Privatschule – und die Gemeinnützigkeit ihres Trägers

Der Träger einer Privatschule fördert mit dem Schulbetrieb nicht die Allgemeinheit, wenn die Höhe der Schulgebühren auch unter Berücksichtigung eines Stipendienangebots zur Folge hat, dass die Schülerschaft sich nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.

Privatschule – und die Gemeinnützigkeit ihres Trägers

Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG sind Körperschaften von der Körperschaftsteuer befreit, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO).

Eine Körperschaft verfolgt nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Eine Förderung der Allgemeinheit ist nach § 52 Abs. 1 Satz 2 AO nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist, zum Beispiel bei Zugehörigkeit zu einer Familie oder zur Belegschaft eines Unternehmens, oder infolge seiner Abgrenzung, insbesondere nach räumlichen oder beruflichen Merkmalen, dauernd nur klein sein kann.

Der Träger einer Privatschule fördert mit dem Schulbetrieb nicht die Allgemeinheit, wenn die Höhe der Schulgebühren auch unter Berücksichtigung eines Stipendienangebots zur Folge hat, dass die Schülerschaft sich nicht mehr als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.

Von einer Förderung der Allgemeinheit kann nur dann ausgegangen werden, wenn im Grundsatz jedermann freien Zutritt zur Körperschaft hat, die Mitglieder sich dementsprechend zumindest als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellen1. Gemeinnützigkeitsschädlich sind daher Verpflichtungen zur Zahlung von laufenden Beiträgen, Aufnahmebeiträgen und Umlagen, deren Höhe eine Repräsentation der Allgemeinheit im Mitgliederbestand nicht mehr gewährleistet2.

Entsprechendes gilt, wenn die Körperschaft nicht ihre Mitglieder, sondern Dritte fördert3. Sollen die von einer Körperschaft verfolgten gemeinnützigen Zwecke durch die Förderung von Personen erreicht werden, die nicht Mitglieder der Körperschaft sind, liegt darin im Grundsatz nur dann eine Förderung der Allgemeinheit, wenn der geförderte Personenkreis sich zumindest als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.

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Dabei steht es einer Förderung der Allgemeinheit nicht per se entgegen, wenn eine Körperschaft den Zugang zur Förderung nur gegen Entgelt gewährt, wie sich etwa an den Vorschriften zu Zweckbetrieben gemeinnütziger Körperschaften (§§ 65 ff. AO) zeigt. An einer Förderung der Allgemeinheit fehlt es nach dem Gesagten jedoch insbesondere, wenn die Höhe der Entgelte -bei Berücksichtigung von Nachlässen, Stipendien u.ä.- zur Folge hat, dass der Kreis der Geförderten nicht mehr die Allgemeinheit repräsentiert4.

Das erstinstanzliche Finanzgericht ist von denselben Rechtssätzen ausgegangen. Seine Würdigung, die Schülerschaft der von der Schulträgerin betriebenen Privatschule stelle aufgrund der Höhe des Schulgeldes und der niedrigen Stipendiatenquote keinen Ausschnitt der Allgemeinheit dar, ist für den Bundesfinanzhof revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die tatsächliche Würdigung des Finanzgericht5 kann der Bundesfinanzhof nur eingeschränkt überprüfen. Sie ist nach § 118 Abs. 2 FGO für den BFH bindend, wenn sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt, selbst wenn die Wertung des Finanzgericht nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist6. So liegt der Fall auch hier.

Das Finanzgericht ist bei seiner Würdigung davon ausgegangen, dass die Schulträgerin wegen der Höhe der für den Besuch der Privatschule aufzubringenden Schulgebühren und einer Stipendiatenquote von weniger als 10 % der Gesamtschülerzahl vor allem Schüler wohlhabender Eltern und damit nicht einen Ausschnitt der Allgemeinheit fördere. Diese Würdigung verstößt weder gegen allgemeine Erfahrungssätze noch gegen Denkgesetze; sie ist ohne weiteres möglich.

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Die monatlichen Kosten für den Besuch der Privatschule betrugen im Streitjahr -je nach Jahrgangsstufe- zwischen ca. 950 € und 1.450 € (ohne Einschreibegebühren). Demgegenüber konnte im Jahr 2013 -also im dem Streitjahr vorausgegangenen Jahr- fast ein Viertel aller Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) nur ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von bis zu 1.500 € und knapp die Hälfte aller Haushalte nur ein monatliches Haushaltsnettoeinkommen von bis zu 2.500 € erzielen7.

Vor diesem Hintergrund ist es angesichts der Stipendiatenquote von weniger als 10 % jedenfalls möglich, dass der Kreis der Schüler der Privatschule sich nicht als Ausschnitt der Allgemeinheit, sondern als kleiner Kreis von Schülern wohlhabender Eltern darstellt. Denn bei einer Stipendiatenquote von weniger als 10 % waren Kinder aus Haushalten, bei denen von vornherein auszuschließen ist, dass sie die Kosten für den Schulbesuch -neben den allgemeinen Lebenshaltungskosten- aus eigener Kraft tragen können, schon aufgrund des Verhältnisses von Schulgebühren und Einkommensverteilung in jedem Fall bereits um etwa das 5-fache unterrepräsentiert8.

