Berücksichtigung von Sanierungskosten in einem SachverständigengutachtenNach § 138 Abs. 1 Satz 1 BewG werden Grundbesitzwerte unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse und der Wertverhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt festgestellt. Für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens sind die Grundbesitzwerte unter Anwendung der §§ 139 und 145 bis 150 BewG zu ermitteln (§ 138 Abs. 3 Satz 1 BewG).

Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert der wirtschaftlichen Einheit im Besteuerungszeitpunkt niedriger ist als der nach den §§ 145 bis 149 BewG ermittelte Wert, ist gemäß § 138 Abs. 4 Satz 1 BewG der gemeine Wert als Grundbesitzwert festzustellen. Der Steuerpflichtige trägt insoweit die Nachweislast1.
Ob ein Sachverständigengutachten den geforderten Nachweis erbringt, unterliegt der freien Beweiswürdigung des Finanzgerichts. Der Nachweis ist erbracht, wenn dem Gutachten ohne Einschaltung bzw. Bestellung weiterer Sachverständiger gefolgt werden kann. Entspricht das Gutachten nicht in jeder Hinsicht den zu stellenden Anforderungen, berechtigt dies nicht ohne weiteres dazu, das Gutachten insgesamt unberücksichtigt zu lassen. Etwaige Lücken im Gutachten können vom Finanzgericht selbst geschlossen werden, wenn und soweit dies ohne Sachverständige im üblichen Rahmen einer Beweiswürdigung möglich ist2.
Ein Sachverständigengutachten ist regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften ordnungsgemäß erstellt wurde. Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen3.
Die Anforderungen an die methodische Qualität des Wertgutachtens ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 194 ff. des Baugesetzbuches (BauGB) i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 23.09.20044. Daneben sind -für Bewertungsstichtage bis 30.06.2010- die Wertermittlungsverordnung (WertV) vom 06.12 19885 i.V.m. den Wertermittlungsrichtlinien (WertR 2006) i.d.F. der Bekanntmachung vom 01.03.20066 und -für Bewertungsstichtage ab 1.07.2010- die Immobilienwertermittlungsverordnung vom 19.05.20107 zu beachten. Einem Gutachten, das -bei Fehlen bewertungsrechtlicher Sonderregelungen- diesen Vorgaben entspricht, wird regelmäßig zu folgen sein8.
Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 WertV sind zur Ermittlung des Verkehrswerts das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren, das Sachwertverfahren oder mehrere dieser Verfahren heranzuziehen. Bebaute Grundstücke für Produktions- und Dienstleistungszwecke sind regelmäßig im Ertragswertverfahren sachgerecht zu bewerten9. Dies gilt insbesondere für Grundstücke, die im gewöhnlichen Geschäftsverkehr im Hinblick auf ihre Rentierlichkeit gehandelt werden (z.B. Mietwohngrundstücke, vgl. Nr. 1.5.5 WertR 2006).
Bauschäden sind im Ertragswertverfahren nur insoweit zu berücksichtigen, als sie sich auf den Verkehrswert des bebauten Grundstücks auswirken.
Hat ein bebautes Grundstück trotz hohen Alters eine notwendige durchgreifende Sanierung oder Modernisierung nicht erfahren (Instandhaltungsrückstau), liegt eine objektbezogene Beeinträchtigung des Bauwerks und damit ein Bauschaden vor10.
Weist ein Objekt Bauschäden auf, sind der Wertermittlung entsprechend dem geplanten Bauzustand eines mangelfreien Objekts die nachhaltig erzielbaren Erträge (§ 17 WertV), die nachhaltig anfallenden Bewirtschaftungskosten (§ 18 WertV) einschließlich der laufenden Instandhaltungskosten nach § 18 Abs. 4 WertV sowie die ggf. auf der Grundlage einer Modernisierung verlängerte Restnutzungsdauer (§ 16 Abs. 4 WertV) zu Grunde zu legen und das Ergebnis der Wertermittlung um die aufzuwendenden Kosten zu vermindern (vgl. Nr. 3.5.8 Satz 1 WertR 2006).
