Geldwerter Vorteil beim Jobticket

Ein Sachbezug i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG liegt auch dann vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer durch Vereinbarung mit einem Verkehrsbetrieb das Recht zum Erwerb einer vergünstigten Jahresnetzkarte (Jobticket) einräumt, soweit sich dies für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt. Dieser geldwerte Vorteil fließt den Arbeitnehmern mit Ausübung des Bezugsrechts, also dem Erwerb der Jahresnetzkarten, zu. Auf diesen Zeitpunkt ist der Vorteil aus der Verwertung des Bezugsrechts nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG zu bewerten.

Geldwerter Vorteil beim Jobticket

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.

Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft zufließen. Hierzu zählen neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen und Tantiemen auch andere „Bezüge und Vorteile“, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Dabei ist gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG) oder unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie gewährt werden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LStDV in der im Streitjahr geltenden Fassung)).

Zu diesen Einnahmen zählen auch Sachbezüge, wie sie in § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG im Klammerzusatz als Regelbeispiel aufgeführt sind „Wohnung, Kost, Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge“. Ein Sachbezug liegt auch vor, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Anspruch, eine Sach- und Dienstleistung beziehen zu können, einräumt1. Allerdings muss die Zuwendung einen wirklichen Wert haben und darf nicht bloß einen ideellen Vorteil darstellen2. Entscheidend für die Bejahung eines geldwerten Vorteils durch den verbilligten oder unentgeltlichen Sachbezug ist, dass ein objektiver Betrachter aus der Sicht des Empfängers einen geldwerten Vorteil im Sinne einer objektiven Bereicherung bejahen würde3.

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Diese Bereicherung muss den Arbeitnehmern auch „für“ ihre Arbeitsleistung gewährt worden sein. Nach ständiger Rechtsprechung4 werden Bezüge oder Vorteile für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind. Erforderlich ist nicht, dass sie eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers sind. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, d.h. wenn die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers zufließt5. Auch Preisvorteile und Rabatte, die Arbeitnehmer von Dritten erhalten, sind nur dann Lohn, wenn sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellen und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stehen6.

Zugeflossen ist eine Einnahme dann, wenn der Empfänger die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter erlangt hat7. Der Übergang der wirtschaftlichen Verfügungsmacht richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls8. Bei einer Sachzuwendung ist der Zufluss eines geldwerten Vorteils zu bejahen, wenn der Arbeitnehmer den Vorteil tatsächlich in Anspruch genommen hat. Es kommt nicht darauf an, ob er ihn an einen Dritten abtreten oder in Geld umsetzen kann9. Ist Gegenstand der Sachzuwendung ein Recht, (bei einem Dritten) eine (vergünstigte) Sach- oder Dienstleistung zu beziehen, ist der Vorteil und damit der Arbeitslohn nicht bereits mit Einräumung des Bezugsrechts durch den Arbeitgeber, sondern erst mit Ausübung des Rechts, d.h. der Inanspruchnahme der Sach- oder Dienstleistung durch den Arbeitnehmer zugeflossen10.

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Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Sachbezüge mit dem um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreis am Abgabeort anzusetzen. Sie bleiben jedoch nach § 8 Abs. 2 Satz 9 EStG außer Ansatz, wenn die sich nach Anrechnung der vom Steuerpflichtigen gezahlten Entgelte ergebenden Vorteile insgesamt 44 € (ab 2004) im Kalendermonat nicht übersteigen.

Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Finanzgericht das von der Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern eingeräumte Recht, eine vergünstigte Jahresnetzkarte der Verkehrsbetriebe, die den öffentlichen Nahverkehr im Umland der Arbeitgeberin betreiben, zu erwerben, zutreffend als einen geldwerten Vorteil beurteilt, der den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin für ihre Arbeitsleistung gewährt wurde. Es hat jedoch den darin innewohnenden Vorteil unzutreffend bewertet und deshalb die Bemessungsgrundlage der Lohnsteuerhaftungsschuld fehlerhaft bestimmt.

