Bei der Bewertung eines nicht börsennotierten Anteils an einer Kapitalgesellschaft für Zwecke der Schenkungsteuer kann ein pauschaler Holdingabschlag nicht abgezogen werden.

Der gemeine Wert eines nicht börsennotierten Anteils an einer Kapitalgesellschaft lässt sich nur dann nach § 11 Abs. 2 Satz 2 des Bewertungsgesetzes aus Verkäufen unter fremden Dritten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, ableiten, wenn die Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erfolgt, der die marktwirtschaftlichen Grundsätze von Angebot und Nachfrage vollzieht. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Ein über die Jahre gleichbleibender pauschaler Holdingabschlag ist bei der Ableitung des gemeinen Werts eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft nicht zu berücksichtigen, wenn er nicht auf der konkreten Beschaffenheit des Wirtschaftsguts beruht und nicht auszuschließen ist, dass mit diesem auch persönliche Verfügungsbeschränkungen des Anteilsinhabers abgegolten werden sollen.
In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Streitfall schenkte der Vater seinen Kindern Anteile an der klagenden GmbH, einer Familienholding-Gesellschaft. Den Wert der Anteile für Zwecke der Schenkungsteuer ermittelte die GmbH dadurch, dass sie als Grundlage über 60 Verkäufe anderer Geschäftsanteile aus einem Zeitraum von 12 Monaten vor der Schenkung heranzog. Die Verkäufe hatten überwiegend zwischen (entfernter verwandten) Familienangehörigen stattgefunden. Die Kaufpreise richteten sich nach dem durch die Steuerabteilung der GmbH ermittelten Substanzwert („Net Asset Value„) des Unternehmens. Davon wurde ein pauschaler Abschlag von 20 % vorgenommen. Das Finanzamt erkannte zwar die Wertermittlung nach dem Substanzwertverfahren an, ließ aber den Holding-Abschlag nicht zum Abzug zu.
Das Finanzgericht Düsseldorf gab der GmbH recht1. Der Bundesfinanzhof sah dies nun anders; auf die Revision des Finanzamtes hob er das finanzgerichtliche Urteil auf und wies die Klage ab, sodass es bei der Bewertung mit dem Substanzwert ohne Holdingabschlag verblieb:
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichtes konnte der Wert der geschenkten Anteile nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten abgeleitet werden, da die Preisbildung nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr – Stichwort „Freier Markt“ – stattgefunden hatte. Danach war der durch die Steuerabteilung der GmbH ermittelte Substanzwert anzusetzen. Zudem konnte entgegen der Auffassung des Finanzgerichtes der Holding-Abschlag nicht angesetzt werden. Dieser wurde im Streitfall rein empirisch und deshalb zu pauschal durch die GmbH ermittelt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs müssen zur Ermittlung des gemeinen Werts vorgenommene Abschläge objektiv und konkret auf das jeweilige Bewertungsobjekt angesetzt werden. Im Streitfall bezog sich der Abschlag nicht auf die jeweils verkauften Anteile, sondern blieb pauschal in Höhe von 20 % über einen langen Zeitraum unverändert. Zudem sollte er nach Darstellung der GmbH hauptsächlich die Tatsache abbilden, dass Holding-Anteile aufgrund ihrer internen Beschränkungen schwerer zu verkaufen seien als andere Gesellschaftsanteile. Dabei handelt es sich aber um „persönliche Verhältnisse“, die nach § 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Bewertungsgesetz bei der Bewertung für Zwecke der Schenkungsteuer nicht berücksichtigt werden dürfen.
Zutreffend ist das Finanzgericht zwar davon ausgegangen, dass der Substanzwert bei der Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen zwischen fremden Dritten nicht die Untergrenze bildet. Es hat jedoch die Voraussetzungen für die Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BewG unzutreffend bejaht.
Nach § 12 Abs. 2 ErbStG sind Anteile an Kapitalgesellschaften, für die ein Wert nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG festzustellen ist, mit dem auf den Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) festgestellten Wert anzusetzen. Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BewG ist der Wert von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 11 Abs. 2 BewG gesondert festzustellen (§ 179 AO), wenn die Werte für die Erbschaft- oder Schenkungsteuer von Bedeutung sind. Gemäß § 151 Abs. 1 Satz 2 BewG trifft das für die Festsetzung der Erbschaft- oder Schenkungsteuer zuständige Finanzamt die Entscheidung über eine Bedeutung für die Besteuerung und damit über die Feststellung dem Grunde nach2.
