Veräußerung von Anteilen aus einer Wandelanleihe

Hat ein Finanzunternehmen eine Wandelanleihe in der Absicht erworben, einen kurzfristigen Eigenhandelserfolg zu erzielen, und veräußert es die im Zuge der Wandlung erhaltenen Aktien, erfüllt dies den Tatbestand des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG.

Veräußerung von Anteilen aus einer Wandelanleihe

 Finanzunternehmen i.S. von § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 1 KWG a.F.1 sind u.a. solche Unternehmen, die weder Kreditinstitute noch Finanzdienstleistungsinstitute sind und deren Haupttätigkeit u.a. darin besteht, Beteiligungen zu erwerben und zu halten (s. insoweit § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG a.F.) oder mit Finanzinstrumenten für eigene Rechnung zu handeln (s. insoweit § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 KWG a.F.). Finanzinstrumente sind gemäß § 1 Abs. 11 Satz 1 KWG a.F. Wertpapiere, Geldmarktinstrumente, Devisen oder Rechnungseinheiten sowie Derivate. Wertpapiere sind nach Satz 2 der Vorschrift, auch wenn keine Urkunden über sie ausgestellt sind, Aktien, Zertifikate, die Aktien vertreten, Schuldverschreibungen, Genussscheine, Optionsscheine und andere Wertpapiere, die mit Aktien oder Schuldverschreibungen vergleichbar sind, wenn sie an einem Markt gehandelt werden können.

Nach diesen Maßstäben war die Wertpapierhandelsgesellschaft beim Erwerb der Wandelanleihen ein Finanzunternehmen.

Für das Tatbestandsmerkmal Finanzunternehmen war auf die Wertpapierhandelsgesellschaft als Personengesellschaft abzustellen, da die Rechtsform nach dem KWG irrelevant ist2. Vorliegend bestand die Geschäftstätigkeit der Wertpapierhandelsgesellschaft seit Jahren hauptsächlich darin, Wertpapiere, insbesondere Aktien, zu kaufen und zu verkaufen. Die genannten Handelsgegenstände stellen Finanzinstrumente dar, ebenso wie die streitgegenständlichen Wandelanleihen, die auch als Wandelschuldverschreibungen bezeichnet werden (vgl. § 221 des Aktiengesetzes). Sie qualifizieren als Schuldverschreibung i.S. des § 793 des Bürgerlichen Gesetzbuchs3, die in der Aufzählung der Finanzinstrumente in § 1 Abs. 11 KWG a.F. ausdrücklich enthalten ist. Auch vorliegend festgestellte Devisenverkauf stellt einen Handel mit Finanzinstrumenten dar und das Halten der Beteiligung an der A KG ist als finanzunternehmerische Tätigkeit i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG a.F. anzusehen.

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Dabei ist es für die Qualifikation der Wertpapierhandelsgesellschaft als Finanzunternehmen unschädlich, dass die finanzunternehmerischen Aktivitäten vornehmlich über Depotbanken abgewickelt wurden. Nach der Bundesfinanzhofsrechtsprechung ist ihr die für ihre Rechnung ausgeübte (handelnde) Tätigkeit der beauftragten Depotbank uneingeschränkt zuzurechnen4. Diese Aussage hat der Bundesfinanzhof für den im damaligen Urteilsfall streitigen Handel mit Finanzinstrumenten i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 KWG a.F. getroffen. Ein solcher Eigenhandel mit Finanzinstrumenten steht auch vorliegend zur Beurteilung an. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis der Wertpapierhandelsgesellschaft auf das Urteil des X. Senats des Bundesfinanzhofs vom 30.07.20035 führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn die dort entwickelten Merkmale zur Abgrenzung des Gewerbebetriebs von der privaten Vermögensverwaltung (§ 15 Abs. 2 EStG) sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs bei der Anwendung des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG gerade nicht tatbestandseinengend heranzuziehen6.

Der Ausschluss der Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 bis 6 KStG gilt für solche Anteile, die von dem Finanzunternehmen mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolgs erworben werden.

Der Begriff der Eigenhandelsabsicht setzt eine Handelsabsicht mit dem Zweck des ggf. kurzfristigen Wiederverkaufs aus dem eigenen Bestand voraus, die darauf abzielt, bestehende oder erwartete Unterschiede zwischen Kauf- und Verkaufspreis zu nutzen und dadurch einen Eigenhandelserfolg zu erzielen. Diese Absicht muss im Erwerbszeitpunkt bestehen. Im Übrigen bestehen keine Einschränkungen: Weder bedarf es des Handels im Rahmen eines organisierten, staatlich geregelten und überwachten Marktes noch erfordert § 8b Abs. 7 KStG das Vorliegen eines Eigenhandels als Finanzdienstleistung für Dritte i.S. von § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4 KWG a.F. Vielmehr umfasst der Begriff des Eigenhandelserfolgs den Erfolg aus jeglichem „Umschlag“ von Anteilen i.S. von § 8b Abs. 1 KStG auf eigene Rechnung7.

