Arbeitslohn (hier: Entlassungsentschädigung) fließt dem Arbeitnehmer auch dann nicht zu, wenn die Vereinbarung über die Zuführung zu einem Wertguthaben des Arbeitnehmers oder die vereinbarungsgemäße Übertragung des Wertguthabens auf die DRV Bund sozialversicherungsrechtlich unwirksam sein sollten, soweit alle Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis gleichwohl eintreten und bestehen lassen1.

Die vom Finanzgericht Berlin-Brandenburg2 angestellten Erwägungen zur Frage, ob die Abfindungen den Langzeitkonten wirksam zugeführt und ob die Langzeitkonten wirksam auf die DRV Bund übertragen werden konnten (sog. „Mannheimer Modell“)3, tragen, selbst wenn sie zuträfen, nicht den Schluss des Finanzgerichts, dass den Arbeitnehmern die Abfindungen im maßgeblichen Zeitraum zugeflossen sind.
Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn einzubehalten und gemäß § 41a Abs. 1 Satz 1 an das Finanzamt abzuführen hat. In den Fällen der nach § 7f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV an die DRV Bund übertragenen Wertguthaben treffen die DRV Bund bei Inanspruchnahme des Wertguthabens die Pflichten des Arbeitgebers (§ 38 Abs. 3 Satz 3 EStG).
Für den Zufluss von Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit verweist § 11 Abs. 1 Satz 4 EStG auf § 38a Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG. Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird (sonstige Bezüge), wird gemäß § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG in dem Kalenderjahr bezogen, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Nur tatsächlich zugeflossener Arbeitslohn unterliegt der Einkommensteuer und dem Lohnsteuerabzug4.
Die streitgegenständlichen Abfindungen aus Anlass der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gehören bei den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG) und sind lohnsteuerrechtlich Arbeitslohn (sonstige Bezüge). Nach den Feststellungen des Finanzgerichts handelt es sich um Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen aus der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt worden sind (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Darüber besteht zwischen den Beteiligten zu Recht kein Streit. Der Bundesfinanzhof sieht insofern von weiteren Ausführungen ab.
Arbeitslohn ist mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zugeflossen. Zuflusszeitpunkt ist der Tag der Erfüllung des Anspruchs des Arbeitnehmers, also der Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber die geschuldete Leistung tatsächlich erbringt.
Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs hat bereits wiederholt entschieden, dass Gutschriften auf einem Wertguthabenkonto kein gegenwärtig zufließender Arbeitslohn sind5. Durch die Zuführung von Arbeitslohn zu einem Wertguthabenkonto wird der Anspruch des Arbeitnehmers nicht erfüllt. Vielmehr erwirbt der Arbeitnehmer anstelle des fälligen Lohnanspruchs einen noch nicht fälligen Anspruch auf zukünftige Lohnzahlung gegen den Arbeitgeber. Die Leistung des Arbeitgebers auf das Wertguthabenkonto dient nur der Absicherung des zukünftigen Anspruchs. Eine zum Zufluss führende Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten liegt nicht vor. Zum Zufluss führt auch nicht der Abschluss der Vereinbarung über die Zuführung von Lohnbestandteilen zu einem Wertguthabenkonto (Wertguthabenvereinbarung). Darin liegt weder eine zum Zufluss führende Novation noch eine Lohnverwendungsabrede6. Der Bundesfinanzhof schließt sich dieser Rechtsprechung uneingeschränkt an. Zum Zufluss von Arbeitslohn kommt es erst, wenn das Wertguthaben unter den vereinbarten Bedingungen an den Arbeitnehmer ausgezahlt wird.
Das gilt in gleicher Weise, wenn das Wertguthaben gemäß § 7f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV auf die DRV Bund übertragen worden ist. Die Arbeitgeberpflichten zur Einbehaltung und Abführung der bis dahin nicht erhobenen Lohnsteuer treffen die DRV Bund, sobald das Wertguthaben in Anspruch genommen wird (§ 38 Abs. 3 Satz 3 EStG).
Im Ausgangspunkt besteht kein Streit zwischen den Beteiligten, dass es sich bei den von der Arbeitgeberin für ihre Angestellten eingerichteten Langzeitkonten um steuerlich anzu Wertguthabenkonten handelte. Insbesondere war der Rückfluss der dem Wertguthabenkonto zugeführten Bruttolohnbeträge auch für den Insolvenzfall gesichert (sog. Zeitwertkontengarantie; dazu BMF, Schreiben in BStBl I 2009, 1286, unter V. Zeitwertkontengarantie). Es bedarf deshalb keiner Entscheidung, ob eine Zeitwertkontengarantie Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von Wertguthabenkonten ist7.
