Die unselbständigen liechtensteinische Stiftung – und das Nachlassvermögen des Stifters

Das einer unselbständigen Stiftung liechtensteinischen Rechts übertragene, jedoch weiter dem Stifter zuzurechnende Vermögen gehört beim Tode des Stifters zum Erbanfall, wenn die Herrschaftsbefugnisse des Stifters vererblich sind.

Die unselbständigen liechtensteinische Stiftung – und das Nachlassvermögen des Stifters

Der Erbschaftsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 ErbStG der Erwerb von Todes wegen.

Als Erwerb von Todes wegen gilt gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u.a. der Erwerb durch Erbanfall nach § 1922 BGB. Der steuerrechtliche Erwerb tritt grundsätzlich in der Person desjenigen ein, der auch zivilrechtlich Erwerber ist. Ist der Erblasser zur Zeit seines Todes ein Inländer, der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG im Inland einen Wohnsitz hatte, wird die Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG begründet.

Bei einem Erbanfall mit Auslandsberührung ist auf der Grundlage zivilrechtlicher Vorschriften zu entscheiden, welches nationale Recht für den Erbanfall maßgebend ist und ob ein im Ausland befindlicher Vermögensgegenstand zum Nachlassvermögen gehört, der durch den Erbanfall auf den Erben übergeht.

Die Rechtsnachfolge von Todes wegen (das Erbstatut) unterliegt nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB i.d.F. vor Inkrafttreten des Gesetzes zum Internationalen Erbrecht und zur Änderung von Vorschriften zum Erbschein sowie zur Änderung sonstiger Vorschriften (IntErbRVGuaÄndG) vom 29.06.20151 dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte.

Die Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.07.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses -EuErbVO-2 ist auf Todesfälle vor dem 17.08.2015 nicht anwendbar. Sie findet nach Art. 83 Abs. 1 EuErbVO erst auf die Rechtsnachfolge von Personen Anwendung, die am 17.08.2015 oder danach verstorben sind. Art. 25 EGBGB i.d.F. des IntErbRVGuaÄndG, der die entsprechende Anwendung des Kapitels – III der EuErbVO anordnet, soweit die Rechtsnachfolge von Todes wegen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt, ist nach Art. 22 Abs. 1 IntErbRVGuaÄndG erst am 17.08.2015 in Kraft getreten3.

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Erbstatut ist im hier entschiedenen Streitfall das deutsche Recht, da die Erblasserin zum Zeitpunkt ihres Todes deutsche Staatsangehörige war.

Nach § 1922 i.V.m. § 1942 BGB geht das vererbbare Vermögen (Erbschaft) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den oder die Erben über. Die Universalsukzession ist nicht disponibel. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist insoweit ausgeschlossen4.

Das Vermögen einer intransparenten, wirksam gegründeten und rechtlich selbständigen Stiftung ist dem Stifter nicht mehr zuzurechnen und kann schon deshalb nach inländischem Erbrecht -unabhängig von dem ausländischen Personalstatut der Stiftung- nicht mehr der gesetzlichen Erbfolge oder einer Verfügung von Todes wegen unterliegen. Vermögenswerte, die zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr zum Vermögen des Erblassers gehören, sind kein Nachlassvermögen und der letztwilligen Verfügung des Erblassers entzogen. Ist einer Stiftung vor dem Erbfall tatsächlich und rechtlich wirksam Vermögen zugeflossen, ist es nur noch der Stiftung zuzuordnen. Der Tod des Stifters ist insoweit erbschaftsteuerrechtlich nicht von Bedeutung.

Sind jedoch nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen dem Stifter umfassende Herrschaftsbefugnisse über das Vermögen einer ausländischen Stiftung vorbehalten, so dass die Stiftung gehindert ist, über das ihr übertragene Vermögen dem Stifter gegenüber tatsächlich und frei zu verfügen, ist das Vermögen weiterhin dem Stifter zuzurechnen5. Herrschaftsbefugnisse in diesem Sinne ergeben sich z.B. durch den Vorbehalt des Stifters in Bezug auf die Entscheidungen über die Anlage und Verwendung des Vermögens, die Möglichkeit, ganz oder teilweise die Rückübertragung des Vermögens zu verlangen, und die Weisungsunterworfenheit der Stiftung und ihrer Organe gegenüber dem Stifter5. Der Stifter kann aufgrund seiner Befugnisse über das Vermögen der Stiftung wie über ein eigenes Bankguthaben verfügen. Dies gilt mangels Änderungen der Vereinbarungen oder anderweitiger Zwischenverfügungen bis zum Todeszeitpunkt.

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Vom maßgeblichen Erbstatut ist die kollisionsrechtlich gesondert anzuknüpfende Vorfrage zu unterscheiden, ob ein Recht nach dem Tode des Erblassers noch vorhanden ist und einen Nachlassgegenstand darstellt6.

