Werden im konkreten Streitfall weder der Tatbestand noch die Rechtsfolgen einer speziellen Missbrauchsverhinderungsvorschrift (hier: § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 KStG a.F. i.V.m. § 21 UmwStG 2006) erweitert, ist die Anwendung von § 42 AO a.F. nicht „gesperrt“.

Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO a.F. kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Steuergesetz nicht umgangen werden. Ein Gestaltungsmissbrauch i.S. des § 42 AO a.F. ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs1 nur gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die -gemessen an dem erstrebten Ziel- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Eine rechtliche Gestaltung ist unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll. Allein das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine Gestaltung allerdings nicht unangemessen.
Unangemessen ist danach im Allgemeinen eine rechtliche Gestaltung, die verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts, insbesondere des erstrebten wirtschaftlichen Ziels, als unpassend nicht wählen würden2. Da es im Bestreben der Rechtsordnung liegt, für alle wirtschaftlichen Vorgänge möglichst einfache Rechtsgestaltungen zur Verfügung zu stellen, ist in der Regel der einfachste rechtliche Weg der angemessene. Unangemessene Rechtsgestaltungen sind hingegen umständlich, kompliziert, schwerfällig, gekünstelt u.Ä.3. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt jedoch stets nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll, ansonsten aber nicht4.
Unter Anlegung dieser Maßstäbe konnte im hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall die vom Finanzgericht Hamburg in der Vorinstanz vorgenommene Beurteilung der streitgegenständlichen Gestaltungen in ihrer Gesamtheit als unangemessen5 keinen Bestand haben. Die Erwägungen des Finanzgerichts Hamburg sind nicht frei von Rechtsfehlern.
Das Finanzgericht Hamburg ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass § 42 AO a.F. zur Anwendung kommt.
97 § 7 Satz 1 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2008 vom 20.12.2007 -EGAO-6 bestimmt, dass § 42 AO i.d.F. des JStG 2008 (AO n.F.) seit dem 01.01.2008 für Kalenderjahre anzuwenden ist, die nach dem 31.12.2007 beginnen. Entsprechend formuliert Art. 97 § 7 Satz 2 EGAO, dass § 42 AO a.F. für vor dem 01.01.2008 liegende Kalenderjahre weiterhin anzuwenden ist.
Obwohl die streitgegenständlichen Steuern nach dem 01.01.2008 festgesetzt worden sind, ist § 42 AO a.F. anzuwenden7. Das Finanzgericht Hamburg weist zutreffend darauf hin, dass maßgebend auf die Verwirklichung des Lebenssachverhalts und damit auf die vertraglichen Gestaltungen im Jahr 2007 abzustellen ist und nicht auf deren steuerliche Wirkungen, die sich zeitlich verzögert erst im Streitjahr zunächst aufgrund einer bereits bei Abschluss der Verträge im Jahr 2007 angelegten Änderung des vorläufigen Kaufpreises in den angefochtenen Steuerbescheiden niedergeschlagen haben. Eine derartige Auslegung gebieten -worauf das Finanzgericht Hamburg zu Recht hinweist- die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Rückwirkungsverbots. Zwischen den Beteiligten ist dies nicht streitig und bedarf deshalb keiner weiteren Ausführungen des Bundesfinanzhofs.
Das Finanzgericht Hamburg hat auch zu Recht dahin erkannt, dass der Rückgriff auf § 42 AO a.F. nicht durch § 8b Abs. 4 KStG a.F., der gemäß § 34 Abs. 7a KStG i.d.F. des Streitjahres auch für das Streitjahr anzuwenden ist, gesperrt wird.
Hat der Gesetzgeber ein missbrauchsverdächtiges Feld gesichtet und durch eine Spezialvorschrift abgesteckt, legt er für diesen Bereich die Maßstäbe fest und sichert eine einheitliche Rechtsanwendung, die Gestaltungssicherheit gewährleistet8. Sind in einem konkreten Einzelfall die Voraussetzungen der speziellen Missbrauchsverhinderungsbestimmungen nicht erfüllt, darf die Wertung des Gesetzgebers nicht durch eine extensive Anwendung des § 42 Abs. 1 AO a.F. unterlaufen werden9. Verbleiben Rechtsfolgenlücken, ist es allein Aufgabe des Gesetzgebers, der mittels der speziellen Missbrauchsbekämpfungsnormen die Grenzen des Missbrauchs gezogen hat, diese zu schließen10. Hieran hat sich durch die Einfügung des § 42 Abs. 2 AO i.d.F. des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften (Steueränderungsgesetz 2001) vom 20.12.200111, nach dem § 42 Abs. 1 AO a.F. anwendbar ist, wenn seine Anwendbarkeit gesetzlich nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist, nichts geändert12.