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BewG sind Anteile an Kapitalgesellschaften, die -wie hier- nicht unter § 11 Abs. 1 BewG fallen, da sie am Stichtag nicht an einer deutschen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind, mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so erfolgt die Bewertung der Anteile nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zugrunde legen würde. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG darf die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft nicht unterschritten werden; die §§ 99 und 103 BewG sind anzuwenden.
Maßgebend für die Ableitung des gemeinen Werts von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BewG ist der Preis, der bei einer Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) tatsächlich erzielt wurde3. Gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel, der sich nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage vollzieht und bei dem jeder Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern freiwillig in Wahrung seiner eigenen Interessen zu handeln in der Lage ist4. Entscheidend für einen gewöhnlichen Geschäftsverkehr ist, dass die wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten eine nach ausschließlich marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtete Verhandlung und Preisbildung zulassen und diese nicht beeinträchtigen5.
Ob die Parteien einen Preis vereinbart haben, der demjenigen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr entspricht, ist nach ständiger Rechtsprechung nach den Gesamtumständen des Einzelfalls unter Heranziehung objektiver Wertmaßstäbe zu entscheiden, zu denen vor allem das Gesamtvermögen und die Ertragsaussichten gehören. Bei der Ableitung des gemeinen Werts sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen (§ 9 Abs. 2 Satz 2 BewG). Auszuklammern sind dabei solche preisbildenden Faktoren, die mit der Beschaffenheit der Anteile selbst nichts zu tun haben6. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind außer Acht zu lassen (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG).
Eine Preisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kann unter Umständen auch dann anzunehmen sein, wenn einzelne Merkmale eines freien Marktes nicht in vollem Umfang vorliegen. Es ist also nicht erforderlich, dass es sich um einen vollkommenen Markt handelt7. Von einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr ist erst dann nicht mehr auszugehen, wenn die Beschränkungen ihrem Gesamtbild nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen unter Heranziehung der Verkehrsauffassung nicht mehr entsprechen und eine marktwirtschaftliche Preisbildung erheblich beeinträchtigt haben5.
Ob sich eine Preisbildung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr vollzogen hat, gehört zur tatsächlichen Würdigung des Sachverhalts durch das Finanzgericht, an die der Bundesfinanzhof wie an die ebenfalls festgestellten Anknüpfungstatsachen grundsätzlich gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO). Die vom Finanzgericht aus den festgestellten Tatsachen gezogenen Schlüsse müssen dabei nicht zwingend, sondern nur möglich sein. Sie dürfen allerdings keine inneren Widersprüche aufweisen, lückenhaft oder unklar sein oder gegen die Denkgesetze oder gesichertes Erfahrungswissen verstoßen8.
Zwar ist das Finanzgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Substanzwert bei der Ableitung des gemeinen Werts aus Verkäufen zwischen fremden Dritten nicht die Untergrenze bildet9, es hat jedoch die Voraussetzungen für die Ableitung des gemeinen Werts aus den 63 Verkäufen von Geschäfts-anteilen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BewG unzutreffend bejaht.
