Arbeitsvertrag mit Mutter- und Tochtergesellschaft

Zum lohnsteuerrechtlichen Arbeitgeberbegriff (§§ 38 ff. EStG) bei gleichartiger Tätigkeit im Rahmen zweier zivilrechtlich wirksamer Arbeitsverhältnisse desselben Arbeitnehmers mit zwei Arbeitgebern, von denen einer an dem anderen zu 40 % beteiligt ist, hatte sich jetzt das Finanzgericht Baden-Württemberg zu befassen.

Arbeitsvertrag mit Mutter- und Tochtergesellschaft

Dem Rechtsstreit zugrunde lag der Streit um die Pflicht zum Lohnsteuerabzug durch einen Landkreis für das Gehalt, das bei dem Landkreis beschäftigte Mitarbeiter zusätzlich noch von einem kommunalen Gemeinschaftsunternehmen, der X-GmbH, erhielten, an dem der Landkreis – neben den Städten und Gemeinden seines Kreisgebietes – zu 40% beteiligt war. Dort waren die Mitarbeiter als geringfügig Beschäftigte angestellt, das Finanzamt wollte den hierfür anfallenden Lohn allerdings zusammen mit dem beim Landkreis erzielten Gehalt insgesamt dem Lohnsteuerabzug unterwerfen, indem es den Landkreis auch hinsichtlich der Beschäftigungsverhältnisse bei der X-GmbH als Arbeitgeber ansah.

Das Finanzgericht Baden-Württemberg sah hier jedoch keine Pflicht zum Lohnsteuerabzug durch den Landkreis:

Der Landkreis schuldet, so das Finanzgericht in seinen Urteilsgründen, keine Lohnsteuer aus diesen Beschäftigungsverhältnissen, weil er insoweit nicht Arbeitgeber im Sinne der §§ 38 ff. EStG ist.

Der lohnsteuerrechtliche Arbeitgeberbegriff ist im EStG nicht definiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gilt grundsätzlich der zivilrechtliche Arbeitgeberbegriff, der abgeleitet wird aus den in § 1 und 2 der LStDV enthaltenen Begriffen Arbeitnehmer und Dienstverhältnis1. Danach ist Arbeitgeber derjenige, zu dem eine bestimmte Person, um deren Lohnsteuer es geht, in einem Arbeitnehmerverhältnis steht. Erst in der für die Streitjahre noch nicht gültigen Gesetzesfassung ab 2004 ist in Fällen von grenzüberschreitendem Mitarbeitereinsatz der sog. abkommensrechtliche wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff zugrunde zu legen (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG 2004).

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Im Rahmen von Dreiecksverhältnissen – wie sie z. B. bei Arbeitnehmerüberlassungen vorliegen –, sieht der Bundesfinanzhof maßgeblich denjenigen als Arbeitgeber an, der dem Arbeitnehmer den Lohn in eigenem Namen und für eigene Rechnung (unmittelbar) auszahlt2. Diese Rechtslage hat der Gesetzgeber in der auf die Streitjahre nicht anwendbaren, erst ab dem 20. Dezember 2003 geltenden Gesetzesfassung des § 38 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 EStG verschärft.

Im Streitfall liegen zivilrechtlich zwei separate Arbeitsverhältnisse mit den jeweiligen Arbeitnehmern vor: Zum Einen zwischen dem Arbeitnehmer und dem Kläger und zum Anderen zwischen dem Arbeitnehmer und der X-GmbH. Diesen zivilrechtlich gültigen Verträgen ist steuerlich Rechnung zu tragen.

Soweit der Landkreis aufgrund der Personalkostenerstattungsverträge vom 1. April 1993 bzw. vom 30. Dezember 1997 die Arbeitnehmer an die X-GmbH mit den angegebenen Zeitkontingenten „zur Verfügung gestellt hat“ bleibt er aufgrund der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze Arbeitgeber, weil der Arbeitlohn insoweit weiterhin vom Kläger an die Arbeitnehmer ausbezahlt worden ist. Es handelt sich hierbei um einen Fall der Arbeitnehmerüberlassung, bei dem die Lohnzahlung weiterhin dem Verleiher obliegt. Es liegt damit weder eine unechte3 und schon gar keine echte Lohnzahlung durch Dritte4 vor. Die X-GmbH leistete an den Kläger lediglich Kostenersatz und ist daher nicht Arbeitgeber geworden.

