Steuerbefreiung berufsständischer Versorgungseinrichtungen

Öffentlich-rechtliche Versorgungseinrichtungen sind auch mit denjenigen gewerblichen Einkünften von der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer befreit, die sie aus den gesetzlich erlaubten Anlagen ihres Vermögens erzielen.

Steuerbefreiung berufsständischer Versorgungseinrichtungen

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG i.V.m. § 4 Abs. 1 KStG und nach § 2 GewStG unterliegen juristische Personen des öffentlichen Rechts mit ihren Betrieben gewerblicher Art der Körperschaft- und Gewerbesteuer. Mit der berufsständischen Versorgungseinrichtung wird ein solcher Betrieb gewerblicher Art betrieben1. Die Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung der Kammermitglieder und deren Angehöriger als Gegenleistung für die hierfür geleisteten Beiträge ist eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne des § 4 Abs. 1 KStG.

Dieser Betrieb ist jedoch mit seiner gesamten in den Streitjahren ausgeübten Tätigkeit gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 KStG von der Körperschaftsteuer und gemäß § 3 Nr. 11 Satz 1 GewStG von der Gewerbesteuer befreit.

Nach diesen insoweit gleich lautenden Vorschriften sind steuerbefreit öffentlich-rechtliche Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen, deren Angehörige auf Grund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder dieser Einrichtung sind, wenn die Satzung der Einrichtung die Zahlung keiner höheren jährlichen Beiträge zulässt als das Zwölffache der Beiträge, die sich bei einer Beitragsbemessungsgrundlage in Höhe der doppelten monatlichen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung ergeben würden.

Im hier entschiedenen Fall ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass das Versorgungswerk der Klägerin den Anforderungen dieser Befreiungsvorschriften genügt. Streit besteht nur darüber, ob die Verpachtung des Pflegeheimes und die beiden mitunternehmerischen Beteiligungen von der Steuerbefreiung umfasst sind. Dies wird vom Bundesfinanzhof bejaht:

Weiterlesen:
Kapitalabfindung aus berufständischer Versorgungseinrichtung als "andere Einkünfte"

Umfassende Befreiung

Nach dem Wortlaut der Vorschriften ist die Befreiung der Einrichtung umfassend. Die Steuerfreiheit beschränkt sich weder auf einzelne Tätigkeiten noch sind einzelne Tätigkeitsbereiche –anders als teilweise in anderen Befreiungsvorschriften des § 5 Abs. 1 KStG und des § 3 GewStG– von der Steuerbefreiung ausgenommen. Die Steuerbefreiungen wurden bei ihrer Einführung durch das Steueränderungsgesetz 19652 damit gerechtfertigt, dass diese Pflichtversicherungseinrichtungen weitgehend entsprechende Aufgaben der nicht der Körperschaftsteuer unterliegenden Sozialversicherungsträger (Hoheitsbetriebe) wahrnähmen3. Zweck der Steuerbefreiungen ist es demnach, die öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen bei ihrer Aufgabe zu unterstützen, den bei ihnen Pflichtversicherten eine Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Angesichts dieses Ziels ist die nach dem Wortlaut der Vorschrift umfassende Steuerbefreiung nur insoweit ausgeschlossen, als die Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen Erträge aus Tätigkeiten außerhalb ihrer öffentlichen Aufgaben erzielen.

Aufgabe des Versorgungswerks der Klägerin ist es, den Kammerangehörigen und deren Familienangehörigen eine Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Da die Leistungen vornehmlich im Kapitaldeckungsverfahren erbracht werden, hat es zur Verwirklichung dieser Aufgabe die Mitgliederbeiträge rentierlich anzulegen. Berufsständische Versorgungseinrichtungen dürfen nach den einschlägigen Landesgesetzen auch in bestimmte gewerbliche Anlagen investieren. Es handelt sich damit um Erträge, die im Rahmen der steuerbefreiten und nicht einer davon zu sondernden weiteren wirtschaftlichen Tätigkeit erzielt werden; sie sind daher von der Steuerbefreiung umfasst.

