Verrechenbare Verluste der Organgesellschaft

Ein passiver Ausgleichsposten für Mehrabführungen ist nicht zu bilden, wenn die auf die Organgesellschaft entfallenden Beteiligungsverluste (hier: KG-Anteil) aufgrund außerbilanzieller Zurechnung (hier: § 15a EStG) neutralisiert werden und damit das dem Organträger zuzurechnende Einkommen nicht mindern. Hieran hat sich durch § 14 Abs. 4 KStG 2002 i.d.F. des JStG 2008 nichts geändert. Das Eigenkapital des Organträgers erhöht sich nicht dadurch, dass in dessen Steuerbilanz ein aktiver Ausgleichsposten für Minderabführungen gemäß § 14 Abs. 4 KStG 2002 n.F. gebildet wird. Es handelt sich hierbei lediglich um einen steuerrechtlichen Merkposten (Bilanzierungshilfe).

Verrechenbare Verluste der Organgesellschaft

Geht –wie z.B. im hier entschiedenen Streitfall aufgrund einer Verschmelzung– das Vermögen einer übertragenden Körperschaft (hier: E-GmbH) auf eine Personengesellschaft über (hier: die Klägerin), so mindert oder erhöht sich nach § 10 Satz 1 UmwStG 2002 die Körperschaftsteuerschuld der übertragenden Körperschaft für den Veranlagungszeitraum der Umwandlung um den Betrag, der sich nach den §§ 37 und 38 KStG 2002 ergeben würde, wenn das in der Steuerbilanz ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Betrags, der nach § 28 Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 i.V.m. § 29 Abs. 1 KStG 2002 dem steuerlichen Einlagekonto gutzuschreiben ist, als am Übertragungsstichtag für eine Ausschüttung verwendet gelten würde. Diese Ausschüttungsfiktion steht –soweit nach den Feststellungen des Finanzgericht im anhängigen Verfahren von Bedeutung– zum einen im Zusammenhang mit § 37 KStG 2002, nach dem das aufgrund des Übergangs vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren aus dem früheren mit 40% (bzw. mit 45%) Körperschaftsteuer belasteten verwendbaren Eigenkapital –vgl. § 36 KStG 2002 sowie § 36 KStG 2008 i.d.F. des JStG 20101 –KStG 2002 n.F.–2– abgeleitete Körperschaftsteuerguthaben (§ 37 Abs. 1 i.V.m. § 36 KStG 2002 a.F./n.F.) bis zu seinem Verbrauch die Körperschaftsteuer in Höhe von 1/6 (bzw. 15/55) der auf den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften beruhenden Gewinnausschüttungen veranlagungszeitraumbezogen mindert (§ 37 Abs. 2 Sätze 1 und 2 KStG 2002) und das hiernach verbleibende Restguthaben auf den Schluss des jeweiligen Wirtschaftsjahres gesondert festzustellen ist (§ 37 Abs. 2 Satz 3 KStG 2002). Zum anderen ergibt sich aus dem Verweis von § 10 Satz 1 UmwStG 2002 auf § 28 Abs. 2 Satz 1 und § 29 Abs. 1 KStG 2002, dass das –als ausgeschüttet fingierte– steuerliche Eigenkapital um den Teil des Nennkapitals der übertragenden Körperschaft zu kürzen ist, der –aufgrund der Umwandlung– nach § 29 Abs. 1 KStG 2002 als herabgesetzt gilt und dem steuerlichen Einlagenkonto (§ 27 KStG 2002) gutzuschreiben ist. Im Streitfall, dem –wie zwischen den Beteiligten nicht umstritten– eine auf den 31.12.2003 steuerlich zurückbezogene Umwandlung zugrunde liegt (§ 2 UmwStG 2002), ist des Weiteren zu beachten, dass nach § 10 Satz 2 UmwStG 2002 die mit Steuervergünstigungsabbaugesetz3 in § 37 Abs. 2a Nr. 1 KStG 2002 aufgenommene Regelung, nach der für Gewinnausschüttungen, die nach dem 11.04.2003 und vor dem 1.01.2006 erfolgen, die Körperschaftsteuerminderung jeweils 0 EUR beträgt (sog. Körperschaftsteuer-Moratorium), in Fällen des Vermögensübergangs nach den §§ 3 ff. UmwStG 2002 nicht anzuwenden ist.