Ob Rechte, die ihren Grund im Stiftungsrecht haben, dem Grunde nach vererblich sind, richtet sich nach dem Personalstatut der Stiftung. Dieses Personalstatut ist maßgeblich für die Entscheidung, ob das Vermögen der Stiftung vererbbar i.S. des § 1922 BGB ist. Eine Vererbung des Stiftungsvermögens kommt nur in Betracht, wenn dieses in Durchbrechung des Trennungsprinzips zunächst dem Stifter aufgrund der ihm zustehenden Herrschaftsbefugnisse zuzurechnen war. Weitere Voraussetzung ist, dass die Herrschaftsbefugnisse des Stifters ebenfalls vererbt werden können und deshalb beim Ableben des Stifters auf dessen Erben übergehen. Sind die Herrschaftsbefugnisse vererblich, tritt der Erbe damit auch bezüglich des Stiftungsvermögens in die Rechtsstellung des Stifters ein. Das Stiftungsvermögen gehört in einem solchen Fall grundsätzlich zum Nachlassvermögen des Stifters i.S. des § 1922 BGB.

Sind die Herrschaftsbefugnisse des Stifters dagegen nicht vererblich, erlöschen sie mit dem Tode des Stifters ersatzlos. Damit entfällt zugleich die Zurechnung des Stiftungsvermögens beim Stifter bzw. dessen Erben. Rechtsnachfolger hinsichtlich des Stiftungsvermögens ist in diesem Fall die Stiftung selbst.

Personalstatut der Stiftung ist im Streitfall das Recht des Fürstentums Liechtenstein7.

Nach liechtensteinischem Recht richtet sich nicht nur die Wirksamkeit der Gründung der Stiftung, sondern auch die Vererblichkeit stiftungsrechtlicher Rechte und Pflichten. Das gilt sowohl für eine intransparente, also rechtlich selbständige Stiftung mit eigenem Stiftungsvermögen als auch für eine transparente Stiftung, deren Vermögen wegen Durchbrechung des Trennungsprinzips dem Stifter zuzurechnen ist.

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Es ist in erster Linie Aufgabe des Finanzgericht als Tatsacheninstanz, das maßgebende ausländische Recht gemäß § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 293 der Zivilprozessordnung (ZPO) von Amts wegen zu ermitteln. Entsprechende Feststellungen sind für das Revisionsgericht nach § 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 560 ZPO grundsätzlich bindend, sofern sie nicht nur kursorischer Natur sind8. Dadurch ist das Revisionsgericht aber nicht generell daran gehindert; vom Finanzgericht nicht berücksichtigtes ausländisches Recht zu ermitteln und der Entscheidung zugrunde zu legen9.

Der vom Erben als Alleinerbe erworbene Anspruch gegen die Stiftung auf Auskehrung des Stiftungsvermögens gehört zu dem der Erbschaftsteuer unterliegenden Erwerb von Todes wegen.

Es steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit und ist angesichts der Statuten der Stiftung offensichtlich, dass die Erblasserin sich an dem in die Stiftung eingebrachten Vermögen Herrschaftsbefugnisse so vorbehalten hat, dass ihr das Vermögen nach den Kriterien des BFH, Urteils in BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669 zu ihren Lebzeiten weiterhin zuzurechnen war.

Beim Ableben der Erblasserin ist der Erbe als ihr Alleinerbe nach § 1922 BGB in ihre Rechtsposition eingetreten. Die bezüglich der Stiftung bestehenden Herrschaftsbefugnisse der Erblasserin sind auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen.

Die Vererblichkeit der Herrschaftsbefugnisse ist nicht aufgrund der Stiftungsstatuten ausgeschlossen. Im Statut der Stiftung vom 16.06.2009 war bestimmt, dass die Stifterin die Statuten und Beistatuten jederzeit abändern sowie die Stiftung jederzeit ohne Angabe von Gründen widerrufen konnte. Die Mitglieder des Stiftungsrates haben bestätigt, dass der Stiftungsrat im Rahmen der Mandatsausübung in vollem Umfang an die Anweisungen der Erblasserin gebunden und nicht zu einer selbständigen Ausübung des Mandats berechtigt war. Eine Einschränkung dieser Rechte ist im Statut der Stiftung auch für den Fall des Ablebens der Stifterin nicht vorgesehen. Es ist ebenso nicht bestimmt worden, dass diese Rechte nicht vererblich sind und beim Ableben der Stifterin erlöschen. Allein die Regelung in Art. 9 Abs. 1 des Statuts, dass die Stifterin die Statuten und Beistatuten jederzeit abändern kann, beinhaltet -entgegen der Auffassung des Erben- keine personenbezogene Beschränkung dieses Rechts ausschließlich auf die Stifterin und damit auch keinen Ausschluss der Vererblichkeit des Änderungsrechts. Insoweit handelt es sich vielmehr um eine übliche Regelung, die das Änderungsrecht zu Lebzeiten der Stifterin festlegt. Es gibt keine Anhaltspunkte, die darauf hindeuten, dass ein Übergang kraft Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben ausgeschlossen werden sollte. Demgegenüber enthält das Beistatut, in dem u.a. die Begünstigung des Erben festgelegt wird, die Regelung, dass es zu Lebzeiten der Erstbegünstigten (Erblasserin) jederzeit widerruflich ist und nach deren Tod unwiderruflich wird. Dies zeigt, dass im Beistatut hinsichtlich des Widerrufs für die Zeit vor und nach dem Tod der Erblasserin unterschieden wurde, auch wenn die Begünstigung von den Herrschaftsbefugnissen zu unterscheiden ist.

