Freigrenze bei Betriebsveranstaltungen

Bei der Bemessung der Freigrenze für Betriebsveranstaltungen von 110,00 € je Arbeitnehmer sind alle Kosten einschließlich der Aufwendungen für den äußeren Rahmen zu summieren und durch die Anzahl der Teilnehmer zu teilen. Allerdings ist es nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf zu berücksichtigen, wenn statt 600 Arbeitnehmern tatsächlich nur 348 Arbeitnehmer teilnehmen. Das Finanzgericht Düsseldorf hält es für gerechtfertigt, in diesem Fall auf den geplanten Teilnehmerkreis abzustellen. Die teilnehmenden Arbeitnehmer hätten durch die Nicht-Teilnahme eines Großteils der angemeldeten Arbeitnehmer keine Bereicherung erfahren.

Freigrenze bei Betriebsveranstaltungen

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 EStG kann das Betriebsstättenfinanzamt auf Antrag des Arbeitgebers zulassen, dass die Lohnsteuer mit einem unter Berücksichtigung der Vorschriften des § 38a EStG zu ermittelnden Pauschsteuersatz erhoben wird, soweit von dem Arbeitgeber sonstige Bezüge in einer größeren Zahl von Fällen gewährt werden oder in einer größeren Zahl von Fällen Lohnsteuer nachzuerheben ist, weil der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht vorschriftsmäßig einbehalten hat. Gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 2 EStG kann der Arbeitgeber die Lohnsteuer abweichend von § 40 Abs. 1 EStG mit einem Pauschsteuersatz von 25% erheben, soweit er Arbeitslohn aus Anlass von Betriebsveranstaltungen zahlt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Zuwendungen des Arbeitgebers an den Arbeitnehmer dann kein Arbeitslohn im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers getätigt werden. Ein solches ist grundsätzlich zu bejahen, wenn der Arbeitgeber aus Anlass von Betriebsveranstaltungen Aufwendungen tätigt, um den Kontakt der Arbeitnehmer untereinander und damit das Betriebsklima zu fördern. Die Zuwendungen gehören nicht zum Arbeitslohn, wenn sich die Zuwendungen und Veranstaltungen nach Art, Teilnehmerkreis, Häufigkeit und Dauer im Rahmen des Üblichen halten. Im Hinblick auf die Häufigkeit der Veranstaltungen wird davon ausgegangen, dass die Üblichkeit bei nicht mehr als zwei Veranstaltungen pro Jahr zu bejahen ist1.

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Im Übrigen hat der Bundesfinanzhof die lohnsteuerliche Wertung derartiger Zuwendungen seit dem Urteil vom 25. Mai 19922 nicht mehr davon abhängig gemacht, ob die Vorteilsgewährung der Höhe nach üblich ist, sondern er ist von einer Freigrenze ausgegangen, bei deren Überschreitung die Zuwendungen in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu qualifizieren sind3. Für die Jahre 1983 bis 1992 hat der Bundesfinanzhof die Freigrenze mit 150 DM beziffert. Die Finanzverwaltung hat bald nach dem Ergehen der Urteile des Bundesfinanzhofs vom 25. Mai 1992 ihrerseits mit Wirkung ab dem Jahr 1993 die Freigrenze für Zuwendungen anlässlich von Betriebsveranstaltungen auf 200 DM heraufgesetzt. Ab dem Veranlagungszeitraum 2002 legt die Finanzverwaltung eine Freigrenze von 110 € je Veranstaltung zugrunde (R 72 Abs. 4 Satz 2 LStR 2002). Der Bundesfinanzhof hat zuletzt auch nach erneuter Überprüfung der Rechtsfrage daran festgehalten, dass Aufwendungen des Arbeitgebers aus Anlass von Betriebsveranstaltungen beim Überschreiten eines bestimmten Betrags ein derartiges Eigengewicht erlangen, dass sie in voller Höhe als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu werten sind. Für die Streitzeiträume 1996 und 1997 hat er die Freigrenze in Übereinstimmung mit R 72 Abs. 4 Satz 2 LStR 1996 mit 200 DM je Arbeitnehmer und Veranstaltung bemessen4.

