Die gesetzlich gebotene Schriftform für behördliche und gerichtliche Entscheidungen wird auch durch Übersendung per Telefax gewahrt1. Dies gilt auch für die Übersendung im sog. Ferrari-Fax-Verfahren; die auf diesem Weg übersandten Bescheide sind keine elektronischen Dokumente i.S. des § 87a AO und bedürfen deshalb zu ihrer Wirksamkeit keiner elektronischen Signatur.

Per Telefax übersandte Bescheide sind erst mit ihrem Ausdruck durch das -auf automatischen Ausdruck eingestellte- Empfangsgerät wirksam „schriftlich erlassen“2. Hat das Empfangsgerät nach dem unwiderleglichen Vortrag des Adressaten den Bescheid nicht ausgedruckt, gehen die sich daraus ergebenden Zweifel an der wirksamen Bekanntgabe zu Lasten der Finanzbehörde.
Wahrung der Schriftform durch ein Telefax
Nach ständiger BFH-Rechtsprechung wird eine gesetzlich gebotene Schriftform auch durch Übersendung per Telefax gewahrt3.
Ein Telefax gewährleistet gleichermaßen den mit dem Gebot der Schriftlichkeit verfolgten Zweck, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Zudem weist ein Telefax gleichermaßen aus, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Empfänger zugeleitet worden ist4. Dementsprechend ist nach der dem technischen Fortschritt auf dem Gebiet der Telekommunikation Rechnung tragenden Rechtsprechung die Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax in allen Gerichtszweigen uneingeschränkt zulässig5.
Für die Übermittlung von Steuerbescheiden gilt auf dieser Grundlage nichts anderes6.
Die Übersendung per Telefax ist auch nicht als Übersendung eines elektronischen Verwaltungsakts anzusehen, für den nach § 87a Abs. 4 AO eine Signatur erforderlich wäre (vgl. § 119 Abs. 3 Satz 3 AO). Denn die Wirksamkeit einer Bekanntgabe behördlicher oder gerichtlicher Entscheidungen per Telefax wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) durch die Einfügung der Vorschriften über den elektronischen Rechtsverkehr in die Verfahrensgesetze nicht berührt, weil ein Computerfax oder Funkfax kein elektronisches Dokument darstellt7.
Per Telefax übermittelte Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen erfordern keinen besonderen Nachweis der Urheberschaft (Authentizität) und keinen besonderen Schutz vor nachträglicher Veränderung (Integrität). Insoweit unterscheiden sie sich maßgeblich von elektronischen Dokumenten, die leicht elektronisch änderbar sind und deren Absicherung die Regelungen zur qualifizierten Signatur allein bezwecken8.
Für andere Dokumente stellt sich selbst bei Übermittlung per Telefax -wie im Streitfall- das Problem der Integrität nicht anders als bei traditionell übermittelten Schriftstücken, für die eine qualifizierte Signatur nicht erforderlich ist9.
Für das Ferrari-Fax-Verfahren ist ersichtlich eine abweichende Beurteilung nicht geboten. Denn das im Rahmen dieses Verfahrens vom Rechenzentrum der Finanzverwaltung auf Veranlassung des Finanzamt abgesandte und auf dem Telefax-Empfangsgerät eingehende Telefax entspricht hinsichtlich Format und Abänderbarkeit den im „normalen“ Telefax-Verfahren übermittelten Dokumenten, für die das Telefax-Verfahren -wie ausgeführt- ohne Bindung an die Vorschriften für elektronische Dokumente zulässig ist.
Auf die im Bereich der Finanzverwaltung bis zur Absendung durch das Rechenzentrum ablaufenden Vorgänge kommt es schon deshalb nicht an, weil es sich bis zur Absendung der Bescheide lediglich um Entwürfe bzw. nicht rechtsverbindliche Fassungen handelt, die frühestens mit Absendung (hier durch das Landesrechnungszentrum) rechtliche Wirkung gegenüber Steuerpflichtigen entfalten.
