Erbschaftsbesteuerung des Privatvermögens

Die Erbschaftsbesteuerung des Privatvermögens ist nicht deshalb verfassungswidrig, weil in demselben Zeitraum eine erbschaftsteuerrechtliche Überbegünstigung des Betriebsvermögens zu verzeichnen wäre. elbst wenn die begünstigte Besteuerung des Betriebsvermögens nach dem Recht der EU eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstellen sollte, berührte dies nicht die nationale Besteuerung des erbschaftsteuerlichen Erwerbs von Privatvermögen.

Erbschaftsbesteuerung des Privatvermögens

Die Frage, ob das Verschonungsregime des am 11.04.2018 geltenden Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG), insbesondere §§ 13a, 13b, 13c, 19, 28a ErbStG, gegen Art. 3 GG oder andere Grundrechte verstößt (mit der Folge, dass das Finanzgericht verpflichtet gewesen sei, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG einzuholen), ist durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs mittlerweile geklärt.

So hat der Bundesfinanzhof im Urteil vom 06.05.20211 ausgeführt, dass er nicht von der Verfassungswidrigkeit der angewandten Normen des materiellen Rechts überzeugt sei. Insbesondere sei die im Streitfall vorgenommene Erbschaftsbesteuerung des Privatvermögens nicht deshalb verfassungswidrig, weil in demselben Zeitraum eine erbschaftsteuerrechtliche Überbegünstigung des Betriebsvermögens zu verzeichnen wäre. Für den Erben ergibt sich -entgegen seinem Vortrag- nichts anderes daraus, dass hier Wertpapiere zum Nachlass gehörten, denn auch diese befanden sich im Privatvermögen.

Auch hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass eine Verfassungswidrigkeit wegen „Hyperkomplexität“ nicht vorliege, da das ErbStG nicht insgesamt gegen das rechtsstaatliche Gebot der Bestimmtheit und Klarheit verstoße und die einzelnen kritisierten Normen grundsätzlich nicht die Besteuerung des unentgeltlichen Übergangs von nicht begünstigtem (Privat-)Vermögen erfassen2.

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Soweit die Verfassungswidrigkeit der Regelungen aufgrund eines Verstoßes gegen das Sozialstaatsprinzip geltend gemacht wird, genügt sein Vortrag bereits nicht den Darlegungsanforderungen. Insofern beruft sich diese Ansicht ausschließlich auf das Sondervotum zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.20143. Nach dieser Auffassung ist Art.20 Abs. 1 GG ergänzend heranzuziehen, wobei dennoch die Möglichkeit der Rechtfertigung der Begünstigung auch sehr großer und größter Vermögen gesehen wird4. Nicht erkennbar wird, warum trotz der mit dem Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 04.11.2016 -ErbStAnpG 2016-5 vorgenommenen Nachbesserungen und des vom BVerfG gewährten sehr weiten Entscheidungsspielraums des Gesetzgebers6 ein Verstoß gegen Art. 3 GG unter Berücksichtigung des Sozialstaatsprinzips vorliegen sollte7.

Die weitere Frage, ob das ErbStAnpG 2016 wegen Verstoßes gegen Art. 76 GG unwirksam sei, ist bei einer Erbschaftsbesteuerung von Privatvermögen nicht entscheidungserheblich und somit in einem Revisionsverfahren klärungsfähig, da der Gesetzgeber mit dem ErbStAnpG 2016 lediglich die den Übergang von Betriebsvermögen betreffenden Regelungen des ErbStG neu geregelt hat, während die im Streitfall auf den Übergang von Privatvermögen angewendeten Regelungen des ErbStG durch das ErbStAnpG 2016 inhaltlich nicht geändert wurden8.

Die weitere abstrakte Rechtsfrage, ob §§ 13a, 13b, 13c, 19, 28a ErbStG gegen Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen (mit der Folge, dass das Finanzgericht verpflichtet gewesen sei, die Frage gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung vorzulegen), ist im vorliegenden Rechtsstreit nicht klärungsfähig.