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Da nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG 2002 dem Organträger das nach steuerlichen Vorschriften ermittelte Einkommen der Organgesellschaft als fremdes Einkommen zuzurechnen ist (sog. Zurechnungstheorie), diese aber nach dem Gewinnabführungsvertrag i.S. von § 291 AktG, der auch mit einer GmbH geschlossen werden kann4 (vgl. auch § 17 KStG 2002), nur verpflichtet ist, ihren handelsrechtlichen Gewinn abzuführen, und der Organträger auch nur den handelsrechtlich erlittenen Verlust auszugleichen hat (§ 302 AktG i.V.m. § 17 KStG 2002), können das steuerlich zugerechnete und das tatsächlich abgeführte Einkommen differieren. Für die hieraus resultierenden handelsrechtlichen Minderabführungen ist ein aktiver Ausgleichsposten zu bilden, um die zweifache Besteuerung des nämlichen Gewinns zu vermeiden; umgekehrt ist für die handelsrechtlichen Mehrabführungen ein passiver Ausgleichsposten anzusetzen, um einer zweifachen Verlustberücksichtigung zu begegnen. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden BFHs handelt es sich hierbei jedoch nicht um in der Steuerbilanz auszuweisende Posten. Vielmehr sind die Ausgleichsposten außerhalb der Steuerbilanz des Organträgers erfolgsneutral als (technische) Korrekturposten zu erfassen, die den organschaftsrechtlichen Besonderheiten Rechnung tragen und –z.B. für den Fall der Veräußerung des Anteils an der Organgesellschaft– eine ansonsten eintretende Doppel- oder Keinmalbesteuerung verhindern sollen5.

Hiernach kann nicht fraglich sein, dass das steuerbilanzielle Eigenkapital der E-GmbH (Organträgerin) i.S. von § 10 Satz 1 UmwStG 2002 durch einen vom Finanzamt befürworteten passiven Ausgleichsposten bereits deshalb nicht gemindert wurde, weil dieser außerhalb der Bilanz zu bilden wäre. Hiervon abgesehen kann es zudem keinem Zweifel unterliegen, dass die auf die B-GmbH aus ihrer Beteiligung an der H-KG entfallenden verrechenbaren Verluste auch keine Veranlassung gegeben haben, bei der E-GmbH (Organträgerin) einen Korrekturposten für Mehrabführungen zu bilden. Letzterem steht entgegen, dass –selbst dann, wenn man von einem steuerbilanziellen Ausweis des Kommanditanteils nach der sog. Spiegelbildmethode6 und mithin einem Steuerbilanzansatz in Höhe des für die Kommanditisten geführten negativen Kapitalkontos ausgeht7– sich hieraus keine handelsrechtliche Mehrabführung ergäbe. Das der E-GmbH nach § 14 KStG 2002 (steuerrechtlich) zuzurechnende Einkommen der B-GmbH wäre außerbilanziell um die nach § 15a EStG nur verrechenbaren Verluste zu erhöhen (Abschn. 27 Abs. 1 Nr. 1 KStR 1995)8; die handelsrechtliche Gewinnabführung würde damit steuerlich nicht unterschritten, da die Beteiligung in der Handelsbilanz der B-GmbH mit einem Erinnerungswert ausgewiesen war. Demgemäß kann auch nicht nachvollzogen werden, weshalb es –aus Sicht der Finanzverwaltung9– hätte gerechtfertigt sein können, im Falle der Veräußerung der Anteile an der B-GmbH einen von der E-GmbH erzielten Verlust durch Auflösung eines negativen Ausgleichspostens zu neutralisieren.

Anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Gesetzgeber in Reaktion auf das BFH, Urteil in BFHE 216, 530, BStBl II 2007, 796 mit dem JStG 2008 vom 20.12.200710 § 14 KStG 2002 um einen neuen Abs. 4 ergänzt hat, nach welchem –mit steuerlicher Rückwirkung (§ 34 Abs. 9 Nr. 5 KStG 2002 n.F.)– für Minder- und Mehrabführungen, die ihre Ursache in organschaftlicher Zeit haben, in der Steuerbilanz des Organträgers ein besonderer aktiver oder passiver Ausgleichsposten zu bilden (Satz 1) und dieser z.B. bei Veräußerung der Organbeteiligung (Satz 2) oder Umwandlung der Organgesellschaft (Satz 5) aufzulösen ist. Wenngleich nach § 14 Abs. 4 Satz 6 KStG 2002 n.F. solche Minder- oder Mehrabführungen „insbesondere“ vorliegen, wenn der an den Organträger abgeführte Gewinn von dem Steuerbilanzgewinn der Organgesellschaft abweicht und diese Abweichung in organschaftlicher Zeit verursacht ist, wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass diese bilanzielle Betrachtung dann zu durchbrechen und der Ausweis einer Mehrabführung ausgeschlossen ist, wenn die Abweichung zwischen der handelsrechtlichen Gewinnabführung und dem Steuerbilanzgewinn (hier: negatives Kapitalkonto im Falle der Bilanzierung nach der Spiegelbildmethode) durch die außerbilanzielle Zurechnung nicht abziehbarer Verluste (z.B. nach § 15a EStG) neutralisiert wird11. Zum Teil wird hierbei auch darauf hingewiesen, dass Abweichungen zur Handelsbilanz, die lediglich in der Technik der Einkommensermittlung gründen (hier: Anerkennung des negativen Kapitalkontos in Verbindung mit außerbilanziellem Ausgleich), nicht die Annahme einer Mehr- oder Minderabführung rechtfertigen12. Der Bundesfinanzhof schließt sich dem an. In § 14 Abs. 4 Satz 6 KStG 2002 n.F. werden die (gesetzlichen) Voraussetzungen einer Minder- oder Mehrabführung nicht im Sinne einer Legaldefinition abschließend bestimmt, sondern –wie das Adverb „insbesondere“ verdeutlicht13– lediglich deren Regelcharakteristika (im Sinne eines Typusbegriffs) umschrieben. Die Entscheidung darüber, ob von einer handelsrechtlichen Mehrabführung auszugehen ist, ist deshalb an dem Grundanliegen des Gesetzgebers auszurichten, der mit den Regelungen des § 14 Abs. 4 KStG 2002 n.F. dem –nach seiner Einschätzung– systemwidrigen BFH-Urteil in BFHE 216, 530, BStBl II 2007, 796 zur erfolgsneutralen Auflösung passiver Ausgleichsposten begegnen und –entsprechend dem Grundgedanken der Organschaft– die Einmalbesteuerung der organschaftlichen Erträge beim Organträger sicherstellen sowie zu diesem Zweck die für handelsrechtliche Mehrabführungen gebildeten Ausgleichsposten im Falle der Veräußerung der Organbeteiligung einkommenserhöhend auflösen wollte14. Dieses Anliegen wird aber nicht berührt, wenn aufgrund der außerbilanziellen Verlusthinzurechnung gemäß § 15a EStG die steuerliche Einkommenszurechnung nicht von der handelsrechtlichen Gewinnabführung abweicht; der BFH erkennt deshalb bei Vorliegen eines solchen Sachverhalts auch keinen aus dem Rechtsinstitut der Organschaft abzuleitenden Grund dafür, das Einkommen des Organträgers im Falle der Veräußerung der Organbeteiligung durch Auflösung eines passiven Ausgleichspostens zu erhöhen. Demgemäß stellt sich im Zusammenhang mit der –vom Finanzamt zu Unrecht befürworteten– Mehrabführung weder die Frage, ob solche Ausgleichsposten überhaupt geeignet sind, die Höhe des steuerbilanziellen Eigenkapitals i.S. von § 10 Satz 1 UmwStG 2002 zu mindern, noch bedarf es einer Stellungnahme dazu, ob der rückwirkenden Neuregelung die Grundsätze des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes entgegenstehen könnten.

