Bodenrichtwerte sind für die Bestimmung des Bodenwerts geeignet, wenn sie für eine Bodenrichtwertzone ermittelt sind, in der das Grundstück liegt. Sind für ein Anliegergrundstück ein Straßen- und ein Platzwert anwendbar, ist im Rahmen einer Einzelbewertung zu entscheiden, in welchem Umfang das Grundstück jeweils dem Straßen- und dem Platzwert zuzuordnen ist.

Nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG sind gesondert festzustellen (§ 179 AO) Grundbesitzwerte (§§ 138, 157 BewG), wenn die Werte für die Erbschaftsteuer von Bedeutung sind. Für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens sind nach § 157 Abs. 3 Satz 1 BewG die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 176 bis 198 BewG zu ermitteln. Mietwohngrundstücke i.S. des § 181 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 BewG werden nach § 182 Abs. 3 Nr. 1 BewG im Ertragswertverfahren (§§ 184 bis 188 BewG) bewertet. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit am Bewertungsstichtag niedriger ist als der nach den §§ 179, 182 bis 196 BewG ermittelte Wert, so ist dieser Wert anzusetzen (§ 198 Satz 1 BewG). Für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts gelten grundsätzlich die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften (§ 198 Satz 2 BewG). Der Steuerpflichtige trägt insoweit die Nachweislast [1].
Werden für die Ermittlung des Bodenwerts des Grundstücks im Gutachten mehrere durch den örtlichen Gutachterausschuss veröffentlichte Bodenrichtwerte herangezogen, ist von diesen für das Grundstück ermittelten Bodenrichtwerten auszugehen. Einseitig herangezogen kann weder nur der für die Straßenseite der S-Straße ermittelte Wert (hier: 5.500 €/qm bei GFZ von 4,5) noch der für einen anderen Straßenabschnitt der S‑Straße (Mischgebiet „M2“) und eine andere Bodenrichtwertzone ermittelte Bodenrichtwert (hier: 900 €/qm bei GFZ von 3,0).
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 WertV sind zur Ermittlung des Verkehrswerts das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren, das Sachwertverfahren oder mehrere dieser Verfahren heranzuziehen. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens ist der Wert der baulichen Anlagen, insbesondere der Gebäude, getrennt von dem Bodenwert auf der Grundlage des Ertrags nach den §§ 16 bis 19 WertV zu ermitteln (§ 15 Abs. 1 WertV). Der Bodenwert ist in der Regel im Vergleichswertverfahren (§§ 13 und 14 WertV) zu ermitteln. Bei Anwendung des Vergleichswertverfahrens sind Kaufpreise solcher Grundstücke heranzuziehen, die hinsichtlich der ihren Wert beeinflussenden Merkmale (§§ 4 und 5 WertV) mit dem zu bewertenden Grundstück hinreichend übereinstimmen (Vergleichsgrundstücke). Finden sich in dem Gebiet, in dem das Grundstück gelegen ist, nicht genügend Kaufpreise, können auch Vergleichsgrundstücke aus vergleichbaren Gebieten herangezogen werden (§ 13 Abs. 1 WertV). Zur Ermittlung des Bodenwerts können neben oder anstelle von Preisen für Vergleichsgrundstücke auch geeignete Bodenrichtwerte herangezogen werden. Bodenrichtwerte sind geeignet, wenn sie entsprechend den örtlichen Verhältnissen unter Berücksichtigung von Lage und Entwicklungszustand gegliedert und nach Art und Maß der baulichen Nutzung, Erschließungszustand und jeweils vorherrschender Grundstücksgestalt hinreichend bestimmt sind (§ 13 Abs. 2 WertV). Bodenrichtwerte sind überdies geeignet, wenn sie für eine Bodenrichtwertzone ermittelt sind, in der das Grundstück liegt. Dann kann davon ausgegangen werden, dass das Grundstück nach seinen tatsächlichen Eigenschaften und rechtlichen Gegebenheiten, aufgrund gleicher Struktur und Lage im Zeitpunkt der Bodenrichtwertermittlung ein annähernd gleiches Preisniveau aufweist wie die Grundstücke, deren Lagewert für die Bestimmung des Bodenrichtwerts in dieser Zone herangezogen wurde.
