Die Rechtsfrage, ob die Ungleichbehandlung von nichtehelichen Lebensgemeinschaften einerseits und Ehen bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaften andererseits im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz gegen das Grundgesetz, gegen Europäisches Vertragsrecht oder gegen internationales Recht verstößt, ist bereits durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt.

Danach ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der überlebende Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft erbschaftsteuerrechtlich nicht wie ein Ehegatte oder eingetragener Lebenspartner in Steuerklasse I fällt und ihm auch kein Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 und § 17 Abs. 1 ErbStG zusteht1.
Abs. 1 GG ist nicht verletzt, weil die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht unter diese Verfassungsvorschrift fallen2.
Abs. 1 GG gebietet keine Gleichbehandlung zwischen Ehen und eingetragenen Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz (LPartG) einerseits und nichtehelichen Lebensgemeinschaften andererseits. Die erbschaftsteuerrechtliche Ungleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern war mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, denn eingetragene Lebenspartner wie Ehegatten leben in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft mit rechtlich verbindlicher Verantwortung für den Partner3. Eine solche rechtlich verfestigte, zur erbschaftsteuerrechtlichen Gleichbehandlung mit Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern zwingende Partnerschaft besteht zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht4. Während Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind und füreinander Verantwortung tragen (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches -BGB-) und Lebenspartner einander zu Fürsorge und Unterstützung sowie zur gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet sind und füreinander Verantwortung tragen (§ 2 LPartG), gibt es zwischen Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft keine vergleichbare Verpflichtung. Anders als Ehegatten (§§ 1360 bis 1361, §§ 1569 bis 1586b BGB), Lebenspartner (§§ 5, 12 und 16 LPartG) und Verwandte in gerader Linie (§§ 1601 ff. BGB) sind sie einander auch nicht zum Unterhalt verpflichtet5.
Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft können auch nicht unter Hinweis auf Art. 1, Art. 4, Art. 14, Art.19 und Art.20 Abs. 3 GG eine erbschaftsteuerrechtliche Gleichstellung mit Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern verlangen. Die allgemeine Handlungsfreiheit und die Persönlichkeitsfreiheit werden durch die erbschaftsteuerrechtlichen Vorschriften nicht berührt. Sie sind -wie ausgeführt- lediglich Folge der freien Entscheidung der Lebenspartner, ob sie ihrer Partnerschaft den rechtlichen Rahmen einer Ehe bzw. einer eingetragenen Lebenspartnerschaft geben wollen. Sie wirken jedoch nicht unmittelbar auf diese persönliche Entscheidung ein.
Die unterschiedliche Behandlung des überlebenden Partners einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft einerseits und Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern andererseits verstößt auch nicht gegen die in Art. 63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) geregelte Kapitalverkehrsfreiheit.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union handelt es sich bei Erbschaften, mit denen das Vermögen eines Erblassers auf eine oder mehrere Personen übergeht, zwar um Kapitalverkehr i.S. von Art. 63 AEUV6. Die Regelung eines Mitgliedstaats, nach der die Anwendung einer Steuervergünstigung im Erbrecht, beispielsweise ein Freibetrag auf die Bemessungsgrundlage; vom Wohnsitz des Erblassers und des Erwerbers oder der Belegenheit des zum Nachlass gehörenden Vermögens abhängig gemacht wird, stellt eine durch Art. 63 Abs. 1 AEUV verbotene Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, wenn sie dazu führt, dass Erwerbe von Todes wegen, an denen Gebietsfremde beteiligt oder von denen Vermögensgegenstände in einem anderen Mitgliedstaat erfasst sind, einer höheren Besteuerung unterliegen als Erwerbe, an denen nur Gebietsansässige beteiligt oder von denen nur Vermögensgegenstände im Mitgliedstaat der Besteuerung erfasst sind, und daher eine Wertminderung des Nachlasses bewirkt7.
Diese Voraussetzungen sah der Bundesfinanzhof im hier entschiedenen Streitfall nicht als erfüllt: Die nationalen Regelungen differenzieren nicht nach dem grenzüberschreitenden Bezug. Die höhere Besteuerung der Klägerin beruht nicht auf dem Umstand, dass ein Teil des steuerpflichtigen Erwerbs aus dem Miteigentumsanteil an dem Haus in Frankreich besteht, sondern darauf, dass sie mit dem Erblasser nicht verheiratet war und infolgedessen die für Ehegatten vorgesehenen Freibeträge nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 und § 17 Abs. 1 ErbStG nicht gewährt werden können. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die nichteheliche Lebensgemeinschaft in Frankreich mit weitergehenden Verpflichtungen als in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) verbunden ist, weil die unterschiedlichen Freibeträge bei der Erbschaftsteuer -wie dargelegt- in der unterschiedlichen Rechtslage für nichteheliche Lebensgemeinschaften einerseits und Ehen bzw. eingetragenen Lebenspartnerschaften andererseits in Deutschland begründet sind.
Ebenfalls bereits entschieden ist die Frage, ob sich die Klägerin wegen der Ungleichbehandlung auf eine Verletzung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh) berufen kann. Die EUGrdRCh gilt nach ihrem Art. 51 Abs. 1 Satz 1 nämlich nur für die Organe und Einrichtungen der Europäischen Union und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Europäischen Union8. Da es sich beim Erbschaftsteuerrecht nicht um Unionsrecht, sondern um rein nationales Recht handelt, scheidet eine Anwendung der EUGrdRCh aus.
Schließlich ist auch höchstrichterlich geklärt, dass die Ungleichbehandlung zwischen Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnern einerseits und Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft andererseits nicht gegen das Diskriminierungsverbot in Art. 14 EMRK und das Recht auf Eigentum (Art. 1 Zusatzprotokoll zur EMRK) wegen drohender hoher Erbschaftsbesteuerung verstößt9.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 30. August 2016 – II B 100/15
- BVerfG, Beschlüsse vom 01.06.1983 – 1 BvR 107/83, BStBl II 1984, 172; vom 15.11.1989 – 1 BvR 171/89, BStBl II 1990, 103; vom 15.05.1990 – 2 BvR 592/90, BStBl II 1990, 764; BFH, Beschluss vom 27.10.1982 – II B 77/81, BFHE 137, 76, BStBl II 1983, 114[↩]
- BFH, Beschluss in BFHE 137, 76, BStBl II 1983, 114, m.w.N.[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 21.07.2010 – 1 BvR 611/07 u.a., BVerfGE 126, 400[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 24.04.2013 – II R 65/11, BFHE 240, 404, BStBl II 2013, 633, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFHE 240, 404, BStBl II 2013, 633, zu Lebensgemeinschaften unter Geschwistern[↩]
- EuGH, Urteil Halley vom 15.09.2011 – C-132/10, EU:C:2011:586, Rz 19[↩]
- EuGH, Urteil Feilen vom 30.06.2016 – C-123/15, EU:C:2016:496, Rz 19[↩]
- BFH, Urteil vom 19.06.2013 – II R 10/12, BFHE 241, 402, BStBl II 2013, 746, Rz 27, m.w.N.[↩]
- vgl. EGMR, Urteil vom 29.04.2008 – 13378/05, NJW-RR 2009, 1606[↩]