Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer (Unter-)Personengesellschaft, an der eine Oberpersonengesellschaft beteiligt ist, führt nicht zum nachträglichen Wegfall des verminderten Wertansatzes für das Betriebsvermögen der Oberpersonengesellschaft.

Der Verschonungsabschlag für den Erwerb eines Anteils an einer Oberpersonengesellschaft kann jedoch nachträglich wegfallen, wenn Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft, die wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft darstellen, veräußert oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden. Für die Beurteilung, ob Betriebsgrundlagen der Unterpersonengesellschaft funktional wesentlich für den Betrieb der Oberpersonengesellschaft sind, sind qualitative und quantitative Merkmale heranzuziehen.
Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 ErbStG a.F. bleiben Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftliches Vermögen und Anteile an Kapitalgesellschaften i.S. des § 13a Abs. 4 ErbStG a.F. vorbehaltlich des § 13a Abs. 1 Satz 2 ErbStG a.F. insgesamt bis zu einem Wert von 225.000 € unter bestimmten Voraussetzungen außer Ansatz. Der nach Anwendung des § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. verbleibende Wert des Vermögens i.S. des § 13a Abs. 4 ErbStG a.F. ist nach § 13a Abs. 2 ErbStG a.F. mit 65 % anzusetzen. Nach § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG a.F. fallen der Freibetrag oder Freibetragsanteil i.S. des § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. und der verminderte Wertansatz i.S. des § 13a Abs. 2 ErbStG a.F. mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb einen Gewerbebetrieb oder einen Teilbetrieb, einen Anteil an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes veräußert; als Veräußerung gilt auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs (vgl. § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F.). Gleiches gilt, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs veräußert oder in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden (vgl. § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F.).
Das Bundesverfassungsgericht hat die Regelungen in §§ 13a und 13b ErbStG a.F. insgesamt für verfassungswidrig, jedoch für weiter anwendbar erklärt1.
Gegenstand einer steuerschädlichen Veräußerung i.S. des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG a.F. kann der gesamte Gewerbebetrieb, ein Teilbetrieb oder ein Anteil an einer Mitunternehmerschaft sein. Die Begriffe sind ertragsteuerrechtlich zu bestimmen.
Eine Veräußerung eines ganzen Betriebs liegt vor, wenn der Betrieb in seinen wesentlichen Teilen in der Weise auf den Erwerber übergeht, dass er ihn unverändert fortführen kann. Unter einem Teilbetrieb ist ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs zu verstehen, der für sich allein lebensfähig ist; es muss sich um einen selbständigen Zweigbetrieb im Rahmen eines Gesamtunternehmens handeln2. Werden wesentliche Betriebsgrundlagen vom Veräußerer zurückbehalten, ist keine Veräußerung eines ganzen Betriebs gegeben. In einem solchen Fall kommt aber die Veräußerung eines Teilbetriebs oder die Veräußerung von wesentlichen Betriebsgrundlagen in Betracht3.
Gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ErbStG a.F. gilt als Veräußerung auch die Aufgabe des Gewerbebetriebs.
Auf die Gründe für die Veräußerung oder Betriebsaufgabe kommt es für die Nachbesteuerung nicht an. Daher führen z.B. die zwangsweise Betriebsveräußerung aufgrund gesetzlicher Anordnung, die insolvenzbedingte Aufgabe des Betriebs oder die insolvenzbedingte Veräußerung des Betriebsvermögens zum anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags4.
Wird das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft lediglich eröffnet, stellt dies nach der Rechtsprechung des BFH keine Aufgabe des Gewerbebetriebs i.S. des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ErbStG a.F. dar. Nach dem klaren Wortlaut des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG a.F. führen nur die Veräußerung des Anteils an einer KG, die Betriebsaufgabe oder die Veräußerung oder Entnahme wesentlicher Betriebsgrundlagen zum nachträglichen Wegfall des Verschonungsabschlags. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist zudem nicht mit der Betriebsaufgabe vergleichbar, da es im Verlauf des Insolvenzverfahrens denkbar ist, dass der Betrieb zunächst oder dauerhaft fortgeführt wird oder nur unwesentliche Betriebsgrundlagen veräußert werden, um die Gläubiger zu befriedigen. Erst wenn der Insolvenzverwalter den Betrieb endgültig einstellt oder wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert, ist der Tatbestand des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG a.F. erfüllt. Auch der Zweck des § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. erfordert es nicht, dass die Steuerbegünstigung bereits mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wegfallen muss5.