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In die Gewinnausschüttungsfiktion des § 10 Satz 1 UmwStG 2002 darf nicht der für die handelsrechtliche Minderabführungen in der Steuerbilanz gebildete aktive Ausgleichsposten einbezogen werden.

Wie aufgezeigt, sind auch solche Ausgleichsposten nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs außerbilanziell festzuhalten und damit nicht geeignet, das steuerbilanzielle Eigenkapital zu erhöhen. Auch insoweit ergibt sich keine abweichende Beurteilung daraus, dass nach § 14 Abs. 4 Satz 1 KStG 2002 n.F. für Minderabführungen in der Steuerbilanz des Organträgers „ein besonderer aktiver … Ausgleichsposten“ zu bilden ist.

Zwar würde der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz der rückwirkenden Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegenstehen, wenn sie mit Blick auf die Höhe des steuerbilanziellen Eigenkapitals i.S. von § 10 Satz 1 UmwStG 2002 zu einer Besserstellung der Klägerin führen würde. Eine solche Wirkung kommt der Bestimmung jedoch nicht zu, da sie die bisherige Verwaltungsauffassung kodifizieren will, nach der u.a. für Minderabführungen ein besonderer aktiver Ausgleichsposten einkommensneutral zu bilden ist, der den Wert der Beteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft nicht berührt und im Falle der Beteiligungsveräußerung gewinnwirksam aufzulösen ist (Abschn. 59 Abs. 1 und 5 KStR 1995 = Abschn. 61 Abs. 1 und 3 KStR 2004/2008). Hiernach ist der Ausgleichsposten nach überwiegender Ansicht, der sich der Bundesfinanzhof anschließt, weder als eigenständiges Wirtschaftsgut noch als Korrekturposten zum Beteiligungsansatz, sondern als steuerliche Bilanzierungshilfe zu qualifizieren, die in Form eines steuerbilanziellen Merkpostens ausschließlich darauf gerichtet ist, eine zweifache Besteuerung des nämlichen –dem Organträger steuerlich bereits zugerechneten– Einkommens zu vermeiden15. Der aktive Ausgleichsposten ist demgemäß keiner Teilwertabschreibung zugänglich16 und erhöht auch nicht das steuerbilanzielle Eigenkapital i.S. von § 10 Satz 1 UmwStG 2002. Der BFH braucht nicht zu entscheiden, ob die Einordnung eines Postens als bloße steuerliche Bilanzierungshilfe durchgängig dessen Zuordnung zum steuerbilanziellen Eigenkapital ausschließt17. Jedenfalls kann einem aktiven Ausgleichsposten eine solche Qualifikation im Zusammenhang mit der Ausschüttungsfiktion des § 10 Satz 1 UmwStG 2002 nicht zukommen, weil das diesem Posten zugrunde liegende Einkommen an den Organträger nicht abgeführt wurde und damit auch nicht Gegenstand einer gesellschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Gewinnausschüttung des Organträgers sein kann (§ 10 Satz 1 UmwStG 2002 i.V.m. § 37 Abs. 2 Sätze 1 und 2 KStG 2002).

