Grundstücksschenkung – und der Jahreswert des Vorbehaltsnießbrauchs

Wird ein Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs geschenkt, mindert der Wert des Nießbrauchsrechts die Bereicherung des Bedachten. Der Jahreswert des Nießbrauchrechts ist unter Abzug der Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Darlehen zu ermitteln, wenn die Schuldzinsen vom Schenker als Nießbraucher während des Bestehens des Nießbrauchsrechts aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung getragen werden.

Grundstücksschenkung – und der Jahreswert des Vorbehaltsnießbrauchs

Die Zuwendung der Grundstücke durch die Eltern des Beschenkten aufgrund des Vertrags vom 04.08.2011 stellt im Zeitpunkt ihrer Ausführung als dem Zeitpunkt der Steuerentstehung gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG schenkungsteuerrechtlich eine reine Schenkung gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar. Übernimmt der mit einem Grundstück unter Vorbehaltsnießbrauch Beschenkte auch die auf dem Grundstück abgesicherten Verbindlichkeiten, verpflichtet sich aber der Schenker und Vorbehaltsnießbraucher, diese Verbindlichkeiten für die Dauer des Nießbrauchs weiter zu tilgen und die Zinsen zu tragen, liegt keine gemischte, sondern eine reine Schenkung vor1.

Als steuerpflichtiger Erwerb gilt nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist.

Bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs ist die aus einem Vorbehaltsnießbrauch erwachsende Belastung eines zugewendeten Grundstücks abzuziehen. Die Belastung durch den Vorbehaltsnießbrauch mindert die Bereicherung des Bedachten2.

Ein Abzug des Vorbehaltsnießbrauchs, der eine sog. Nutzungs- oder Duldungsauflage ist3, ist für Erwerbsvorgänge ab 01.01.2009 nicht mehr ausgeschlossen. § 25 Abs. 1 ErbStG a.F., wonach der Erwerb von Vermögen, dessen Nutzungen dem Schenker zustanden, ohne Berücksichtigung dieser Belastungen besteuert wurde und die Steuer, die auf den Kapitalwert dieser Belastungen entfiel, bis zu deren Erlöschen zinslos gestundet wurde, wurde durch das Erbschaftsteuerreformgesetz vom 24.12.2008 -ErbStRG-4 aufgehoben und gilt nur noch für Erwerbsvorgänge, für die die Steuer bis zum 31.12.2008 entstanden ist (vgl. § 37 Abs. 1 ErbStG).

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Die Bewertung der bei einer Grundstücksschenkung vorbehaltenen Nießbrauchsrechte richtet sich gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG nach den Vorschriften des Ersten Teils des BewG.

Der Kapitalwert lebenslänglicher Nutzungen ist nach § 14 Abs. 1 BewG mit dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen. Bei Nutzungen oder Leistungen, die in ihrem Betrag ungewiss sind oder schwanken, ist als Jahreswert der Betrag zugrunde zu legen, der in Zukunft im Durchschnitt der Jahre voraussichtlich erzielt werden wird (§ 15 Abs. 3 BewG). Diese Bewertung erfordert eine Schätzung5. Anhaltspunkt für den in der Zukunft voraussichtlich erzielbaren Betrag können dabei die in den letzten Jahren erzielten Einkünfte sein6. Die Ermittlung des zukünftigen Durchschnittsertrags auf der Grundlage des Durchschnittsertrags der dem Schenkungszeitpunkt vorangegangenen drei Jahre wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebilligt7. Bei Vorliegen besonderer Umstände, z.B. bei starken Schwankungen, kann für die Zukunftsprognose auch auf einen längeren Zeitraum abzustellen sein.

Bei der Ermittlung des Werts von Nießbrauchsrechten an Grundstücken ist zunächst von den Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung auszugehen. Zur Berechnung des Jahreswerts des Nießbrauchs sind sodann die vom Nießbraucher zu tragenden Aufwendungen abzuziehen. Das gilt auch für die vom Nießbraucher nach § 1047 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) im Innenverhältnis zum Grundstückseigentümer zu zahlenden Zinsen. Der Nießbraucher ist gemäß § 1047 BGB dem Eigentümer gegenüber verpflichtet, für die Dauer des Nießbrauchs u.a. diejenigen privatrechtlichen Lasten zu tragen, welche schon zur Zeit der Bestellung des Nießbrauchs auf der Sache ruhten, insbesondere die Zinsen der Hypothekenforderungen und Grundschulden. Dem Nießbraucher steht nur der Reinertrag des seiner Nutzung unterworfenen Wirtschaftsgutes zu8. Die vom Nießbraucher zu zahlenden Schuldzinsen mindern den Jahreswert des ihm zustehenden Nießbrauchsrechts.

