Finaler ausländischer Vermietungsverlust

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesfinanzhofs definiert die Voraussetzungen, unter denen der Ansässigkeitsstaat Verluste einer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen aufgrund des prinzipiellen Anwendungsvorrangs unionsrechtlichen Primärrechts (und damit der unionsrechtlichen Grundfreiheiten) berücksichtigen muss, obwohl die betreffenden Verluste nach der bestehenden Abkommenslage ebenso von der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat freizustellen wären, wie Betriebsstättengewinne (sog. Symmetriethese).

Finaler ausländischer Vermietungsverlust

Die Rechtsprechung besagt, dass die abkommensrechtliche Freistellung der Verluste dann nicht gegen die gemeinschaftlichen Grundfreiheiten verstößt, wenn die Verluste der Betriebsstätte bei der Besteuerung der Einkünfte dieser Betriebsstätte in jenem Mitgliedstaat für künftige Steuerzeiträume berücksichtigt werden können1, also nicht „final“ sind.

Trotz einer derartigen Finalität müssen die Verluste im Ansässigkeitsstaat aber wiederum dann nicht berücksichtigt werden, wenn die Finalität darauf beruht, dass nach dem Recht des Betriebsstättenstaats keine oder nur eine eingeschränkte Verlustabzugsmöglichkeit besteht. Denn selbst wenn man unterstellt, dass das Zusammenwirken der Besteuerung im Ansässigkeitsstaat mit der Besteuerung im Betriebsstättenstaat zu einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit führen kann, ist eine solche Beschränkung ausschließlich dem letztgenannten Staat zuzurechnen2.

Letzteres ist hier der Fall. Hier konnte der im Streitjahr entstandene Vermietungsverlust des Flugbegleiters in Österreich deshalb nicht auf die nachfolgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen werden, weil nach der dortigen Rechtslage im Streitjahr der Verlustabzug auf die betrieblichen Einkunftsarten (Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft und selbständige Arbeit) beschränkt war und negative Überschusseinkünfte wie jene aus Vermietung und Verpachtung, denen im gleichen Jahr keine Gewinne oder Überschüsse gegenübergestanden haben, folglich nicht vortragsfähig gewesen sind. Die „Finalität“ des im Streitjahr erlittenen Vermietungsverlusts ist demnach auf eine rechtliche Einschränkung der Verlustabzugsmöglichkeiten durch den österreichischen Staat zurückzuführen.

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Selbst wenn die zu Unternehmensgewinnen i.S. von Art. 7 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) ergangene Rechtsprechung zu den finalen Betriebsstättenverlusten auf die hier streitgegenständlichen Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen; und vom Vermögen vom 24.08.20003 bzw. Art. 6 OECD-MustAbk) übertragbar wäre, wäre der vom Flugbegleiter in Österreich erlittene Verlust daher nicht mit dessen inländischen Einkünften verrechenbar.

Dieser Befund kann nicht n ein Fehlen von Verlustabzugsmöglichkeiten aus tatsächlichen Gründen umgedeutet werden, sodass die Verluste ausnahmsweise entgegen der Symmetriethese im Inland zu berücksichtigen wären4. Er macht mit der zur Klärung gestellten Frage geltend, er habe den Verlust in Österreich letztlich deshalb nicht nutzen können, weil er dort im Streitjahr keine positiven Einkünfte aus anderen Einkunftsarten erzielt habe, die mit den Vermietungsverlusten verrechenbar gewesen wären und sei deshalb aus tatsächlichen Gründen an der Verlustnutzung gehindert gewesen. Der Umstand, dass dem Flugbegleiter die Verrechnung des Vermietungsverlusts mit positiven anderweitigen österreichischen Einkünften nach dortigem Recht möglich gewesen wäre, ändert indes nichts daran, dass die Ursache für die Finalität des Verlusts in der eingeschränkten Verlustnutzungsmöglichkeit nach österreichischem Recht liegt. Deutschland als Ansässigkeitsstaat ist nicht aus unionsrechtlichen Gründen gehalten, diese Einschränkung des Belegenheitsstaats durch Schaffung von Verrechnungsmöglichkeiten mit inländischen Einkünften zu kompensieren.

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Sinnhaftigkeit und Praktikabilität der nach der EuGH-Rechtsprechung gebotenen Abgrenzung zwischen berücksichtigungspflichtigen und nicht berücksichtigungsfähigen „finalen“ ausländischen Betriebsstättenverlusten sind in Verfahren vor dem EuGH schon mehrfach und fundamental in Zweifel gezogen worden. Der EuGH hat sich dadurch jedoch nicht von seiner Spruchpraxis abbringen lassen, sondern diese kontinuierlich immer wieder bekräftigt5.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 22. September 2015 – I B 83/14

  1. z.B. EuGH, Urteil Lidl Belgium vom 15.05.2008 – C-414/06, EU:C:2008:278, BStBl II 2009, 692[]
  2. EuGH, Urteil Krankenheim Ruhesitz am Wannsee-Seniorenheimstatt vom 23.10.2008 – C-157/07, EU:C:2008:588, BStBl II 2009, 566; BFH, Urteile vom 09.06.2010 – I R 100/09, BFHE 230, 30, BStBl II 2010, 1065; vom 09.06.2010 – I R 107/09, BFHE 230, 35[]
  3. BGBl II 2002, 735, BStBl I 2002, 584[]
  4. s. dazu z.B. BFH, Urteil vom 05.02.2014 – I R 48/11, BFHE 244, 371, m.w.N.[]
  5. BFHE 244, 371; s. darüber hinaus das danach ergangene EuGH, Urteil Kommission/Vereinigtes Königreich vom 03.02.2015 – C-172/13, EU:C:2015:50, Internationales Steuerrecht 2015, 137[]