Schenkungsteuer – und die Bewertung früherer Schenkungen

Bei der Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind Vorerwerbe dem letzten Erwerb ohne Bindung an eine dafür bereits ergangene Steuerfestsetzung mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen. Eine bei der Besteuerung des Vorerwerbs zu Unrecht abgezogene sachliche Steuerbefreiung ist nicht zu berücksichtigen.

Schenkungsteuer – und die Bewertung früherer Schenkungen

Gemäß § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden und von der Steuer für den Gesamtbetrag die Steuer abgezogen wird, die für die früheren Erwerbe zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass mehrere Teilerwerbe durch Kumulation von Freibeträgen (§ 16 Abs. 1 ErbStG) und/oder Vermeidung der Progression (§ 19 Abs. 1 ErbStG) gegenüber einem einheitlichen Erwerb steuerlich begünstigt werden1.

Aus § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ergibt sich nicht, dass die verschiedenen Erwerbsvorgänge „wie ein Erwerb zu behandeln“ sind. Die Vorschrift ändert aber nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift trifft lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den jeweils letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist2.

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Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden Vorerwerbe dem letzten Erwerb mit den materiell-rechtlich zutreffenden Werten hinzuzurechnen3. Dies gilt auch dann, wenn bei der vorangegangenen Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ein materiell-rechtlich unzutreffender Wert berücksichtigt wurde4. Beruht der unzutreffende Wert darauf, dass eine sachliche Steuerbefreiung gewährt wurde, die materiell-rechtlich nicht hätte gewährt werden dürfen, kann und muss dies ebenfalls im Rahmen der Berücksichtigung des Vorerwerbs korrigiert werden. Eine fehlerhafte Steuerfestsetzung kann erst für den Abzug nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG eine Rolle spielen.

Ausgehend davon muss das Finanzamt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG den Vorerwerb in der materiell-rechtlich zutreffenden Höhe bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für die neuerliche Schenkung hinzurechnen. Dem steht der Bescheid über die Festsetzung der Schenkungsteuer auf 0 EUR für den Vorerwerb nicht entgegen, selbst wenn in diesem Bescheid die Zuwendung eines Geldbetrags (hier: von 205.000 € für den Erwerb des Reiterhofs) als steuerbegünstigt i.S. von § 13a ErbStG vor 2009 behandelt wurde und sich deshalb schon aus diesem Grund keine steuerpflichtige Bereicherung des Beschenkten ergeben hat.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 8. Mai 2019 – II R 18/16

  1. vgl. BFH, Beschluss vom 03.08.1988 – II B 17/88, BFH/NV 1990, 53; BFH, Urteil vom 22.08.2018 – II R 51/15, BFHE 262, 448, Rz 26[]
  2. vgl. BFH, Urteile vom 31.05.1989 – II R 110/87, BFHE 156, 566, BStBl II 1989, 733; vom 17.04.1991 – II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522, und in BFHE 262, 448, Rz 27[]
  3. BFH, Urteil vom 12.07.2017 – II R 45/15, BFHE 258, 232, BStBl II 2017, 1120, Rz 19, m.w.N.[]
  4. BFH, Urteil in BFHE 262, 448, Rz 29[]
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