Wird vor Ablauf der Feststellungsfrist mit einer Außenprüfung begonnen oder wird deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben, so läuft die Feststellungsfrist für die Besteuerungsgrundlagen, auf die sich die Außenprüfung erstreckt oder im Fall des Hinausschiebens der Außenprüfung erstrecken sollte, gemäß § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht ab, bevor die aufgrund der Außenprüfung zu erlassenden Feststellungsbescheide unanfechtbar geworden sind oder nach Bekanntgabe der Mitteilung nach § 202 Abs. 1 Satz 3 AO drei Monate verstrichen sind. Nach § 171 Abs. 4 Satz 2 AO entfällt die Ablaufhemmung der Feststellungsfrist, wenn eine Außenprüfung unmittelbar nach ihrem Beginn für die Dauer von mehr als sechs Monaten aus Gründen unterbrochen wird, die die Finanzbehörde zu vertreten hat.

Voraussetzung für die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 4 Satz 1 AO ist der Beginn einer Außenprüfung. Nach ständiger Rechtsprechung ist für eine Ablaufhemmung durch den Beginn einer Außenprüfung erforderlich, dass eine förmliche Prüfungsanordnung erlassen und bekanntgegeben wurde und -wenn auch nur stichprobenweise- tatsächlich Prüfungshandlungen für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Besteuerungszeiträume vorgenommen wurden1. Nach § 124 Abs. 1 Satz 1 AO wird ein Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekanntgegeben wird. Prüfungsanordnungen als Verwaltungsakte sind demjenigen bekanntzugeben, dessen steuerliche Verhältnisse überprüft werden sollen. Nach § 7 Abs. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO ist die Prüfungsanordnung bei dem Verfahrensbeteiligten bekanntzugeben, bei dem die Außenprüfung durchgeführt werden soll. Erkennbar sein muss die Vornahme von Prüfungsmaßnahmen daher allein für den Adressaten der Prüfungsanordnung.
Die Ablaufhemmung tritt für die Besteuerungsgrundlagen ein, auf die sich die Prüfung tatsächlich erstreckt2. Weitere Voraussetzungen, etwa die Tatsache, dass die Erwerber eines Gesamtobjekts i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO jeweils einzeln Kenntnis von der Prüfungsanordnung erhalten müssen und diese daher auch diesen bekanntzugeben ist, nennen die einschlägigen Vorschriften nicht.
Prüfungsadressat und Bekanntgabeadressat der Prüfungsanordnung war im vorliegend entschiedenen Fall des Verkaufs von Eigentumswohnungen in einem denkmalgeschützten Objekt die Verkäufer-KG, an die unstreitig die Bekanntgabe erfolgt war. Eine Bekanntgabe an die Erwerber der einzelnen Wohnungen war nicht erforderlich, da die Außenprüfung nicht bei ihnen, sondern bei der für die Abgabe der Feststellungserklärung zuständigen KG (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO) durchgeführt werden sollte. Bei der KG sind nach den Feststellungen des Finanzgericht auch Prüfungsmaßnahmen hinsichtlich der von der Feststellung betroffenen Besteuerungsgrundlagen durchgeführt worden.
Da die reguläre Feststellungsfrist gemäß §§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 181 Abs. 1 AO in der Folge der Abgabe der Feststellungserklärung seitens der KG im Jahr 2005 am 31.12 2009 ablief, konnte die am 9.12 2008 begonnene Betriebsprüfung der KG den Ablauf der Feststellungsfrist wirksam nach § 171 Abs. 4, § 181 Abs. 1 AO hemmen. Mit dem Beginn der Betriebsprüfung war daher die Feststellungsfrist gemäß § 171 Abs. 4 AO bis zum Erlass des streitigen Änderungsbescheids gehemmt3.
Die Auffassung der Erwerber, wonach bei einer Prüfung beim Hersteller eines Gesamtobjekts i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO die verjährungshemmende Wirkung der Prüfungsmaßnahmen nur eintrete, wenn die einzelnen am Gesamtobjekt Beteiligten Kenntnis von den Prüfungsmaßnahmen hätten, findet im Gesetz keine Stütze. Diese Auffassung liefe im Ergebnis darauf hinaus, dass eine Prüfungsanordnung bei einem Gesamtobjekt i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der VO zu § 180 Abs. 2 AO neben dem Hersteller nicht nur allen Beteiligten bekanntgegeben werden müsste, sondern auch, dass diese bei einer Außenprüfung von deren Beginn unterrichtet werden müssten. Dies wäre nicht nur verwaltungsökonomisch wenig sinnvoll, da die steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter nicht geprüft werden. Es widerspräche vielmehr auch der von der Vorschrift des § 180 Abs. 2 Satz 1 AO sowie der zu § 180 Abs. 2 AO ergangenen Verordnung bezweckten Konzentrationswirkung des Verfahrens der gesonderten und einheitlichen Feststellung. Denn diese dient nach dem Gesetzeswortlaut des § 180 Abs. 2 Satz 1 AO gerade der „Sicherstellung einer einheitlichen Rechtsanwendung bei gleichen Sachverhalten und zur Erleichterung des Besteuerungsverfahrens“.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. Juni 2015 – IX R 51/14
- vgl. BFH, Urteile vom 24.04.2003 – VII R 3/02, BFHE 202, 32, BStBl II 2003, 739, unter II. 4.a; und vom 08.07.2009 – XI R 64/07, BFHE 226, 19, BStBl II 2010, 4, unter II. 2.a; Klein/Rüsken, AO, 12. Aufl., § 171 Rz 39 f.[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 11.08.1993 – II R 34/90, BFHE 172, 393, BStBl II 1994, 375; Klein/Rüsken, a.a.O., § 171 Rz 51, m.w.N.[↩]
- gl.A. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 180 AO Rz 94; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 180 AO, Rz 610; a.A. Frotscher in Schwarz/Pahlke, AO, § 180 Rz 166; offengelassen vom BFH, Beschluss vom 14.03.1989 – I B 50/88, BFHE 154, 365, BStBl II 1989, 590[↩]