Zusammenlebenden Geschwistern stehen nicht dieselben erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen wie Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern zu. Er sah in der erbschaftsteuerlichen Ungleichbehandlung der Geschwistergemeinschaft mit Ehe- und eingetragnen Lebenspartnern keine Verletzung von Grundrechten.

In einem jetzt vom Finanzgericht Köln entschiedenen Verfahren klagten die Geschwister des Erblassers, die mit dem Verstorbenen das gesamte bisherige Leben zusammen gewohnt und gewirtschaftet hatten. Die Klage wurde mit dem Ziel der Zuerkennung der Erbschaftsteuerklasse I geführt, die für Ehegatten und Lebenspartner zur Anwendung kommt. Die Kläger sahen ihr Lebensmodell als mit der Ehe bzw. der Lebenspartnerschaft vergleichbar an und beriefen sich auf die Verletzung von Verfassungsrecht.
Die von den Klägern angestrebte Gleichbehandlung mit dem von Steuerklasse I erfassten Personenkreis gemäß § 15 Abs. 1 ErbStG, insbesondere im Hinblick auf die vom Erbschaftsteuergesetz in neuerer Zeit begünstigte eingetragene Lebenspartnerschaft, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zwingend geboten.
Weder der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG noch der besondere Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG oder die Garantie von Eigentum und Erbrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG gebieten es, die Kläger als Geschwister nach dem Steuersatz der Steuerklasse I, dem für Personen der Steuerklasse I geltenden Freibetrag sowie unter Berücksichtigung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG zu besteuern.
Allein der Umstand, dass die Kläger als Geschwister ihr Leben lang in einer Haushalts- und Versorgungsgemeinschaft „zusammengelebt“ haben, führt im Streitfall nicht zu der verfassungsrechtlichen Konsequenz, dass sie daher bereits nach Art. 3 Abs. 1 GG in erbschaftsteuerlicher Hinsicht einer eingetragenen Lebenspartnerschaft gleichzustellen sind und daher ebenso wie diese der Steuerklasse I zuzuordnen und nach dieser zu besteuern sind. Denn das Finanzgericht vermag nicht zu erkennen, dass insoweit im Wesentlichen gleichgelagerte Sachverhalte gegeben sind, die eine rechtliche Gleichbehandlung erfordern.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Die grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte zu bestimmen, an die das Gesetz dieselben Rechtsfolgen knüpft und die es so als rechtlich gleich qualifiziert, wird vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und durch das Gebot der Folgerichtigkeit. Danach muss im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit), während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedriger Einkommen angemessen sein muss. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands muss die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung vor allem außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke sowie Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse anerkannt, nicht jedoch den rein fiskalischen Zweck staatlicher Einnahmeerhöhung1.
Die unterschiedliche erbschaftsteuerliche Begünstigung der Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge gegenüber den übrigen Verwandten kann im Streitfall nur unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Typisierung gerechtfertigt sein.
Insoweit entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, dass die Befugnis des Gesetzgebers zur Vereinfachung und Typisierung insbesondere im Steuerrecht zu beachten ist. Danach muss jede gesetzliche Regelung verallgemeinern. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, die Vielzahl der Einzelfälle in dem Gesamtbild zu erfassen, das nach den ihm vorliegenden Erfahrungen die regelungsbedürftigen Sachverhalte zutreffend wiedergibt. Auf dieser Grundlage darf er grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Typisierung bedeutet, bestimmte in wesentlichen Elementen gleich geartete Lebenssachverhalte normativ zusammenzufassen. Besonderheiten, die im Tatsächlichen durchaus bekannt sind, können generalisierend vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber darf sich grundsätzlich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings auf eine möglichst breite, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließende Beobachtung aufbauen. Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen2.