Soweit die X-GmbH jedoch in den Streitjahren in eigenem Namen und für eigene Rechnung Arbeitsverträge mit den genannten Arbeitnehmern abgeschlossen hat, ist der Kläger nicht Arbeitgeber geworden. Insoweit liegt kein Fall der Arbeitnehmerüberlassung vor. Vielmehr sind die Voraussetzungen des § 40a Abs. 2 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung erfüllt (Beschäftigung in geringem Umfang und gegen geringes Entgelt), weil der Arbeitslohn bei den einzelnen Arbeitnehmern in ihrem jeweiligen Verhältnis zur X-GmbH die Geringfügigkeitsgrenze von 630 DM bzw. 325 EUR im Monat nicht überstiegen hat. Nach § 40a Abs. 2 EStG a. F. ist bei geringfügigen Arbeitsverhältnissen nur der Arbeitgeber berechtigt, pauschale Lohnsteuer zu entrichten, und nur vom Arbeitgeber kann sie bei einem Verstoß gegen diese Entrichtungspflicht nachgefordert werden. In diesem Verhältnis war die X-GmbH Arbeitgeber. Sie ist ihrer Entrichtungspflicht nachgekommen.

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Die X-GmbH ist nicht Dritter i.S.d. § 38 Abs. 1 Satz 2 EStG 2002. Nach dieser Vorschrift können grundsätzlich auch Zuwendungen eines Dritten Arbeitslohn sein, wenn sie Entgelt für eine Leistung sind, die der Arbeitnehmer im Rahmen seines individuellen Arbeitsverhältnisses für den Arbeitgeber erbringt. Hierzu muss jedoch ein Zusammenhang zwischen der Leistung des Dritten und dem Dienstverhältnis mit dem Arbeitgeber dergestalt gewahrt sein, dass die Zuwendung wirtschaftlich als Frucht der Dienstleistung des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber betrachtet werden kann5.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Zwar ist dem Beklagten zuzugestehen, dass aufgrund der Personalerstattungsverträge ein Zusammenhang zwischen der Zahlung der X-GmbH an die Arbeitnehmer und deren Dienstverhältnis mit dem Kläger besteht. Aufgrund dieses Zusammenhangs können die Zahlungen der X-GmbH an die Arbeitnehmer wirtschaftlich aber nicht als Frucht derer Dienstleistungen für den Kläger betrachtet werden, denn die Zahlungen der X-GmbH beruhen auf eigenen, unmittelbaren, rechtlichen Beziehungen zwischen der X-GmbH und den Arbeitnehmern, nämlich den separat geschlossenen, zivilrechtlich wirksamen Arbeitsverträgen.

Die Arbeitnehmer haben im Rahmen dieser Arbeitsverhältnisse mit der X-GmbH unstreitig die gleiche inhaltliche Tätigkeit ausgeübt wie im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. Allein aufgrund der Gleichartigkeit der Tätigkeit kann bei separaten und zivilrechtlich gültigen Arbeitsverträgen aber kein einheitliches Beschäftigungsverhältnis angenommen werden. Hierfür müsste die X-GmbH dergestalt im Lager des Landkreises stehen, dass deren Lohnzahlungen dem Kläger wirtschaftlich zugerechnet werden können. Das ist vom Beklagten aber weder vorgetragen, noch aus den Umständen ersichtlich. Die Tätigkeiten innerhalb der jeweiligen Arbeitsverhältnisse waren entgegen den Ausführungen des Beklagten in der Einspruchsentscheidung abgrenzbar und tatsächlich so ausgestaltet, dass sie eindeutig dem jeweiligen zivilrechtlichen Arbeitsverhältnis zugerechnet werden konnten. Die Tätigkeiten im Rahmen der Aushilfsarbeitsverhältnisse erfolgten nachweislich der Zeitaufschriebe außerhalb der Rahmenarbeitszeit der Vollzeitarbeitsverhältnisse ganz überwiegend abends und an den Wochenenden. Nach den „Richtlinien über die gleitende Arbeitszeit für die Bediensteten des Landsratsamtes X“ bedurften Arbeiten außerhalb der Rahmenarbeitszeit sowie an Samstagen und Sonntagen der Genehmigung der Fachbereichsleitung bzw. des Fachbereichs Personal (Punkt 8.7 bzw. 9.10, Bl. 51 ff der FG-Akten). Diese Genehmigungen wurden jeweils nicht eingeholt, weil eben diese Arbeiten im Rahmen eines anderes Arbeitsverhältnisses erfolgt sind. Entgegen der Ansicht des Beklagten war der Kläger hinsichtlich dieser Arbeiten auch nicht weisungsbefugt, sondern allein die X-GmbH. Folgerichtig hat der Kläger als Arbeitgeber der Vollzeitarbeitsverträge die Tätigkeit im Rahmen der Aushilfsarbeitsverhältnisse als Nebentätigkeit genehmigt.

