Erwirbt ein inländischer Erbe nach italienischem Erbrecht, entsteht inländische Erbschaftsteuer mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der nach italienischem Recht notwendigen Annahme der Erbschaft durch den Erben.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer der Erwerb von Todes wegen. Dazu gehört gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall i.S. von § 1922 BGB. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Der Erbfall kann auf gesetzlicher (§§ 1924 bis 1936 BGB) oder gewillkürter Erbfolge (§ 1937 BGB) beruhen. Nach § 1942 Abs. 1 BGB geht die Erbschaft auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechts über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft). Der durch Ausschlagung bewirkte Anfall an den Nächstberufenen gilt als mit dem Erbfall erfolgt (§ 1953 Abs. 2 BGB).
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall (unbeschränkte Steuerpflicht) in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG ein, wenn u.a. der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ein Inländer ist. Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG u.a. natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.
Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich mit dem Tode des Erblassers, jedoch für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung Bedachten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 ErbStG mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung.
Der Begriff der „Bedingung“ in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 ErbStG knüpft an den zivilrechtlichen Begriff der Bedingung in § 158 Abs. 1 BGB an1. Bedingung i.S. des § 158 Abs. 1 BGB ist die einem Rechtsgeschäft beigefügte Bestimmung, dass dessen Wirkungen von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängen2. Ob in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 ErbStG eine Beschränkung auf Bedingungen geboten ist, die der Erblasser gesetzt hat3, bedarf hier keiner Entscheidung.
Wird ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung vorgenommen, tritt nach § 158 Abs. 1 BGB die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ex nunc ein. Der Eintritt der Bedingung hat keine rückwirkende Kraft ex tunc4. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt5. Die Parteien können nur schuldrechtlich nach § 159 BGB die Folgen des Bedingungseintritts auf einen früheren Zeitpunkt zurückbeziehen6.
Vollzieht sich ein Erwerb von Todes wegen nach ausländischem Zivilrecht, kann er im Inland der Erbschaftsteuer unterliegen, soweit der Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem durch das ErbStG erfassten Erwerb gleichkommt7.
Soweit das ErbStG auf Rechtsfiguren des Erbrechts Bezug nimmt, ist im Falle eines ausländischen Erbstatuts dessen Bedeutungsgehalt maßgebend. Entsprechen die Institutionen des ausländischen Erbrechts nicht denen des deutschen Erbrechts, ist anhand des deutschen Rechts zu prüfen, ob und welche Bedeutung den ausländischen Rechtsvorgängen bei der deutschen Besteuerung beizulegen ist. Maßgebend ist nicht die formale Gestaltung des ausländischen Rechts. Vielmehr müssen sowohl die Rechtsfolgen als auch das wirtschaftliche Ergebnis dem inländischen Tatbestand entsprechen. Stellt das deutsche bürgerliche Recht für das wirtschaftliche Ergebnis des nach ausländischem Recht verwirklichten Sachverhalts mehrere Strukturen zur Verfügung, greift die mildere Besteuerung8.
In die rechtsvergleichende Qualifikation sind die Rechtsfolgen von Vorschriften einzubeziehen. Diese bestimmen den rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt eines Rechtsinstituts. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rechtsvorschrift allein sagen über Inhalt und Bedeutung der Vorschrift nichts aus9. Das BFH-Urteil vom 08.06.198810 hat diese Prüfungsmaßstäbe nicht geändert. Soweit der Bundesfinanzhof dort möglicherweise missverständlich geäußert hat, in dem ausländischen Sachverhalt müssten die „Voraussetzungen“ des inländischen Rechtsinstituts (z.B. für eine aufschiebende Bedingung) erfüllt sein, waren damit nicht allein die tatbestandlichen Voraussetzungen, sondern alle gesetzlichen Merkmale der Vorschrift einschließlich der Rechtsfolgen gemeint, denn der Bundesfinanzhof hatte zugleich die wirtschaftliche Bedeutung des ausländischen Rechtsinstituts weiterhin für maßgebend erachtet.
