Nach § 122 Abs. 1 Satz 1 AO ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird.

Der Erbschaftsteuerbescheid ist für den jeweiligen Erben bestimmt, weil er als Erwerber (§§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 6 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 ErbStG) Steuerschuldner (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG) geworden ist. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist jedoch in den Fällen des § 31 Abs. 5 ErbStG der Steuerbescheid abweichend von § 122 Abs. 1 Satz 1 AO dem Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter bekannt zu geben. § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG bestimmt den Testamentsvollstrecker grundsätzlich nur dann zum Zugangsvertreter, wenn er die Steuererklärung in bezug auf diejenigen Personen abgegeben hat, die als Erben am Nachlass teilhaben. Die Vorschrift gilt deshalb in der Regel nicht für die gegen einen Vermächtnisnehmer festzusetzende Erbschaftsteuer1. So verhielt es sich auch in dem hier vom Finanzgericht Düsseldorf entschiedenen Fall: Die Klägerin ist auf Grund des Erbvertrags nur Nachvermächtnisnehmerin (§ 2191 Abs. 1 BGB)).
Der einen Erwerb durch Vermächtnis betreffende Erbschaftsteuerbescheid ist nach § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG allerdings grundsätzlich dann dem Testamentsvollstrecker bekannt zu geben, wenn die Testamentsvollstreckung nicht nur für die Erfüllung des Vermächtnisses, sondern gemäß § 2223 BGB auch für die Verwaltung der dem Vermächtnis unterliegenden Gegenstände angeordnet worden ist2. Hiervon ist im Streitfall indessen auszugehen, denn nach den Bestimmungen des Erbvertrages hatte der Testamentsvollstrecker die vermachten Gegenstände auch nach der Erfüllung der Vermächtnisse für die auf dreißig Jahre nach dem Erbfall bestimmte Dauer der Testamentsvollstreckung noch weiter zu verwalten.
Gleichwohl war der Erbschaftsteuerbescheid vom 30. April 2009 nicht nach § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG dem Testamentsvollstrecker bekannt zu geben. Aus der Formulierung „in den Fällen des § 31 Abs. 5“ ergibt sich nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf, dass die Bestimmung des § 32 Abs. 1 Satz 1 ErbStG nur dann eingreift, wenn der Testamentsvollstrecker die Erbschaftsteuererklärung entweder tatsächlich abgegeben hat3 oder zumindest zur Abgabe der Erbschaftsteuererklärung verpflichtet war4.
Die Steuergesetze bestimmen, wer zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist (§ 149 Abs. 1 Satz 1 AO). Zur Abgabe einer Steuererklärung ist auch verpflichtet, wer hierzu von der Finanzbehörde aufgefordert wird (§ 149 Abs. 1 Satz 2 AO). Daher ist nach § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG der Steuerpflichtige nur dann zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung verpflichtet, wenn er hierzu vom Finanzamt aufgefordert worden ist5. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 16. Oktober 19966 beiläufig ausgeführt, der Testamentsvollstrecker sei auch ohne besondere Aufforderung durch das Finanzamt zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung verpflichtet. In zwei weiteren Beschlüssen7 hat der Bundesfinanzhof die Frage ausdrücklich offen gelassen.
Nach Auffassung des Finanzgerichts Düsseldorf ist § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG dahingehend auszulegen sein, dass auch ein Testamentsvollstrecker nur nach Aufforderung des Finanzamts zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung verpflichtet ist8. Der Wortlaut des § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG ist letztlich unklar, was nicht zu Lasten eines Testamentsvollstreckers gehen kann. Die Formulierung „ist die Steuererklärung“ kann auch als Bezugnahme auf § 31 Abs. 1 Satz 1 ErbStG zu verstehen sein. Es ist auch nicht ersichtlich, warum die Verpflichtung des Testamentsvollstreckers über diejenige eines Erben hinausgehen soll. Die Vorschrift soll weiteren Verwaltungsaufwand und eine unnötige Belastung des Steuerpflichtigen in den Fällen vermeiden, in denen mit einer Steuerfestsetzung nicht zu rechnen ist9. Dieser Gesetzeszweck kann auch in den Fällen zum Tragen kommen, in denen ein Testamentsvollstrecker vorhanden ist.
Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 26. Januar 2011 – 4 K 1956/10 Erb
- BFH, Urteile vom 14.11.1990 – II R 255/85, BFHE 162, 380, BStBl II 1991, 49; II R 58/86, BFHE 162, 385, BStBl II 1991, 52[↩]
- BFH, Beschluss vom 09.06.1999 – II B 101/98, BFHE 188, 440, BStBl II 1999, 529; FG München, Urteil vom 23.08.2000 – 4 K 3723/97, EFG 2001, 301; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 32 Randnr. 13[↩]
- vgl. Meincke, ErbStG, 15. Aufl., § 32 Randnr. 6[↩]
- vgl. Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 32 Randnr. 11, Kien-Hümbert in Moench/Kien-Hümbert/Weinmann, ErbStG § 32 Randnr. 11[↩]
- BFH, Urteil vom 18.10.2000 – II R 50/98, BFHE 193, 48, BStBl II 2001, 14[↩]
- BFH, Urteil vom 16.10.1996 – II R 43/96, BFHE 181, 351, BStBl II 1997, 73[↩]
- BFH, Beschlüsse in BFHE 188, 440, BStBl II 1999, 529; sowie vom 07.12.1999 – II B 79/99, BFHE 190, 220, BStBl II 2000, 233[↩]
- vgl. Viskorf, FR 1999, 1257, 1258; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG § 31 Randnr. 28; Kien-Hümbert in Moench/Kien-Hümbert/Weinmann, ErbStG § 31 Randnr. 12[↩]
- vgl. Viskorf, FR 1999, 1257, 1258[↩]