Weiterlesen:
Die Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen im Versorgungsausgleich

Kein Vergleich des Versorgungswerks mit Sozialversicherungsträger

Dem steht nicht entgegen, dass entsprechende mitunternehmerische Anlagen bei den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern möglicherweise als Betriebe gewerblicher Art zu beurteilen und zu besteuern wären. Die Gleichbehandlung mit den Sozialversicherungsträgern war zwar das Motiv für die Steuerfreistellung der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von Berufsgruppen. Dieses Ziel hat aber im Gesetzeswortlaut keinen Niederschlag gefunden und kann daher auch nicht zu einer Einschränkung der nach dem Gesetzeswortlaut umfassenden Steuerfreistellung führen. Außerdem bedingt das von den Versorgungseinrichtungen überwiegend praktizierte Kapitaldeckungsverfahren eine andere Anlagestrategie als das die gesetzliche Rentenversicherung kennzeichnende Umlageverfahren. Mitunternehmerische Anlagen werden meist für einen längeren Zeitraum gehalten und sind daher im Umlageverfahren, in dem die Mitgliederbeiträge alsbald wieder an die Rentenberechtigten ausgezahlt werden, kaum denkbar.

Eine einschränkende Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG und des § 3 Nr. 11 GewStG ist auch nicht deshalb möglich, weil es öffentlich-rechtlichen Versorgungseinrichtungen zum Zeitpunkt, als die Befreiungsvorschrift erstmals eingeführt wurde, noch nicht erlaubt war, in mitunternehmerische Anlagen zu investieren. Denn es mangelt an einem hinreichend erkennbaren Willen des Gesetzgebers, solche Anlageformen, die den berufsständischen Versorgungseinrichtungen gesetzlich erlaubt sind, von der Steuerbefreiung auszunehmen. Aus dem Umstand, dass § 5 Abs. 1 Nr. 8 KStG und § 3 Nr. 11 GewStG in der Folgezeit nicht eingeschränkt wurden, lässt sich im Gegenteil schließen, dass Erträge aus allen gesetzlich zulässigen Anlageformen der Versorgungswerke in die Steuerbefreiung einbezogen werden sollen.

Weiterlesen:
Beitragsbescheide des Versorgungswerks

Wettbewerbsbeeinträchtigungen

Der Steuerfreiheit der Erträge steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin, hätte sie die gewerblichen Anlagen nicht im Rahmen des Versorgungswerks gehalten, jeweils steuerpflichtige Betriebe gewerblicher Art begründet hätte. Denn in diesem Fall könnten die von ihr erwirtschafteten Erträge mangels Bindung für die Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung der Kammerangehörigen nicht der steuerbefreiten gewerblichen Tätigkeit zugeordnet werden.

Die umfassende Steuerfreistellung mag zwar zu Wettbewerbsbeeinträchtigungen führen. Diese Wettbewerbsbeeinträchtigungen nimmt das Gesetz aber, indem es die gesamte Tätigkeit der öffentlich-rechtlichen Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen von der Steuer freistellt, bewusst in Kauf. Sie sind, da Versorgungseinrichtungen rechtlich und tatsächlich nur eingeschränkt in gewerbliche Anlagen investieren dürfen, durch das Ziel, den Mitgliedern der Versorgungseinrichtungen eine Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung zu sichern, gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes liegt daher nicht vor.

Vereinbarkeit mit Unionsrecht

Die Steuerbefreiung ist auch keine mit dem Binnenmarkt unvereinbare Beihilfe im Sinne des Art. 87 EG4, jetzt Art. 107 AEUV5. Die Gewährung einer Altersversorgung ist eine unternehmerische Tätigkeit. Da es sich aber um eine öffentlich-rechtliche Pflichtversicherungseinrichtung handelt, die nur gegenüber den bei ihr Pflichtversicherten Leistungen erbringen darf, ist die Steuerbefreiung nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen (Art. 107 Abs. 1 AEUV). Angesichts dessen, dass Versorgungswerke nur zur Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags tätig sein dürfen und nur solche Geschäfte betreiben dürfen, die hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehen, gilt dies unabhängig davon, wie die Versorgungseinrichtung ihr Vermögen anlegt. Es handelt sich insoweit um eine Annextätigkeit im Rahmen der Steuerbefreiung.

Weiterlesen:
SEStEG

Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. Februar 2011 – I R 47/09

  1. BFH, Urteil vom 04.02.1976 I R 200/73, BFHE 118, 31, BStBl II 1976, 355[]
  2. vom 14.05.1965, BGBl I 1965, 377, BStBl I 1965, 217[]
  3. BT-Drucks. IV/3189, S. 10[]
  4. Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nach der Zählung des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte, ABl.EG 1997 Nr. C-340, 1[]
  5. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union i.d.F. des Vertrages von Lissabon zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, ABl.EU 2007 Nr. C 306/01[]