Diese allgemeinen rechtsvergleichenden Grundsätze gelten nicht nur für den Erwerbstatbestand selbst, sondern auch für die Bestimmung des Steuerentstehungszeitpunkts und die Beantwortung der damit zusammenhängenden Frage, ob ein Rechtsinstitut des ausländischen Rechts einer aufschiebenden Bedingung i.S. des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 ErbStG entspricht. Entscheidend ist demnach, ob die Rechtsfolgen und das wirtschaftliche Ergebnis dieses Rechtsinstituts denen der aufschiebenden Bedingung nach deutschem Recht entsprechen. Die rechtsvergleichende Betrachtung kann damit nicht auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Bedingung nach § 158 Abs. 1 BGB beschränkt werden.
Revisionsrechtlich ist für die rechtsvergleichende Qualifikation zu differenzieren. Nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 ZPO ist es Aufgabe des Finanzgericht als Tatsacheninstanz, das maßgebende ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln11. Die Feststellungen über Bestehen und Inhalt des ausländischen Rechts sind nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 560 ZPO grundsätzlich bindend und revisionsrechtlich wie Tatsachen zu behandeln12. Hingegen besteht keine revisionsrechtliche Bindung hinsichtlich der Frage, ob das vom Finanzgericht festgestellte ausländische Recht im Einzelfall mit dem inländischen Recht vergleichbar ist. Dies ist eine auf den Inhalt des ausländischen Rechts und damit auf die Feststellungen des Finanzgericht gestützte Rechtsanwendung.
Für den Erwerb eines Erben nach italienischem Erbrecht entsteht inländische Erbschaftsteuer mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der Annahme durch den Erben. Der Bundesfinanzhof kann für diese Beurteilung Text und Inhalt der maßgebenden Vorschriften des CC zugrunde legen. Die diesbezüglichen Feststellungen des Finanzgericht reichen aus und sind für sich genommen auch nicht angegriffen.
Der Erbschaftserwerb nach Art. 456 ff. CC ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG steuerbar. Er ist als Erbanfall i.S. des § 1922 BGB zu qualifizieren.
Der Erwerb aufgrund eines ausländischen Erbstatuts kann dem Anfall der Erbschaft nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB entsprechen, wenn nach dem maßgebenden ausländischen Recht der Tod einer Person unmittelbar kraft Gesetzes zu einer Gesamtrechtsnachfolge in ihr Vermögen führt. Auf Unterschiede im Detail kommt es nicht an13. Erbanfall kann aber auch ein Erwerb sein, dessen Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen bedarf, so wie es im deutschen Recht beim Erwerb des testamentarischen, des durch Ausschlagung berufenen sowie des Erbvertragserben der Fall ist (§§ 1937, 1953, 1941 BGB).
Nach diesen Maßstäben tritt bei einem Erbfall nach italienischem Erbrecht mit der Annahme ein Erwerb durch Erbanfall i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 ErbStG ein. Es handelt sich um eine vergleichbare Vermögensnachfolge. Gemäß Art. 456 CC wird die Erbfolge im Zeitpunkt des Todes am Ort des letzten Domizils des Verstorbenen eröffnet. Nach Art. 457 CC erfolgt die Berufung zur Erbschaft durch Gesetz oder durch Testament, nach Art. 459 CC der Erwerb der Erbschaft durch Annahme. Zwar kann wegen der Annahmebedürftigkeit der Erwerb im italienischen Erbrecht nicht allein kraft Gesetzes stattfinden. Die Annahme bewirkt jedoch auch keinen Erwerb allein kraft Rechtsgeschäfts, sondern stellt nur ein neben andere Erwerbsvoraussetzungen tretendes rechtsgeschäftliches Element dar.
Entstehungszeitpunkt der Steuer ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Tod des Erblassers. Die Annahme der Erbschaft nach italienischem Recht ist nicht als aufschiebende Bedingung entsprechend § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alternative 1 ErbStG i.V.m. § 158 Abs. 1 BGB zu qualifizieren, sondern als rückwirkendes Ereignis entsprechend § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung.
Es ist rechtliches und wirtschaftliches Wesensmerkmal der Bedingung, dass das bedingte Rechtsgeschäft seine Wirkung erst mit Eintritt der Bedingung ex nunc entfaltet. Im Falle der aufschiebend bedingten Erbeinsetzung wird der Erbe erst mit Eintritt der Bedingung ex nunc Eigentümer des Nachlasses. Hierin liegt der innere Grund für den Aufschub der Steuerentstehung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG14.