Das nicht ausgedruckte Telefax
Obwohl die im sog. Ferrari-Fax-Verfahren übersandten Entscheidungen der Finanzverwaltung nicht anders als andere per Telefax übersandte Dokumente keine elektronischen Dokumente i.S. des § 87a AO sind und infolgedessen wie auf dem Postweg übersandte Steuerbescheide weder einer Unterschrift noch einer Signatur nach dem Signaturgesetz bedürfen, ist mit der Vorinstanz -wenn auch aus anderen als den von ihr angenommenen und unter II. 1. verworfenen Gründen- davon auszugehen, dass die einmonatige Frist zur Erhebung der Klage gegen die angefochtenen Bescheide nach § 47 Abs. 1 FGO gewahrt ist.
Die Klagefrist läuft nicht an, wenn die anzufechtende Entscheidung -wie im Streitfall die Einspruchsentscheidung des Finanzamt- nicht wirksam bekannt gegeben wird10 und dieser Mangel auch nicht geheilt wird11.
Im voriegend vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall fehlt eine wirksame Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung.
Nach den für den Bundesfinanzhof bindenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) druckte das im Streitzeitraum verwendete und inzwischen nicht mehr vorhandene Telefaxgerät des Klägers, an das die Einspruchsentscheidung übersandt wurde, zwar jeweils nach Maßgabe der technischen Einstellungen „automatisch“ (ohne Tätigkeit des Empfängers oder seiner Bediensteten) eingehende Telefaxe aus. Ein entsprechender Ausdruck der Einspruchsentscheidung wurde aber nach dem unwiderleglichen Vortrag des Klägers unter Bezugnahme auf sein Posteingangsbuch nicht von ihm vorgefunden.
Ohne eine solche Verkörperung fehlte es an der nach den §§ 122, 124 AO erforderlichen Bekanntgabe der -nach § 366 AO schriftlich zu erlassenden- Einspruchsentscheidung. Sie kann zwar durch Telefax übermittelt werden, ist aber bei dieser Form der Übermittlung erst mit dem Ausdruck durch das empfangende Telefaxgerät „schriftlich“ erlassen.
Dabei kann nach der BFH-Rechtsprechung nicht allein wegen des Sendeberichts des Sendegeräts (sog. „OK“-Vermerk) und eines Eingangsvermerks im Empfangsprotokoll des angewählten Geräts nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon ausgegangen werden, dass der betroffene Bescheid ordnungsgemäß übermittelt und ausgedruckt worden ist12.
Auch nach der Rechtsprechung des BGH wird die erforderliche Schriftform einer bekannt zu gebenden Entscheidung nicht schon dadurch hergestellt, dass sie nach Übersendung durch Telefax zunächst im Empfangsgerät elektronisch gespeichert wird. Vielmehr ist die Schriftform -im Gegensatz zu der fristwahrenden Wirkung von elektronisch eingelegten Rechtsbehelfen bereits bei elektronischer Speicherung13- erst mit dem Ausdruck des gespeicherten Dokuments erfüllt14. Dementsprechend hat auch der Bundesfinanzhof die erforderliche Schriftform einer elektronisch übermittelten Rechtsbehelfsschrift erst mit ihrem Ausdruck als gegeben angesehen15.
Nach dieser Rechtsprechung kommt es auf den Einwand des Finanzamt, ein solcher fehlender Ausdruck beruhe allenfalls auf Fehlern in der Sphäre des Empfängers (wie z.B. Papierstau und ähnliche Umstände), ersichtlich nicht an. Denn für den Zugang von Bescheiden trägt im Zweifel die Finanzbehörde die Beweislast16. Für den möglichen Sonderfall, dass ein Ausdruck eingehender Telefaxe durch den Bekanntgabeempfänger vorsätzlich verhindert wird und deshalb ausnahmsweise eine Speicherung im Telefaxgerät des Bekanntgabeempfängers für ausreichend erachtet werden könnte17, sind Anhaltspunkte im Streitfall weder vorgetragen noch ersichtlich.
Abgesehen davon zeigt die Regelung des § 122 Abs. 2 Halbsatz 2 AO den ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers, dem Finanzamt „im Zweifel“ die Beweislast für den Zugang von Bescheiden aufzuerlegen. Vermutetem rechtsmissbräuchlichem Verhalten von Empfängern der Bescheide kann die Behörde im Übrigen durch Zustellung der Bescheide mittels Zustellungsurkunde angemessen begegnen.