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Beim Bedachten einer Grundstücksschenkung mindern Schuldzinsen für die zum Zeitpunkt der Zuwendung bestehenden Darlehen ebenfalls den Jahreswert des auf dem zugewendeten Grundstück lastenden Nießbrauchsrechts, wenn diese vom Schenker als Nießbraucher während des Bestehens des Nießbrauchsrechts aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung getragen werden9. Die Schuldzinsen, die der Bedachte trotz Übernahme der Verbindlichkeiten nicht zu tragen hat, sind im Hinblick auf das bei einer Schenkung maßgebliche Bereicherungsprinzip bei der Ermittlung des Jahreswerts nicht -abweichend von der Ermittlung beim Nießbraucher- außer Acht zu lassen. Es würde dem Bereicherungsprinzip widersprechen, den Jahreswert des vorbehaltenen Nießbrauchsrechts beim Bedachten wegen des Nichtabzugs von Schuldzinsen höher anzusetzen als beim Nießbraucher und damit wegen des höheren Werts des auf dem Grundstück lastenden Nießbrauchsrechts eine geringere Bereicherung des Bedachten anzunehmen. Der Bedachte ist vielmehr dadurch bereichert, dass er die Zinszahlungen für die übernommenen Verbindlichkeiten nicht zu leisten hat, weil der Schenker als Nießbraucher des zugewendeten Grundstücks die Zinszahlungen weiter trägt. Der um die Schuldzinsen geminderte Wert des Nießbrauchs ist insoweit beim Bedachten derselbe wie beim Schenker.

Der Bedachte kann zwar Darlehensschulden, die er im Zusammenhang mit dem zugewendeten Grundstück übernommen hat, nicht bereicherungsmindernd abziehen, wenn der Schenker im Innenverhältnis zur Verzinsung und Tilgung der Verbindlichkeiten verpflichtet bleibt10. Dies hat aber keinen Einfluss auf den Kapitalwert des Nießbrauchsrechts, das auf dem zugewendeten Grundstück lastet.

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Die im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Finanzen vom 10.05.200411 in Abstimmung mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder vertretene Auffassung, wonach bei der Ermittlung des Jahreswerts eines Nutzungsrechts im Rahmen der Besteuerung des Erwerbs des damit belasteten Erwerbers die Zinsen für Verbindlichkeiten, die auf dem übertragenen Vermögensgegenstand lasten; und vom Nutzungsberechtigten zu zahlen sind, auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn der Kapitalwert des Nutzungsrechts nach § 10 ErbStG abziehbar ist, steht der vorstehenden Auffassung nicht entgegen.

Die in dem Schreiben vertretene Auffassung betrifft die Rechtslage vor Aufhebung des § 25 ErbStG durch das ErbStRG 2009. Es kann dahinstehen, ob es gerechtfertigt war, für die Berechnung der nach § 25 Abs. 1 Satz 2 ErbStG a.F. zu stundenden Steuer den Jahreswert ohne Einbeziehung von Schuldzinsen zu ermitteln12. Jedenfalls ist dies im Rahmen des Abzugs des Jahreswerts im Rahmen der Ermittlung der Bereicherung nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nicht der Fall. In Höhe der vom Nießbraucher zu zahlenden Zinsen ist der Erwerber wirtschaftlich nicht belastet. Ließe man die Zinsen bei der Ermittlung des Jahreswerts des Nießbrauchs unberücksichtigt, würden sie durch den Abzug des insoweit höheren Kapitalwerts des Nießbrauchs gleichwohl den Erwerb mindern.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 28. Mai 2019 – II R 4/16

  1. vgl. BFH, Urteil vom 17.10.2001 – II R 60/99, BFHE 197, 260, BStBl II 2002, 165[]
  2. vgl. Wälzholz, ZEV 2016, 217, Anmerkung; Billig, UVR 2016, 314[]
  3. vgl. BFH, Urteil in BFHE 197, 260, BStBl II 2002, 165, unter II. 3.[]
  4. BGBl I 2008, 3018[]
  5. vgl. BFH, Urteil vom 05.06.1970 – III R 82/67, BFHE 99, 233, BStBl II 1970, 594, und BFH, Beschluss vom 06.05.2009 – II B 14/09[]
  6. vgl. Urbach, Kölner Steuerdialog 2014, 18972[]
  7. vgl. BFH, Urteil vom 11.02.1972 – III R 129/70, BFHE 105, 50, BStBl II 1972, 448, unter II. 4.b[]
  8. BFH, Urteil vom 23.07.1980 – II R 62/77, BFHE 131, 394, BStBl II 1980, 748, unter 2.; Esskandari in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 16 BewG Rz 31[]
  9. a.A. Wälzholz, ZEV 2016, 217; Billig, UVR 2016, 314[]
  10. vgl. BFH, Urteil in BFHE 197, 260, BStBl II 2002, 165, unter II. 2.[]
  11. Bayer. Staatsministeriums für Finanzen, Schreiben vom 10.05.2004 – 34-S 3810-023-20976/04[]
  12. vgl. dazu Stempel, UVR 2002, 277 [279][]
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