Werbung des Arbeitgebers – auf dem Kennzeichenhalter des privaten PKW des Arbeitnehmers

Ein Entgelt für Werbung des Arbeitgebers auf dem Kennzeichenhalter des privaten PKW des Arbeitnehmers ist durch das Arbeitsverhältnis veranlasst und damit Arbeitslohn, wenn dem mit dem Arbeitnehmer abgeschlossenen „Werbemietvertrag“ kein eigenständiger wirtschaftlicher Gehalt zukommt. Ist das für die Werbung gezahlte Entgelt als Arbeitslohn zu beurteilen, scheidet eine überwiegend eigenbetriebliche Veranlassung der Zahlung regelmäßig aus.

Werbung des Arbeitgebers – auf dem Kennzeichenhalter des privaten PKW des Arbeitnehmers

Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für die Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.

Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss1.

Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist2. Dagegen liegt kein Arbeitslohn vor, wenn eine Zuwendung wegen anderer Rechtsbeziehungen oder wegen sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird3.

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Bezüge oder Vorteile sind durch vom Arbeitsverhältnis unabhängige und eigenständige Sonderrechtsbeziehungen veranlasst, wenn ihnen andere Erwerbsgrundlagen als die Nutzung der eigenen Arbeitskraft des Arbeitnehmers zugrunde liegen4. Ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, ist nach dem wirtschaftlichen Gehalt des zu beurteilenden Lebenssachverhalts und nicht nach seiner äußeren Erscheinungsform zu würdigen5. Deshalb steht auch der Abschluss eines neben dem Arbeitsvertrag bestehenden Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Behandlung eines Vorteils als Arbeitslohn nicht zwingend entgegen6, während umgekehrt allein aus der Vereinbarung eines Vorteils im Arbeitsvertrag nicht automatisch auf das Vorliegen von Arbeitslohn geschlossen werden kann7.

Die Beantwortung der Frage, ob eine Leistung des Arbeitgebers den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das Finanzgericht. Denn ob ein Leistungsaustausch zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, kann nur aufgrund einer Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden8. Die Tatsachenwürdigung des Finanzgerichts ist gemäß § 118 Abs. 2 FGO revisionsrechtlich bindend, soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist9.

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Nach diesen Maßstäben hat das erstinstanzlich mit dem vorliegenden Fall befasste Finanzgericht Münster im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die streitigen Zahlungen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG gehören, weil sie durch das Arbeitsverhältnis veranlasst sind und nicht auf einem Sonderrechtsverhältnis „Mietvertrag Werbefläche“ beruhen, da diesem kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zukommt10.

Das Finanzgericht hat seine Würdigung insbesondere darauf gestützt, dass dem gesondert abgeschlossenen „Mietvertrag Werbefläche“ unter Berücksichtigung der am Markt befindlichen Angebote schon aufgrund seiner Ausgestaltung kein eigener wirtschaftlicher Gehalt zukomme, weil er die Erzielung einer Werbewirkung nicht sicherstelle und die Bemessung des Entgelts offensichtlich an der in § 22 Nr. 3 EStG geregelten Freigrenze orientiert gewesen sei. Der Werbeeffekt sei demgegenüber nicht -wie im wirtschaftlichen Geschäftsverkehr üblich- ausschlaggebendes Kriterium für die Bemessung des Entgelts gewesen. Ergänzend hat das Finanzgericht die Veranlassung der streitgegenständlichen Zahlungen durch das Arbeitsverhältnis damit begründet, dass Verträge ausschließlich mit Mitarbeitern abgeschlossen worden seien und die Laufzeit der geschlossenen Verträge an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses geknüpft gewesen sei. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich nicht nur möglich, sondern naheliegend.

Zu Recht hat das Finanzgericht bei seiner Würdigung auch Umstände berücksichtigt, die für eine Veranlassung der streitigen Zahlungen durch ein Sonderrechtsverhältnis „Mietvertrag Werbefläche“ mit eigenem wirtschaftlichen Gehalt sprechen könnten (u.a. Vertragsschluss nicht mit allen Mitarbeitern, Abschluss eines gesonderten, schriftlichen als „Mietvertrag Werbefläche“ bezeichneten Vertrags sowie Kündigungsmöglichkeit des Vertrags bei gleichzeitigem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses). Diesen Umständen hat es jedoch im Rahmen der Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls kein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen. Da die Würdigung des Finanzgerichts nicht gegen allgemeine Erfahrungssätze oder Denkgesetze verstößt, ist der Bundesfinanzhof hieran gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

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Die vom Finanzgericht Münster in der Vorinstanz aufgeworfene Frage, ob die Gewährung der streitigen Zahlungen aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse des Arbeitgebers erfolgt sei, erübrigt sich im Streitfall. Denn vorliegend haben die Mitarbeiter der Klägerin diese Geldleistungen nach der den Bundesfinanzhof bindenden Würdigung des Finanzgerichts als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen ihrer Arbeitskraft erhalten. In einem solchen Fall stellt sich die Frage der überwiegend eigenbetrieblichen Veranlassung einer Zuwendung regelmäßig nicht.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21. Juni 2022 – VI R 20/20

  1. BFH, Urteile vom 04.07.2018 – VI R 16/17, BFHE 261, 543, BStBl II 2019, 373, Rz 11; vom13.02.2020 – VI R 20/17, BFHE 268, 227, BStBl II 2021, 311, Rz 13; und vom 16.02.2022 – VI R 53/18, Rz 15[]
  2. ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteile vom 13.08.2020 – VI R 1/17, BFHE 270, 317, BStBl II 2021, 103, Rz 17, und in BFHE 268, 227, BStBl II 2021, 311, Rz 13; jeweils m.w.N.[]
  3. BFH, Urteile vom 19.10.2001 – VI R 131/00, BFHE 197, 98, BStBl II 2002, 300; und vom 17.06.2009 – VI R 69/06, BFHE 226, 47, BStBl II 2010, 69, unter II. 1.a[]
  4. BFH, Urteil vom 03.07.2019 – VI R 12/16, Rz 24[]
  5. BFH, Urteil vom 30.06.2011 – VI R 80/10, BFHE 234, 195, BStBl II 2011, 948, Rz 15[]
  6. BFH, Urteil vom 23.06.2005 – VI R 124/99, BFHE 209, 549, BStBl II 2005, 766, unter II. 1.b[]
  7. BFH, Urteil in BFHE 234, 195, BStBl II 2011, 948, Rz 15[]
  8. ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteil vom 03.07.2019 – VI R 12/16, Rz 25, m.w.N.[]
  9. BFH, Urteil vom 15.01.2013 – VIII R 22/10, BFHE 240, 195, BStBl II 2013, 526[]
  10. FG Münster, Urteil vom 03.12.2019 – 1 K 3320/18 L[]
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