Der geldwerte Vorteil des Arbeitnehmers – und die tatsächlich nicht erbrachte Überführungsleistung

Der Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG stellt auf den Endpreis für die konkret zu bewertende Leistung ab. Werden mehrere Leistungen zugewandt, ist für jede Leistung gesondert eine Verbilligung und ein damit einhergehender Vorteil zu ermitteln. Wird dem Arbeitnehmer -anders als einem fremden Endkunden- tatsächlich keine Überführungsleistung (hier eines Fahrzeugs) erbracht, scheidet insoweit die Annahme eines nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zu bewertenden geldwerten Vorteils aus.

Der geldwerte Vorteil des Arbeitnehmers – und die  tatsächlich nicht erbrachte Überführungsleistung

Eine tatsächlich nicht erbrachte Überführungsleistung führt nicht zu einem nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zu bewertenden Vorteil; die (fiktiven) Überführungskosten sind daher auch nicht als Arbeitslohn anzusetzen.

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1 Sätze 1 und 3, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG -neben Gehältern und Löhnen- auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Hierzu zählen grundsätzlich auch Preisnachlässe (Personalrabatte), die der Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses einzelnen oder allen Arbeitnehmern auf Waren oder Dienstleistungen einräumt1.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs gehören zu den Vorteilen i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch solche, die einem Arbeitnehmer daraus entstehen, dass ihm sein Arbeitgeber selbst produzierte Fahrzeuge zu besonderen Mitarbeiterkonditionen aufgrund des Dienstverhältnisses verbilligt überlässt2. Denn in diesem Fall vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht nur den Kauf eines Kraftfahrzeugs, sondern treffen auch eine besondere Preisabsprache, die im Umfang der Verbilligung ihren Rechtsgrund im Arbeitsverhältnis haben kann. Wird der Vorteil der Verbilligung „für“ eine Beschäftigung gewährt, ist er durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst und insoweit Lohn3. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der Fall, soweit Preisnachlässe nicht auch im normalen Geschäftsverkehr erzielt werden können4.

Weiterlesen:
Vergütung für die Rufbereitschaft

Erhält ein Arbeitnehmer aufgrund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, so gelten nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG als deren Werte abweichend von § 8 Abs. 2 EStG die um 4 % geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Die sich nach Abzug der vom Arbeitnehmer gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile sind steuerfrei, soweit sie aus dem Dienstverhältnis insgesamt 1.080 EUR im Kalenderjahr nicht übersteigen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 EStG).

Die Vergünstigung des § 8 Abs. 3 EStG gilt dabei nach ständiger Bundesfinanzhofsrechtsprechung nur für Waren oder Dienstleistungen, die der Arbeitgeber als eigene herstellt, vertreibt oder erbringt5.

Der lohnsteuerrechtlich erhebliche, durch einen Personalrabatt veranlasste geldwerte Vorteil bestimmt sich gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG nicht nach dem allgemeinen Marktpreis, sondern nach dem Endpreis, zu dem der Arbeitgeber die entsprechenden Waren fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs der „Angebotspreis“, d.h. derjenige, der am Ende von Verkaufsverhandlungen und unter Berücksichtigung üblicherweise eingeräumter Rabatte als letztes Angebot des Händlers steht6.

„Endpreise“ i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG sind dabei keine typisierten und pauschalierten Werte, wie etwa der „inländische Listenpreis“ i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG, sondern bestimmen sich vielmehr auch nach den Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr7.

Weiterlesen:
Zusätzlich zum Arbeitslohn erbrachte Arbeitgeberleistungen - und die Lohnsteuerpauschalierung

Der Endpreis in § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG stellt auf den Endpreis für die konkret zu bewertende Leistung ab. Werden mehrere Leistungen zugewandt, ist für jede Leistung gesondert eine Verbilligung und ein damit einhergehender Vorteil zu ermitteln. Zu § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass Fracht, Liefer- und Versandkosten nicht zum Endpreis i.S. der Norm zählen, weil es sich hierbei nicht um die Gegenleistung des Letztverbrauchers für die Ware handelt8. Liefert der Arbeitgeber die Ware beispielsweise in die Wohnung des Arbeitnehmers, liegt eine zusätzliche Leistung des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer vor, deren Kosten nicht den Warenwert des zugewendeten Wirtschaftsguts erhöhen, sondern vielmehr einen gesonderten Sachbezug begründen9. Diese Grundsätze gelten gleichermaßen im Anwendungsbereich des § 8 Abs. 3 EStG.

