Rückstellungen in der Rentenversicherung – und die Renten-Deckungsrückstellungen

Bei der Berechnung des Minderungsbetrags nach § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG sind Renten-Deckungsrückstellungen i.S. von § 341g Abs. 5 HGB einzubeziehen. Im Rahmen der Ablaufverprobung zur Ermittlung des Minderungsbetrags sind die Renten-Deckungsrückstellungen nach den für steuerliche Zwecke anzuwendenden Regeln zu bewerten; etwaige Nachreservierungen aufgrund veränderter Daten zur Lebenserwartung sind nicht zu eliminieren.

Rückstellungen in der Rentenversicherung – und die Renten-Deckungsrückstellungen

Im Rahmen der handelsrechtlichen Rechnungslegung haben Versicherungsunternehmen gemäß § 341g Abs. 1 HGB Rückstellungen für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle für die Verpflichtungen aus den bis zum Ende des Geschäftsjahrs eingetretenen, aber noch nicht abgewickelten Versicherungsfällen zu bilden. Sind die Versicherungsleistungen aufgrund rechtskräftigen Urteils, Vergleichs oder Anerkenntnisses in Form einer Rente zu erbringen, so müssen die Rückstellungsbeträge (Renten-Deckungsrückstellungen) nach anerkannten versicherungsmathematischen Methoden berechnet werden (§ 341g Abs. 5 HGB).

Über § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 5 Abs. 1 EStG, für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes, gelten diese handelsbilanziellen Vorgaben grundsätzlich auch für die steuerliche Einkommens- bzw. Gewerbeertragsermittlung. Für die steuerliche Bewertung schreibt der mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.19991 geschaffene § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a EStG vor, dass bei Rückstellungen für gleichartige Verpflichtungen auf der Grundlage der Erfahrungen in der Vergangenheit aus der Abwicklung solcher Verpflichtungen die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen ist, dass der Steuerpflichtige nur zu einem Teil der Summe dieser Verpflichtungen in Anspruch genommen wird. Diese allgemeine Regel wird durch den ebenfalls mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 geschaffenen § 20 Abs. 2 KStG für die Schadenrückstellungen i.S. von § 341g HGB dahin präzisiert, dass die Erfahrungen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a EStG für jeden Versicherungszweig zu berücksichtigen sind, für den nach aufsichtsrechtlichen Vorschriften eine gesonderte Gewinn- und Verlustrechnung aufzustellen ist (Satz 1). Nach § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG ist die Summe der einzelbewerteten Schäden des Versicherungszweigs um den Betrag zu mindern (Minderungsbetrag), der wahrscheinlich insgesamt nicht zur Befriedigung der Ansprüche für die Schäden benötigt wird.

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Bei den Renten-Deckungsrückstellungen nach § 341g Abs. 5 HGB handelt es sich um Schadenrückstellungen, die bei der Berechnung des Minderungsbetrags nach § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a EStG einzubeziehen sind2. Gemäß § 25 Abs. 6 der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen in der für die Streitjahre geltenden Fassung sind die von Schaden- und Unfallversicherungsunternehmen für Renten-Versicherungsfälle gebildeten Renten-Deckungsrückstellungen im Posten „Rückstellung für noch nicht abgewickelte Versicherungsfälle“ auszuweisen.

Ebenso zutreffend -und von den Beteiligten nicht beanstandet- ist das Finanzgericht davon ausgegangen, dass die in der Begründung des Gesetzentwurfs3 erwähnte und im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 05.05.20004 näher beschriebene sog. Ablaufverprobung mit einer Beobachtungszeit von mindestens fünf Jahren eine grundsätzlich geeignete Pauschalmethode zur Ermittlung des Minderungsbetrags ist. Danach ist je Wirtschaftsjahr des Beobachtungszeitraums ein Abwicklungsvolumen aus den Schadenrückstellungen (brutto) zu Beginn des Wirtschaftsjahrs abzüglich der Schadenrückstellungen am Ende des Wirtschaftsjahrs für Vorjahresfälle zu berechnen. Von diesem Abwicklungsvolumen werden sodann die Zahlungen im Wirtschaftsjahr für Versicherungsfälle der Vorjahre subtrahiert; die Differenz ist das Abwicklungsergebnis (sog. Besserregulierung). Zur Ermittlung des prozentualen Abwicklungsergebnisses wird das Abwicklungsergebnis mit 100 multipliziert und durch das Abwicklungsvolumen dividiert. Die prozentualen Abwicklungsergebnisse aller Jahre des Beobachtungszeitraums werden addiert und durch die Anzahl der beobachteten Jahre dividiert (durchschnittliche prozentuale Besserregulierung). Der Differenzbetrag zwischen der durchschnittlichen prozentualen Besserregulierung und 100 entspricht dem Rückstellungsbedarf, der um einen Sicherheitszuschlag von 15 % korrigiert werden darf5.