Auch die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass im Streitfall kein Bar-, sondern Sachlohn i.S. des § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG dadurch zugewendet worden ist, dass die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern das Recht zum Bezug vergünstigter Jahresnetzkarten der Verkehrsbetriebe A und B eingeräumt hat. Durch die Zuwendung dieses Bezugsrechts waren die Arbeitnehmer der Arbeitgeberin auch bereichert. Denn sie hatten für die Anschaffung von Jahresnetzkarten der Verkehrsbetriebe A und B im Rahmen des Jobticketprogramms einen geringeren als den Normalpreis zu entrichten.

Das Recht zum Bezug vergünstigter Jahresnetzkarten des A-Verkehrsverbunds und der B-Gesellschaft (Bezugsrecht) ist den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin nach den unangefochtenen und bindenden Feststellungen des Finanzgericht auch aufgrund ihrer Beschäftigung gewährt worden und daher zu Recht vom Finanzgericht als Arbeitslohn beurteilt worden.

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Der streitgegenständliche geldwerte Vorteil ist den Arbeitnehmern der Arbeitgeberin mit Ausübung des Bezugsrechts, also dem (einmaligen) Erwerb der Jahresnetzkarten sofort zugeflossen. Damit ist der Vorteil in ihr wirtschaftliches Eigentum gelangt. Bei Arbeitnehmern der Arbeitgeberin, die das Bezugsrecht nicht ausgeübt und keine Jahresnetzkarten erworben haben, ist hingegen kein Zufluss zu verzeichnen. Denn allein das Einräumen von Ansprüchen vermag den Zufluss von Arbeitslohn noch nicht zu bewirken11.

Für den Zufluss des in dem Bezugsrecht verkörperten geldwerten Vorteils ist unerheblich, ob das Jobticket(-Abonnement) von Arbeitnehmern oder Verkehrsbetrieben gekündigt werden kann. Denn der durch den Arbeitgeber vermittelte Preisnachlass ist mit dem Erwerb des ermäßigten Jobtickets zugeflossen. Dieser tatsächliche Vorgang wird durch eine Kündigung und die damit einhergehende Rückgewähr von Leistungen nicht berührt. Auch der Umstand, ob die am Jobticketprogramm teilnehmenden Arbeitnehmer ihren Eigenanteil an die Verkehrsbetriebe einmalig oder monatlich entrichten, ist für den Zufluss des arbeitgeberseitig gewährten Vorteils ohne Belang. Denn für den Zufluss der Leistung ist unerheblich, ob der Leistungsempfänger eine Gegenleistung schuldet und erbringt. Weiter ohne Bedeutung für den Zufluss des Bezugsrechts sind die Einzelheiten der Zahlung, die der Arbeitgeber für den „Erwerb“ des an seine Arbeitnehmer vermittelten Vorteils aufzuwenden hat. Auch hier können etwa –wie im Streitfall– monatliche Zahlungen an den vorteilsgewährenden Dritten keinen anteiligen monatlichen Zufluss des Bezugsrechts bewirken. Denn der Vorteil aus diesem Recht ist den Arbeitnehmern im Streitfall mit Ausübung des Rechts sofort und nicht aufgrund arbeitgeberseitiger Zahlungen an einen Dritten zugeflossen.

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Damit ist im Streitfall schließlich für die Frage des Zuflusses auch bedeutungslos, ob das Recht der Arbeitnehmer zum Erwerb des Jobtickets ausdrücklich von der Zahlung des monatlichen Grundbetrags durch den Arbeitgeber abhängt. Mit ihrer gegenteiligen Auffassung verkennt die Arbeitgeberin, dass weder die Bedingung, unter der das Bezugsrecht steht, noch der Umstand der monatlichen Zahlung des Grundbetrags durch die Arbeitgeberin vom bezugsberechtigten Arbeitnehmer verlangt, das Bezugsrecht jeden Monat –etwa durch den Erwerb einer Monatskarte– neu auszuüben. Ähnlich wie Sperr- und Haltefristen beim Erwerb von Aktien12 stehen Bedingung und Zahlungsmodalitäten dem Zufluss im vorgenannten Sinne nicht entgegen.

