Fahren Profisportler im Mannschaftsbus zu Auswärtsspielen, dann sind die hierfür vom Arbeitgeber geleisteten Zuschläge für Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit steuerfrei.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall geht es um eine als GmbH ausgegliederte Profiabteilung, die mit einer Mannschaft am Spielbetrieb einer deutschen Profiliga teilnimmt. Die bei ihr angestellten Spieler und Betreuer sind verpflichtet, zu Auswärtsspielen im Mannschaftsbus anzureisen. Erfolgte die Anreise an Sonn- oder Feiertagen oder in der Nacht, dann erhielten Spieler und Betreuer hierfür neben ihrem Grundgehalt steuerfreie Zuschläge. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass für die Beförderungszeiten zu Auswärtsspielen, soweit diese nicht mit belastenden Tätigkeiten verbunden seien (bloßer Zeitaufwand im Mannschaftsbus), keine steuerfreien Zuschläge geleistet werden könnten. Der hierauf entfallende Teil der Zuschläge sei daher von der GmbH nachzuversteuern. Dagegen wehrte sich die GmbH. Und wie erstinstanzlich bereits das Finanzgericht Düsseldorf1 gab ihr jetzt auch der Bundesfinanzhof Recht:
Nach § 3b Abs. 1 EStG sind Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei, soweit sie bestimmte Prozentsätze des Grundlohns nicht übersteigen.
Nach Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 dieser Vorschrift ist Grundlohn der laufende Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zusteht. Der laufende Arbeitslohn ist, wie sich aus § 39b EStG ergibt, von sonstigen Bezügen abzugrenzen. Laufender Arbeitslohn ist das dem Arbeitnehmer regelmäßig zufließende Arbeitsentgelt (Monatsgehalt, Wochen- oder Tageslohn, Überstundenvergütung, laufend gezahlte Zulagen oder Zuschläge und geldwerte Vorteile aus regelmäßigen Sachbezügen); er ist in einen Stundenlohn umzurechnen2.
Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist weiter, dass die Zuschläge neben dem Grundlohn geleistet werden; sie dürfen nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit sein. Hierfür ist regelmäßig erforderlich, dass in dem Arbeitsvertrag zwischen der Grundvergütung und den Erschwerniszuschlägen unterschieden und ein Bezug zwischen der zu leistenden Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit und der Lohnhöhe hergestellt ist3. Zuschläge können daher nach § 3b EStG nur steuerfrei geleistet werden, wenn und soweit der Arbeitnehmer für die zuschlagsbewehrte Tätigkeit auch Anspruch auf Grundlohn hat. Denn es muss sich objektiv um ein zusätzliches Entgelt (neben dem Grundlohn) für Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit handeln4.
Darüber hinaus muss die Zahlung des Zuschlags zweckbestimmt erfolgen. Die Steuerbefreiung setzt daher voraus, dass die neben dem Grundlohn gewährten Zuschläge für tatsächlich geleistete Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt worden sind5. Denn durch die Steuerfreiheit soll dem Arbeitnehmer ein finanzieller Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen der mit Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit verbundenen Arbeitszeiten, die den biologischen und kulturellen Lebensrhythmus stören, gewährt werden6; § 3b EStG begünstigt das (zusätzliche) Entgelt „für“ die Arbeit zu besonders ungünstigen Zeiten7.
Zur tatsächlich geleisteten Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit i.S. von § 3b Abs. 1 EStG zählt nicht nur die eigentliche, arbeitsvertraglich geschuldete (Berufs-)Tätigkeit des Arbeitnehmers, sondern auch jede vom Arbeitgeber zu den begünstigten Zeiten verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit des Arbeitnehmers oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Tatsächlich geleistete Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit ist daher jede zu den begünstigten Zeiten tatsächlich im Arbeitgeberinteresse ausgeübte Tätigkeit des Arbeitnehmers, für die er einen Anspruch auf Grundlohn hat, und damit beispielsweise auch das bloße Bereithalten einer tatsächlichen Arbeitsleistung i.S. von § 3b EStG, wenn gerade dieses arbeitsvertraglich geschuldet ist8.
Ohne Bedeutung für die Auslegung des Begriffs der tatsächlich geleisteten Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit i.S. von § 3b Abs. 1 EStG ist hingegen -wie das Finanzgericht zutreffend entschieden hat- die arbeitszeitrechtliche Einordnung der Tätigkeit nach dem Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Das ArbZG soll nach § 1 Nr. 1 ArbZG in erster Linie der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer dienen. Die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit im Sinne des gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts schließt es folglich nicht aus, die zu diesen Zeiten vom Arbeitnehmer de facto erbrachten Arbeitsleistungen als tatsächlich geleistete Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit i.S. von § 3b Abs. 1 EStG zu qualifizieren. Anderenfalls würde sich der durch das ArbZG bezweckte Schutz der Arbeitnehmer geradezu in sein Gegenteil verkehren.
