Wird ein Gegenstand in der Weise verschenkt, dass der erste Empfänger ihn unmittelbar darauf an einen Dritten weiterreicht, ist im Verhältnis Zuwendender/erster Empfänger zu prüfen, ob bereits zivilrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vorliegt. Anderenfalls ist im Verhältnis erster Empfänger/zweiter Empfänger bzw. Dritter zu prüfen, ob dem ersten Empfänger eine Dispositionsbefugnis über den Gegenstand verbleibt. Fehlt es daran, liegt steuerrechtlich eine Schenkung unmittelbar an den Dritten vor.

Werden die beiden Verträge in einer Urkunde zusammengefasst oder in zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Urkunden abgeschlossen, muss sich die Dispositionsbefugnis eindeutig aus dem Vertrag oder den Umständen ergeben.
Es ist in der Rechtsprechung des Bundesfinanzuhofs geklärt, dass in Fällen, in denen ein Vermögensgegenstand einer Person im Wege der Schenkung nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG übertragen wird und diese den Vermögensgegenstand freigebig einem Dritten zuwendet, für die Bestimmung des jeweiligen Zuwendenden und des jeweiligen Bereicherten darauf abzustellen ist, ob die weitergebende Person eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Verwendung des geschenkten Gegenstands hat. Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt schenkungsteuerrechtlich nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor. Ob ein Bedachter über einen zugewendeten Gegenstand frei verfügen kann oder diesen einem Dritten zuwenden muss, ist nach der Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten unter Berücksichtigung der abgeschlossenen Verträge, ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie der mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Ziele der Vertragsparteien zu entscheiden. Die Verpflichtung zur Weitergabe kann sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im Schenkungsvertrag oder aus den Umständen ergeben. Es reicht nicht aus, dass der Zuwendende weiß oder damit einverstanden ist, dass der Bedachte den zugewendeten Gegenstand weiterschenkt. Entscheidend ist das Fehlen einer Dispositionsmöglichkeit des zuerst Bedachten1. Werden Schenkung und Weiterschenkung in einer Urkunde zusammengefasst, erlangt der zuerst Bedachte regelmäßig keine Entscheidungsfreiheit, es sei denn, aus dem Vertrag oder den Umständen ergäbe sich eindeutig etwas anderes2.
Was sich aus dem Vertrag oder den Umständen ergibt, ist eine Frage des Einzelfalls und einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Wie Indizien gegeneinander abzuwägen sind und welches Gewicht einzelnen Indizien zukommt, ist eine Frage des Einzelfalls und nicht von grundsätzlicher Bedeutung3. Nichts anderes folgt aus dem Erfordernis „eindeutiger“ Feststellungen zur Entscheidungsfreiheit. Soweit darin ein Maßstab für das Regel-Ausnahme-Verhältnis für Schlussfolgerungen liegt, müssen gleichwohl der Vertrag und die Umstände festgestellt und im Hinblick darauf gewürdigt werden, ob die Schwelle der Eindeutigkeit erreicht ist. Es ist weder ersichtlich, auf welcher Grundlage abstrakt-generelle Grundsätze über die zur tatsächlichen Feststellung des Vertrags und insbesondere der „Umstände“ heranzuziehenden Beweismittel (etwa durch den Ausschluss des Zeugenbeweises) aufgestellt werden könnten, noch nach welchen allgemeinen Regeln es sich richten sollte, ob Vertrag und sonstige Umstände ein „eindeutiges“ Bild ergeben.
Zunächst ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs für die Frage, wer Zuwendender sein kann, zwar grundsätzlich an das Zivilrecht anzuknüpfen. Das bedeutet aber nicht, dass ausschließlich die Eigentumslage maßgebend wäre. Anders kann es sich insbesondere in Fällen der Kettenschenkung verhalten4. Die Rechtsprechung zur Weitergabeverpflichtung knüpft nicht an die Frage an, ob der zuerst Bedachte zwischenzeitlich Eigentümer des geschenkten Gegenstands wird5.
Die Dispositionsbefugnis muss sich eindeutig aus dem Vertrag oder den Umständen ergeben:
- Auf der ersten Ebene (Verhältnis Zuwendender/erster Empfänger) ist zu prüfen, ob bereits zivilrechtlich von einer unmittelbaren Schenkung des Beigeladenen an den Kläger auszugehen sein könnte. Wäre dies der Fall, stellte sich die Frage nach der Dispositionsbefugnis eines zuerst Bedachten nicht mehr, da es keinen zuerst Bedachten gäbe.
- Erst wenn zivilrechtlich zwei hintereinandergeschaltete Schenkungen bestehen, ist auf der zweiten Ebene (Verhältnis erster Empfänger/zweiter Empfänger bzw. Dritter) die Dispositionsbefugnis des zuerst Bedachten zu prüfen.
Der Maßstab „eindeutig“ bezieht sich dabei nur auf die Dispositionsbefugnis und damit auf die zweite Ebene. Die Vertragsauslegung auf der ersten Ebene ist nach den üblichen Maßstäben vorzunehmen.
Bundesfinanzhof, Beschluss vom 28. Juli 2022 – II B 37/21
- BFH, Urteile in BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934, Rz 13 bis 17; weitgehende Parallelentscheidung vom 18.07.2013 – II R 45/11, BFH/NV 2014, 43, Rz 16 bis 20; und vom 16.09.2020 – II R 33/19, BFH/NV 2021, 317, Rz 19, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934, Rz 19, und in BFH/NV 2014, 43, Rz 22, jeweils m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Beschluss vom 26.11.2020 – VI B 29/20, BFH/NV 2021, 443, Rz 21[↩]
- vgl. BFH, Urteil in BFH/NV 2021, 317, Rz 18, m.w.N.[↩]
- vgl. BFH, Urteile in BFHE 242, 158, BStBl II 2013, 934, Rz 16 ff., und in BFH/NV 2014, 43, Rz 19 ff., jeweils m.w.N.[↩]
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