Bei Heranziehung dieser Grundsätze hat das Finanzgericht die streitigen Überführungskosten zu Unrecht als Arbeitslohn angesehen und in die Bewertung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG einbezogen.

Die Mitarbeiter der vorliegend allein streitigen Gruppen 1, 2 und 3a haben durch die Auslieferung der von ihnen verbilligt erworbenen und von der Arbeitgeberin, ihrer Arbeitgeberin, produzierten Fahrzeuge an den jeweiligen Werksstandorten in Deutschland (Gruppe 1) oder am Versandzentrum Z (Gruppen 2 und 3a) keinen zusätzlichen geldwerten Vorteil i.S. einer „Überführung“ erlangt.

Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass bei der Auslieferung von Fahrzeugen an den deutschen Werksstandorten oder am Versandzentrum Z Überführungskosten tatsächlich nicht angefallen sind. Insbesondere rechnen Kosten, die (noch) im Rahmen der Produktion durch die Auslieferung von den einzelnen in- und ausländischen Produktionsstätten zu einem Versandzentrum und auch von einem Werk zum anderen anfallen, zu den Herstellungskosten des Fahrzeugs. Sie sind damit im empfohlenen Listenpreis enthalten. „Überführungskosten“ im hier streitigen Sinn fallen demgegenüber erst für die Lieferung eines Fahrzeugs von einem Versandzentrum zu einer Niederlassung oder zu einem Händler an. Diese sind somit nicht Teil des Listenpreises für das Fahrzeug, sondern werden dem Endkunden separat in Rechnung gestellt.

Weiterlesen:
Geschäftsführerhaftung für den Insolvenzverwalter

Die Überführung eines Fahrzeugs von einem Versandzentrum zu einer Niederlassung ist damit -ebenso wie die Lieferung einer Ware in die Wohnung des Arbeitnehmers- eine zusätzliche Leistung der Arbeitgeberin an ihre Mitarbeiter, deren Kosten nicht den Warenwert des zugewendeten Wirtschaftsguts (Fahrzeug) erhöht und damit auch nicht zum Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zählt, sondern die vielmehr ggf. einen gesonderten Sachbezug begründet. Diese Fälle stehen hier indes nicht im Streit. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, dass ein fremder Endkunde sich der Überführung und damit den durch diese ausgelösten Kosten nicht entziehen kann. Denn dies ändert nichts daran, dass die fremden Endkunden mit den Überführungskosten eine zusätzliche Leistung entgelten.

Da in den hier streitigen Fällen solche Überführungen gerade nicht stattgefunden haben, ist den Mitarbeitern aufgrund ihres Arbeitsverhältnisses insoweit -wie die Arbeitgeberin zu Recht vorträgt- auch kein Vorteil zugeflossen, der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG zu bewerten wäre.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Januar 2020 – VI R 31/17

  1. BFH, Urteil vom 26.04.2018 – VI R 39/16, BFHE 261, 485, BStBl II 2019, 286, Rz 4[]
  2. BFH, Urteile vom 26.07.2012 – VI R 30/09, BFHE 238, 371, BStBl II 2013, 400, und – VI R 27/11, BFHE 238, 376, BStBl II 2013, 402; vom 17.06.2009 – VI R 18/07, BFHE 225, 388, BStBl II 2010, 67; vom 05.09.2006 – VI R 41/02, BFHE 214, 561, BStBl II 2007, 309; und vom 04.06.1993 – VI R 95/92, BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687[]
  3. BFH, Urteil in BFHE 238, 371, BStBl II 2013, 400, Rz 10[]
  4. BFH, Urteile in BFHE 238, 371, BStBl II 2013, 400, Rz 10 und 15, und in BFHE 238, 376, BStBl II 2013, 402, Rz 9, m.w.N.[]
  5. BFH, Urteil in BFHE 261, 485, BStBl II 2019, 286, Rz 8, m.w.N.[]
  6. zuletzt und m.w.N. BFH, Urteil in BFHE 238, 371, BStBl II 2013, 400, Rz 11 f.[]
  7. BFH, Urteil in BFHE 238, 371, BStBl II 2013, 400, Rz 13[]
  8. BFH, Urteil vom 06.06.2018 – VI R 32/16, BFHE 261, 516, BStBl II 2018, 764, Rz 24[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 261, 516, BStBl II 2018, 764, Rz 25[]
Weiterlesen:
Arbeitslohn bei der Veräußerung von GmbH-Anteilen

Bildnachweis: