Eine aufschiebend bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten. Der Kapitalwert von lebenslänglichen Leistungen wird mit dem bei Bedingungseintritt geltenden Vervielfältiger berechnet. Eine Abzinsung der aufschiebend bedingten Last für die Schwebezeit zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt findet nicht statt.

In dem hier vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall übertrag der zwischenzeitlich verstorbene O (Schenker) im Jahr 2004 seinen Kommanditanteil an einer GmbH & Co. KG im Wege der Schenkung auf seine Tochter, behielt sich aber ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an dem Kommanditanteil bis zu seinem Tod vor. Nach seinem Tod war die beschenkte Tochter verpflichtet, an ihre im Dezember 1937 geborene Mutter, die Ehefrau und Alleinerbin des Schenkers, zu Lasten des Kommanditanteils einen monatlichen, wertgesicherten Betrag in Höhe von 4.000 € zu zahlen. Der Schenker übernahm die Schenkungsteuer. Das Finanzamt setzte die Schenkungsteuer gegenüber dem Schenker zuletzt mit Bescheid vom 31.03.2010 fest, in dem die der Erbin gegenüber bestehende Rentenzahlungsverpflichtung nicht in Ansatz gebracht wurde. Nach dem Tod des Schenkers im Januar 2016 beantragte die Erbin als Gesamtrechtsnachfolgerin, die Schenkungsteuerfestsetzung vom 31.03.2010 anzupassen und die von der Beschenkten an sie zu entrichtende Rentenlast nunmehr steuermindernd zu berücksichtigen. Bei einem Jahreswert in Höhe von 48.000 € und einem am Todestag des Schenkers aufgrund ihres Lebensalters von 78 Jahren anzusetzenden Vervielfältiger von 8, 034 bezifferte sie den zu berücksichtigenden Kapitalwert der Rentenlast mit 385.632 €.
In seinem Änderungsbescheid berücksichtigte das Finanzamt die Rentenlast jedoch nur mit einem Betrag in Höhe von 213.100 €, da nach seiner Auffassung der auf den Todestag des Schenkers im Januar 2016 zu berechnende Kapitalwert auf den Zeitpunkt der gemischten Schenkung, dem 23.12.2004, abzuzinsen sei. Dadurch werde der Zinsvorteil abgegolten, den die Beschenkte durch die erst später mit Bedingungseintritt (Tod des Schenkers im Januar 2016) beginnende Belastung mit der Schuld habe.
Das Finanzgericht Münster wies die Klage der Erbin ab1; der Wert der Rentenlast sei auf den Tag des Bedingungseintritts (Tod des Schenkers) zu ermitteln und nach § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen. Soweit bei der rentenberechtigten Erbin der schenkungsteuerliche Erwerb mit einem Wert von 385.632 € der Besteuerung unterworfen worden sei, sei ihr Hinweis auf das Korrespondenzprinzip wegen der unterschiedlichen Stichtage nicht zielführend. Die hiergegen gerichtete Revision der Erbin war vor dem Bundesfinanzhof erfolgreich:
Der Wert der Rentenverbindlichkeit der Beschenkten ist bei der Anpassung der Schenkungsteuerfestsetzung mit dem zum Zeitpunkt des Bedingungseintritts geltenden Vervielfältiger zu ermitteln. Eine Abzinsung hat nicht zu erfolgen.
Maßgebender Zeitpunkt für die Berechnung des Kapitalwerts einer aufschiebend bedingten Belastung ist der Bedingungseintritt.
Bei einer Schenkung gilt als steuerpflichtiger Erwerb grundsätzlich die Bereicherung des Bedachten (§ 1 Abs. 2 i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes -ErbStG-). Gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 BewG werden Lasten, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs nicht berücksichtigt.
Mit dem Ausdruck „Bedingung“ knüpft § 6 Abs. 1 BewG an das Bürgerliche Recht an. Bedingung ist danach die einem Rechtsgeschäft beigefügte Bestimmung, dass die Wirkungen des Rechtsgeschäfts von einem zukünftigen, ungewissen Ereignis abhängen. Gemäß § 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs tritt die von einer aufschiebenden Bedingung abhängig gemachte Wirkung eines Rechtsgeschäfts erst mit dem Eintritt der Bedingung ein. Solange die Bedingung nicht eingetreten ist, liegt die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts im Ungewissen bzw. schwebt2.
Tritt die Bedingung ein, ist nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 BewG die Festsetzung der nicht laufend veranlagten Steuern, zu denen auch die Schenkungsteuer gehört, auf Antrag nach dem tatsächlichen Wert des Erwerbs zu berichtigen.
Die abzugsfähigen Verbindlichkeiten sind mit ihrem nach § 12 ErbStG zu ermittelnden Wert abzuziehen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert von lebenslänglichen Nutzungen und Leistungen mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Die Vervielfältiger sind nach der Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes zu ermitteln (§ 14 Abs. 1 Satz 2 BewG).
Eine bedingte Last ist auf den Zeitpunkt des Bedingungseintritts zu bewerten3. Zugrunde zu legen ist der bei Bedingungseintritt geltende Vervielfältiger gemäß § 14 Abs. 1 BewG.
Dem steht -wie das Finanzgericht Münster zu Recht annimmt- die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 06.10.19764 nicht entgegen, da diese ausdrücklich die Frage offenlässt, ob bei der Bewertung einer aufschiebend bedingten, auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkten Nutzung der maßgebende Vervielfältiger nach dem Lebensalter des Berechtigten im Zeitpunkt des Erbfalls oder des Eintritts der Bedingung zu bemessen ist5.
Die bedingte Last ist für den Zeitraum des Schwebezustands zwischen dem Rechtsgeschäft und dem Bedingungseintritt nicht nach § 12 Abs. 3 BewG abzuzinsen.
Nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG ist der Wert unverzinslicher Schulden, deren Laufzeit mehr als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig werden, mit dem Betrag anzusetzen, der vom Nennwert nach Abzug von Zwischenzinsen unter Berücksichtigung von Zinseszinsen verbleibt. Die Regelung des § 12 Abs. 3 BewG beruht darauf, dass bei identischem Nominalbetrag eine auf Jahre gestundete Forderung einen niedrigeren gegenwärtigen Wert hat als die sofort fällige Forderung6. Durch die Abzinsung soll berücksichtigt werden, dass eine Verpflichtung nicht zeitnah, sondern erst in fernerer Zukunft zu erfüllen ist und damit der zu ihrer Erfüllung erforderliche Aufwand zeitversetzt anfällt7.
Die Vorschrift ermöglicht keine Abzinsung im Hinblick auf die rechtsgeschäftliche Vereinbarung einer aufschiebenden Bedingung, die auch im Bewertungsrecht zu einem Schwebezustand der zukünftigen Forderung führt. §§ 4 ff. BewG bestimmen für den bedingten Erwerb entsprechend der bürgerlich-rechtlichen Regelung ausdrücklich, dass der Schwebezustand bewertungsrechtlich unberücksichtigt bleibt8.
Wie sich aus § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 3 BewG ergibt, sind noch nicht fällige Forderungen nur dann sofort mit ihrem abgezinsten Wert anzusetzen, wenn die Fälligkeit zu einem bestimmten (feststehenden) Zeitpunkt eintritt. Anders sind diejenigen Forderungen zu behandeln, bei denen der Zeitpunkt des Eintritts des zur Fälligkeit führenden Ereignisses unbestimmt ist. Für die Anwendung des § 12 Abs. 3 BewG fehlt es bereits an einem bestimmten Zeitpunkt für den Eintritt der Fälligkeit. Dieser ist aber als Berechnungs- oder Schätzungsgrundlage für eine Abzinsung oder den Ansatz eines niedrigeren Werts als des Nennwerts (§ 12 Abs. 1 BewG) erforderlich.
