Für den Rechtsstreit über die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung ist der Finanzrechtsweg gegeben (§ 33 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 33 Abs. 2 FGO)). Die Voraussetzungen des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen (hier: § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG) liegen nicht vor.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG sind die Gerichte für Arbeitssachen zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über Arbeitspapiere. Nach der Gesetzesbegründung soll sich eine Streitigkeit über Arbeitspapiere wegen des engen Sachzusammenhangs nicht nur auf die Herausgabe der Arbeitspapiere, sondern auch auf deren Berichtigung beziehen1. Damit hat der Gesetzgeber aber nicht bewirkt, dass ein Arbeitnehmer eine Klage auf Berichtigung einer Arbeitsbescheinigung stets vor den Gerichten für Arbeitssachen verfolgen kann. Denn nach den Eingangsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e ArbGG werden nur „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“ zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern „über Arbeitspapiere“ erfasst. Wegen dieses eindeutigen, die Zuständigkeit auf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten beschränkenden Wortlauts kann trotz der Entstehungsgeschichte nicht angenommen werden, es sei eine ausdrückliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen kraft Zuweisung ohne Rücksicht darauf begründet, ob es sich um eine öffentlich-rechtliche oder um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit handelt2.
Ob eine Streitigkeit bürgerlich-rechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Art ist, richtet sich nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird. Maßgebend ist, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Arbeitsrechts oder des öffentlichen Rechts geprägt wird3.
Nach diesen Grundsätzen, denen sich auch der Bundesfinanzhof angeschlossen hat4, handelt es sich hier nicht um eine bürgerlich-rechtliche, sondern um eine öffentlich-rechtliche, nämlich abgabenrechtliche Streitigkeit iSd. § 33 FGO.
Die Parteien streiten nicht – auch nicht indirekt – um Zahlung von Arbeitsvergütung oder sonstige nach Rechtssätzen des bürgerlichen Rechts zu beurteilende Fragen. Die einzige Meinungsverschiedenheit der Parteien betrifft das Steuerrecht. Der Arbeitnehmer begehrt eine in bestimmter Weise ausgefüllte Lohnsteuerbescheinigung. Die Verpflichtung zur Erstellung dieser Bescheinigung folgt aus § 41b Abs. 1 EStG. Dort ist auch der gesetzlich vorgeschriebene Inhalt der Bescheinigung geregelt. Die Arbeitgeberin vertritt im vorliegenden Rechtsstreit die Auffassung, sie habe in Anwendung des „Zuflussprinzips“ die im Jahr 2012 erfolgte Zahlung der Vergütung für Dezember 2011 in der Lohnsteuerbescheinigung für das Jahr 2012 ausweisen müssen. Der Arbeitnehmer meint, aus § 38a Abs. 1 EStG ergebe sich, dass die Bescheinigung über die Zahlung von Arbeitsvergütungen stets für das Jahr zu erfolgen habe, für das sie geschuldet werden. Die Parteien streiten damit im Kern um eine öffentlich-rechtliche, nämlich steuerrechtliche Frage. Ein Rechtssatz des bürgerlichen Rechts, der die Frage beantworten würde, besteht nicht. Außersteuerliche Rechtswirkungen sind mit der Lohnsteuerbescheinigung nicht verbunden5.
Entgegen der Auffassung des Arbeitnehmers ergibt sich bei Anwendung der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Frage des zutreffenden Rechtswegs bei Ansprüchen auf Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung im Streitfall kein anderes Ergebnis.
In dem vom Arbeitnehmer herangezogenen Beschluss6 hat der Bundesfinanzhof ausgeführt, bei einem Streit um die Berichtigung einer Lohnsteuerbescheinigung sei der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten jedenfalls dann gegeben, wenn es bei dem Rechtsstreit im Kern um arbeitsrechtliche Fragen gehe, zu denen die vom Arbeitnehmer beanstandeten Eintragungen in der Lohnsteuerbescheinigung oder das Begehren des Arbeitnehmers auf Ausstellung einer Lohnsteuerbescheinigung einen bloßen Reflex bildeten. Der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt werde für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge insbesondere dann von Rechtssätzen des Arbeitsrechts geprägt, wenn Streit bestehe, ob überhaupt ein Arbeitsverhältnis vorgelegen habe, für welchen Zeitraum ein Arbeitsverhältnis bestanden habe oder welche arbeitsrechtlichen Ansprüche – insbesondere Barlohnansprüche – bestünden oder bestanden hätten. Die letztgenannte Frage präge insbesondere dann den Kern des Rechtsstreits, wenn um Bestehen und Inhalt einer Nettolohnvereinbarung gestritten und damit nach dem sachlichen Gehalt des Klagebegehrens zusätzlicher Lohn gefordert werde. Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 13.12.20077 ausdrücklich festgehalten, dass dann, wenn die Entscheidung des Streits um die richtige Ausfüllung der Lohnsteuerbescheinigung die Anwendung steuerrechtlicher Normen erfordert, der Rechtsweg zu den Finanzgerichten gegeben ist. Der gegenteiligen Auffassung, nach der eine Zuständigkeit der Finanzgerichte für alle Klagen auf Berichtigung von Lohnsteuerbescheinigungen ausgeschlossen sein soll8, hat sich der Bundesfinanzhof nicht angeschlossen.