Der Gesetzgeber hat mit der Gewährung der Vergünstigungen in Gestalt der Steuerklasse I sowie der erhöhten Freibeträge für Ehegatten, Lebenspartner sowie Abkömmlinge den in der Realität zu beobachtenden Grundsachverhalt, wonach regeltypisch der Ehegatte, der Lebenspartner sowie die Abkömmlinge dem Erblasser emotional am nächsten stehen und von seinem Vermögen am stärksten wirtschaftlich abhängig sind zum Anlass genommen, diese Personengruppe im Rahmen der erbschaftsteuerlichen Belastungsintensität am stärksten zu begünstigen. Der Gesetzgeber hat damit aber keinen atypischen Fall zum Leitbild gewählt, sondern den Regelfall des Zusammenlebens. Hingegen stellt die von den Klägern gelebte Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft einen eher seltenen Ausnahmesachverhalt dar, den der Gesetzgeber nicht zu berücksichtigen brauchte. Ebenso wie es im Einzelfall auch sein kann, dass die gesetzliche Grundkonzeption den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht wird, etwa weil die Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge wegen ihrer finanziellen Eigenständigkeit auf den Erwerb wirtschaftlich gar nicht angewiesen sind oder sich lange zuvor bereits vom Erblasser emotional gelöst haben, muss der Gesetzgeber aufgrund seiner weitreichenden Typisierungsbefugnis auch nicht berücksichtigen, dass es Lebenssachverhalte – wie im Streitfall – geben kann, in denen Geschwister entgegen den regeltypischen Gegebenheiten – gleichsam wie Ehegatten oder Lebenspartner – emotional und räumlich eng miteinander verbunden sind und auch wirtschaftlich auf einander angewiesen sind.
Für die gesetzliche Regelung der eingetragenen Lebenspartnerschaft hat sich über Jahrzehnte hinweg ein – wenn auch umstrittenes – gesellschaftspolitisch anerkanntes Bedürfnis entwickelt, dem der Gesetzgeber schließlich durch die Schaffung der dem Rechtsinstitut der Ehe angenäherten Lebenspartnerschaft im Rahmen des Gesetzes über die Eingetragene Lebenspartnerschaft vom 16.02.20113 Rechnung getragen hat. Der Gesetzgeber hat sich dabei einer in der Rechtswirklichkeit verstärkt auftretenden Lebensgestaltung angenommen und der Lebenspartnerschaft gleichgeschlechtlicher Personen einen rechtlichen Rahmen zur Verfügung gestellt, der für einen der Ehe vergleichbaren Status und Schutz in rechtlicher Hinsicht sorgt.
Mit dieser in der Lebenswirklichkeit häufiger und in zunehmendem Maße auftretenden Gestaltung der Lebensbeziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen nicht vergleichbar ist hingegen die Haushalts- und Versorgungsgemeinschaft von Geschwistern. Abgesehen davon, dass es sich insoweit um einen weitaus selteneren Ausnahmesachverhalt handelt, hat diese Lebensform auch keine rechtliche Ausgestaltung durch ein der eingetragenen Lebenspartnerschaft vergleichbares Rechtsinstitut gefunden.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 17.07.20024 ausdrücklich klargestellt, dass im Verhältnis der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften zu den Geschwister- oder anderen verwandtschaftlichen Einstandsgemeinschaften Unterschiede bestünden, die ihre unterschiedliche Behandlung rechtfertigten. Dies betreffe bereits die Exklusivität der eingetragenen Lebensgemeinschaft, die keine weitere Beziehung gleicher Art neben sich zulasse, während Geschwister- und andere verwandtschaftliche Einstandsgemeinschaften häufig in weitere vergleichbare Beziehungen eingebunden seien und auch