Im hier entschiedenen Streitfall sind grundsätzlich zwei Bodenrichtwerte für die Ableitung des Bodenwerts geeignet. Da das betreffende Grundstück teils an der Straßenseite der S‑Straße liegt und teils von dort in die Tiefe verläuft, ist zum einen der für die S‑Straße ermittelte Bodenrichtwert von 5.500 €/qm und einer GFZ von 4, 5 einschlägig. Dieser gilt nur für den Teil des Grundstücks, der direkt an der S‑Straße liegt (Straßenwert). Nach den Begriffsbestimmungen, die bei den hier maßgeblichen Bodenrichtwerten verwendet wurden, werden Straßenzüge mit vorhandenen Straßenwerten symbolhaft als Band dargestellt. Ein Rückschluss aus Breite bzw. Durchmesser der Symbole auf eine allgemein zu unterstellende Grundstückstiefe ist fachlich unzulässig. Zum anderen ist der für die Adresse des Grundstücks unter der Bodenrichtwert-Nr. 2106 ermittelte Bodenrichtwert von 500 €/qm und einer GFZ von 2, 0 (Platzwert) anwendbar. In welchem Umfang das Anliegergrundstück jeweils dem Straßen- oder Platzwert zuzuordnen ist, ist im Rahmen einer Einzelbewertung (vgl. § 194 BauGB) zu entscheiden.
Hinsichtlich der für die steuerrechtliche Bewertung maßgebenden Liegenschaftszinssätze bestimmt § 188 Abs. 2 Satz 1 BewG, dass die von den Gutachterausschüssen i.S. der §§ 192 ff. BauGB ermittelten örtlichen Liegenschaftszinssätze anzuwenden sind. Die Anwendung von Liegenschaftszinssätzen für die Bewertung von Grundstücken für Zwecke der Erbschaftsteuer setzt weiter voraus, dass sie für den Bewertungsstichtag (§ 11 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes) ermittelt werden. Auf den Zeitpunkt der Beschlussfassung oder der Veröffentlichung der Liegenschaftszinssätze durch den Gutachterausschuss kommt es für ihre zeitliche Anwendung hingegen nicht an. Sind zum Zeitpunkt der Feststellung des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer den Finanzbehörden keine geeigneten Liegenschaftszinssätze mitgeteilt worden ‑etwa weil die durch den Gutachterausschuss berechneten und den Finanzbehörden übermittelten Liegenschaftszinssätze nicht den Wertermittlungsstichtag umfassen‑, sind die gesetzlichen Liegenschaftszinssätze nach § 188 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 bis 4 BewG heranzuziehen [2].
Nach § 188 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BewG ist für gemischt genutzte Grundstücke mit einem gewerblichen Anteil von bis zu 50 %, berechnet nach der Wohn- und Nutzfläche, ein Liegenschaftszinssatz von 5, 5 % anwendbar. Im Streitfall beträgt danach der Liegenschaftszinssatz 5, 5 %, da sich der gewerbliche Anteil (Nutzfläche) des Grundstücks auf 13 % beläuft. Von dem örtlichen Gutachterausschuss stehen für den Bewertungsstichtag 01.06.2009 keine geeigneten Liegenschaftszinssätze zur Verfügung. Die Liegenschaftszinssätze 2012 sind nicht für eine Wertermittlung zum 01.06.2009 anzuwenden. Zwar wurden ihrer Ermittlung Kaufverträge aus den Jahren 2007 bis 2011 mit unterschiedlichen Liegenschaftszinssätzen für 2007 und 2011 einerseits sowie 2008 bis 2010 andererseits zu Grunde gelegt. Bei der Ableitung der Liegenschaftszinssätze 2012 orientierte sich der Gutachterausschuss jedoch an den Vorgaben der ImmoWertV [3]. Für die Ermittlung zum Stichtag 01.06.2009 sind jedoch die Vorgaben der bis 30.06.2010 gültigen WertV maßgebend.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. September 2020 – II R 1/18
- vgl. BFH, Urteil vom 24.10.2017 – II R 40/15, BFHE 260, 80, BStBl II 2019, 21, Rz 11, m.w.N., zu der für die Bewertung von Grundbesitz bis 31.12.2008 geltenden, entsprechenden Vorschrift des § 138 Abs. 4 Satz 1 BewG[↩]
- BFH, Urteil vom 18.09.2019 – II R 13/16, BFHE 266, 51, Rz 20 f.[↩]
- vgl. BFH in BFHE 266, 51, Rz 2[↩]
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