Ist -wie im Streitfall nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO)- ein automatisch vorgesehener Ausdruck tatsächlich nicht erfolgt, kann der Empfänger in der Regel nicht erkennen, dass ein solches Telefax im Gerät eingegangen ist. Davon muss er -bei automatischem Ausdruck eingehender Telefaxe wie im Streitfall- grundsätzlich auch nicht ausgehen, sodass eine regelmäßige Pflicht, Sendeprotokolle hinsichtlich eingegangener, aber nicht ausgedruckter Telefaxe zu prüfen, die Sorgfaltspflichten der Adressaten überspannen würde.
Die Aushändigung einer Bescheidkopie
Die Aushändigung einer Bescheidkopie an den Kläger unter Streichen der Rechtsmittelbelehrung stellt schon wegen des erkennbaren Willens des Finanzamt, keinen Bescheid zu erlassen, keine Zweitbescheidung dar, die ihrerseits den Lauf einer Rechtsbehelfsfrist hätte auslösen können.
Gemäß § 124 Abs. 1 AO ist für die Wirksamkeit eines Steuerbescheides die Bekanntgabe notwendige Voraussetzung. Die Bekanntgabe muss vom Willen der den Steuerbescheid erlassenden Behörde getragen werden. Ein ohne Bekanntgabewillen zur Kenntnis gebrachter Verwaltungsakt erlangt daher keine Wirksamkeit18.
Der Bekanntgabewille fehlt, wenn die Übersendung eines Schriftstücks nicht zu dem Zweck erfolgt, die an eine Bekanntgabe geknüpften Rechtsfolgen herbeizuführen, sondern etwa nur der Information des Empfängers über den Inhalt eines bei den Akten befindlichen Schriftstücks dienen soll19.
Insbesondere das Streichen der Rechtsbehelfsbelehrung zeigt, dass sich an die Übersendung der Bescheidkopie keine Rechtsfolgen knüpfen sollten20.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. März 2014 – VIII R 9/10
- ständige Rechtsprechung; BFH, Urteile vom 04.07.2002 – V R 31/01, BFHE 198, 337, BStBl II 2003, 45; vom 18.08.2009 – X R 25/06, BFHE 226, 77, BStBl II 2009, 965[↩]
- Anschluss an das BFH, Urteil vom 08.07.1998 – I R 17/96, BFHE 186, 491, BStBl II 1999, 48, sowie die BGH, Beschlüsse vom 15.07.2008 – X ZB 8/08, NJW 2008, 2649; und vom 04.12 2008 – IX ZB 41/08, WM 2009, 331[↩]
- BFH, Urteil vom 04.07.2002 – V R 31/01, BFHE 198, 337, BStBl II 2003, 45[↩]
- vgl. GmS-OBG, Beschluss vom 05.04.2000 – GmS-OGB 1/98, NJW 2000, 2340, unter III. 1.[↩]
- vgl. GmS-OBG, Beschluss in NJW 2000, 2340, unter III. 2., m.w.N.; BSG, Urteil vom 13.03.2001 – B 3 KR 12/00 R, BSGE 88, 1; Sächs. LSG, Urteil vom 11.01.2006 – L 1 P 14/05[↩]
- BFH, Urteile vom 08.07.1998 – I R 17/96, BFHE 186, 491, BStBl II 1999, 48; vom 18.08.2009 – X R 25/06, BFHE 226, 77, BStBl II 2009, 965, unter Bezugnahme auf das BFH, Urteil vom 28.05.2009 – III R 84/06, BFHE 225, 11, BStBl II 2009, 949 zur bejahten Wirksamkeit einer einen Verwaltungsakt mündlich widerrufenen Mitteilung; die Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil in BFHE 226, 77, BStBl II 2009, 965 hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen: BVerfG, Beschluss vom 29.10.2012 – 2 BvR 2579/09; BFH, Beschluss vom 31.03.1998 – I S 8/97, BFH/NV 1998, 1318; Güroff in Beermann/Gosch, AO § 122 Rz 32; vgl. auch BFH, Beschluss vom 27.06.2001 – X B 23/01, BFH/NV 2001, 1529[↩]