Mit der Neuformulierung des § 8b Abs. 2, Abs. 4 KStG durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (Steuersenkungsgesetz) vom 23.10.200013 und das Gesetz zur Änderung des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999 vom 20.12.200014 hatte der Gesetzgeber eine einfach-rechtliche Grundentscheidung zur steuerrechtlichen Verhaftung der stillen Reserven des Betriebsvermögens in Einbringungsfällen getroffen. Die zur Steuerpflicht führende Ausnahmebestimmung des § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG i.d.F. des InvZulG 1999 wurde ihrerseits eingeschränkt durch die Rückausnahmeregelungen in § 8b Abs. 4 Satz 2 KStG i.d.F. des InvZulG 1999, die wiederum die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne herbeiführten. Mit § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG i.d.F. des InvZulG 1999 wurde eine zeitliche Grenze für die Steuerverstrickung einbringungsgeborener Anteile gesetzt. Der Gesetzgeber wollte mit der siebenjährigen Sperrfrist verhindern, dass die voll steuerpflichtige Veräußerung eines Betriebs u.Ä. umgangen wurde, indem der Betrieb steuerneutral in eine Kapitalgesellschaft eingebracht und „als“ Kapitalgesellschaftsanteile anschließend unter Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG i.d.F. des InvZulG 1999 steuerfrei veräußert wurde15. Mit der Frist von sieben Jahren wurde typisierend festgelegt, dass bei Veräußerungen nach Ablauf der Frist keine Umgehungsgestaltung, sondern eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierung vorlag. Es handelte sich mithin um eine Vorschrift, die in typisierender Weise Umgehungsgestaltungen verhindern wollte16 und damit um eine spezielle Missbrauchsbekämpfungsnorm.
Das Finanzgericht Hamburg ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F. im Streitfall erfüllt sind und der von der Organträgerin erzielte Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der D-GmbH (als einbringungsgeborene Anteile) gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UmwStG 2006) i.V.m. § 16 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung, § 8 Abs. 1 KStG (ungemindert) der Besteuerung unterliegt. Die Rückausnahme des § 8b Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 KStG a.F. greift vorliegend nicht ein, da die Veräußerung der Anteile innerhalb der Frist von sieben Jahren nach dem Zeitpunkt der Ausgliederung des Teilbetriebs C auf die D-GmbH im Jahr 2004 erfolgte. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit und bedarf keiner weiteren Ausführungen.
Für den Streitfall kann dahinstehen, ob der Bundesfinanzhof der Auffassung der Vorinstanz folgen könnte, dass trotz Vorliegens einer typisierenden Missbrauchsverhinderungsregelung die allgemeine Missbrauchsverhinderungsvorschrift des § 42 AO a.F. daneben (nur) ausnahmsweise eingreifen kann, wenn die Spezialvorschrift ihrerseits missbraucht wird17. Entgegen der Annahme des Finanzgerichts Hamburg liegt eine derartige Fallkonstellation nicht vor. Denn zum einen haben die streitgegenständlichen vertraglichen Gestaltungen -insbesondere der Darlehensvertrag vom 17.12.2007- nicht dazu geführt, dass die spezielle Missbrauchsverhinderungsvorschrift des § 8b Abs. 4 KStG a.F. tatbestandlich nicht einschlägig war, sondern (lediglich) dazu, dass der Veräußerungsgewinn unter Zugrundelegung eines Kaufpreises von … € und nicht, wie im ursprünglichen Anteilskaufvertrag über die Gesellschaftsanteile an der D-GmbH vom 23.11.2007 noch vorgesehen, unter Zugrundelegung eines Unternehmenswertes von … € anzusetzen war. Zum anderen haben erst die weiteren vertraglichen Gestaltungen (Aufhebung des Ergebnisabführungsvertrags zwischen der B-GmbH und der D-GmbH zum 30.12.2007 mit Vertrag vom 20.11.2007; Vereinbarung vom 18.12.2007 über die Leistung einer Abschlagszahlung in Höhe von … € an die B-GmbH) dazu geführt, dass der ursprünglich mit einem Wert von … € der (ungeminderten) Besteuerung nach § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F. unterliegende