Zudem erfordert die Steuerfreiheit der Zuschläge grundsätzlich Einzelaufstellungen der tatsächlich erbrachten Arbeitsstunden an Sonn- und Feiertagen oder zur Nachtzeit. Dadurch soll von vornherein gewährleistet werden, dass ausschließlich Zuschläge steuerfrei bleiben, bei denen betragsmäßig genau feststeht, dass sie nur für die Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt werden und keine allgemeinen Gegenleistungen für die Arbeitsleistung darstellen. Hieran fehlt es, wenn die Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit lediglich allgemein abgegolten wird, da hierdurch weder eine Zurechnung der Sache nach (tatsächlich geleistete Arbeit während begünstigter Zeiten) noch der Höhe nach (Steuerfreistellung nur nach %-Sätzen des Grundlohns) möglich ist5.
Nach diesen Maßstäben war für den Bundesfinanzhof die Vorentscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf1 von Rechts wegen nicht zu beanstanden:
Die Spielbetriebs-GmbH hat die Zuschläge für Sonntags, Feiertags- und Nachtarbeit ihren Arbeitnehmern neben dem Grundlohn und damit neben dem laufenden Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum zustand, geleistet. Denn die Arbeitnehmer der Spielbetriebs-GmbH hatten auch während der Fahrzeiten zu den Auswärtsterminen einen Anspruch auf den arbeitsvertraglich zugesagten Grundlohn.
Zu den „versprochenen Diensten“ i.S. von § 611 Abs. 1 BGB zählt ausweislich der vorliegenden Arbeitsverträge im Streitfall nicht nur die eigentliche berufliche Tätigkeit der Spieler und Betreuer (Teilnahme am Spielbetrieb/Training/Betreuung der Spieler), sondern jede vom Arbeitgeber verlangte sonstige Tätigkeit oder Maßnahme, die mit der eigentlichen Tätigkeit oder der Art und Weise ihrer Erbringung unmittelbar zusammenhängt. Hierzu gehört nach den Arbeitsverträgen insbesondere die Beteiligung an Reisen des Arbeitgebers, für die dieser auch das zu benutzende Verkehrsmittel bestimmt. „Arbeit“ als Leistung der versprochenen Dienste i.S. von § 611 Abs. 1 BGB ist jede Tätigkeit, die als solche der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient9. Folglich gehört auch die Fahrt (An- und Abreise) zu einer auswärtigen Arbeitsstelle zu den vertraglichen Hauptleistungspflichten, wenn der Arbeitnehmer seine (eigentliche) Tätigkeit außerhalb des Betriebs zu erbringen hat. Ob Fahrtantritt und -ende vom Betrieb des Arbeitgebers oder von der Wohnung des Arbeitnehmers aus erfolgen, ist insoweit unerheblich10. Derartige Reisen sind fremdnützig und damit jedenfalls dann (tatsächlich geleistete) Arbeit, wenn sie -wie im Streitfall- ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers erfolgen und in untrennbarem Zusammenhang mit der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung stehen.
Unerheblich für die Vergütungspflicht von Reisezeiten ist -wie oben ausgeführt- deren arbeitszeitrechtliche Einordnung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG. Denn die Qualifikation einer bestimmten Zeitspanne als Arbeitszeit im Sinne des gesetzlichen Arbeitszeitschutzrechts führt nicht zwingend zu einer Vergütungspflicht, wie umgekehrt die Herausnahme bestimmter Zeiten aus der Arbeitszeit nicht die Vergütungspflicht ausschließen muss11.
Ebenfalls hat die Spielbetriebs-GmbH die streitbefangenen Zuschläge (zweckbestimmt) für tatsächlich an Sonn- und Feiertagen und zur Nachtzeit geleistete Arbeit gezahlt. Denn Spieler und Betreuer haben die Zuschläge nur erhalten, wenn und soweit sie an den Reisen zu den Auswärtsspielen teilgenommen haben.