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Das Verhalten der Wertpapierhandelsgesellschaft war danach tatbestandsmäßig. Dem kann die Revision nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass die zunächst erworbenen Schuldverschreibungen (Wandelanleihen) keine „Anteile“ im Sinne des Gesetzes darstellen würden und die später veräußerten Anteile (Aktien) nicht im Sinne des Gesetzes „erworben“ worden seien.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist ein Erwerb von Anteilen i.S. des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG in erster Linie ein solcher, der auf einen Veräußerungsvorgang (Erwerb von einem Dritten) zurückzuführen ist. Ob auch andere Erwerbsvorgänge (z.B. Einbringungen) den Tatbestand erfüllen, hat der Bundesfinanzhof bisher offen gelassen8.

Im Streitfall liegt ein Anteilserwerb vor.

Schon der Wortlaut des Gesetzes lässt es zu, die Aktienlieferung als Folge der Ausübung des Wandlungsrechts als Erwerb zu betrachten. Denn das Verb „erwerben“ hat nach allgemeinem Sprachgebrauch auch die Bedeutung, etwas durch Tätigsein zu erlangen oder etwas in seinen Besitz zu bringen9. In diesem Sinne hat die Wertpapierhandelsgesellschaft nach Ausübung des Wandlungsrechts Aktien der Kapitalgesellschaften X und Y erworben.

Für eine den Wortlaut einengende Interpretation des Tatbestandsmerkmals „erwerben“ besteht im Streitfall kein Anlass. Im Unterschied zur Erlangung von Kapitalgesellschaftsanteilen im Wege der Gründung einer Vorratsgesellschaft, bei der der Bundesfinanzhof das Tatbestandsmerkmal „erwerben“ aus normspezifischen Gründen als nicht erfüllt angesehen hat10, geht es vorliegend um den derivativen Erwerb (Kauf) von Wandelanleihen als einer typischen finanzunternehmerischen „Handelsware“. Wandelanleihen sind aber bei wirtschaftlicher Betrachtung mit den später veräußerten Aktien identisch11. Auf diese wirtschaftliche Wertung kommt es für die Anwendung des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG an, da dem Wortlaut dieser Regelung das Erfordernis einer (zivil-)rechtlichen Identität zwischen dem veräußerten und dem erworbenen Anteil nicht zu entnehmen ist12.

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Zudem lässt sich dieses Ergebnis unschwer mit den allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen zur Behandlung der Wandelanleihe in Übereinstimmung bringen. Danach handelt es sich bei dem Erwerb der Wandelanleihe und der späteren Aktienlieferung nicht um zwei hintereinander geschaltete Erwerbsereignisse (zunächst Schuldverschreibung, sodann Aktie), sondern gerade um einen einheitlichen Vorgang13.

Es entspricht schließlich auch dem Zweck der Regelung in § 8b Abs. 7 KStG, Kreditinstituten und Finanzunternehmen im Sinne des KWG die Verrechenbarkeit von Gewinnen und Verlusten aus dem kurzfristigen Eigenhandel mit Aktien zu erhalten14, die aus der Wandelanleihe hervorgegangene Aktie dem Steuerfreistellungsregime des § 8b KStG zu entziehen. Denn sowohl bei der Wandelanleihe als Schuldverschreibung als auch bei der daraus hervorgegangenen Aktie handelt es sich um zwei klassische Finanzinstrumente der Kredit- und Finanzwirtschaft, so dass die Ermöglichung einer umfänglichen Ergebnisverrechnung der finanzunternehmerischen Handelstätigkeit mit den fraglichen Aktien dem Normzweck entspricht.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 13. Oktober 2021 – I R 37/18

  1. Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz) i.d.F. des Gesetzes zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters vom 22.09.2005, BGBl I 2005, 2809[]
  2. z.B. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8b Rz 535; Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 8b KStG Rz 229; jeweils m.w.N.[]
  3. Merkt in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 221 Rz 5[]
  4. s. allgemein BFH, Urteil vom 12.10.2011 – I R 4/11, BFH/NV 2012, 453[]
  5. BFH, Urteil vom 30.07.2003 – X R 7/99, BFHE 204, 419, BStBl II 2004, 408[]
  6. BFH, Urteil in BFH/NV 2012, 453[]
  7. vgl. BFH, Urteil vom 26.10.2011 – I R 17/11, BFH/NV 2012, 613, m.w.N.[]
  8. BFH, Urteile vom 03.05.2006 – I R 100/05, BFHE 214, 90, BStBl II 2007, 60; vom 15.06.2016 – I R 64/14, BFHE 254, 291, BStBl II 2017, 182[]
  9. s. unter www.duden.de/rechtschreibung/erwerben[]
  10. BFH, Urteile in BFHE 214, 90, BStBl II 2007, 60; in BFHE 254, 291, BStBl II 2017, 182[]
  11. vgl. BFH, Urteil vom 28.01.1976 – IV R 209/74, BFHE 118, 26, BStBl II 1976, 288[]
  12. in diesem Sinne auch Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl., § 8b Rz 586a; a.A. Rengers in Brandis/Heuermann, § 8b KStG Rz 451; speziell zur Wandelanleihe Schnitger in Schnitger/Fehrenbacher, KStG, 2. Aufl., § 8b Rz 711 a.E.[]
  13. s. bereits RFH, Urteil vom 24.08.1944 – I 21/44, RFHE 54, 128; BFH, Urteile vom 21.02.1973 – I R 106/71, BFHE 109, 22, BStBl II 1973, 460; vom 11.11.2014 – I R 53/13, BFH/NV 2015, 686[]
  14. vgl. BT-Drs. 14/4626, S. 3 und 7; Gosch in Gosch, a.a.O., § 8b Rz 560[]
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