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Abweichendes ergibt sich nicht daraus, dass Minderabführungen nach § 27 Abs. 6 Satz 1 KStG 2002 das Einlagekonto erhöhen. Wie der BFH bereits mit Urteil in BFHE 216, 530, BStBl II 2007, 796 erläutert hat, soll diese Bestimmung gewährleisten, dass der durch eine Minderabführung entstandene Teil des Eigenkapitals bei der Organgesellschaft wie durch Einlagen entstandenes Eigenkapital behandelt wird, das im Falle seiner Abführung nicht erneut der Körperschaftsteuer zu unterwerfen ist. Hieraus lässt sich jedoch weder nach dem Wortlaut noch nach dem Zweck der Vorschrift ableiten, dass Mehrabführungen (oder Minderabführungen) beim Organträger Einlagegrundsätzen unterworfen und demgemäß die Ausgleichsposten als Korrekturposten zum Beteiligungsansatz zu qualifizieren sind. Angesichts dessen, dass mit der durch das JStG 2008 eingefügten Bestimmung des § 14 Abs. 4 KStG 2002 lediglich die bisherige Verwaltungspraxis zur Bildung der Ausgleichsposten gesetzlich festgeschrieben wurde und hiernach diese Posten den Wertansatz der Beteiligung an der Organgesellschaft nicht berühren sollten, ist –auch unter Berücksichtigung des Regelungszusammenhangs zu § 27 Abs. 6 KStG 2002– nichts dafür ersichtlich, dass die Gesetzeskorrektur des JStG 2008 (§ 14 Abs. 4 KStG 2002 n.F.) Anlass geben könnte, die steuerbilanzielle Qualifikation des Ausgleichspostens beim Organträger in Frage zu stellen18.

Die dem aktiven Ausgleichsposten zugrunde liegende handelsrechtliche Minderabführung ist schließlich nicht deshalb der Ausschüttungsfiktion des § 10 Satz 1 UmwStG 2002 zu unterstellen, weil nach § 176 Abs. 2 AO bei der Änderung eines Steuerbescheids u.a. nicht berücksichtigt werden darf, dass eine allgemeine Verwaltungsvorschrift einer obersten Bundes- oder Landesbehörde von einem obersten Gerichtshof des Bundes als mit dem geltenden Recht nicht in Einklang stehend bezeichnet worden ist. Zwar wird im Schrifttum vertreten, dass nach den Anweisungen zu Rz 43 des BMF-Schreibens vom 26.08.200319 der Ausgleichsposten ein Korrekturposten zum Beteiligungsbuchwert sei und dies allgemein der vor Inkrafttreten des JStG 2008 von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung entsprochen habe20. Abgesehen davon, dass eine allgemeine Verwaltungsübung keinen Vertrauensschutz nach § 176 Abs. 2 AO vermittelt21 und das genannte Schreiben –nach seinem Wortlaut– insoweit von den Regelungen zu Abschn. 63 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStR 2004 sowie zu Abschn. 59 Abs. 1 Sätze 2 und 3 KStR 1995 abweicht, stand das BMF-Schreiben vom 26.08.2003 schon im Zeitpunkt seines Erlasses in einem offenkundigen und nicht überbrückbaren Widerspruch zu dem am 24.07.1996 ergangenen BFH-Urteil in BFHE 181, 5322. Da nach dieser Entscheidung der aktive Ausgleichsposten den Beteiligungsansatz nicht erhöht und die Minderabführung insbesondere nicht mit dem Ansatz von nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung verbunden ist, konnte das diesem Gesetzesverständnis widerstreitende BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 437 kein nach § 176 Abs. 2 AO schützenswertes Vertrauen entfalten23.