Diese Grundsätze gelten auch, wenn das Insolvenzverfahren nicht über das Vermögen der Oberpersonengesellschaft, die Gegenstand des steuerbegünstigten Erwerbs ist, eröffnet wird, sondern über das Vermögen einer (Unter-)Personengesellschaft, an der die Oberpersonengesellschaft beteiligt ist. Führt nämlich die Insolvenzeröffnung bei einer (insolventen) Gesellschaft nicht zu ihrer Betriebsaufgabe, so kann die Insolvenzeröffnung bei einer Unterpersonengesellschaft, an der die Oberpersonengesellschaft lediglich eine Beteiligtenstellung innehat, erst recht nicht als ihre Betriebsaufgabe gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 Halbsatz 2 ErbStG a.F. angesehen werden.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Unterpersonengesellschaft steht der Aufgabe des Gewerbebetriebs der Oberpersonengesellschaft damit nicht gleich und führt infolgedessen nicht zum nachträglichen Wegfall des verminderten Wertansatzes i.S. des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 ErbStG a.F. für das Betriebsvermögen der Oberpersonengesellschaft. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, nach der verbundene Unternehmen insolvenzrechtlich selbständig bleiben, da es keine Konzerninsolvenz gibt6.
Die Steuerbegünstigung fällt gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F. auch fort, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen eines Gewerbebetriebs veräußert oder in das Privatvermögen überführt oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen können auch Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen der Unterpersonengesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft sein. Deren Veräußerung, Überführung in das Privatvermögen oder Zuführung zu anderen betriebsfremden Zwecken kann dann dazu führen, dass der Verschonungsabschlag für den Erwerb der Beteiligung an der Oberpersonengesellschaft rückwirkend wegfällt.
er Begriff der wesentlichen Betriebsgrundlage i.S. des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F. ist grundsätzlich nach ertragsteuerrechtlichen Grundsätzen auszulegen7.
Betriebsgrundlagen sind Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens. Dazu gehören Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind, in der Regel eine Nutzung für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können8.
Die einzelnen Wirtschaftsgüter im Betriebsvermögen der Unterpersonengesellschaft sind im Ertragsteuerrecht grundsätzlich nur (wesentliche) Betriebsgrundlagen der Unterpersonengesellschaft und können daher grundsätzlich keine -insbesondere keine wesentlichen- Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft sein.
Der Zweck des § 13a Abs. 1 ErbStG a.F. gebietet es allerdings, bei der Anwendung dieser Norm von der einkommensteuerrechtlichen Definition der wesentlichen Betriebsgrundlagen bei Mitunternehmerschaften abzuweichen. Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft können zugleich als wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft anzusehen sein, wenn diese für den Betrieb der Oberpersonengesellschaft und seine Fortführung funktional wesentlich sind9.
Die Steuerbegünstigung nach § 13a ErbStG a.F. hat zum Ziel, das in besonderer Weise dem Gemeinwohl dienende Vermögen angemessen zu begünstigen. Deshalb sollen diejenigen Unternehmen von der Steuer entlastet werden, bei denen im Zuge des Betriebsübergangs die Arbeitsplätze weitestgehend gesichert werden10. Die Arbeitsplatzsicherung und damit auch die Betriebsfortführung ohne Belastung durch die Erbschaft- und Schenkungsteuer zur Arbeitsplatzsicherung sind Ziel und Zweck des § 13a Abs. 5 Nr. 1 ErbStG a.F.11.
Ein Wirtschaftsgut der Unterpersonengesellschaft ist für die Oberpersonengesellschaft funktional wesentlich i.S. des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F., wenn es für den Betriebsablauf ein erhebliches Gewicht hat, mithin für die Fortführung des Betriebs der Oberpersonengesellschaft notwendig ist. Für die Beurteilung, ob ein Wirtschaftsgut diese Voraussetzungen erfüllt, sind qualitative und quantitative Merkmale heranzuziehen. Beispielsweise kann ein Grundstück der Unterpersonengesellschaft wesentliche Betriebsgrundlage der Oberpersonengesellschaft sein, wenn es die räumliche und funktionale Grundlage für die Geschäftstätigkeit der Oberpersonengesellschaft bildet und es der Oberpersonengesellschaft ermöglicht, ihren Geschäftsbetrieb aufzunehmen, auszuüben und fortzuführen12.