Das Finanzgericht hat angenommen, dass die in Bezug genommenen 63 Verkaufsfälle im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen sind. Der aus den Verkäufen von Geschäftsanteilen in dem Zeitraum vom 05.12.2008 bis zum 27.11.2009 unter Abzug eines Marktwertabschlags von 20 % abgeleitete Wert der den Beigeladenen zu 1. bis 3. zugewendeten Geschäftsanteile entspreche dem gemeinen Wert der Anteile im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG. Zudem habe der Wirtschaftsprüfer der GmbH unwidersprochen ausgeführt, dass für die Kaufpreisermittlung im aktuellen Kapitalmarktumfeld ein Abschlag („Holding Discount“) von 20 % angemessen sei, weil der Holdingabschlag vergleichbarer Gesellschaften in den letzten drei Jahren durchschnittlich zwischen 20 % und 30 % betragen habe. Empirische Untersuchungen bei vergleichbaren, börsennotierten Holdinggesellschaften mit Einfluss ausübenden Familiengesellschaftern hätten ergeben, dass der Börsenwert dieser Gesellschaften regelmäßig unter dem „Net Asset Value“ liege. Die Gesellschafter und die Käufer hätten die von der Zentralabteilung Steuern ermittelten Werte ohne Zwang und freiwillig annehmen oder ablehnen können. Die GmbH habe die Verkaufspreise nach den Richtlinien nicht verbindlich vorgegeben. Dies ergebe sich schon aus der Regelung unter Ziff. VI. der Richtlinien, nach der für Verkäufe von Geschäftsanteilen „grundsätzlich“ der von der Zentralabteilung Steuern der GmbH ermittelte gemeine Wert im Sinne des § 11 BewG maßgebend sein sollte. Die Gesellschafter der GmbH seien mithin frei gewesen, von diesem lediglich „grundsätzlich“ maßgebenden Wert abzuweichen. Aus der von der GmbH mit ihrer Klagebegründung übersandten Anlage 2 ergebe sich zudem, dass ihre Gesellschafter in einer Vielzahl von Fällen tatsächlich von den von der Zentralabteilung Steuern ermittelten Werten abgewichen seien.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand, da die Feststellungen des Finanzgerichtes seine Schlussfolgerung nicht tragen und das Finanzgericht nicht alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat, die gegen eine Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr sprechen.
Das Finanzgericht hat bei seiner Würdigung der Umstände des Einzelfalls außer Betracht gelassen, dass nach Ziff. – II der Richtlinie bei der Veräußerung der Anteile in der Regel -wie die GmbH in der Klagebegründung erstinstanzlich vorgetragen hat- eine bestimmte Reihenfolge bei den Personen einzuhalten war, denen die Anteile zum Kauf angeboten wurden. Aufgrund der vorgegebenen Reihenfolge konnte sich ein frei ausgehandelter Preis, der auf Angebot und Nachfrage beruhte, nicht ohne Weiteres bilden. Dieses Vorgehen schließt es aus, dass sich bei mehreren Interessenten der Preis aufgrund der dann höheren Nachfrage erhöht und sich damit ein Preis in Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage bildet.
Darüber hinaus ist die tatsächliche Würdigung des Finanzgerichtes widersprüchlich. Es hat aus der Formulierung, dass den Verkäufen „grundsätzlich“ der von der Zentralabteilung Steuern der GmbH ermittelte Wert zugrunde zu legen ist, geschlossen, dass die verkaufswilligen Gesellschafter frei waren, hiervon abzuweichen. Wären die Gesellschafter bei der Preisbildung jedoch völlig frei gewesen, hätte es einer solchen Regelung in der Richtlinie, die nach der Satzung die Regeln für eine Zustimmung zum Verkauf bildete, nicht bedurft. Es lag in der Hand des beauftragten Gesellschafters, bei einer preislichen Abweichung von dem von der Zentralabteilung Steuern ermittelten Wert eine Ausnahme zuzulassen und die Zustimmung zu erteilen. Im gewöhnlichen Geschäftsverkehr von Anteilen an Personengesellschaften zwischen fremden Dritten existieren solche Preisbeschränkungen hingegen nicht.
Für eine grundsätzliche Beschränkung und gegen eine freie Preisbildung bei den in Bezug genommenen Verkaufsfällen spricht zudem, dass die Verkaufspreise innerhalb eines bestimmten Zeitraums, tatsächlich stets dieselben waren. Auch dies hat das Finanzgericht bei seiner Würdigung nicht berücksichtigt. Soweit das Finanzgericht darauf abstellt, dass in 27 Verkaufsfällen von dem Wert der Zentralabteilung Steuern des aktuellen Monats abgewichen wurde, tragen die Feststellungen des Finanzgerichtes nicht die Schlussfolgerung, die Preise seien deshalb frei ausgehandelt worden. Wie aus der Anlage 2 der Klagebegründung vor dem Finanzgericht abgeleitet werden kann, haben die zugrunde gelegten Werte in dem Großteil dieser Fälle der Höhe nach denen des Vormonats entsprochen. Es handelte sich somit gleichfalls um einen Wert, den die Zentralabteilung Steuern ermittelt hatte, und somit nicht um einen frei ausgehandelten Preis. Die Abweichung zum Wert des aktuellen Monats kann sich daher auch aus dem Auseinanderfallen zwischen Signing und Closing und nicht aus einem frei ausgehandelten Preis ergeben. In den übrigen Fällen fehlen die Angaben zum Vormonat, sodass auch bei diesen nicht auszuschließen ist, dass die Abweichung auf dem Auseinanderfallen von Signing und Closing beruht. Solche Beschränkungen bei der Preisbildung, die zu gleichen Preisen zwischen verschiedenen Käufern und Verkäufern führen, sind einem gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei Anteilen von Personengesellschaften, bei dem sich der Preis unter marktwirtschaftlichen Bedingungen bildet, in aller Regel fremd.