Das Finanzgericht Düsseldorf schließt sich dieser Rechtsprechung sowohl im Hinblick auf die Existenz einer Freigrenze als auch deren Höhe aus Gründen der Steuergerechtigkeit und Praktikabilität an. Anhaltspunkte dafür, dass die Freigrenze von 110 € (R 19.5 Abs. 4 Satz 2 LStR 2008) als nicht mehr sachgerecht und angemessen zu beurteilen sein könnte, bestehen nicht. Der pauschale Hinweis der Klägerin auf gestiegene Lebenshaltungskosten reicht alleine nicht aus. In der Rechtsprechung und Literatur wird die Anhebung der seit 2002 geltenden Grenze derzeit als (noch) nicht geboten angesehen, da keine Rechtsgrundlage ersichtlich sei, nach der eine ständige Anpassung der Freigrenze an geänderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen vorzunehmen sei5. Das Finanzgericht Düsseldorf teilt auch diese Auffassung. Zudem ist zu beachten, dass die Annahme steuerpflichtigen Arbeitslohns im Streitfall nur mittelbar aus der Höhe der Freigrenze von (nur) 110 € resultiert. In erster Linie ist die Lohnversteuerung auf die – davon unabhängige – Zahl der mitgenommenen Familienangehörigen je Arbeitnehmer zurückzuführen, so dass auch eine Freigrenze von z.B. 150 € im Fall eines Arbeitnehmers mit mehr als einer Begleitperson und einem Aufwand von mehr als 50 € pro Person nicht ausreichen würde.

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Das Finanzamt hat den in Anwendung dieser Grundsätze nachzuversteuernden Arbeitslohn jedoch nicht zutreffend ermittelt. Die Höhe der auf die einzelnen Arbeitnehmer entfallenden Zuwendungen ist falsch berechnet worden. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Im Streitfall ist eine individuelle Ermittlung dieses Betrags nicht möglich, so dass eine Schätzung geboten erscheint. Die Schätzung hat sich an den Aufwendungen des Arbeitgebers zu orientieren. Dabei sind im Grundsatz die gesamten Kosten der Betriebsveranstaltung einschließlich des äußeren Rahmens auf die teilnehmenden Personen zu gleichen Teilen aufzuteilen; auf Gäste und Familienangehörige der Arbeitnehmer entfallende Kostenteile sind dem Arbeitnehmer zuzurechnen6.

Indes kann die Durchschnittsberechnung zu unzutreffenden Ergebnissen führen, wenn z.B. Arbeitnehmer, deren Teilnahme an der Betriebsveranstaltung vorgesehen war, tatsächlich nicht teilnehmen. In diesen Fällen dürfen Sachleistungen, die weder den nicht teilnehmenden noch den teilnehmenden Arbeitnehmern als Arbeitslohn zugewendet worden sind, nach teilweise vertretener Auffassung nicht in die Durchschnittsberechnung einbezogen und damit den teilnehmenden Arbeitnehmern wertmäßig zugerechnet werden, selbst wenn dem Arbeitgeber dafür entsprechende Betriebsausgaben entstanden sind7. Im Hinblick darauf, dass der Arbeitnehmer die Kosten für den äußeren Rahmen nicht beeinflussen könne und insoweit auch nicht bereichert sei, er zudem keinen Einfluss auf die Teilnehmerzahl habe, sei auf den geplanten Teilnehmerkreis abzustellen8. Das Finanzgericht Düsseldorf schließt sich dieser Auffassung an. Er hält es nicht für gerechtfertigt, für die Beurteilung der Freigrenze allein auf die Aufwendungen des Arbeitgebers und nicht darauf abzustellen, was bei den Arbeitnehmern als Bereicherung „ankommt“. Die Bereicherung des einzelnen Arbeitnehmers ist nicht von der Teilnehmerzahl abhängig.