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Die Vererblichkeit der Rechte der Stifterin zum Widerruf oder zur Änderung der Stiftungsdokumente ist auch nicht durch Art. 552 § 30 Abs. 1 Satz 2 PGR (i.d.F. des Gesetzes vom 26.06.2008 über die Abänderung des Personen- und Gesellschaftsrechts -PGR n.F.-10) ausgeschlossen. Nach Art. 552 § 30 Abs. 1 Satz 1 PGR n.F. kann sich der Stifter das Recht zum Widerruf der Stiftung oder zur Änderung der Stiftungserklärung in der Stiftungsurkunde vorbehalten. Diese Rechte können nicht abgetreten oder vererbt werden (Art. 552 § 30 Abs. 1 Satz 2 PGR). Diese Vorschrift ist aber -wie sich aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 der Übergangsbestimmungen des PGR ergibt- nicht auf Stiftungen anzuwenden, die vor Inkrafttreten des PGR n.F. (am 1.04.2009) errichtet wurden. Die Anwendung des Art. 552 § 30 PGR n.F. auf Altstiftungen wird in Art. 1 Abs. 4 Satz 1 der Übergangsbestimmungen des PGR nicht angeführt. Im Streitfall wurde die Stiftung bereits im Jahr 1999 errichtet.

Ein Ausschluss der Vererblichkeit aller Rechte der Stifterin ergibt sich auch nicht aus dem für Altstiftungen möglicherweise weiterhin anzuwendenden Art. 559 PGR i.V.m. Art. 1 Abs. 1 der Übergangsbestimmungen des PGR. Zum einen betrifft Art. 559 PGR das Recht zum Widerruf der Stiftung und damit nur einen Teil der Stifterrechte. Zum anderen ist Art. 559 Abs. 4 PGR zu entnehmen, dass bei einer bestehenden Stiftung ein -wie im Streitfall- in der Stiftungsurkunde ausdrücklich vorbehaltener Widerruf jederzeit zulässig ist. Ein Widerrufsrecht der Erben wird nur für noch nicht in das Öffentlichkeitsregister eingetragene Stiftungen ausgeschlossen (Art. 559 Abs. 2 und 3 PGR).

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Dem Erben wurde dementsprechend nach seinen Angaben bereits ein Teil des Stiftungsvermögens ausgezahlt.

Soweit der Erbe sinngemäß einwendet, der testamentarisch geäußerte Wille der Erblasserin habe sich nicht auf die Vererbung des vermeintlichen Stiftungsvermögens erstreckt, geht dies ins Leere. Die Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB ist nicht abdingbar.

Im Hinblick darauf, dass das Vermögen der Stiftung aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge dem Erben zuzuordnen ist, kann dahinstehen, ob die Stiftung zum Zwecke der Steuerhinterziehung und damit missbräuchlich gegründet wurde. Eine missbräuchliche Gründung ist nicht ausgeschlossen, da die Erblasserin die Erträge aus der Verwaltung des Stiftungsvermögens nicht bei der Einkommensteuer angegeben hat.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 5. Dezember 2018 – II R 9/15

  1. BGBl I 2015, 1042[]
  2. ABl.EG Nr. L 201 vom 27.07.2012, S. 107[]
  3. vgl. im Ergebnis ebenso OLG Schleswig, Beschluss vom 25.04.2016 – 3 Wx 122/15, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge 2016, 502, Rz 26 bis 29[]
  4. vgl. BFH, Urteil vom 07.12 2016 – II R 21/14, BFHE 256, 381, BStBl II 2018, 196, Rz 10[]
  5. vgl. BFH, Urteil in BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669, unter II. 2.b[][]
  6. vgl. BGH, Beschluss vom 03.12 2014 – IV ZB 9/14, NJW 2015, 623, Rz 28[]
  7. entsprechend für eine liechtensteinische Anstalt: BGH, Beschluss in NJW 2015, 623, Rz 29[]
  8. vgl. BFH, Urteil vom 19.01.2017 – IV R 50/14, BFHE 257, 35, BStBl II 2017, 456, Rz 60, 61, m.w.N.[]
  9. vgl. BGH, Beschluss in NJW 2015, 623, Rz 24, m.w.N.[]
  10. LGBl 2008, Nr. 220[]
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