und dem verbindlichen Kaufpreisangebot vom 09.11.2007 entsprechende Veräußerungspreis in einen tatsächlich entrichteten -deutlich niedrigeren- Veräußerungspreis für die Anteile an der D-GmbH und einer tatsächlich abgeführten Abschlagszahlung in Höhe von … € an die B-GmbH im Ergebnis „aufgespalten“ worden ist. Denn erst die Aufhebung des Ergebnisabführungsvertrags mit Vertrag vom 20.11.2007 zum 30.12.2007 und damit vor Ablauf der (steuerrechtlichen) Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren hat dazu geführt, dass die Abschlagszahlung in Höhe von … € als vGA dem Regime des § 8b Abs. 1 KStG a.F. unterliegt und damit lediglich im Rahmen des pauschalen Betriebsausgabenabzugsverbots mit 5 % der Besteuerung im Jahr 2007 unterlegen hat. Mithin haben sich diese weiteren vertraglichen Gestaltungen außerhalb des Anwendungsbereichs der speziellen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 8b Abs. 4 KStG a.F. ausgewirkt. Eine Anwendung von § 42 AO a.F. im Streitfall führt daher weder zu einer Erweiterung des Tatbestands noch der Rechtsfolgen der speziellen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 8b Abs. 4 KStG a.F.; eine Kollision der speziellen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift mit der allgemeinen Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO a.F. besteht nicht.
Die streitgegenständliche vertragliche Gestaltung zielte im Ergebnis darauf ab, den im Streitjahr nach § 8b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 KStG a.F. i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 2006 ungemindert steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn zu reduzieren und im Umfang dieser Reduktion eine vGA zu erhalten, die lediglich im Umfang von 5 % der Besteuerung unterliegt. Soweit das Finanzgericht die vertraglichen Gestaltungen insbesondere aufgrund ihres zeitlichen und inhaltlichen Zusammenspiels als ein von der B-GmbH initiiertes künstliches Gesamtvertragskonzept und damit insgesamt als unangemessen und steuermissbräuchlich verworfen hat, sind seine Erwägungen nicht frei von Rechtsfehlern.
Das Finanzgericht Hamburg ist davon ausgegangen, dass der Gestaltung ein von der B-GmbH initiiertes künstliches Gesamtvertragskonzept zugrunde liegt, das im Ergebnis dazu geführt hat, dass der ehemals vertraglich vereinbarte (nach dem vierten Addendum aber nicht mehr als Kaufpreis geregelte) Betrag von den Vertragsparteien nicht dem Gewinn der B-GmbH aus dem Anteilsveräußerungsvertrag zugeordnet werden kann und damit der (ungeminderten) Besteuerung nach § 8b Abs. 4 KStG a.F. bei der Organträgerin entzogen wird. Allerdings habe die E-KG als Käuferin der Anteile an der D-GmbH im Ergebnis den ursprünglich im Rahmen des verbindlichen Kaufpreisangebots vom 09.11.2007 im Rahmen einer Due-Diligence-Prüfung mit … € als Wert der Anteile festgelegten Betrag an die B-GmbH entrichtet, in dem sie diesen Betrag an die (im Konzernverbund mit der B-GmbH und der D-GmbH tätige) G entrichtet habe, die wiederum diesen Betrag an die D-GmbH ausgereicht habe, damit diese den Betrag schließlich der Verkäuferin der Anteile, der B-GmbH, zukommen lassen konnte. Im Ergebnis sei die schlichte Erfüllung der Zahlungsverpflichtung aus dem Anteilskaufvertrag von der E-KG über diverse Vertragsgestaltungen aufgeteilt worden und habe auf Umwegen durch die erst nach Abschluss des Anteilskaufvertrags gewählte rechtliche Gestaltung zu dem von den Beteiligten beabsichtigten Ergebnis der Entrichtung des Kaufpreises durch die E-KG an die B-GmbH im Wert der Due-Diligence-Prüfung geführt. Auf diese Weise sei der ehemals (im Jahr 2007) vertraglich vereinbarte, aber nach dem vierten Addendum zum Anteilskaufvertrag vom 25.06.2008 nicht mehr als Kaufpreis vereinbarte Betrag (nunmehr … €) von den Vertragsparteien nicht dem Gewinn der B-GmbH aus dem Anteilsveräußerungsvertrag zugeordnet und damit der Besteuerung nach § 8b Abs. 4 KStG a.F. bei der Organträgerin entzogen worden.