Dies gilt entgegen der Auffassung des Finanzamtes auch, soweit die Zuschläge auf „passive“ Fahrzeiten im Mannschaftsbus entfallen. Unerheblich ist diesbezüglich, ob sich die Reisezeiten im Mannschaftsbus für Spieler und Betreuer vorliegend als individuell belastende Tätigkeit darstellen. Eine konkret (individuell) belastende Tätigkeit verlangt das Gesetz für die Steuerfreiheit von Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschlägen in § 3b EStG -entgegen der Auffassung des Finanzamtes- nicht. Vielmehr schöpft es den steuerlichen Entlastungsgrund -den Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen (Störung des biologischen und kulturellen Lebensrhythmus) der mit Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit verbundenen Arbeitszeiten- abstrakt-generell und typisierend aus dem Umstand, dass der Dienst zu den dort genannten Zeiten geleistet und dies als in besonderer Weise belastend erachtet wird. Erforderlich, aber auch ausreichend ist daher, dass eine grundlohnbewehrte Tätigkeit -hier die gesamte Fahrtätigkeit- zu den begünstigten Zeiten tatsächlich ausgeübt wird. Ob die zu diesen Zeiten verrichtete Tätigkeit den einzelnen Arbeitnehmer in besonderer Weise fordert oder ihm „leicht von der Hand“ geht, ist nicht entscheidend. Eine dahingehende Unterscheidung wäre im Übrigen auch nicht praktikabel. Denn die Abgrenzung von individuell belastenden (steuerbegünstigten) und nicht belastenden (nicht begünstigten) Tätigkeiten des Arbeitnehmers während der nach § 3b EStG zuschlagsfähigen Zeiten ist nicht objektivierbar und deshalb weder von den Finanzbehörden verlässlich und belastbar zu handhaben noch justiziabel.
Eine Beschränkung der Steuerbefreiung für Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschläge auf tatsächlich belastende Tätigkeiten während der Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit ist -anders als das Finanzamt meint- im Gesetz nicht angelegt. Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck der Vorschrift lassen Dahingehendes erkennen. Diese Auffassung liegt auch den Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) zugrunde. Denn nach R 3b Abs. 6 Satz 2 LStR gelten auch zur vereinbarten und vergüteten Arbeitszeit gehörende Waschzeiten, Schichtübergabezeiten und Pausen als begünstigte Arbeitszeit i.S. des § 3b EStG, soweit sie in den begünstigten Zeitraum fallen.
Die Zuschläge waren auch nicht Teil einer einheitlichen Entlohnung für die gesamte, auch an Sonn- und Feiertagen oder nachts geleistete Tätigkeit der Sportler und Betreuer. In den Vergütungsvereinbarungen wurde hinreichend zwischen der Grundvergütung und den (steuerfreien) Zuschlägen für Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit unterschieden. Die Spielbetriebs-GmbH hat die zu den von § 3b EStG begünstigten Zeiten geleisteten Arbeitsstunden zudem ordnungsgemäß aufgezeichnet und nach Maßgabe der jeweiligen Einzelabrechnungen ausgezahlt.
Die von der Spielbetriebs-GmbH steuerfrei gezahlten Zuschläge für geleistete Sonntags, Feiertags- oder Nachtarbeit übersteigen schließlich nicht die nach § 3b EStG höchstens steuerfrei anwendbaren Prozentsätze. Wird der Stundenlohn für die Berechnung der Steuerbefreiung -wie im Streitfall- mit höchstens 50 € angesetzt, steht es der Steuerfreiheit nicht entgegen, wenn der Stundenlohn tatsächlich 50 € überschreitet12.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Dezember 2021 – VI R 28/19
- FG Düsseldorf, Urteil vom 11.07.2019 – 14 K 1653/17 L[↩][↩]
- BFH, Urteil vom 09.06.2021 – VI R 16/19, BStBl II 2021, 936, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BStBl II 2021, 936, Rz 20, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 15.02.2017 – VI R 30/16, BFHE 257, 96, BStBl II 2017, 644, Rz 16, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BStBl II 2021, 936, Rz 21, m.w.N.[↩][↩]
- BFH, Urteil vom 15.09.2011 – VI R 6/09, BFHE 235, 252, BStBl II 2012, 144, Rz 13, m.w.N.[↩]
- BFH, Beschluss vom 27.05.2009 – VI B 69/08, BFHE 225, 137, BStBl II 2009, 730[↩]
- BFH, Urteil vom 27.08.2002 – VI R 64/96, BFHE 200, 240, BStBl II 2002, 883[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BAG, Urteil vom 17.10.2018 – 5 AZR 553/17, BAGE 164, 57, Rz 13, m.w.N.[↩]
- BAG, Urteil in BAGE 164, 57, Rz 14, m.w.N.[↩]
- BAG, Urteil in BAGE 164, 57, Rz 16, m.w.N.[↩]
- s. Schmidt/Levedag, EStG, 40. Aufl., § 3b Rz 7[↩]