Eine Ableitung des gemeinen Werts aus den genannten Verkaufsfällen scheidet auch aufgrund des von der Zentralabteilung Steuern der GmbH vorgenommenen pauschalen Holdingabschlags in Höhe von 20 % aus. Bei dem vorgenommenen pauschalen Holdingabschlag handelt es sich um einen preisbildenden Faktor, der mit der Beschaffenheit der Anteile selbst nichts zu tun hat und daher auszuklammern ist. Wie der Bundesfinanzhof in ständiger Rechtsprechung für die Grundstücksbewertung entschieden hat, müssen die zur Ermittlung des gemeinen Werts (§ 9 Abs. 2 BewG) vorgenommenen Abschläge objektivierbar und wirtschaftsgutbezogen -also nach der Beschaffenheit des konkreten Wirtschaftsguts (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG)- begründet sein, und zwar nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Höhe10. In Bezug auf die Ermittlung des gemeinen Werts von Unternehmensanteilen ergibt sich insoweit kein Unterschied.
Der bei der Preisbildung der oben genannten Verkaufsfälle zugrunde gelegte pauschale Abschlag wurde ohne eine solche Berücksichtigung der konkreten Beschaffenheit des Wirtschaftsguts (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG) aus einer rein empirischen Ermittlung des Wirtschaftsprüfers der GmbH bei vergleichbaren Unternehmen abgeleitet, was auch dadurch belegt wird, dass der Abschlag im Zeitverlauf gleich geblieben ist. Ein solcher gleichbleibender Holding- oder Konglomeratsabschlag ist im gewöhnlichen Geschäftsverkehr -anders als die GmbH und das Finanzgericht meinen- gerade nicht festzustellen. Ein Holdingabschlag bei börsennotierten Gesellschaften unterliegt ständigen Veränderungen, da er sich lediglich rechnerisch aus der Differenz zwischen Marktkapitalisierung und dem jeweiligen „Net Asset Value“ ergibt, wie auch der von der GmbH in Bezug genommene LPX Europe NAV P/D-Index im Zeitreihenverlauf belegt. Tatsächliche Änderungen bei den wertmindernden Positionen, wie beispielsweise bei den nicht in der Nettofinanzverschuldung enthaltenen finanziellen Verpflichtungen, die -wie vom Finanzgericht angenommen- einen Holdingabschlag abbilden sollen, müssten daher im Zeitverlauf zu einer Änderung der Höhe des Abschlags führen. Ein Marktwertabschlag kann zudem nicht in allen Fällen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr festgestellt werden. So sind Mischkonzerne, wie es die GmbH ist, gerichtbekannt, bei denen die Marktkapitalisierung den „Net Asset Value“ übersteigt. Es ist daher auch nicht auszuschließen, dass es sich beim sogenannten Marktwert- oder Konglomeratsabschlag um ein bloßes Kapitalmarktphänomen handelt, der zur Unterbewertung des jeweiligen Unternehmens führt11 und gerade nicht den gemeinen Wert der Anteile wiedergibt.
Zudem kann nicht ausgeschlossen werden, dass mit dem pauschalierten und gleichbleibenden Abschlag entgegen § 9 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 BewG auch persönliche Verfügungsbeschränkungen mit abgegolten wurden. Wie vom Finanzgericht festgestellt, sollte mit dem Abschlag unter anderem die beschränkte Handelbarkeit der Anteile an der GmbH erfasst werden. Die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Verfügungsbeschränkungen für die Übertragung der Geschäftsanteile zählen zu den persönlichen Verhältnissen, die bei der Wertermittlung nicht zu berücksichtigen sind12.