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Vorliegend ist zwischen den Beteiligten ist streitig, ob aus den im Rahmen der Ablaufverprobung zur Ermittlung des Abwicklungsvolumens zugrunde zu legenden Schadenrückstellungen des Beobachtungszeitraums die vom Versicherungsunternehmen aufgrund der veränderten Zahlen zur Lebenserwartung vorgenommenen Nachreservierungen auf die Renten-Deckungsrückstellungen herauszurechnen sind, wie es das Finanzamt für richtig hält. Das Finanzgericht Nürnberg ist dieser Auffassung zu Recht nicht gefolgt6. Die Renten-Deckungsrückstellungen können vom Steuerpflichtigen, auch soweit sie im Rahmen der Ablaufverprobung als Rechengrößen anzusetzen sind, grundsätzlich nach den für steuerliche Zwecke anzuwendenden Bewertungsregeln bewertet werden.

Der Bundesfinanzhof teilt nicht die Auffassung des Finanzamtes, Erhöhungen der rückzustellenden Rentenverpflichtungen, die auf veränderten Daten über die Lebenserwartung der Versicherungsnehmer beruhen, fehle ein hinreichender Bezug zu der in § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a EStG angesprochenen Thematik der Vergangenheitserfahrungen. § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG definiert den Minderungsbetrag als den Betrag, „der wahrscheinlich insgesamt nicht zur Befriedigung der Ansprüche für die Schäden benötigt wird“. Ergibt sich im Laufe des Geschäftsjahrs eines Versicherungsunternehmens anhand der für den jeweiligen Versicherungszweig ermittelten statistischen Daten, dass aufgrund einer steigenden durchschnittlichen Lebenserwartung der Versicherten mit einer längeren Dauer der Rentenverpflichtungen gerechnet werden muss, dann erhöht dieser Umstand den Betrag, den der Versicherer wahrscheinlich für die Befriedigung der Ansprüche der Versicherten aufwenden muss. Es ist daher nicht gerechtfertigt, auf veränderten Sterbetafeln resultierende Erhöhungen der Renten-Deckungsrückstellungen bei der Berechnung des Minderungsbetrags auszublenden. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch der Umstand, dass die für die Sterbetafeln ausgewerteten Daten nicht speziell und ausschließlich auf Erkenntnissen und Daten beruhen, die im Unternehmen des Versicherungsunternehmens gewonnen worden sind. Vielmehr reicht es aus, dass es sich um für die Versicherten des betreffenden Versicherungszweigs repräsentative und aussagekräftige Daten handelt. Das Finanzamt hat keine Umstände dafür vorgetragen, dass die den Nachreservierungen des Versicherungsunternehmens zugrunde liegenden Sterbetafeln diese Voraussetzungen nicht erfüllen.

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Zu bedenken ist des Weiteren, dass die Ablaufverprobung nach der in der Begründung des Gesetzentwurfs und dem BMF, Schreiben in BStBl I 2000, 487 angelegten Systematik auf einer kurzfristigen Schadensabwicklung beruht, während Rentenzahlungen grundsätzlich langfristig angelegt sind. Hieraus ergeben sich für die Ermittlung eines einheitlichen Minderungssatzes zwangsläufig Friktionen7, die als Folge der Entscheidung des Gesetzgebers, die Renten-Deckungsrückstellungen in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Satz 2 KStG einzubeziehen, hinzunehmen sind.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 29. September 2021 – I R 40/17

  1. BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304[]
  2. so auch Loewens in Brandis/Heuermann, § 20 KStG Rz 39; Goverts in Bott/Walter, KStG, § 20 Rz 108[]
  3. BT-Drs. 14/23, S.192[]
  4. BMF, Schreiben vom 05.05.2000, BStBl I 2000, 487, Gliederungspunkt III. 1.1[]
  5. vgl. zu den Einzelheiten der Ablaufverprobung z.B. Axer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 KStG Rz 120; Goverts in Bott/Walter, a.a.O., § 20 Rz 103 ff.; Roser in Gosch, a.a.O., § 20 Rz 51 ff.; Hoffmann in Rödder/Herlinghaus/Neumann, a.a.O., § 20 Rz 39 ff.; Schnabel in Mössner/Seeger/Oellerich, KStG, 4. Aufl., § 20 Rz 100 ff.[]
  6. FG Nürnberg, Urteil vom 13.12.2016 – 1 K 1214/14[]
  7. vgl. Goverts in Bott/Walter, a.a.O., § 20 Rz 108 ff.; Axer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 KStG Rz 110, 120[]