Soweit das Finanzgericht Hamburg allerdings von einer „Durchreichung“ des von der E-KG über die G darlehensweise ausgereichten Betrags von … € an die D-GmbH und schließlich an die B-GmbH als Verkäuferin der Gesellschaftsanteile ausgegangen ist und angenommen hat, dass hierfür kein „sonstiger wirtschaftlicher oder rechtlicher Grund“ bestanden habe, weil der ehemals zwischen der B-GmbH und der D-GmbH vereinbarte Ergebnisabführungsvertrag mit Wirkung zum 30.12.2007 aufgehoben worden sei, sodass ein Gewinn der D-GmbH für 2007 nicht abzuführen war, hält dies einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das Finanzgericht Hamburg lässt dabei unberücksichtigt, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Unternehmensvertrag mit einer abhängigen GmbH entsprechend § 296 Abs. 1 Satz 1 des Aktiengesetzes (nur) zum Ende des Geschäftsjahrs oder des sonst vertraglich bestimmten Abrechnungszeitraums aufgehoben werden kann18. Eine handelsrechtliche Abführungsverpflichtung für das laufende Geschäftsjahr oder Teile davon bleibt jedenfalls hiervon unberührt. Die Schlussfolgerung der Vorinstanz, dass die zwischen der B-GmbH und der D-GmbH getroffene Vereinbarung vom 18.12.2007 ausschließlich dazu gedient habe, den von der G ausgereichten Betrag an die Veräußerin der Anteile durchzureichen, war daher nicht zutreffend.
Des Weiteren geht das Finanzgericht im Rahmen seiner Gesamtwürdigung davon aus, die D-GmbH habe das ihr von der G ausgereichte -und auf die E-KG als neue Darlehensgeberin übergegangene- Darlehen nicht bedient. Daraus leitet das Finanzgericht ab, der von der E-KG an die G für die Übernahme der Darlehensgeberstellung gezahlte Betrag sei wirtschaftlich als Zahlung des ganz überwiegenden Teils des Kaufpreises für die erworbenen Anteile zu werten, der über die G in den Konzernverbund der B-GmbH und der D-GmbH geflossen sei. Bei dieser Wertung lässt das Finanzgericht jedoch zum einen außer Acht, dass die Darlehensvergabe der G an die D-GmbH und auch die Übertragung der Darlehensgeberstellung an die E-KG für die G insofern „vermögensneutral“ gewesen ist, als sich der mit der Ausreichung des Darlehens verbundene Abfluss und die erhaltene Rückzahlungsforderung grundsätzlich ausgleichen. Anderes könnte nur gelten, falls die Darlehensrückzahlungsforderung gegen die D-GmbH wertlos oder im Wert gemindert gewesen wäre, wozu jedoch konkrete Feststellungen des Finanzgerichts Hamburg fehlen. Zum anderen ist der Vertrag über die Übernahme des Darlehens schon am 23.11.2007 geschlossen worden, sodass der Anspruch der G gegen die E-KG auf Zahlung des Ablösebetrags bereits im Veranlagungszeitraum 2007 entstanden und zu aktivieren gewesen sein könnte. Der vom Finanzgericht als Kaufpreiszahlung gewertete Vermögenszufluss in den Konzernverbund der B-GmbH und der D-GmbH wäre dann bereits im Vorjahr eingetreten.
Das angefochtene Urteil beruht auf anderen rechtlichen Beurteilungen. Es ist daher aufzuheben. Die Sache ist an das Finanzgericht Hamburg zurückzuverweisen, damit dieses die noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen kann.
Ausgehend davon, dass eine handelsrechtliche Abführungsverpflichtung für das Geschäftsjahr 2007 ungeachtet der zwischen der B-GmbH und der D-GmbH getroffenen Aufhebungsvereinbarung vom 20.11.2007 bestanden hat, wird das Finanzgericht zu ermitteln haben, in welcher Höhe diese für das Jahr 2007 bestanden hat und ob die vertraglich vereinbarte Abschlagszahlung in Höhe von … € dem entsprochen hat. Dabei wird das Finanzgericht auch in den Blick zu nehmen haben, dass die B-GmbH bereits drei Jahre zuvor, im Jahr 2004, einen Teil ihres Vermögens, den Teilbetrieb C, als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung auf die dadurch neu gegründete D-GmbH übertragen hat und dieser Vorgang zu einem handelsrechtlichen Gewinn geführt haben könnte, der über den zur A-GmbH bestehenden Ergebnisabführungsvertrag an diese abzuführen war. Es wird zu untersuchen sein, ob und inwieweit sich dieser Vorgang auf den nachfolgenden Ausgliederungsvorgang im Jahr 2007, der wiederum den (nämlichen) Teilbetrieb C betroffen hat, ausgewirkt hat.
