Betrieblich veranlasste Zuwendungen – und ihre Pauschalversteuerung

Die Pauschalierungswahlrechte nach § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG und nach § 37b Abs. 2 Satz 1 EStG können unabhängig voneinander ausgeübt werden. Sie sind aber jeweils einheitlich für sämtliche Sachzuwendungen an Nichtarbeitnehmer einerseits und sämtliche Sachzuwendungen an eigene Arbeitnehmer andererseits wahrzunehmen. Ausgeübt werden die Pauschalierungsmöglichkeiten nach § 37b Abs. 1 und Abs. 2 durch Abgabe einer entsprechenden Lohnsteuer-Anmeldung gemäß § 37b Abs. 4 Satz 1 EStG.

Betrieblich veranlasste Zuwendungen – und ihre Pauschalversteuerung

Die in § 37b EStG eingeräumten Wahlrechte sind widerruflich. Der Widerruf ist durch Abgabe einer geänderten Pauschsteueranmeldung gegenüber dem Betriebsstättenfinanzamt zu erklären. Die anderweitige Ausübung des Wahlrechts ist ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Die Nachforderung von Lohnsteuer durch Steuerbescheid kommt in Betracht, wenn die Lohnsteuer vorschriftswidrig nicht angemeldet worden ist und es sich um eine eigene Steuerschuld des Adressaten handelt. Eine solche liegt vor, wenn die Voraussetzungen für eine Pauschalierung der Lohnsteuer nach § 37b EStG gegeben sind1.

Nach § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer (für Nicht-Arbeitnehmer) einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden (§ 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) und für Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG (§ 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG), die nicht in Geld bestehen, mit einem Pauschsteuersatz von 30 % erheben.

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§ 37b Abs. 1 EStG gilt gemäß § 37b Abs. 2 Satz 1 EStG auch für betrieblich veranlasste Zuwendungen an Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen, soweit die Zuwendungen nicht in Geld bestehen und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.

Die Vorschrift räumt dem Steuerpflichtigen (Unternehmen) nach allgemeiner Meinung ein Pauschalierungswahlrecht („können“) ein2. Der in § 37b EStG zum Steuerpflichtigen erklärte Zuwendende kann die grundsätzlich beim Zuwendungsempfänger entstehende Einkommensteuer im Wege der Pauschalierung als eigene übernehmen. Die Sachzuwendungen und die Pauschsteuer bleiben dann bei der Einkünfteermittlung des Zuwendungsempfängers außer Ansatz.

Das Pauschalierungswahlrecht muss nach § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG bei Sachzuwendungen an Nichtarbeitnehmer (Kunden, Geschäftsfreunde, deren Arbeitnehmer) „für alle“ Zuwendungen und Geschenke eines Wirtschaftsjahres einheitlich ausgeübt werden. Entsprechendes gilt für die Pauschalierungsmöglichkeit bei Sachzuwendungen an eigene Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen nach § 37b Abs. 2 EStG. Auch insoweit hat der Steuerpflichtige nur die Wahl zwischen dem vollständigen Verzicht auf Pauschalierung und der Pauschalierung sämtlicher Sachzuwendungen.

Die Pauschalierungswahlrechte nach § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG und nach § 37b Abs. 2 Satz 1 EStG können allerdings unabhängig voneinander wahrgenommen werden3. Davon gehen auch die Finanzbehörden aus4. Die anderslautende Vorstellung des Gesetzgebers, nach der das Pauschalierungswahlrecht nach § 37b Abs. 1 EStG (Nichtarbeitnehmer) und das nach § 37b Abs. 2 EStG (Arbeitnehmer) vom Steuerpflichtigen nur einheitlich ausgeübt werden könne5, findet sich im Gesetzeswortlaut nicht wieder. Die absatzweise Trennung nach Personengruppen spricht vielmehr für zwei „eigenständige Pauschalierungskreise“. Dem steht die Verweisung in Abs. 2 auf Abs. 1 nicht entgegen. Aus ihr ergibt sich lediglich, dass auch innerhalb des Empfängerkreises der Arbeitnehmer die Einkommensteuer wie bei Sachzuwendungen an Nichtarbeitnehmer gemäß § 37b Abs. 1 EStG und damit im jeweiligen „Pauschalierungskreis“ einheitlich zu pauschalieren ist. Auch spricht der strukturelle Unterschied der Einkommensteuererhebung bei Nichtarbeitnehmern (Fiktion der pauschalen Einkommensteuer als Lohnsteuer) und der Einkommensteuererhebung im Wege der Vorauszahlung durch Abzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer, § 38 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit für eine personale Teilbarkeit des Pauschalierungswahlrechts6.