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Als Folge der Ausschüttungsfiktion des § 10 Satz 1 UmwStG 2002 ist im Streitfall eine negative Körperschaftsteuer, d.h. als Umkehrung des Steueranspruchs24, ein i.S. von § 37 Abs. 1, letzter Halbsatz AO einzelsteuergesetzlich geregelter25 Körperschaftsteuererstattungsanspruch festzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass § 10 Satz 1 UmwStG 2002 von der Minderung der „Körperschaftsteuerschuld“ spricht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Vorschrift auf § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 verweist und deshalb die in dieser Bestimmung angeordnete ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuerminderung auch zu einer Körperschaftsteuererstattung führen kann26. Letzteres ergibt sich nicht nur daraus, dass die Minderung der Körperschaftsteuer (§ 37 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002) nicht nach der Höhe des Einkommens der Körperschaft (§ 23 Abs. 1 KStG 2002), sondern ausschließlich nach der Höhe der den gesellschaftsrechtlichen Vorgaben entsprechenden Gewinnausschüttungen sowie des hierdurch bedingten Verbrauchs des Körperschaftsteuerguthabens bestimmt wird (§ 37 Abs. 2 Satz 1 KStG 2002); deshalb kann nur die einkommensunabhängige Minderung und ggf. Erstattung der Körperschaftsteuer –in systematischer Hinsicht– gewährleisten, dass das Körperschaftsteuerguthaben, das nach § 37 Abs. 2 Satz 1 KStG 2002 durchgängig in Höhe von 1/6 der den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnausschüttungen verbraucht wird, nicht ganz oder teilweise verloren geht. Nur dieses Gesetzesverständnis entspricht dem offenkundigen Willen des Gesetzgebers. So wurde in der Begründung des Gesetzentwurfs zum Steuersenkungsgesetz vom 23.10.200027 erläutert, dass die im Falle der Fortgeltung des (früheren) Anrechnungsverfahrens entstehenden Körperschaftsteuerminderungen28 in der Weise im Ergebnis erhalten bleiben sollen, dass „ab dem Zeitpunkt der Systemumstellung automatisch mit jeder ordentlichen Gewinnausschüttung eine Körperschaftsteuerminderung bis zum Verbrauch des Guthabens verbunden ist“29. Nur so ist auch zu erklären, dass mit dem Entwurf zum Steuervergünstigungsabbaugesetz zunächst vorgeschlagen worden war, die Körperschaftsteuerminderung, die bisher in Abhängigkeit von der Ausschüttung unbegrenzt in Anspruch habe genommen werden können, auf die Hälfte der festgesetzten Körperschaftsteuer zu begrenzen30. Dass dieser Vorschlag nicht umgesetzt und an seiner Stelle das sog. Körperschaftsteuer-Moratorium beschlossen wurde (§ 37 Abs. 2a KStG 2002 n.F.), stellt die Grundkonzeption des Minderungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 nicht in Frage. Demgemäß kann auch der in den Fällen der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft nach § 10 Satz 1 UmwStG 2002 i.V.m. § 37 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 anzusetzende Minderungsbetrag selbst dann eine Erstattung von Körperschaftsteuer zur Folge haben, wenn er –wie vorliegend– in den zeitlichen Anwendungsbereich des Körperschaftsteuer-Moratoriums fällt (§ 10 Satz 2 UmwStG 2002)31.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 29. August 2012 – I R 65/11