Ist dem schlechten Zustand eines Gebäudes bei den nachhaltig erzielbaren Erträgen, den nachhaltig anfallenden Bewirtschaftungskosten und der Restnutzungsdauer nicht Rechnung getragen worden, können Instandsetzungskosten nach § 19 Satz 1 WertV durch Abschläge oder in anderer Weise zu berücksichtigen sein. Ein Abzug von Sanierungskosten in voller Höhe kann z.B. bei zwingend erforderlichen Maßnahmen gerechtfertigt sein (vgl. Nr. 3.5.8 Satz 2 WertR 2006). Aus dem Gutachten muss sich aber ergeben, wie sich die Mängel und Schäden -insbesondere unter Berücksichtigung des Alters des Gebäudes- auf den Verkehrswert auswirken.
Ein Sachverständigengutachten ist zudem nur ordnungsgemäß, wenn die tatsächlichen Grundlagen der Wertermittlung schlüssig nachvollziehbar sind11. Dazu gehört eine hinreichende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen.
Der Gutachter muss aus den festgestellten Fakten seine Schlussfolgerungen ziehen und diese zusammen mit den von ihm für richtig erkannten Annahmen im Gutachten dokumentieren. Allgemeine Verweise, wie z.B. auf eine sachverständige Feststellung oder auf eine jahrelange Erfahrung, sind nicht ausreichend12. Der Sachverständige darf daher von einer bestimmten Voraussetzung nur ausgehen, wenn er diese durch festgestellte Tatsachen belegen kann.
Sind dem Sachverständigen die für die Beurteilung maßgeblichen Umstände nicht bekannt, muss er sie ermitteln oder beim Auftraggeber erfragen. Bleibt dies erfolglos, so darf der Sachverständige zwar sein Gutachten auf Unterstellungen aufbauen; er muss dies jedoch in dem Gutachten kenntlich machen13. Allerdings kann die Übernahme von ungeprüften Angaben des Auftraggebers dazu führen, dass die Plausibilität des gesamten Gutachtens in Frage zu stellen ist. Ein Gutachten, das nur auf der Darstellung eines Beteiligten beruht und ohne eigene Ermittlungen des Sachverständigen abgegeben wird, ist von vornherein nicht zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts des Grundstücks geeignet14.
Die Anforderungen an Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen richten sich nach den Umständen des Einzelfalles. Je weniger unmittelbare tatsächliche Erkenntnisse des Sachverständigen vorliegen, umso geringer ist der Nachweiswert des Gutachtens.
Im hier entschiedenen Fall war damit nach Ansicht des Bundesfinanzhofs das vom Beschenkten vorgelegte Gutachten ist zum Nachweis eines höheren Abzugs von Instandsetzungskosten und damit eines niedrigeren Werts des Grundstücks nicht geeignet.
Die Wahl des Ertragswertverfahrens als Bewertungsmethode ist zwar nicht zu beanstanden. Dem Gutachten ist jedoch nach den insoweit für das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des Finanzgericht (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht zu entnehmen, inwieweit sich der Verkehrswert des Grundstücks aufgrund des Reparaturstaus mindert. Nähere Erläuterungen zur Minderung des Verkehrswerts wären vor allem deshalb erforderlich gewesen, weil im Gutachten der vorläufige Ertragswert nach den am Stichtag erzielten Mieten und hinsichtlich der leer stehenden Wohnung nach der erzielbaren Miete ermittelt und der Verkehrswert durch Abzug der geschätzten Renovierungskosten von 170.000 EUR vom vorläufigen Ertragswert von 800.000 EUR berechnet wurde. Im Gutachten ist zwar ausgeführt, dass die zügige Beseitigung des aufgezeigten Reparatur- und Instandhaltungsrückstaus an den 16 Wohneinheiten zur langfristigen Sicherung der Mieteinnahmen unabdingbar sei. Gleichzeitig weist der Sachverständige aber darauf hin, dass je nach Art und Umfang dieser Arbeiten unter Umständen eine Erhöhung der Mietzinsen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten denkbar sei. Dies zeigt, dass auch der Sachverständige davon ausgeht, dass die nachhaltig erzielbare Miete nach der Renovierung höher als vor der Renovierung ist. Damit ist der wegen des Instandsetzungsbedarfs vorgenommene Abschlag vom Ertragswert jedenfalls der Höhe nach nicht gerechtfertigt.
