Ergibt sich die Höhe eines Abfindungsanspruchs aus einer Satzungsregelung einer GmbH, ist diese korporationsrechtliche Bestimmung nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Subjektive Vorstellungen der beim Erstellen der betreffenden Klausel beteiligten Personen sind unbeachtlich.

Welchen Sinngehalt die Gesellschafter seinerzeit der streitigen Formulierung beilegen wollten, ist aus Rechtsgründen unerheblich.
Die Satzung der GmbH ist korporationsrechtlicher Natur. Ihre Vorschriften sind nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung sowie ihrem systematischen Bezug zu anderen Satzungsvorschriften auszulegen. Umstände außerhalb der Satzung können grundsätzlich auch dann nicht herangezogen werden, wenn sie allen Mitgliedern und Organen bekannt sind1. Das gilt auch für die Vorstellungen der bei Erstellen der betreffenden Klausel beteiligten Personen2.
Die Auslegung der Satzung durch das Finanzgericht unterliegt der freien Nachprüfung durch das Revisionsgericht ((BFH, Urteil in BFHE 226, 283, BStBl II 2010, 60, unter II. 3.a bb (1) und über die entsprechende Anwendung von § 126 Abs. 4 FGO auch im Beschwerdeverfahren. Tatsächlich kann die Klausel nicht anders ausgelegt werden als es das Finanzgericht getan hat. Die Formulierung „… realen Wert …“ ist juristisch nicht klar, wenn sie auch nach üblichem Sprachgebrauch den gemeinen Wert meinen dürfte. Die Wendung jedoch, dass die Bewertung nach den steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien in der jeweils gültigen Fassung vorzunehmen ist, ist eindeutig. Sie enthält unmissverständlich eine dynamische Verweisung. Es ist nicht eine bestimmte Bewertungsmethode zu wählen, sondern gerade diejenige, die den steuerrechtlichen Bewertungsrichtlinien zu dem Zeitpunkt entspricht, zu dem die Bewertung vorzunehmen ist. Der Klammerzusatz mit dem Hinweis auf das Stuttgarter Verfahren ist demgegenüber offenkundig nur als Erläuterung zu verstehen, wie diese Bewertung zu dem Zeitpunkt vorzunehmen gewesen wäre, zu dem die Satzung entstanden ist. Das Finanzamt und das Finanzgericht sind nach diesem Grundsatz verfahren.
Daran ändert sich nichts, falls die Parteien des Gesellschaftsvertrags die Klausel übereinstimmend anders ausgelegt haben sollten. § 10 Abs. 10 Satz 2 ErbStG knüpft ausdrücklich an den gesellschaftsvertraglich festgelegten Abfindungsanspruch, nicht an einen nach dem Erbfall abgeschlossenen abweichenden Vertrag und erst recht nicht an die tatsächlich gezahlte Abfindung an. Wie zu verfahren wäre, wenn ein Streit um den Inhalt der gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen vergleichsweise beigelegt wird, ist im Streitfall nicht erheblich. Soweit in einem solchen Falle der Abfindungsberechtigte eine höhere Abfindung versteuern muss als er tatsächlich erhalten hat, ist umgekehrt diese Differenz aber auch nicht nach § 7 Abs. 7 Sätze 2 und 3 ErbStG zu versteuern.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14. März 2022 – II B 25/21