Zudem fielen, was das Finanzgericht zu Recht berücksichtigt hat, neben den Schulgebühren weitere Kosten für Verpflegung, Material und besondere Veranstaltungen an. Dies verringert den Anteil der Haushalte, die einen Besuch ihrer Kinder auf der Privatschule bezahlen können, weiter. Auch die Schulträgerin geht daher offenkundig davon aus, dass die Kosten des Schulbesuchs im Regelfall bei einem monatlichen Haushaltseinkommen von bis zu 5.000 € nicht zu schultern sind, und gewährt in diesen Fällen Vollstipendien. In diese Einkommensgruppe fallen jedoch über 80 % der Haushalte in Deutschland7. Bei einer Stipendiatenquote von weniger als 10 % (einschließlich Teilstipendien) ist daher die Annahme gerechtfertigt, dass die Schülerschaft der Privatschule sich nicht als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt.

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Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Finanzgericht die Stipendiatenquote nicht auf der Grundlage einer um die Stipendiaten selbst „bereinigten“ Schülerzahl ermittelt hat. Es verstößt nicht gegen Denkgesetze, den Anteil der Stipendiaten an der tatsächlichen Gesamtzahl der Schüler zu ermitteln, um zu prüfen, ob die Schülerschaft sich als Ausschnitt der Allgemeinheit darstellt. Ebenso wenig verstößt es gegen Denkgesetze, dass das Finanzgericht bei der Ermittlung der Stipendiatenquote die sog. Firmenzahler unberücksichtigt gelassen hat. Denn ihnen werden die Kosten für den Besuch der Privatschule -anders als bei den Stipendiaten- nicht in Abhängigkeit von den individuellen Einkommensverhältnissen ersetzt.

Bei der Prüfung einer Pflicht zur Anerkennung der Schulträgerin als gemeinnützig ist nicht zu berücksichtigen, dass sie für den Betrieb der Privatschule keine staatliche Förderung erhält. Selbst wenn die Schulträgerin -was hier offen bleiben kann- den von ihr behaupteten Anspruch auf Förderung der Primarstufe haben sollte, könnte deren möglicherweise rechtswidrige Versagung nicht durch eine ebenso rechtswidrige Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft ausgeglichen werden. Vielmehr ist die Schulträgerin gehalten, den von ihr behaupteten Förderanspruch gegenüber der hierfür zuständigen Behörde geltend zu machen und ggf. im Verwaltungsrechtsweg durchzusetzen.

Eine Förderung der Allgemeinheit durch die Schulträgerin kann auch nicht allein aufgrund ihres Angebots eines alternativen Schulmodells sowie eines weiteren Schulabschlusses angenommen werden. Zwar kann beides grundsätzlich als Förderung der Volksbildung (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO) sowie im Hinblick auf die internationale Ausrichtung der Schule als Förderung internationaler Gesinnung und des Völkerverständigungsgedankens (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 13 AO) eine Förderung der Allgemeinheit begründen. Dies gilt nach dem Einleitungssatz von § 52 Abs. 2 Satz 1 AO jedoch lediglich „unter den Voraussetzungen des Absatzes 1“ und damit nur, wenn der grundsätzlich begünstigte Zweck mit einer die Allgemeinheit i.S. von § 52 Abs. 1 AO fördernden Tätigkeit verfolgt wird9. Dies ist hier jedoch nach dem oben Gesagten nicht der Fall.

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Entsprechendes gilt, soweit die Schulträgerin darauf verweist, mit ihrem international ausgerichteten Schulangebot auch den Wirtschaftsstandort A zu stärken. Hinzu kommt insoweit, dass die Förderung der Wirtschaft nicht zu den Tätigkeiten zählt, die nach dem -vorbehaltlich einer Entscheidung nach § 52 Abs. 2 Satz 2 AO- abschließenden Katalog in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO als Förderung der Allgemeinheit anerkannt werden kann10.

Ebenso wenig vermag die Schulträgerin mit ihrem Vorbringen durchzudringen, sie genieße Vertrauensschutz, weil ihre Tätigkeit sich im Rahmen ihrer Satzung bewegt habe, deren Vereinbarkeit mit den gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen das Finanzamt durch Feststellungsbescheid gemäß § 60a AO bestätigt habe.

Dabei kann der Bundesfinanzhof mit dem Finanzgericht offen lassen, ob die tatsächliche Geschäftsführung der Schulträgerin mit den Vorgaben ihrer Satzung übereinstimmt. Denn die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss -neben der Übereinstimmung mit den gemeinnützigkeitsrechtlichen Satzungsbestimmungen- auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein (§ 63 Abs. 1 AO). Daran fehlt es jedoch, wenn es aufgrund der konkreten Art und Weise der Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke -wie hier- an einer Förderung der Allgemeinheit fehlt.

