Übernahme von Bußgeldern durch den Arbeitgeber

Übernimmt der eine Spedition betreibende Arbeitgeber die Bußgelder, die gegen bei ihm angestellte Fahrer wegen Verstößen gegen die Lenk- und Ruhezeiten verhängt worden sind, handelt es sich dabei um Arbeitslohn.

Übernahme von Bußgeldern durch den Arbeitgeber

Vorteile haben keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen. Das ist der Fall, wenn sie aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Ein rechtswidriges Tun ist keine beachtliche Grundlage einer solchen betriebsfunktionalen Zielsetzung.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören u.a. Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Dem Tatbestandsmerkmal „für“ ist nach ständiger Rechtsprechung zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter für das Zurverfügungstellen der Arbeitskraft haben muss, um als Arbeitslohn angesehen zu werden. Dagegen sind u.a. solche Vorteile kein Arbeitslohn, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzung erweisen.

Der Bundesfinanzhof bejaht in ständiger Rechtsprechung ein solches ganz überwiegend eigenbetriebliches Interesse, wenn im Rahmen einer im Wesentlichen den Finanzgerichten als Tatsacheninstanz obliegenden Gesamtwürdigung aus den Begleitumständen der Zuwendung zu schließen ist, dass der jeweils verfolgte betriebliche Zweck im Vordergrund steht. In diesem Fall des „ganz überwiegend“ eigenbetrieblichen Interesses kann ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden. Die danach erforderliche Gesamtwürdigung hat insbesondere Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seine besondere Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck zu berücksichtigen. Tritt das Interesse des Arbeitnehmers gegenüber dem des Arbeitgebers in den Hintergrund, kann eine Lohnzuwendung zu verneinen sein. Ist aber -neben dem eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers- ein nicht unerhebliches Interesse des Arbeitnehmers gegeben, so liegt die Vorteilsgewährung nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers und führt zur Lohnzuwendung1.

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Zu solchen notwendigen Begleiterscheinungen betriebsfunktionaler Zielsetzungen zählen gegen die Rechtsordnung verstoßende, mit Bußgeldern belegte rechtswidrige Weisungen des Arbeitgebers nicht. Der Bundesfinanzhof hält an seiner im Urteil vom 07.07.2004 – VI R 29/002 vertretenen Auffassung, dass die Übernahme von Verwarnungsgeldern wegen Verletzung des Halteverbots im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegen kann, nicht weiter fest. Er berücksichtigt die insoweit dazu geäußerte Kritik3.

Für den Bundesfinanzhof ist danach insbesondere entscheidend, dass ungeachtet der Frage, ob der Arbeitgeber ein solches rechtswidriges Verhalten angewiesen hat und anweisen darf, jedenfalls auf einem solchen rechtswidrigen Tun der Betrieb auch nicht teilweise gründen kann und daher insoweit keine beachtlichen betriebsfunktionalen Gründe vorliegen können.

Dementsprechend ist das eigenbetriebliche Interesse des Arbeitgebers im Wesentlichen damit zu verneinen, dass es nicht darauf gerichtet sein könne, generell die Fahrer anzuweisen, Lenk- und Ruhezeiten zu überschreiten, so dass dementsprechende Weisungen des Arbeitgebers unbeachtlich seien. Weiter ist vorliegend im Rahmen der Gesamtwürdigung ebenfalls zu berücksichtigen, dass es angesichts der gegen einzelne Fahrer verhängten Bußgeldbescheide über rund 2.950 € und 3.640 € nicht nur gelegentliche und geringfügige Verstöße waren.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 14. November 2013 – VI R 36/12

  1. vgl. BFH, Urteile vom 11.04.2006 – VI R 60/02, BFHE 212, 574, BStBl II 2006, 691, m.w.N.; vom 26.07.2007 – VI R 64/06, BFHE 218, 370, BStBl II 2007, 892; vom 17.01.2008 – VI R 26/06, BFHE 220, 266, BStBl II 2008, 378; insgesamt dazu Krüger, Deutsches Steuerrecht 2013, 2029[]
  2. BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367[]
  3. vgl. Blümich/Thürmer, § 19 EStG Rz 280 „Verwarnungsgelder“; Breinersdorfer, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 19 Rz B 361; Eisgruber in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 19 Rz 66; insgesamt dazu Fellmeth, Finanz-Rundschau 2012, 1064[]
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