Die insoweit im Gutachten enthaltene Lücke konnte das Finanzgericht nicht im üblichen Rahmen einer Beweiswürdigung ohne Sachverständige schließen. Denn das Finanzgericht konnte dem Gutachten nicht die Wertminderung wegen Bauschäden entnehmen, so dass aus dem Gutachten der Verkehrswert des Grundstücks nicht abzuleiten war.
Das Gutachten genügt auch wegen unzureichender Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen nicht den rechtlichen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Gutachten.
Der Sachverständige hat im Gutachten ausgeführt, das Objekt habe bei der Ortsbesichtigung im Außenbereich und exemplarisch im Innenbereich besichtigt werden können. Das Finanzgericht hat hieraus für das Revisionsgericht bindend den Schluss gezogen, dass der Sachverständige nur die seinerzeit leer stehende Wohnung besichtigt habe. Im Hinblick auf die Bedeutung der Anzahl der renovierungsbedürftigen Wohnungen sei aber gerade deren Angabe notwendig gewesen, um die weiteren Erwägungen des Gutachters nachvollziehen zu können. Den Investitionsbedarf für insgesamt 16 Wohnungen habe der Sachverständige letztlich aus den Angaben der M und nach überschlägiger Schätzung aus eigener langjähriger Tätigkeit als Architekt bestimmt.
Da der Aufwand für die Renovierung von 16 Wohnungen von ca. 116.000 € den größten Teil des vom Gutachter angenommenen Instandsetzungsbedarfs von 170.000 € ausmacht, liegen insoweit keine hinreichenden Tatsachenfeststellungen durch den Gutachter vor. Die Kürzung des Reparaturaufwands durch das Finanzamt, das für sieben Wohnungen Renovierungskosten berücksichtigt hat, ist für den Bundesfinanzhof revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 24. Oktober 2017 – II R 40/15
- BFH, Urteil vom 15.03.2017 – II R 10/15, BFH/NV 2017, 1153, Rz 15, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFH/NV 2017, 1153, Rz 16, m.w.N.[↩]
- vgl. Bruschke, Der Erbschaft-Steuerberater -ErbStB- 2016, 31 ff.[↩]
- BGBl I 2004, 2414[↩]
- BGBl I 1988, 2209[↩]
- Bundesanzeiger 2006 Nr. 108a, berichtigt durch Nr. 121[↩]
- BGBl I 2010, 639[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. BFH, Urteil vom 11.09.2013 – II R 61/11, BFHE 243, 376, BStBl II 2014, 363, Rz 32, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 03.12 2008 – II R 19/08, BFHE 224, 268, BStBl II 2009, 403, unter II. 2.a[↩]
- vgl. Aurnhammer, Baurecht 1978, 356, 361; zum Begriff vgl. Nr. 3.06.01.1.8 WertR 2006 [Sachwertverfahren][↩]
- vgl. Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 8. Aufl.2017, Teil IV § 1 ImmoWertV Rz 11, S. 529[↩]
- vgl. Bruschke, ErbStB 2016, 34[↩]
- vgl. BGH, Urteil vom 02.11.1983 – IVa ZR 20/82, NJW 1984, 355, unter II.[↩]
- vgl. Bruschke, a.a.O.2016, 33, 34[↩]