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Der Landkreis und die X-GmbH sind keine verbundenen Unternehmen im Sinne des § 15 AktG, die eine wirtschaftliche Zurechnung evtl. rechtfertigen könnten. Der Kläger ist an der X-GmbH lediglich zu 40 % beteiligt, so dass keine Mehrheitsbeteiligung gemäß § 16 Abs. 1 AktG vorliegt. Es sind auch keine Umstände vorgetragen oder erkennbar, die auf einen unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss des Klägers auf die X-GmbH im Sinne des § 17 AktG schließen lassen, denn nach dem Gesellschaftsvertrag bedürfen Gesellschafterbeschlüsse einer Mehrheit von 60 % aller Stimmen. Der Kläger verfügt aber nur über 40% Stimmanteil. Damit wäre nicht einmal nach der deutlich verschärften Lohnsteuerabzugspflicht in der auf die Streitjahre nicht anwendbaren, erst ab dem 20. Dezember 2003 geltenden Gesetzesfassung des § 38 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 4 EStG eine Arbeitgebereigenschaft des Klägers gegeben. Das gilt erst recht für die geringere Anforderungen an die Arbeitgebereigenschaft stellende Gesetzesfassung, die in den Streitjahren anzuwenden ist.

Es liegt auch kein verdecktes Arbeitsverhältnis vor. Dieses ist nach der finanzgerichtlichen Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn ein Dritter in Erfüllung der Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers – ohne selbst Arbeitgeber zu werden – den Arbeitslohn an den Arbeitnehmer ausbezahlt6. Im Streitfall ist die X-GmbH nicht lediglich Zahlstelle, sondern Vertragspartner eines zivilrechtlich gültigen Arbeitsverhältnisses zwischen der X-GmbH und den Arbeitnehmern. Ein verdecktes Arbeitsverhältnis scheidet daher aus.

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  1. siehe BFH, Urteile vom 19.02.2004 – VI R 122/00, BStBl II 2004, 620, 621, m.w.N.; und vom 17.02.1995 – VI R 41/92, BStBl II 1995, 390; siehe auch Drenseck in: Schmidt, EStG-Kommentar, 28. Aufl. 2009, § 38 Rn. 4[]
  2. BFH, Urteile vom 19.02.2004 – VI R 122/00, BStBl II 2004, 620, 621; vom 24.03.1999 – I R 64/98, BStBl II 2000, 41, 43; Drenseck in: Schmidt, EStG-Kommentar, 28. Aufl. 2009, § 38 Rn. 11[]
  3. siehe ausführlich Drenseck in: Schmidt, EStG-Kommentar, 28. Aufl. 2009, § 38 Rn. 9[]
  4. a.a.O. Rn. 10[]
  5. ausführlich BFH, Urteil vom 07.08.1987 – VI R 53/84, BFHE 150, 555, BStBl II 1987, 822; siehe auch Drenseck in: Schmidt, EStG-Kommentar, 27. Aufl. 2008 zur Rechtslage vor 2004, § 38 Rn. 10[]
  6. grundlegend BFH, Urteil vom 01.04.1999 – VII R 51/98, BFH/NV 2000, 46[]