Insoweit kann auch ein Feststellungsbescheid gemäß § 60a AO kein zu schützendes Vertrauen begründen. Denn dessen Feststellung betrifft lediglich die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO. Sie kann damit ein zu schützendes Vertrauen nur im Hinblick auf diese formalen Anforderungen an die Satzung des Steuerpflichtigen begründen. Im Übrigen hat das Finanzamt die Schulträgerin nach seinem unwidersprochenen Vortrag bereits vor der Aufnahme ihrer Tätigkeit auf die Bedeutung des Erreichens der Stipendiatenquote für die Überprüfung ihrer tatsächlichen Geschäftsführung hingewiesen.

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Schließlich ist der Schulträgerin nicht die von ihr geforderte „Übergangsphase“ einzuräumen. Zwar sind die Rechtsfolgen bei Verstößen gegen die Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung (§ 63 AO) unter Anwendung des rechtsstaatlich fundierten Verhältnismäßigkeitsprinzips am Ausmaß und Gewicht der Pflichtverletzung auszurichten, sodass bei kleineren, einmaligen Verstößen gegen Gemeinnützigkeitsvorschriften eine Entziehung oder Nichtgewährung der Steuervergünstigung ausscheidet11. Jedoch handelt es sich hier weder um einen kleineren noch um einen einmaligen Verstoß.

Die Schulträgerin, deren Tätigkeit sich auf den Betrieb der Privatschule beschränkt, verstößt mit ihrer gesamten Tätigkeit gegen das Gebot der Förderung der Allgemeinheit, weshalb auch der Verstoß gegen die Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung nicht als klein anzusehen ist. Ferner handelt es sich nicht um einen nur einmaligen Verstoß. Die Schulträgerin verstieß im Streitjahr allein aufgrund ihrer Neugründung erstmalig gegen das Sonderungsverbot. Dabei stellt sich der Verstoß als strukturell begründet dar, weil eine höhere Stipendiatenquote für die Schulträgerin nach ihrem eigenen Vorbringen -jedenfalls ohne staatliche Förderung- nicht zu finanzieren wäre.

Der Bundesfinanzhof kann nach alldem offen lassen, ob es an einer Förderung der Allgemeinheit durch die Tätigkeit der Schulträgerin auch wegen eines Verstoßes gegen das Sonderungsverbot aus Art. 7 Abs. 4 Satz 3 GG fehlt, wie das Finanzgericht mit selbstständig tragender Begründung weiter ausgeführt hat.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 26. Mai 2021 – V R 31/19

  1. BFH, Urteile vom 23.07.2003 – I R 41/03, BFHE 203, 305, BStBl II 2005, 443, unter II. 1.; und vom 13.08.1997 – I R 19/96, BFHE 183, 371, BStBl II 1997, 794, unter II. 4.[]
  2. BFH, Urteile in BFHE 203, 305, BStBl II 2005, 443, unter II. 1.; in BFHE 183, 371, BStBl II 1997, 794, unter II. 4.; und vom 13.12.1978 – I R 64/77, BFHE 127, 342, BStBl II 1979, 488[]
  3. Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 11. Aufl., S. 64; Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 3. Aufl., § 6 Rz 48[]
  4. Spilker in Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, § 52 AO Rz 4 zu Schulgebühren; vgl. auch Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 4. Aufl., Rz 3.46 zu Schulgebühren sowie Rz 6.57 zur Bedeutung der gemeinnützigen Zwecke für die Bemessung des Leistungsentgelts durch einen Zweckbetrieb[]
  5. vgl. allgemein BFH, Urteil in BFHE 203, 305, BStBl II 2005, 443, unter II. 2.a[]
  6. BFH, Urteile vom 05.12.2018 – XI R 10/16, BFH/NV 2019, 433, Rz 80; und vom 17.12.2015 – V R 13/15, BFH/NV 2016, 534, Rz 23[]
  7. vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 15 Heft 6, EVS 2013, S. 17, 30[][]
  8. vgl. auch BVerwG, Urteil vom 08.09.1999 – 6 C 21/98, NJW 2000, 1280, unter II. 1.b bb, zur Bedeutung demografischer Faktoren bei der Genehmigung privater Grundschulen[]
  9. s. allgemein Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52 AO Rz 100; Seer in Tipke/Kruse, § 52 AO Rz 17[]
  10. s. BFH, Urteil vom 09.02.2017 – V R 69/14, BFHE 257, 6, BStBl II 2017, 1221, Rz 27; BT-Drs. 16/5200, S.20 zum abschließenden Charakter der Katalogzwecke[]
  11. BFH, Urteil vom 12.03.2020 – V R 5/17, BFHE 268, 415, BStBl II 2021, 55, Rz 60[]
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