Nach den vorgenannten Grundsätzen war die Vorentscheidung aufzuheben.
Der BFH kann auf Basis der Feststellungen des Finanzgerichtes in der Sache selbst entscheiden. Die Feststellung des Werts der Anteile an der GmbH in Höhe von 510 % ihres Nennwerts unter Zugrundelegung des von der Zentralabteilung Steuern der GmbH ermittelten „Net Asset Value“ im Feststellungsbescheid vom 06.12.2013 ist rechtmäßig.
Ein Ansatz der Anteile an der GmbH durch Ableitung des gemeinen Werts aus zeitnahen Verkäufen unter fremden Dritten aus den in Bezug genommenen 63 Verkaufsfällen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 BewG kommt aus den unter II. 2. dargestellten Gründen nicht in Betracht. Deshalb kann im Streitfall dahinstehen, ob die in Bezug genommenen Verkaufsfälle zwischen fremden Dritten erfolgten.
Der von der Kommission gebildete „Net Asset Value“ entspricht -unter den Beteiligten unstreitig- den Grundsätzen des § 11 Abs. 2 BewG und kann daher angesetzt werden. Der „Net Asset Value“ ist dem Grunde nach nichts anderes als ein Substanzwert13. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der so gebildete Wert nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 2 BewG entspräche, sei es, dass es sich dabei um einen Wert nach einer anderen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr üblichen Methode handelt oder um den nach § 11 Abs 2 Satz 3 BewG ermittelten Substanzwert, der jedenfalls die Untergrenze des nach § 11 Abs 2 Satz 2 Alternative 2 BewG anzusetzenden Werts bildet.
Ob ein Abschlag bei der Ermittlung des Substanzwerts als Mindestwert überhaupt zulässig ist, kann ebenfalls dahinstehen. Der Abzug eines pauschalen Abschlags ohne Anknüpfung an die konkrete Beschaffenheit des Wirtschaftsguts ist jedenfalls nicht möglich. Wie vom Finanzgericht festgestellt wurde, beruht der Abschlag auf empirischen Ermittlungen des Wirtschaftsprüfers der GmbH und damit nicht auf einer am konkreten Unternehmen orientierten Bewertung.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 25. September 2024 – II R 49/22
- FG Düsseldorf, Urteil vom 02.11.2022 – 4 K 1832/20 F, EFG 2023, 179[↩]
- BFH, Urteil vom 26.07.2023 – II R 35/21, BFHE 281, 131, BStBl II 2024, 118, Rz 15, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 22.01.2009 – II R 43/07, BFHE 224, 272, BStBl II 2009, 444, unter II. 1.a, m.w.N.[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 14.10.2020 – II R 7/18, BFHE 271, 190, BStBl II 2021, 665, Rz 28, m.w.N.[↩]
- Knittel in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 9 BewG Rz 106[↩][↩]
- BFH, Urteil vom 14.07.2009 – IX R 6/09, BFH/NV 2010, 397, unter II. 1.a, m.w.N.[↩]
- Daragan in Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG, BewG, 4. Aufl., § 9 BewG Rz 27; Knittel in Stenger/Loose, Bewertungsrecht, § 9 BewG Rz 108[↩]
- BFH, Urteil vom 16.09.2015 – X R 43/12, BFHE 251, 37, BStBl II 2016, 48, Rz 40, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 25.09.2024 – II R 15/21, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 15.03.2017 – II R 10/15, BFH/NV 2017, 1153, Rz 18, m.w.N.[↩]
- vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.07.2007 – 20 W 5/06, Rz 54, m.w.N.[↩]
- ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urteile vom 19.12.2007 – II R 22/06, BFH/NV 2008, 962, unter II. 2.a, m.w.N.; vom 12.07.2005 – II R 8/04, BFHE 210, 474, BStBl II 2005, 845, unter II. 2.[↩]
- Creutzmann in Zwirner/Petersen, Handbuch Unternehmensbewertung, Kap. C. 10., Rz 20[↩]
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