neben einer sonstigen Bindung durch Ehe oder Partnerschaft bestehen könnten. Verwandtschaftliche Einstandsgemeinschaften würden überdies schon nach geltendem Recht in gewisser Hinsicht eine Absicherung erfahren, die gleichgeschlechtlichen Paaren erst mit der Lebenspartnerschaft eröffnet würden. So bestünden im Verwandtschaftsverhältnis Zeugnisverweigerungsrechte, Erbrechte und zum Teil auch Pflichtteilsrechte sowie deren steuerliche Begünstigung. Es sei dem Gesetzgeber zwar generell nicht verwehrt, für verschiedengeschlechtliche Paare oder für andere Einstandsgemeinschaften neue Möglichkeiten zu eröffnen, ihre Beziehung in eine Rechtsform zu bringen, wenn dabei eine Austauschbarkeit der jeweiligen rechtlichen Gestalt mit der Ehe vermieden werde. Ein verfassungsrechtliches Gebot, solche Möglichkeiten zu schaffen, bestehe jedoch nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung zum Gebot der Gleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern in der Hinterbliebenenversorgung vom 07.07.20095 noch einmal betont, dass zur sachlichen Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Personengruppen neben einem seiner Art geeigneten Unterscheidungsmerkmal ebenso erforderlich sei, dass für das Maß der Differenzierung auch ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung bestehe. Für den Streitfall bedeutet dies, dass das Ausmaß der unterschiedlichen erbschaftsteuerlichen Belastung durch die vorgefundene Verschiedenheit der eingetragenen Lebenspartner sowie der Geschwistergemeinschaft als zu betrachtende Personengruppen gerechtfertigt sein müsste.
Aber auch diesem Prüfungsmaßstab wird die geltende Rechtslage gerecht. Denn das Erbschaftsteuerrecht trägt durch die Steuerklasseneinteilung dem sozialen Gehalt von Vermögenstransaktionen im Rahmen einer rechtspolitischen Grundwertung Rechnung. So lässt sich für die Privilegierung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern in sachlicher Hinsicht anführen, dass der Erwerb aus dem Vermögen des Partners nicht die gleiche Leistungsfähigkeitssteigerung bewirkt wie der Erwerb von einer verwandtschaftlich entfernter stehenden Person oder einem fremden Dritten. Denn der Ehegatte und der Lebenspartner werden an dem auf sie übergehenden Vermögen im Zweifel schon vor dessen Übergang in erheblichem Umfang partizipiert haben, sodass der Erwerb dieser Vermögensmasse für sie nicht etwas völlig Neues darstellt, jedenfalls nichts, was ihnen nicht auch zuvor – mit den gebotenen Einschränkungen – zur Verfügung stand. Der Ehegatte und der Lebenspartner erwerben mithin durch die Rechtsnachfolge juristisch nur dasjenige Vermögen, was ihnen bereits zuvor wirtschaftlich zugestanden hat, zu dem sie bereits zuvor regelmäßig den mehr oder weniger uneingeschränkten Zugang gehabt haben6.
Diesem rechtstheoretischen Ansatzpunkt entsprechen auch die familienrechtlichen Regelungen zu den Rechtswirkungen der Ehe im allgemeinen (§§ 1353 ff. BGB) und zum ehelichen Güterrecht (§§ 1363 ff. BGB) sowie die vergleichbaren Regelungen zu den Vermögensverhältnissen in der eingetragenen Lebenspartnerschaft (§§ 2, 5, 6, 8, 11, 12 ff. LPartG).
Denn hieraus ist ersichtlich, dass die intensive Teilhabe der Ehegatten und Partner am Vermögen des jeweils anderen Ehegatten oder Lebenspartners nicht nur einem rechtstatsächlichen Befund entspricht, sondern ihre rechtliche Ausgestaltung auch in den entsprechenden familienrechtlichen Regelungen findet.