Die Steuerbegünstigung nach § 13a Abs. 2 ErbStG a.F. für das Betriebsvermögen der Oberpersonengesellschaft fällt u.a. dann rückwirkend weg, wenn wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft veräußert oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt werden (vgl. § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F.). Eine Zuführung zu anderen betriebsfremden Zwecken kann darin liegen, dass ein Grundstück der Unterpersonengesellschaft, das nach den unter II. 3.b bb genannten Kriterien eine wesentliche Betriebsgrundlage der Oberpersonengesellschaft darstellte, an einen Dritten verpachtet wird und damit nicht mehr dem betrieblichen Zweck der Oberpersonengesellschaft dient.
Maßgeblich für die Entscheidung, ob Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft i.S. des § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG a.F. darstellen, ist der Zeitpunkt der Veräußerung oder der Zuführung zu anderen betriebsfremden Zwecken13.
Für die Beurteilung, ob Wirtschaftsgüter der Unterpersonengesellschaft wesentliche Betriebsgrundlagen der Oberpersonengesellschaft sind und innerhalb der steuerschädlichen Fünfjahresfrist veräußert oder anderen betriebsfremden Zwecken zugeführt wurden, sind die Gesamtumstände des Einzelfalls maßgebend14. Das Finanzgericht hat entsprechende Tatsachen festzustellen und sie in seine Gesamtwürdigung einzubeziehen.
Nach diesen Grundsätzen war im vorliegenden Fall die Vorentscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf15 vom Bundesfinanzhof aufzuheben; das Finanzgericht hat zwar zutreffend dargelegt, dass es sich bei den durch den Insolvenzverwalter veräußerten Wirtschaftsgütern der A-KG nicht um wesentliche Betriebsgrundlagen der X-KG gehandelt habe. Es hat aber nicht geprüft, ob das Betriebsgrundstück der A-KG eine wesentliche Betriebsgrundlage der X-KG darstellte, die durch die Vermietung an K anderen als dem Betrieb der X-KG dienenden Zwecken zugeführt wurde.
Bundesfinanzhof, Urteil vom 16. März 2021 – II R 10/18
- vgl. BVerfG, Urteil vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl II 2015, 50; vgl. BFH, Urteil vom 14.11.2018 – II R 34/15, BFHE 263, 273, BStBl II 2019, 674, Rz 39[↩]
- BFH, Urteil vom 17.06.2020 – X R 15/18, BFHE 269, 330, BStBl II 2021, 157, Rz 48, m.w.N.[↩]
- vgl. Söffing in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 13a ErbStG Rz 133 f., Stand März 2020[↩]
- BFH, Urteil vom 01.07.2020 – II R 19/18, BFHE 269, 450, DStR 2020, 2599, Rz 19, m.w.N.[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 269, 450, DStR 2020, 2599, Rz 24 ff.[↩]
- vgl. BFH, Urteil vom 15.12.2016 – V R 14/16, BFHE 256, 562, BStBl II 2017, 600, Rz 20[↩]
- vgl. R 63 Abs. 2 Satz 2 ErbStR 2003 vom 17.03.2003, BStBl I 2003, Sondernr. 1/2003, 2, und 91; R E 13a.13 Abs. 2 Satz 4 ErbStR 2019 vom 16.12.2019, BStBl I 2019, Sondernr. 1/2019, 2; Löcherbach in Viskorf/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 6. Aufl., § 13a ErbStG Rz 99; Stalleiken in von Oertzen/Loose, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 2. Aufl., § 13a Rz 142; Wachter in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, 7. Auflage, § 13a Rz 436[↩]
- ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH, Urteil vom 10.03.2016 – IV R 41/13, BFHE 253, 337, BStBl II 2016, 984, Rz 26, m.w.N.[↩]
- vgl. FG Münster, Urteil vom 31.07.2003 – 3 K 3764/00 Erb, EFG 2003, 1636; vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 13a Rz 286; vgl. Söffing in Wilms/Jochum, a.a.O., § 13a ErbStG Rz 145[↩]
- vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 16/7918 vom 28.01.2008, S. 33[↩]
- BFH, Urteil in BFHE 269, 450, DStR 2020, 2599, Rz 29[↩]
- vgl. auch BFH, Urteil vom 29.11.2017 – I R 7/16, BFHE 260, 334, BStBl II 2019, 738, Rz 27, m.w.N.[↩]
- gl. A. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, a.a.O., § 13a Rz 294; Löcherbach in Viskorf/Schuck/Wälzholz, a.a.O., § 13a ErbStG Rz 99[↩]
- vgl. Geeb in Frotscher/Geurts, EStG, § 16 Rz 104a; Halaczinsky, Erbschaftsteuerberater 2018, 138[↩]
- FG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018 – 4 K 1043/17 Erb[↩]