Der Bundesfinanzhof kann offenlassen, ob die streitgegenständlichen Abfindungen (ganz oder zum Teil) den Langzeitkonten wirksam zugeführt werden konnten. Wäre dies, wie die Revision geltend macht, der Fall, wäre der Zufluss beim Arbeitnehmer jedenfalls zu verneinen8. Nichts anderes ergibt sich indes bei Anwendung der allgemeinen Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung den Zufluss von Arbeitslohn bejaht, wenn man davon ausgeht, dass Abfindungszahlungen, die als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werden, das Wertguthabenkonto nicht hätten erhöhen dürfen und die zugrunde liegenden Vereinbarungen unwirksam waren.
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 AO kommt es steuerlich nicht darauf an, ob ein Rechtsgeschäft unwirksam ist oder unwirksam wird, soweit und solange die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsgeschäfts gleichwohl eintreten und bestehen lassen. Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs hat es deshalb in einem Fall dahinstehen lassen, ob die Vereinbarung über die Einführung von Zeitwertkonten zivilrechtlich wirksam war9.
Für die Frage, ob die Vereinbarungen über die Zuführung von einzelnen Lohnbestandteilen (hier: Abfindungen) zu den Langzeitkonten zivilrechtlich wirksam waren, kann nichts anderes gelten. In seinem Urteil vom 23.04.202110 hat der Bundesfinanzhof zudem eine den Zufluss verhindernde Entgeltumwandlung in Bezug auf eine Entlassungsentschädigung bejaht, ohne der Frage nachzugehen, ob die Entgeltumwandlung zulässig war.
Im Streitfall sind alle Beteiligten ersichtlich von der Zulässigkeit und Wirksamkeit der getroffenen Vereinbarungen ausgegangen und haben sich dementsprechend verhalten. Sie haben (in gutem Glauben) das Vereinbarte eintreten und bestehen lassen.
Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Abfindungen tatsächlich nicht mehr dem Gruppenversicherungskonto bei der X-Versicherungs AG zugeführt, sondern von der Arbeitgeberin direkt an die DRV Bund überwiesen worden sind. Darin liegt zwar eine gewisse Abweichung vom Vereinbarten. Sie betrifft aber nur eine steuerlich unbeachtliche Abkürzung des Zahlungswegs. Der Sachverhalt ist danach so zu beurteilen, als ob die Arbeitgeberin zunächst an die Versicherung gezahlt und die Versicherung das Guthaben danach auf die DRV Bund übertragen hätte.
Ob die streitigen Wertguthabenvereinbarungen unwirksam waren, ist danach unerheblich. Der Sachverhalt wäre steuerrechtlich wegen § 41 AO jedenfalls so zu behandeln, als ob sie wirksam waren. Danach fehlte es am Zufluss durch eine Gutschrift in den Büchern des Verpflichteten, weil zumindest steuerlich von einer aufgeschobenen Fälligkeit des Abfindungsanspruchs auszugehen wäre, soweit er vereinbarungsgemäß dem Langzeitkonto zugeführt werden sollte. Demgemäß konnten die Arbeitnehmer im streitigen Zeitraum nicht über die Abfindungsbeträge verfügen. Die Voraussetzungen, unter denen sie Leistungen aus dem Langzeitkonto in Anspruch nehmen konnten, lagen nicht vor. Da sich alle Beteiligten so verhielten, als ob die Vereinbarungen wirksam waren, konnten die Arbeitnehmer auf die nicht an sie ausgezahlten Abfindungen nicht zugreifen.
Ein Zufluss durch Novation läge ebenfalls nicht vor, da sich die Arbeitgeberin ungeachtet der objektiven Rechtslage zur Zahlung an die Arbeitnehmer nicht verpflichtet sah. Im Übrigen gingen auch die Arbeitnehmer davon aus, dass ihr Anspruch gegen die Arbeitgeberin aufgrund der Zuführungsvereinbarung gegenwärtig nicht mehr fällig war. Dass objektivrechtlich möglicherweise etwas anderes durchsetzbar gewesen wäre, ändert an dem tatsächlich verwirklichten und nach § 41 AO der Besteuerung zugrunde zu legenden Sachverhalt nichts.