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Ausgeübt werden die Pauschalierungsmöglichkeiten nach § 37b Abs. 1 und Abs. 2 EStG weil antraglos ausgestaltet7- durch Abgabe einer entsprechenden Lohnsteuer-Anmeldung nach § 37b Abs. 4 EStG.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. Juni 2016 – VI R 54/15

  1. BGH, Urteile vom 16.10.2013 – VI R 78/12, BFHE 243, 242, BStBl – II 2015, 495; – VI R 57/11, BFHE 243, 237, BStBl – II 2015, 457, und – VI R 52/11, BFHE 243, 233, BStBl – II 2015, 455, sowie vom 12.12 2013 – VI R 47/12, BFHE 244, 29, BStBl – II 2015, 490[]
  2. BGH, Urteile in BFHE 243, 242, BStBl – II 2015, 495; in BFHE 243, 237, BStBl – II 2015, 457; und in BFHE 243, 233, BStBl II 2015, 455; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 15. Aufl., § 37b Rz 25 f.; Graw in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37b Rz A 18; Lingemann in Herrmann/Heuer/Raupach -HHR-, § 37b EStG Rz 9, 27; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Aufl., § 37b Rz 13; Blümich/Ettlich, § 37b EStG Rz 31; Küttner/Seidel, Personalbuch 2016, Stichwort Lohnsteuerpauschalierung, Rz 60; Hartz/Meeßen/Wolf, AB- C-Führer Lohnsteuer, Stichwort Pauschalierung der Einkommensteuer für Sachzuwendungen, Rz 41; Niermann, Der Betrieb -DB- 2015, 1242, 1243; Mohr, DStZ 2015, 588, 589; Urban, DStZ 2007, 299, 308; BMF, Schreiben vom 19.05.2015 – IV C 6-S 2297b/14/10001, BStBl I 2015, 468, Tz 3; BT-Drs.- 16/2712, S. 55[]
  3. HHR/Lingemann, § 37b EStG Rz 27; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 37b Rz 10; Eisgruber in Kirchhof, a.a.O., § 37b Rz 25; Hartz/Meeßen/Wolf, AB- C-Führer Lohnsteuer, Stichwort Pauschalierung der Einkommensteuer für Sachzuwendungen, Rz 46 ff.; Lindberg in Frotscher, EStG, Freiburg 2011, § 37b Rz 10a; Stickan in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 37b Rz 43 und 73; Niermann, DB 2015, 1242, 1244; Mohr, DStZ 2015, 588, 589; Weber, Neue Wirtschafts-Briefe 2015, 2136, 2146; Hartmann, DStR 2008, 1418, 1419; a.A. Graw in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 37b Rz C 19; Blümich/Ettlich, § 37b EStG Rz 31; Urban, DStZ 2007, 299, 308[]
  4. BMF, Schreiben in BStBl I 2015, 468, Rz 4 Satz 2[]
  5. BT-Drs.- 16/2712, S. 56[]
  6. HHR/Lingemann, § 37b EStG Rz 27; Hartmann, DStR 2008, 1418, 1419[]
  7. Eisgruber in Kirchhof, a.a.O., § 37b Rz 27; Hartz/Meeßen/Wolf, AB- C-Führer Lohnsteuer, Stichwort Pauschalierung der Einkommensteuer für Sachzuwendungen, Rz 41 f.; Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 37b Rz 13; BMF-Schreiben in BStBl – I 2015, 468, sowie BGH, Urteil vom 24.09.2015 – VI R 69/14, BFHE 251, 247, BStBl – II 2016, 176, zu § 40 Abs. 2 Satz 2 EStG[]
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