Grundstücksbewertung – nach WertV und ImmowertV?

Die zeitliche Anwendbarkeit der WertV und der ImmowertV richtet sich danach, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Für Bewertungsstichtage bis 30.06.2010 sind die Vorschriften der WertV anwendbar. Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die Anwendung der Verordnungen nicht von Bedeutung.

Grundstücksbewertung – nach  WertV und ImmowertV?

Ein Sachverständigengutachten ist regelmäßig zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Grundstücks geeignet, wenn es unter Beachtung der maßgebenden Vorschriften ordnungsgemäß erstellt wurde. Zur Ordnungsmäßigkeit des Gutachtens gehören sowohl dessen methodische Qualität als auch eine zutreffende Erhebung und Dokumentation der Begutachtungsgrundlagen.

Die Anforderungen an die methodische Qualität des Wertgutachtens ergeben sich im Wesentlichen aus den §§ 194 ff. BauGB. Daneben sind die WertV i.V.m. den Wertermittlungsrichtlinien i.d.F. der Bekanntmachung vom 01.03.20061 und die ImmoWertV, die die WertV ab dem 01.07.2010 abgelöst hat, zu beachten.

Die zeitliche Anwendbarkeit der auf § 199 Abs. 1 BauGB beruhenden Rechtsverordnungen richtet sich danach, ob sie am Bewertungsstichtag in Kraft waren. Die WertV war bis zum 30.06.2010 in Kraft und wurde am 01.07.2010 durch die ImmoWertV abgelöst (vgl. § 24 ImmoWertV). Deshalb sind für Bewertungsstichtage bis 30.06.2010 die Vorschriften der WertV und für Bewertungsstichtage ab 01.07.2010 die Vorschriften der ImmoWertV anwendbar2.

Die in der ImmoWertV klar geregelten Zeitpunkte des Außer-Kraft-Tretens der WertV und des In-Kraft-Tretens der ImmoWertV sind für die Beteiligten eindeutig und machen den zeitlichen Anwendungsbereich der jeweiligen Rechtsverordnung vorhersehbar und bestimmbar.

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Der Zeitpunkt der Gutachtenerstellung ist für die zeitliche Anwendung der WertV und der ImmoWertV nicht von Bedeutung3. Würde man auf Letzteren abstellen, könnten bei einer Gutachtenerstellung für Bewertungsstichtage bis 30.06.2010 entweder die WertV -solange das Gutachten bis zu diesem Datum erstellt wurde- oder alternativ die ImmoWertV -falls das Gutachten ab dem 01.07.2010 erstellt wurde-, und somit unterschiedliche Regelungen zu beachten sein. Dies würde einer vorhersehbaren und rechtssicheren Wertermittlung widersprechen.

Im hier entschiedenen Fall war das Finanzgericht Berlin-Brandenburg in der Vorinstanz von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen4. Es hat angenommen, dass sich die zeitliche Anwendbarkeit der ImmoWertV nach dem Zeitpunkt der Gutachtenerstellung richte und deshalb im Streitfall aufgrund der Erstellung des im finanzgerichtlichen Verfahrens eingereichten Gutachtens im Jahr 2017 für die Bewertung des Grundstücks auf den Bewertungsstichtag 01.06.2009 die Vorschriften der ImmoWertV anzuwenden, jedoch nicht beachtet worden seien. Die Vorentscheidung des Finanzgerichts war daher vom Bundesfinanzhof aufzuheben.

Der Bundesfinanzhof hat den Rechtsstreit sodann an das Finanzgericht zurückverwiesen, da die Sache noch nicht spruchreif war. Das im finanzgerichtlichen Verfahren beigebrachte Gutachten ist in einer Vielzahl seiner Ausführungen (Grundstücksgröße, Grundstückslage, Art der Nutzung usw.) plausibel, kann jedoch in seiner derzeitigen Fassung wegen der Ermittlung des Bodenwerts unter Heranziehung eines von dem örtlichen Gutachterausschuss für einen anderen Straßenabschnitt ermittelten Bodenrichtwerts und wegen der Beachtung der -auf den Bewertungsstichtag 01.06.2009 nicht anwendbaren- ImmoWertV bei der Ermittlung der von dem Gutachter herangezogenen Liegenschaftszinssätze 2012 nicht als Nachweis für den von dem Kläger für zutreffend gehaltenen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks dienen. Die Sache wurde daher an das Finanzgericht zurückverwiesen, um dem Kläger die Gelegenheit zu geben, das im finanzgerichtliche Verfahren eingereichte Gutachten nachzubessern5.

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Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. September 2020 – II R 1/18

  1. Bundesanzeiger 2006 Nr. 108a, berichtigt durch Nr. 121[]
  2. vgl. BFH in BFHE 260, 80, BStBl II 2019, 21, Rz 14[]
  3. a.A. Mannek in Stenger/Loose, § 198 BewG Rz 60 f.[]
  4. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.11.2017 – 3 K 3208/14[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 03.12.2008 – II R 19/08, BFHE 224, 268, BStBl II 2009, 403, unter II. 3.[]

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