Die (Nach-)Entrichtung von Beiträgen zur Gesamtsozialversicherung aufgrund eines Summenbescheids nach § 28f Abs. 2 SGB IV durch den Arbeitgeber führt nicht zu Arbeitslohn.

Die Nachforderung von Lohnsteuer beim Arbeitgeber durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet wurde und es sich um eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers handelt. Eine eigene Steuerschuld des Arbeitgebers liegt auch vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 40 EStG gegeben sind1.
Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG kann das Finanzamt auf Antrag zulassen, dass die Lohnsteuer nach einem unter Berücksichtigung der Vorschriften des § 38a EStG zu ermittelnden Pauschsteuersatz erhoben wird, wenn in einer größeren Zahl von Fällen der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig, das heißt nicht nach § 38 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 3 Satz 1, § 38a EStG, bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einbehalten hat.
Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Hierzu zählen neben Gehältern und Löhnen auch andere „Bezüge und Vorteile“, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden.
Zum Arbeitslohn können daher auch Ausgaben des Arbeitgebers für die Zukunftssicherung des Arbeitnehmers gehören2. Die Arbeitslohnqualität von Zukunftssicherungsleistungen, bei denen die Leistung des Arbeitgebers an einen Dritten (Versicherer) erfolgt, hängt davon ab, ob sich der Vorgang -wirtschaftlich betrachtet- so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat. Davon ist auszugehen, wenn dem Arbeitnehmer gegen die Versorgungseinrichtung, an die der Arbeitgeber die Beiträge geleistet hat, ein unentziehbarer Rechtsanspruch auf die Leistung zusteht3.
Demgemäß sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs auch die Arbeitnehmeranteile zur Arbeitslosen, Kranken- und Rentenversicherung (Gesamtsozialversicherung) als Gegenleistung für die Erbringung der Arbeitsleistung und damit als Arbeitslohn nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG anzusehen4.
Zwar hat der Arbeitgeber als alleiniger Schuldner den Gesamtsozialversicherungsbeitrag an die Einzugsstelle zu zahlen und durch Lohnabzug beim Arbeitnehmer einzubehalten; wirtschaftlich hat aber der Arbeitnehmer die Beiträge zur Gesamtsozialversicherung zur Hälfte (Arbeitnehmeranteil) aus dem ihm zustehenden Bruttoentgelt zu tragen. Der einbehaltene Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung ist danach ein dem Arbeitnehmer verschaffter Vermögensvorteil; daher sind die Arbeitnehmerbeiträge -bei eigenem Rechtsanspruch des Arbeitnehmers gegen die Versorgungseinrichtung- als Arbeitslohn mit ihrer Abführung durch den Arbeitgeber gegenwärtig zugeflossen5.
Nach Maßgabe dieser Rechtsgrundsätze ist das Finanzgericht Köln zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die streitigen Zahlungen der Arbeitgeberin auf die nach § 28f Abs. 2 SGB IV ergangenen Summenbescheide keinen Arbeitslohn darstellen6. Denn es handelt sich insoweit nicht um „fremdnützige“ Leistungen zugunsten ihrer Arbeitnehmer, sondern um „systemnützige“ Zahlungen zum Vorteil der Sozialkassen.
Gemäß § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Beitrag in der Kranken, Pflege- und Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen (sogenannter Summenbescheid, Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.02.2002 – B 12 KR 12/01 R, BSGE 89, 158), wenn ein Arbeitgeber -wie vorliegend die Arbeitgeberin- die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Dies gilt nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann (§ 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV).
Zweck der Regelung ist es, Einnahmeverluste der Sozialkassen infolge einer Aufzeichnungspflichtverletzung weitgehend zu vermeiden und zugleich auszuschließen, dass Arbeitgeber mittels einer Aufzeichnungspflichtverletzung Wettbewerbsvorteile erlangen könnten7. Der nicht personenbezogenen Beitragsrechnung kommt dabei die Wirkung einer „Sonderabgabe“ zu Lasten des Arbeitgebers zu8. Denn ein Summenbescheid führt zwar für die beteiligten Versicherungsträger zu Einnahmen, Leistungsausgaben sind hierfür in der Regel jedoch nicht zu erbringen9.