- BVerwG, Beschluss vom 30.03.2006 8 B 8/06, NJW 2006, 1989; ebenso Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 19. Aufl., § 55a Rz 5[↩]
- vgl. BGH, Beschluss vom 14.01.2010 – VII ZB 112/08, BGHZ 184, 75, unter Bezugnahme auf BGH, Beschluss vom 04.12 2008 – IX ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357, und BT-Drs. 14/4987, S. 24; BT-Drs. 15/4067, S. 37 f. zu § 55a VwGO[↩]
- BVerwG, Beschluss in NJW 2006, 1989[↩]
- BFH, Urteil vom 20.10.1987 – VII R 19/87, BFHE 151, 24, BStBl II 1988, 97[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 25.01.1994 – VIII R 45/92, BFHE 173, 213, BStBl II 1994, 603[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 186, 491, BStBl II 1999, 48, unter Bezugnahme auf das BGH, Urteil vom 07.12 1994 – VIII ZR 153/93, NJW 1995, 665; ebenso OLG München, Urteil vom 16.12 1992 – 7 U 5553/92, NJW 1993, 2447; KG, Beschluss vom 04.03.1994 – 5 W 7083/93, NJW 1994, 3172; OLG Köln, Beschluss vom 04.01.1995 – 27 W 20/94, MDR 1995, 411; zur Notwendigkeit eines Ausdrucks als Voraussetzung einer wirksamen Bekanntgabe VG Cottbus, Urteil vom 25.07.2013 – 1 K 759/09; Schmittmann, MDR 1994, 1081; Laghzaoui/Wirges, MDR 1996, 230; Pape/Notthoff, NJW 1996, 417, 425; Marly in Lindenmaier/Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 144 ZPO Nr. 12; Schmid, Wirtschaftsrechtliche Beratung 1995, 355; a.A. z.B. LG Frankfurt a.M., Urteil vom 12.01.1993 – 3/8 0 208/91, RiW 1994, 778; Burgard, BB 1995, 222; und in AcP 195, 74, 132[↩]
- BGH, Beschlüsse vom 25.04.2006 – IV ZB 20/05, BGHZ 167, 214, Rz 18; vom 08.05.2007 – VI ZB 74/06, NJW 2007, 2045, Rz 12; vom 15.09.2009 – XI ZB 29/08 Rz 16; vom 18.11.2010 – I ZB 62/10 Rz 5; vom 17.04.2012 – XI ZB 4/11, juris; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 27.08.2012 – U 32/12, MDR 2013, 55[↩]
- BGH, Beschlüsse in BGHZ 167, 214, Rz 21; in NJW 2008, 2649, Rz 11; und in NJW-RR 2009, 357, Rz 8[↩]
- BFH, Urteil vom 22.06.2010 – VIII R 38/08, BFHE 230, 115, BStBl II 2010, 1017[↩]
- vgl. BFH, Urteile vom 12.03.2003 – X R 17/99, BFH/NV 2003, 1031; vom 18.11.2003 – VII R 5/02, BFH/NV 2004, 1057[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 186, 491, BStBl II 1999, 48[↩]
- BFH, Urteile vom 27.06.1986 – VI R 23/83, BFHE 147, 205, BStBl II 1986, 832; vom 24.11.1988 – V R 123/83, BFHE 155, 466, BStBl II 1989, 344; zum Sonderfall einer vollständigen Bescheidkopie zur Heilung einer früheren fehlerhaften Bekanntgabe vgl. BFH, Beschluss vom 07.11.2008 – X B 55/08, BFH/NV 2009, 195; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 124 AO Rz 8 ff.; Güroff in Beermann/Gosch, AO § 124 Rz 7[↩]
- vgl. Hess VGH, Urteil vom 11.03.1985 – V OE 82/82, Rechtsprechung der Hessischen Verwaltungsgerichte 1985, 81; FG Düsseldorf, Urteil vom 11.09.1985 – VIII 325/81 V, EFG 1986, 55[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteil vom 22.10.1986 – I R 254/83, BFH/NV 1988, 10[↩]