Erwerbsaufwendungen nur, soweit die Zurückzahlung die Anschaffungskosten übersteigen. Der übersteigende Teil des Rückzahlungsbetrags allein ist steuerbare Einnahme und (nach aktueller Rechtslage) zu 60 % steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn i.S. von § 17 Abs. 4 Satz 2 und Abs. 2 i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. c EStG.
Sind die zurückgezahlten Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG aber niedriger als die Anschaffungskosten, mindern sie die Anschaffungskosten der Beteiligung erfolgsneutral4, führen also per se nicht zu steuerbaren Einnahmen.
Erst dann, wenn der Steuerpflichtige später einen Steuertatbestand i.S. des § 17 EStG (Veräußerung nach § 17 Abs. 1 EStG oder Ersatztatbestand nach § 17 Abs. 4 EStG) erfüllt, erfasst das Gesetz die zurückgezahlte Einlage mit dem wegen geminderter Anschaffungskosten höheren Veräußerungsgewinn. Liegen die Voraussetzungen eines Steuertatbestands i.S. des § 17 Abs. 1 oder Abs. 4 EStG aber nicht vor, werden die zurückgezahlten Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto steuerneutral mit den (höheren) Anschaffungskosten verrechnet. Deshalb handelt es sich bei der Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG nicht um eine steuerbare Einnahme, sondern um eine Position, welche die Anschaffungskosten der Beteiligung mindert.
Mithin wusste das Finanzamt mit seiner bloßen Erkenntnis des Rückzahlungsbetrags ohne Kenntnis der Anschaffungskosten nichts von einer steuerbaren Einnahme gemäß § 17 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG. Dieses Wissen hätte ihm erst der entsprechende Eintrag in der Anlage GSE oder eine Gewinnermittlung durch den Kläger vermittelt. Auch aus den weiteren Akten des Finanzamt ergaben sich nach den Feststellungen des Finanzgericht, die den BFH nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung binden, entgegen der Revision keinerlei Anhaltspunkte über die Höhe der Anschaffungskosten. In der Tat wurde der notarielle Vertrag über die Übertragung erst nach Abschluss der Veranlagung, Anfang März 2008, Bestandteil der Akten.
In Verbindung mit den fehlenden Angaben in der Steuererklärung konnte das Finanzamt deshalb –wie das Finanzgericht zutreffend entschieden hat– davon ausgehen, dass sich die Rückzahlung lediglich steuerneutral auswirke. Ihm ist die steuererhöhende Tatsache steuerbarer Einnahmen als der positiven Differenz der Rückgewähr von Einlagen gegenüber den Anschaffungskosten nachträglich durch die Außenprüfung bekannt geworden.
Das Finanzamt war auch nicht nach Treu und Glauben daran gehindert, die Berichtigung durchzuführen. Der Kläger kann sich nicht auf Treu und Glauben berufen, weil er seiner Mitwirkungspflicht nicht in vollem Umfang nachgekommen ist5. Er hat den steuerlich bedeutsamen Sachverhalt nicht richtig, vollständig und deutlich dargestellt und insbesondere weder einen Veräußerungstatbestand (im Rahmen der Anlage GSE) erklärt noch eine Gewinnermittlung vorgelegt. So hat er, indem er allein die Steuerbescheinigung vorlegte, den steuerrechtlich bedeutsamen Sachverhalt in der Schwebe gehalten und bei dem Finanzamt den Eindruck erweckt, es handele sich bei der Rückzahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG um einen steuerneutralen Vorgang.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. Februar 2013 – IX R 24/12
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 13.05.2004 – IV R 11/02, BFH/NV 2004, 1400, m.w.N.[↩]
- vgl. dazu Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 173 AO Rz 2; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 173 AO Rz 73, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 01.10.1993 – III R 58/92, BFHE 172, 397, BStBl II 1994, 346, und vom 10.07.2008 – IX R 4/08, BFH/NV 2008, 1803[↩]
- einhellige Auffassung, vgl. Ott, Festschrift für Korn, 2005, 105, 113; Eilers/R. Schmidt in Herrmann/Heuer/Raupach, § 17 EStG Rz 325; Blümich/Ebling, § 17 EStG Rz 889; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 31. Aufl., § 17 Rz 238; Gosch in Kirchhof, EStG, 11. Aufl., § 17 Rz 136; Rundverfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt a.M. vom 17.04.2000 S 2143 A-36-St – II 20, in Deutsches Steuerrecht 2000, 1093; zur alten Rechtslage s. auch BFH, Urteil vom 20.04.1999 – VIII R 44/96, BFHE 188, 352, BStBl II 1999, 698[↩]
- vgl. zu den Voraussetzungen eingehend Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 173 AO Rz 68, m.w.N.[↩]