Während des Schwebezustands zwischen dem Rechtsgeschäft der gemischten Schenkung und dem Eintritt der Bedingung fehlt es an einer Forderung, die abgezinst werden könnte. Mit Eintritt der Bedingung ist die Forderung erstmals zu berücksichtigen, sie ist gleichzeitig aber auch fällig und nicht mehr gestundet.
Das bedeutet, dass weder im Zeitpunkt der gemischten Schenkung (mangels bestimmten Fälligkeitszeitpunkts einer noch nicht existenten Verpflichtung) noch im Zeitpunkt des Bedingungseintritts (mangels mehr als einjähriger Laufzeit einer zinslos gestundeten Forderung) die Tatbestandsvoraussetzungen einer Abzinsung nach § 12 Abs. 3 BewG erfüllt sind.
Auch der Regelungszweck des § 12 Abs. 3 BewG erfordert keinen abgezinsten Ansatz der Last. Zwar mag der Nominalbetrag der Last im Bedingungszeitpunkt einen niedrigeren Wert haben, als er ihr im Zeitpunkt der gemischten Schenkung zuzumessen gewesen wäre, jedoch ist die Verminderung der Belastung aufgrund Zeitablaufs bereits durch die Kapitalisierung mit einem geringeren Vervielfältiger berücksichtigt.
Soweit sich aus Entscheidungen des Bundesfinanzhofs9, in denen die Abzinsung bedingter Lasten nicht weiter erörtert wurde, etwas anderes ergibt, hält der Bundesfinanzhof hieran nicht mehr fest.
Nach den vorstehenden Grundsätzen ist die Vorentscheidung aufzuheben. Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung sind rechtswidrig und verletzen die Erbin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Sache ist spruchreif.
Das Finanzgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Verbindlichkeit der Beschenkten nach Eintritt der aufschiebenden Bedingung mit dem Tod des Schenkers entstanden ist, sodass aufgrund des rechtzeitigen Berichtigungsantrags der Erbin die Festsetzung der Schenkungsteuer berichtigt werden kann. Auch hat das Finanzgericht im Ansatz zutreffend den Wert der Verbindlichkeit am Todestag des Schenkers zugrunde gelegt. Anders als das Finanzgericht meint, ist die Rentenlast nicht auf den Zeitpunkt der gemischten Schenkung abzuzinsen. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 3 Satz 1 BewG sind nicht erfüllt. Die Höhe der nicht abgezinsten Rentenlast ist unstreitig.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 15. Juli 2021 – II R 26/19
- FG Münster, Urteil vom 28.02.2019 – 3 K 3039/17 Erb, EFG 2019, 824[↩]
- BFH, Urteil vom 06.05.2020 – II R 11/19, BFHE 269, 424, BStBl II 2020, 746, Rz 14, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 27.06.2006 – II B 162/05, BFH/NV 2006, 1845, unter II. 1.[↩]
- BFH, Urteil vom 06.10.1976 – II R 107/71, BFHE 121, 81, BStBl II 1977, 211[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 121, 81, BStBl II 1977, 211, unter II. 2.a cc[↩]
- BFH, Urteil vom 22.08.2018 – II R 51/15, BFHE 262, 448, BStBl II 2020, 662, Rz 20[↩]
- BFH, Urteil vom 17.03.2004 – II R 76/00, BFH/NV 2004, 1072, unter II. 2.b, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil vom 30.04.1971 – III R 89/70, BFHE 119, 300, BStBl II 1971, 670, unter III. 1.b[↩]
- BFH, Beschluss in BFH/NV 2006, 1845, unter II. 1.; BFH, Urteil vom 27.08.2008 – II R 19/07, BFH/NV 2009, 29, unter C.01.[↩]