Aus denselben Gründen liegt weder in der Anweisung, den Abfindungsanspruch (teilweise) dem Langzeitkonto zuzuführen noch in dem Antrag auf Übertragung des Langzeitkontos auf die DRV Bund eine zum Zufluss führende Lohnverwendungsabrede der Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin erfüllte mit den Zuführungen zu dem Wertguthabenkonto weder Verbindlichkeiten ihrer Arbeitnehmer gegenüber Dritten noch handelte es sich bei der Wertguthabenvereinbarung um ein Rechtsgeschäft, bei dem sich die Arbeitgeberin als Arbeitgeberin und die ausscheidenden Arbeitnehmer wie fremde Dritte gegenüberstanden und zu dessen Erfüllung der Arbeitnehmer seinen Barlohn verwendete11.
Es trifft auch nicht zu, dass die Arbeitgeberin durch die Zahlung an die DRV Bund ihren ausscheidenden Arbeitnehmern einen unentziehbaren Anspruch gegen die DRV Bund verschafft hat. Anders als bei einer Direktversicherung12 begründet die Übertragung von Wertguthaben auf die DRV Bund gemäß § 7f SGB IV keinen Anspruch des Arbeitnehmers gegen die DRV Bund. Diese ist, wie zuvor die Versicherung, bei der die Wertguthaben angelegt waren, Treuhänderin des Arbeitgebers und als solche in rechtlicher Hinsicht nur dem Arbeitgeber verpflichtet.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Bereicherungsrecht. Zunächst hat auch die DRV Bund bis heute nicht infrage gestellt, dass sie die Wertguthaben der betreffenden Arbeitnehmer treuhänderisch zu verwahren und bei Vorliegen der vereinbarten Voraussetzungen auszuzahlen und nicht etwa wegen rechtsgrundloser Übertragung herauszugeben hat. Dementsprechend hat die DRV Bund die Guthaben auch bereits teilweise an die Arbeitnehmer ausgezahlt. Auch die DRV Bund hat mithin das Vereinbarte eintreten und bestehen lassen, so dass steuerlich gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AO auch insoweit von der Wirksamkeit der Übertragung auszugehen ist.
Im Übrigen müsste die DRV Bund ein zu Unrecht auf sie übertragenes Wertguthaben auch nicht an den Arbeitnehmer herausgeben. Es handelt sich bis zum Zufluss beim Arbeitnehmer um Vermögen des Arbeitgebers. Daran ändert nichts, dass er es von seinem sonstigen Vermögen separiert und einem Treuhänder übertragen hat. Danach stünde ein bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch entweder der übertragenden Treuhänderin (hier: X-Versicherungs AG) oder (unter den besonderen Umständen des Falles: Direktzahlung an DRV Bund) der leistenden Arbeitgeberin zu. Ein Anspruch der Arbeitnehmer gegen die DRV Bund auf Herausgabe der zu Unrecht in das Wertguthaben eingestellten Beträge bestünde auch dann nicht, wenn die Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin insoweit die Zahlung verlangen könnten, denn der Arbeitnehmer ist im Verhältnis zur DRV Bund im Hinblick auf die Übertragung von Wertguthaben nicht Leistender. Rechtsgrundlose Leistungen werden in Dreiecks- oder Kettensituationen in den jeweiligen Leistungsbeziehungen zurückabgewickelt.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 3. Mai 2023 – IX R 25/21
- Anschluss an BFH, Urteile vom 22.06.2018 – VI R 17/16, BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496; und vom 04.09.2019 – VI R 39/17, BFH/NV 2020, 85[↩]
- FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.06.2021 – 4 K 4206/18[↩]
- vgl. dazu u.a. Wellisch/Meurs, Der Betrieb 2022, 1984; Däubler/Growe/Söhngen, Betriebs-Berater -BB- 2021, 2036; Schönhöft/Röpke, BB 2022, 793; Schönhöft, BB 2021, 1332; Growe/Tretow, Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht, 2020, 1080[↩]
- BFH, Urteil vom 29.05.2008 – VI R 57/05, BFHE 221, 177, BStBl II 2009, 147[↩]
- BFH, Urteile in BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496; und vom 04.09.2019 – VI R 39/17, BFH/NV 2020, 85[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 35 ff.[↩]
- a.A. Thüringer FG, Urteil vom 25.11.2021 – 4 K 122/18, EFG 2022, 120, Revision anhängig unter – VI R 28/21[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 34 ff.[↩]
- BFH, Urteil vom 04.09.2019 – VI R 39/17, BFH/NV 2020, 85, Rz 13[↩]
- BFH, Urteil vom 23.04.2021 – IX R 3/20, BFHE 273, 169, BStBl II 2021, 692[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 260, 532, BStBl II 2019, 496, Rz 38[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 24.08.2017 – VI R 58/15, BFHE 259, 321, BStBl II 2018, 72[↩]
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