Im hier gegebenen Fall stehen keine bürgerlich-rechtlichen Fragen zur Entscheidung. Es geht nicht darum, ob, für welchen Zeitraum oder in welcher Höhe dem Arbeitnehmer arbeitsrechtliche Ansprüche zustehen. Es kann deshalb dahinstehen, ob Ansprüche auf Berichtigung der Lohnsteuerbescheinigung stets9 oder nur dann dem Rechtsweg zu den Finanzgerichten zuzuordnen sind, wenn es „im Kern“ um abgabenrechtliche Fragen geht10. Im Streitfall ist das steuerrechtliche Begehren des Arbeitnehmers auch kein bloßer „Reflex“ eines arbeitsrechtlichen Anspruchs. Es liegt vielmehr gerade umgekehrt: Die vom Arbeitnehmer geltend gemachte Nebenpflicht des Arbeitgebers auf richtige Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung erweist sich als bloßer Reflex des im Kern abgabenrechtlichen Streits der Parteien.
Im Übrigen dürfte die Klage unzulässig sein. Die Lohnsteuerbescheinigung ist nur ein Beweismittel für den Lohnsteuerabzug, wie er tatsächlich stattgefunden hat11. Sie dient aber nicht dem Nachweis des Lohnsteuerabzugs, wie er hätte durchgeführt werden müssen. Etwaige Fehler beim Lohnsteuerabzug können im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung berichtigt werden12. Eine abweichende Einkommensteuerveranlagung ist durch eine unrichtige Lohnsteuerbescheinigung nicht ausgeschlossen, da dieser lediglich eine widerlegbare Beweiswirkung bei der Veranlagung zukommt13. Eine Bindungswirkung kommt ihr nicht zu14.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 7. Mai 2013 – 10 AZB 8/13
- BT-Drucks. 8/2535 S. 34[↩]
- BAG 11.06.2003 – 5 AZB 1/03, zu II 1 der Gründe; 13.07.1988 – 5 AZR 467/87, zu II 1 der Gründe, BAGE 59, 169[↩]
- BAG 11.06.2003 – 5 AZB 1/03, zu II 2 der Gründe mwN[↩]
- BFH 4.09.2008 – VI B 108/07, Rn. 5[↩]
- BFH 7.02.2008 – VI B 110/07, Rn. 6[↩]
- BFH 04.09.2008 – VI B 108/07, Rn. 8[↩]
- BFH 13.12.2007 – VI R 57/04, Rn. 12, BFHE 220, 124; ebenso 30.06.2005 – VI S 7/05, Rn. 4[↩]
- FG Münster 14.12.2011 – 10 K 811/11 L, Rn. 17 mwN; vgl. zum Streitstand auch: GK-ArbGG/Schütz Stand März 2013 § 2 ArbGG Rn. 145 ff.; Küttner/Poeche/Reinecke Personalbuch 2013 Lohnsteuerbescheinigung Rn. 1 ff.; ErfK/Koch 13. Aufl. § 2 ArbGG Rn. 22; BeckOK ArbGG Stand 1.03.2013 § 2 Rn. 21; GMP/Matthes/Schlewing 7. Aufl. § 2 Rn. 79 ff.; Hohmann Arbeitsgerichtsgesetz § 2 Rn. 15 f.; Bartone jurisPR-SteuerR 6/2009 Anm. 6[↩]
- so wohl BAG 11.06.2003 – 5 AZB 1/03, zu II der Gründe[↩]
- so BFH 4.09.2008 – VI B 108/07, Rn. 8 f.[↩]
- BFH 30.10.2008 – VI R 10/05, Rn. 10, BFHE 223, 202[↩]
- BFH 7.02.2008 – VI B 110/07, Rn. 3[↩]
- BFH 18.08.2011 – VII B 9/11, Rn. 8[↩]
- BFH 30.12.2010 – III R 50/09, Rn. 10, 11[↩]