Auf den Zeitpunkt des Zuflusses ist der Vorteil aus der Verwertung des Bezugsrechts zu bewerten (§ 11 Abs. 1 EStG). Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, mit den um übliche Preisnachlässe geminderten üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Deshalb besteht der geldwerte Vorteil im Streitfall nicht bereits in der Differenz zwischen dem üblichen Endpreis (Verkaufspreis) einer mit den von den Arbeitnehmern bezogenen vergleichbaren Jahreskarte am Abgabeort und den diesbezüglichen Aufwendungen der Arbeitnehmer. Hiervon sind vielmehr noch die üblichen Preisnachlässe, die der Verkehrsbetrieb im Rahmen eines Jobticketprogramms den Arbeitnehmern gewährt, und damit in der Regel der über Zuzahlungen des Arbeitgebers an den Verkehrsbetrieb hinausgehende Nachlass auf den üblichen Endpreis vorteilsmindernd zu berücksichtigen.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. November 2012 – VI R 56/11

  1. BFH, Urteil vom 11.11.2010 – VI R 41/10, BFHE 232, 63, BStBl II 2011, 389[]
  2. vgl. bereits BFH, Urteil vom 10.06.1966 – VI 261/64, BFHE 86, 642, BStBl III 1966, 607[]
  3. vgl. BFH, Urteile vom 30.05.2001 – VI R 123/00, BFHE 195, 376, BStBl II 2002, 230; vom 28.06.2007 – VI R 45/02, BFH/NV 2007, 1871, und vom 21.04.2010 – X R 43/08, BFH/NV 2010, 1436[]
  4. z.B. BFH, Urteile vom 30.05.2001 – VI R 159/99, BFHE 195, 364, BStBl II 2001, 815; vom 22.03.1985 – VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl II 1985, 529; vom 11.12.2008 – VI R 9/05, BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385; vom 30.07.2009 – VI R 54/08, BFH/NV 2010, 30, und vom 20.05.2010 – VI R 41/09, BFHE 229, 346, BStBl II 2010, 1022[]
  5. vgl. H 70 des Lohnsteuer-Handbuchs 2005 unter „Allgemeines zum Arbeitslohnbegriff“; Schmidt/Krüger, EStG, 31. Aufl., § 19 Rz 24, m.w.N.[]
  6. BFH, Urteil vom 18.10.2012 – VI R 64/11, BFH/NV 2013, 131[]
  7. ständige Rechtsprechung des BFH, zuletzt Urteile vom 04.05.2006 – VI R 19/03, BFHE 213, 381, BStBl II 2006, 832; vom 14.06.2005 – VIII R 47/03, BFH/NV 2005, 2181; vom 18.12.2001 – IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643; jeweils m.w.N.[]
  8. BFH, Urteile vom 09.03.1990 – VI R 48/87, BFHE 160, 447, BStBl II 1990, 711, unter 2.d; vom 14.05.1982 – VI R 124/77, BFHE 135, 542, BStBl II 1982, 469, unter III.02.b[]
  9. BFH, Urteil in BFHE 160, 447, BStBl II 1990, 711, m.w.N.[]
  10. vgl. BFH, Urteil vom 20.11.2008 – VI R 25/05, BFHE 223, 419, BStBl II 2009, 382, m.w.N. zum Zuflusszeitpunkt von Arbeitslohn bei handelbaren Optionsrechten[]
  11. BFH, Urteile vom 23.06.2005 – VI R 124/99, BFHE 209, 549, BStBl II 2005, 766; – VI R 10/03, BFHE 209, 559, BStBl II 2005, 770; vom 20.06.2001 – VI R 105/99, BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689[]
  12. BFH, Urteil vom 30.06.2011 – VI R 37/09, BFHE 234, 187, BStBl II 2011, 923[]
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