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Dies hat im Streitfall zur Konsequenz, dass – entgegen der Lohnsteuer-Außenprüfung – nicht nur die Kosten für Speisen und Getränke, sondern sämtliche Kosten, die auf die nicht teilnehmenden Arbeitnehmer entfallen, aus der Durchschnittsberechnung auszuscheiden sind. Weder die überzähligen Speisen und Getränke noch die überdimensionierten sonstigen Sachleistungen für den äußeren Rahmen (Kinderanimation, Live-Musik, Zelt etc.) sind den teilnehmenden Arbeitnehmern der Klägerin zugewendet worden. Sie haben durch die Nicht-Teilnahme eines Großteils der angemeldeten Arbeitnehmer keine Bereicherung erfahren. Gegen die Richtigkeit der vorgetragenen Anzahl angemeldeter Teilnehmer hat der Beklagte keine Einwände erhoben. Daher sind von der Differenz zwischen den Gesamtkosten in Höhe von 27.166,36 € und den ohnehin nur für 348 Teilnehmer berechneten Aufwendungen für Getränke in Höhe von 6.837,78 € (Getränkepauschale zuzüglich Getränke nach 18.00 h) – mithin 20.328,58 € – nur 348/600 – dies entspricht 11.790,58 € – in die Durchschnittsberechnung einzubeziehen. Dividiert man die Summe aus diesem Betrag und den Getränkeaufwendungen (insgesamt 18.628,36 €) durch die Zahl der Teilnehmer (348), ergibt sich ein Durchschnittswert von 53,53 €. Dementsprechend wird die Freigrenze von 110 € nur überschritten, sofern ein Arbeitnehmer mit mehr als einem Angehörigen an dem Betriebsfest teilgenommen hat. Der geldwerte Vorteil beträgt daher 10.438,35 € (195 Teilnehmer x 53,53 €/Person). Daraus resultiert eine Lohnsteuer von 2.609,58 € (25%).

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Der Annahme von Arbeitslohn in dieser Höhe steht nicht entgegen, dass sie letztlich nur darauf zurückzuführen ist, dass die betreffenden Arbeitnehmer zwei oder mehr Begleitpersonen mitgebracht haben und dadurch die Freigrenze überschritten wurde. Derartige Härten lassen sich nur durch die Einführung eines Freibetrags vermeiden, zu der sich der Gesetzgeber noch nicht veranlasst gesehen hat2.

Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 17. Januar 2011 – 11 K 908/10 L

  1. BFH, Urteil vom 25.05.1992 – VI R 85/90, BFHE 167,0542, BStBl II 1992, 655; Thürmer, in: Blümich, EStG, § 19 Rn. 280 „Betriebsveranstaltungen“; Wagner, in: Heuermann/Wagner, LohnSt, Rn. D 114[]
  2. BFH, Urteil vom 25.05.1992 – VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655[][]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 25.05.1992 – VI R 91/89, BFHE 168, 266, BStBl II 1992, 856; vom 06.12.1996 – VI R 48/94, BFHE 182, 142, BStBl II 1997, 331; vom 31.01.1997 – VI R 70/96, BFH/NV 1997, 400[]
  4. BFH, Urteile vom 16.11.2005 – VI R 151/00, BFHE 211, 325, BStBl II 2006, 442; vom 15.01.2009 – VI R 22/06, BFHE 224, 136, BStBl II 2009, 476[]
  5. vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 07.10.2010 – 16 K 1294/09; Wagner, in: Heuermann/Wagner, LohnSt, Rn. D 118; ähnlich Drenseck, in: Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, § 19 Rn. 50 „Betriebsveranstaltung“: keine richterliche Fortschreibung der Freigrenze[]
  6. vgl. BFH, Urteil vom 25.05.1992 – VI R 85/90, BFHE 167, 542, BStBl II 1992, 655; Drenseck, in: Schmidt, EStG, 29. Aufl. 2010, § 19 Rn. 50 „Betriebsveranstaltung“; Thürmer, in: Blümich, EStG, § 19 Rn. 280 „Betriebsveranstaltungen“; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, „Betriebsveranstaltungen“ Rn. 28[]
  7. Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, „Betriebsveranstaltungen“ Rn. 29[]
  8. Wagner, in: Heuermann/Wagner, LohnSt, Rn. D 119[]
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