Weiterhin wird das Finanzgericht zu untersuchen haben, ob es für den zweiten Ausgliederungsvorgang des Teilbetriebs C im Jahr 2007 auf die F-GmbH „vernünftige wirtschaftliche Gründe“ gibt. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt stets nur dann vor, wenn die gewählte Gestaltung nach den Wertungen des Gesetzgebers, die den jeweils maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde liegen, der Steuerumgehung dienen soll, ansonsten aber nicht19. Ausgehend hiervon wird das Finanzgericht zum einen zu berücksichtigen haben, dass die Umstrukturierung nicht lediglich formal vorgenommen worden ist, sondern in ihrer Grundstruktur dauerhaft Bestand hat. Andererseits stellt sich jedoch die Frage, warum drei Tage vor Abschluss des Anteilskaufvertrags zwischen der E-KG und der B-GmbH am 23.11.2007 (und damit in Kenntnis dieses Vorgangs) die D-GmbH ihren Teilbetrieb C ausgegliedert hat mit der Folge eines abzuführenden handelsrechtlichen Ausgliederungsgewinns, der aber aufgrund der finanziellen Situation der D-GmbH möglicherweise von dieser nicht aus vorhandenen Mitteln abgeführt werden konnte. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass mit der D-GmbH letztlich (lediglich) eine Zwischenholding geschaffen wurde, und für diese Struktur vernünftige wirtschaftliche Gründe, die über die hinausgehen, die für die bereits vorhandene Holdingstruktur angeführt werden können, nicht ohne weiteres erkennbar sind. Letztlich stellt sich auch die Frage, ob angesichts der finanziellen Ausstattung der D-GmbH die Schaffung einer derartigen Struktur zu diesem Zeitpunkt überhaupt wirtschaftlich sinnvoll sein konnte. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die vereinbarte „Abschlagszahlung“ ggf. zur Folge haben konnte, dass die D-GmbH gänzlich unterkapitalisiert war und eine längerfristige Fortführung des Unternehmens ohne Wiederzuführung von Eigenkapital unmöglich gewesen sein könnte.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 9. Juni 2021 – I R 52/17
- vgl. z.B. BFH, Urteil vom 18.12.2013 – I R 25/12, BFH/NV 2014, 904, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 17.01.1991 – IV R 132/85, BFHE 163, 449, BStBl II 1991, 607; vom 16.01.1992 – V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541, m.w.N.[↩]
- vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. 3, 2. Aufl., S. 1337[↩]
- BFH, Urteile vom 19.05.1993 – I R 124/91, BFHE 172, 37, BStBl II 1993, 889; vom 23.10.1996 – I R 55/95, BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90[↩]
- FG Hamburg, Urteil vom 27.06.2017 – 6 K 127/16[↩]
- BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218[↩]
- gl.A. Hennigfeld, EFG 2017, 1724[↩]
- z.B. BFH, Urteile vom 26.04.2018 – IV R 33/15, BFHE 261, 333, BStBl II 2020, 645; vom 17.01.2017 – VIII R 7/13, BFHE 256, 492, BStBl II 2017, 700; s.a. BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 904[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteil in BFH/NV 2014, 904, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 15.12.1999 – I R 29/97, BFHE 190, 446, BStBl II 2000, 527; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz 25; Lusga, Die Verhinderung von Steuerumgehungen bei Unternehmensumstrukturierungen, 2006, S. 160[↩]
- BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 20.03.2002 – I R 63/99, BFHE 198, 506, BStBl II 2003, 50[↩]
- BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428[↩]
- BGBl I 2000, 1850, BStBl I 2001, 28[↩]
- Gosch/Bauschatz, KStG, 4. Aufl., § 8b Rz 290[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 25.07.2012 – I R 88/10, BFHE 238, 108, BStBl II 2013, 94[↩]
- vgl. Drüen in Tipke/Kruse, § 42 AO Rz 20b; Fischer, Finanz-Rundschau 2000, 451[↩]
- BGH, Urteil vom 16.06.2015 – II ZR 384/13, BGHZ 206, 74[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 172, 37, BStBl II 1993, 889; in BFHE 181, 490, BStBl II 1998, 90[↩]