Wegen der tatbestandlich vorausgesetzten „Unmöglichkeit“ einer personenbezogenen Beitragserhebung beim Arbeitnehmer und der damit einhergehenden „Unmöglichkeit“, die pauschaliert erhobenen Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung deren individuellen Beitragskonten zuzuordnen, bewirken Zahlungen auf einen Summenbescheid gemäß § 28f Abs. 2 SGB IV folglich ebenso wie der Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung dem Grunde nach weder einen individuellen mitgliedschafts- oder beitragsrechtlichen Vorteil der Arbeitnehmer noch einen leistungsrechtlichen oder sonstigen Zuwachs ihres Vermögens.
Aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13.09.200710 folgt nichts anderes. Danach führt die Nachentrichtung hinterzogener Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung ungeachtet der Verschiebung der Beitragslast auf den Arbeitgeber gemäß § 28g SGB IV auf Seiten der Arbeitnehmer zwar zu einem zusätzlichen geldwerten Vorteil. Diese Folge ist aber dem Umstand geschuldet, dass der Arbeitnehmer in einem solchen Fall hinsichtlich seines gesetzlichen Sozialversicherungsschutzes nachträglich so gestellt wird, als ob der hälftige Gesamtsozialversicherungsbeitrag bereits durch Abzug von dem ihm zustehenden Bruttoentgelt vom Arbeitgeber einbehalten und abgeführt worden wäre. Denn dem Arbeitnehmer steht dadurch -nicht anders als nach einem ordnungsgemäßen (ebenfalls personenbezogenen) Beitragsabzug- auch insoweit ein eigener Rechtsanspruch auf Leistung gegen den jeweiligen Sozialversicherungsträger zu11.
Eine vorteilsbegründende Zuordnung der Zahlungen des Arbeitgebers zu einem Beitragskonto bewirkt die (Nach-)Entrichtung von Beiträgen zur Gesamtsozialversicherung aufgrund eines Summenbescheids nach § 28f Abs. 2 SGB IV jedoch gerade nicht. Denn bei einer Zahlung des Arbeitgebers aufgrund eines Summenbescheids werden die Beiträge zur Gesamtsozialversicherung -anders als bei dem personenbezogenen Beitragsabzug gemäß § 28g SGB IV- nicht nach dem zu verbeitragenden Arbeitsentgelt individualisiert, sondern wegen der dahingehenden „Unmöglichkeit“ anhand der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte pauschaliert erhoben. Pauschalierte Zahlungen des Arbeitgebers aufgrund eines Summenbescheids kommen aber -wie dargelegt und anders als die individualisierte Beitragserhebung nach § 28g SGB IV- nicht dem einzelnen Arbeitnehmer, sondern nur den Sozialversicherungsträgern zugute, ohne dass diesen Zahlungen dem Grunde nach (zukünftige) Leistungsansprüche der Versicherungsnehmer gegenüberstehen.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. Juni 2023 – VI R 27/20
- BFH, Urteil vom 06.06.2018 – VI R 32/16, BFHE 261, 516, BStBl II 2018, 764, Rz 13, m.w.N.[↩]
- z.B. BFH, Urteil vom 05.07.2012 – VI R 11/11, BFHE 238, 408, BStBl II 2013, 190, Rz 13[↩]
- BFH, Urteil vom 24.08.2017 – VI R 58/15, BFHE 259, 321, BStBl II 2018, 72, Rz 16, m.w.N.[↩]
- vgl. z.B. BFH, Urteile vom 13.09.2007 – VI R 54/03, BFHE 219, 49, BStBl II 2008, 58, Rz 9; und vom 11.12.2008 – VI R 9/05, BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385 sowie BFH, Urteil vom 16.01.2007 – IX R 69/04, BFHE 216, 329, BStBl II 2007, 579, m.w.N.[↩]
- ausführlich hierzu BFH, Urteil vom 16.01.2007 – IX R 69/04, BFHE 216, 329, BStBl II 2007, 579, Rz 21, m.w.N.[↩]
- FG Köln, Urteil vom 24.01.2020 – 1 K 1041/17[↩]
- Werner in: jurisPK-SGB IV, Aufl.2021, § 28f SGB IV Rz 54[↩]
- Werner in: jurisPK-SGB IV, Aufl.2021, § 28f SGB IV Rz 56[↩]
- Sehnert in Hauck/Noftz, SGB IV, § 28f Rz 9[↩]
- BFH, Urteil vom 13.09.2007 – VI R 54/03, BFHE 219, 49, BStBl II 2008, 58[↩]
- BFH, Urteil vom 13.09.2007 – VI R 54/03, BFHE 219, 49, BStBl II 2008, 58, Rz 10[↩]