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Unabhängig davon, dass ein Erbe ausschließlich von Privatvermögen kein „Wettbewerber“ gegenüber Erben von begünstigten Betriebsvermögen kein klagebefugter Dritter in einem Verfahren zur Feststellung einer unionsrechtswidrigen Beihilfe sein könnte9, bestünde die Rechtsfolge eines solchen Verfahrens vor nationalen Gerichten darin, die Durchführung der Maßnahme auszusetzen oder zu beenden, die Rückforderung der bereits ausgezahlten Beträge anzuordnen oder verschiedene einstweilige Maßnahmen zu ergreifen, um die Interessen der beteiligten Parteien zu schützen10. Dies entspricht jedoch nicht dem Klageziel des Erben, das auf eine Verminderung der festgesetzten Erbschaftsteuer gerichtet ist.

Die etwaige Rechtswidrigkeit der Befreiung von einer Abgabe im Hinblick auf das Beihilfenrecht der Union kann die Rechtmäßigkeit dieser Abgabe selbst aber nicht berühren, so dass ihr Schuldner sich nicht darauf berufen kann, dass die Befreiung anderer Personen eine staatliche Beihilfe darstelle, um sich ihrer Zahlung zu entziehen11. Ausgeschlossen ist damit grundsätzlich eine positive Konkurrentenklage auf Gleichstellung mit dem steuerlich privilegierten Wettbewerber12, weil dadurch der mit der Steuerbegünstigung verbundene Verstoß gegen das Beihilfeverbot noch vertieft würde13.

Damit sind die Einwendungen des Erben gegen die unionsrechtliche Zulässigkeit der Begünstigung des Übergangs von Betriebsvermögen in dem vorliegenden finanzgerichtlichen Verfahren, in dem der Steuerpflichtige die Höhe der festgesetzten Erbschaftsteuer für übergegangenes Privatvermögen mit der Klage angreift, nicht entscheidungserheblich und die Rechtsfrage, ob die Begünstigung eine unionsrechtswidrige Beihilfe darstellt, in einem zukünftigen Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.

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Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17. Januar 2022 – II B 49/21

  1. BFH, Urteil vom 06.05.2021 – II R 1/19, Rz 31[]
  2. vgl. BFH, Urteil vom 06.05.2021 – II R 1/19, Rz 34[]
  3. BVerfG, Urteil vom 17.12.2014  – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136, BStBl II 2015, 50[]
  4. BVerfG, a.a.O., Sondervotum Rz 7[]
  5. BGBl I 2016, 2464[]
  6. vgl. auch BVerfG, a.a.O., Sondervotum Rz 6; BFH, Beschluss vom 29.08.2019 – II B 79/18, BFH/NV 2020, 22, Rz 17[]
  7. vgl. auch BFH, Urteil vom 06.05.2021 – II R 1/19, Rz 33[]
  8. vgl. BFH, Urteil vom 06.05.2021 – II R 1/19, Rz 30[]
  9. vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung der Vorschriften über staatliche Beihilfen durch die nationalen Gerichte, ABl.EU 2021, Nr. C 305, 1, Rz 25[]
  10. vgl. EuGH, Urteil Deutsche Lufthansa vom 21.11.2013 – C-284/12, EU:C:2013:755, Rz 30[]
  11. EuGH, Urteil Vodafone Magyarország vom 03.03.2020 – C-75/18, EU:C:2020:139, Rz 24, m.w.N.[]
  12. vgl. BFH, Urteil vom 07.08.2012 – VII R 35/11, BFH/NV 2013, 382, Rz 14[]
  13. vgl. Bekanntmachung der Kommission über die Durchsetzung der Vorschriften über staatliche Beihilfen durch die nationalen Gerichte, ABl.EU 2021, Nr. C 305, 1, Rz 26; Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl., Das Beihilfenverbot im Steuerrecht, Rz 9.63[]