  1. Jahressteuergesetzes 2010 vom 08.12.2010, BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394[]
  2. hierzu BFH, Urteil vom 20.04.2011 – I R 65/05, BFHE 234, 385, BStBl II 2011, 983[]
  3. vom 16.05.2003, BGBl I 2003, 660, BStBl I 2003, 321[]
  4. MünchKomm-AktG/Altmeppen, 3. Aufl., § 293 Rz 33[]
  5. BFH, Urteile vom 07.02.2007 – I R 5/05, BFHE 216, 530, BStBl II 2007, 796 zu Mehrabführungen; vom 29.10.2008 – I R 31/08, BFH/NV 2009, 790 zu Minderabführungen[]
  6. s. BFH, Urteil vom 04.03.2009 – I R 58/07, BFH/NV 2009, 1953; Schmidt/Wacker, EStG, 31. Aufl., § 15 Rz 690[]
  7. s. dazu FG Köln, Urteil vom 16.04.2008 – 13 K 3868/06, EFG 2008, 1230; Hebeler, BB 1998, 206, 209; OFD Chemnitz, FR 1998, 289[]
  8. vgl. z.B. Dötsch/Witt in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 14 KStG Rz 271; FG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2010 – 6 K 7145/02 K,F, EFG 2010, 2106[]
  9. vgl. hierzu BFH, Urteil in BFHE 216, 530, BStBl II 2007, 796[]
  10. BGBl I 2007, 3150, BStBl I 2008, 218[]
  11. Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 14 KStG Rz 500; Trossen, EFG 2012, 79, 80; Trautmann/Faller, Deutsches Steuerrecht 2012, 890[]
  12. Erle/Heurung in Erle/Sauter, KStG, 3. Aufl., § 14 Rz 446 i.V.m. Rz 461; Frotscher in Frotscher/Maas, KStG/GewStG/UmwStG, § 14 KStG Rz 812[]
  13. vgl. hierzu allgemein auch BFH, Urteil vom 14.03.2012 – X R 50/09, BFHE 237, 14, BStBl II 2012, 536, zu II.02.e gg[]
  14. BT-Drucks. 16/7036, S.20[]
  15. gl.A. Neumann, Die Unternehmensbesteuerung 2010, 673, 674 f.; Breier, Der Konzern 2011, 11, 19 f.; Walter in Ernst & Young, KStG, § 14 Rz 891; a.A. Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 14 KStG Rz 485, 486; Erle/Heurung in Erle/Sauter, a.a.O., § 14 Rz 512; Bareis, FR 2008, 649, 651 f.[]
  16. Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 14 Rz 845 ff.[]
  17. vgl. zu handelsrechtlichen Bilanzierungshilfen BFH, Beschluss vom 07.08.2000 – GrS 2/99, BFHE 192, 339, BStBl II 2000, 632, zu C.II.2. und 8.[]
  18. gl.A. Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 14 Rz 845 a.E.[]
  19. BMF, Schreiben vom 26.08.2003, BStBl I 2003, 437[]
  20. Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 14 KStG Rz 485, m.w.N.[]
  21. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 176 AO Rz 20[]
  22. BFH, Urteil – I R 41/93, BFHE 181, 53, BStBl II 1996, 614[]
  23. BFH, Beschluss vom 21.04.2005 – III B 40/04, BFH/NV 2005, 1480; Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 176 AO Rz 23; Klein/Rüsken, AO, 11. Aufl., § 176 Rz 26[]
  24. BFH, Urteil vom 18.06.1986 – II R 38/84, BFHE 146, 519, BStBl II 1986, 704, zu II.02.a[]
  25. dazu allgemein Schwarz in Schwarz, AO, § 37 Rz 8[]
  26. vgl. BMF, Schreiben vom 06.11.2003, BStBl I 2003, 575 Rz 31; Bauschatz in Gosch, KStG, 2. Aufl., § 37 Rz 61; Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 37 KStG Rz 40; Thurmayr in Herrmann/Heuer/Raupach, § 37 KStG Rz 27, jeweils m.w.N.[]
  27. BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428[]
  28. vgl. zu § 27 Abs. 1 KStG 1999 Abschn. 77 Abs. 5 KStR 1995; Förster/van Lishaut, FR 2000, 1189, 1191, Fn. 12[]
  29. BR-Drucks 90/00, S. 174[]
  30. vgl. BT-Drucks 15/481, S. 15[]
  31. vgl. z.B. BMF-Schreiben in BStBl I 2003, 575 Rz 31; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 10 UmwStG (grüne Blätter) Rz 10; Dötsch in Dötsch/Patt/Pung/Jost, a.a.O., § 10 Rz 29; Förster/van Lishaut, FR 2000, 1189, 1190[]
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Der zu hohe Spendenvortrag