Die Erbschaftsannahme nach Art. 459 CC ist der Bedingung rechtlich und wirtschaftlich nicht vergleichbar. Die Erbschaft wird zwar erst mit der Annahmeerklärung erworben, sie wirkt aber nach Art. 459 Satz 2 CC ex tunc auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge zurück. Materiell-rechtlich fällt die Erbschaft daher mit dem Zeitpunkt des Erbfalls an.
Dieses Ergebnis lässt keine Wertungswidersprüche erkennen.
Allein der Umstand, dass wie im Falle der Bedingung ein Schwebezustand existiert, bewirkt keine Vergleichbarkeit. Entscheidend ist, dass die Beendigung des Schwebezustands unterschiedliche Rechtswirkungen zeitigt – im Falle der Bedingung allein für die Zukunft, im Falle der Annahmeerklärung rückwirkend auch für die Schwebephase.
Unerheblich ist, dass eine zivilrechtliche Rückwirkung an einem tatsächlichen Geschehensablauf nichts ändert und deshalb für eine an den realen Sachverhalt anknüpfende Besteuerung keine Bedeutung hat15, denn die Besteuerung des Erbanfalls knüpft an einen Rechtsvorgang an.
Für den Streitfall ist schließlich die Frage nicht entscheidend, ob nach italienischem Erbrecht eine Annahme mit Wirkung für einen bereits Verstorbenen erklärt werden könnte. Auch nach deutschem Recht kann im Übrigen der Erbe nach § 1952 Abs. 2 BGB die Erbschaft ausschlagen und so dem Erben nach dessen Tode die Erbschaft entziehen.
Der Grundsatz, dass bei mehreren zur Verfügung stehenden Strukturen des deutschen Rechts die mildere Besteuerung gelten müsse, ändert an dieser Beurteilung nichts. Der Erbschaftserwerb durch Annahme nach italienischem Recht lässt sich nicht wahlweise als bedingter oder unbedingter Erwerb qualifizieren, sondern ist eindeutig kein bedingter Erwerb.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 17. November 2021 – II R 39/19
- BFH, Urteil vom 22.01.2020 – II R 41/17, BFHE 267, 460, BStBl II 2020, 459, Rz 28[↩]
- BFH, Urteil vom 06.05.2020 – II R 11/19, BFHE 269, 424, BStBl II 2020, 746, Rz 14[↩]
- so RFH, Urteil vom 02.12.1930 – I e A 395/397/30, RStBl 1931, 122, 123[↩]
- BGH, Urteil vom 21.05.1953 – IV ZR 192/52, BGHZ 10, 69, unter II. 1.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 269, 424, BStBl II 2020, 746, Rz 14[↩]
- Staudinger/Bork (2020) BGB § 159 Rz 6; Erman/Armbrüster, BGB, 16. Aufl., § 159 Rz 1; MünchKomm-BGB/Westermann, 8. Aufl., § 159 Rz 1; Armgardt in: jurisPK-BGB, Aufl.2020, § 159 BGB Rz 8[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 04.07.2012 – II R 38/10, BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782, Rz 20 bis 23[↩]
- vgl. RFH, Urteil in RStBl 1931, 122; BFH, Urteil in BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782, Rz 23, 28[↩]
- vgl. bereits BFH, Urteile vom 15.05.1964 – II 177/61 U, BFHE 79, 481, BStBl III 1964, 408, sowie vom 07.05.1986 – II R 137/79, BFHE 147, 70, BStBl II 1986, 615, jeweils zur Rechtsstellung eines ausländischen Vermögensverwalters im Vergleich zum Testamentsvollstrecker[↩]
- BFH, Urteil vom 08.06.1988 – II R 243/82, BFHE 153, 422, BStBl II 1988, 808[↩]
- vgl. etwa BFH, Urteile vom 22.03.2018 – X R 5/16, BFHE 261, 132, BStBl II 2018, 651, Rz 22; und vom 27.03.2019 – I R 33/16, BFH/NV 2020, 201, Rz 53[↩]
- vgl. im Einzelnen BFH, Urteil in BFHE 261, 132, BStBl II 2018, 651, Rz 23[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782, Rz 29 f.[↩]
- RFH, Urteil vom 24.09.1935 – III e A 37/35, RFHE 38, 225, 231[↩]
- vgl. dazu BFH, Urteil vom 27.04.2005 – II R 52/02, BFHE 210, 507, BStBl II 2005, 892, unter II. 3.a[↩]