Knüpft das Erbschaftsteuerrecht damit an eine gegenüber der Personengruppe der Ehegatten und Lebenspartner weniger stark ausgeprägten rechtlichen Teilhabe der Geschwister an dem Vermögen des jeweils anderen Geschwisterteils an sowie an der rechtstatsächlichen Beobachtung, dass Geschwister untereinander sich regeltypisch in weitaus geringerem Umfang den Zugriff auf das eigene Vermögen gestatten, so ist auch der erforderliche Zusammenhang zwischen der festgestellten Unterschiedlichkeit und der gesetzlich vorgesehenen Differenzierung hergestellt. Da die Geschwister im Vergleich mit den Ehegatten und Lebenspartnern regeltypisch keinen vergleichbar unmittelbaren und intensiven Zugriff auf das Vermögen des jeweils anderen Geschwisterteils haben, führt der Vermögensübergang in ihrem Verhältnis zueinander zu einer höheren Leistungsfähigkeitssteigerung, die einen größeren Besteuerungszugriff und eine höhere Steuerbelastung rechtfertigt.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung betreffend die verfassungsrechtlich nicht zulässige erbschaftsteuerliche Ungleichbehandlung eingetragener Lebenspartner gegenüber Ehegatten vom 21.07.20107 hervorgehoben, dass eingetragene Lebenspartner wie Ehegatten in einer auf Dauer angelegten, rechtlich verfestigten Partnerschaft leben. Auch sie würden bereits zu Lebzeiten am Vermögen ihres eingetragenen Lebenspartners partizipieren und erwarten, den gemeinsamen Lebensstandard im Falle des Todes eines Lebenspartners halten zu können. Sofern dem Erhalt der Erbschaft durch den Freibetrag für Ehegatten unterhaltsersetzende Funktion sowie eine Versorgungsmitwirkung zukomme, gelte dies auch für Lebenspartner, die nach der maßgeblichen Rechtslage einander zu angemessener Unterhalt verpflichtet seien. Auch das das Erbschaftsteuerrecht prägende Familienprinzip vermöge die Schlechterstellung der eingetragenen Lebenspartner gegenüber den Ehegatten hinsichtlich der persönlichen Freibeträge nicht zu rechtfertigen. Wie die Ehe sei die eingetragene Lebenspartnerschaft eine auf Dauer angelegte, rechtlich verfestigte Beziehung und begründe eine gegenseitige Unterhalts- und Einstandspflicht.
Gerade in den beiden zuletzt genannten rechtlichen Kategorien, nämlich der rechtlichen Verfestigung sowie der wechselseitigen und gegenseitigen Unterhalts- und Einstandspflicht liegt jedoch der Unterschied zwischen einer Lebenspartnerschaft und der von den Klägern als Geschwistern eingegangenen Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft.
Eine Lebenspartnerschaft ist für die betreffenden Partner nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz in rechtlich verbindlicher Weise verfestigt worden und begründet sowohl eine den Ehegatten vergleichbare Unterhaltsverpflichtung als auch ein den Ehegatten vergleichbares Erbrecht.
Eine solche rechtliche Verfestigung liegt jedoch in Bezug auf Geschwister gerade nicht vor. Denn die verwandtschaftliche Beziehung von Geschwistern untereinander genießt bereits nach den geltenden familienrechtlichen und erbrechtlichen gesetzlichen Regelungen einen weitaus geringeren Schutz, als dieser bei Ehegatten und Verwandte in gerader Linie ausgeprägt ist. So schulden z. B. Geschwister einander nach § 1601 BGB keinen Unterhalt und stellen im Verhältnis zueinander nach § 1925 BGB nur gesetzliche Erben zweiter Ordnung dar. Diese summarische Bestandsaufnahme ihrer Rechtsposition macht deutlich, dass der Gesetzgeber bereits nach den geltenden familienrechtlichen und erbrechtlichen Regelungen der Rechtsbeziehung der Geschwister untereinander nur eine eingeschränkte Schutzbedürftigkeit attestiert, was angesichts der regeltypischen Ausgestaltung des Zusammenlebens von verschieden- oder gleichgeschlechtlichen, jedenfalls aber nicht verwandten Lebenspartnern nur allzu verständlich ist. Dass das Erbschaftsteuerrecht bei seinen Belastungsentscheidungen diesen Befund übernimmt und hieran anknüpft, erscheint dann aber nur konsequent.
Sowohl die Verfassung als auch der Gesetzgeber gehen mithin davon aus, dass zwischen Ehegatten und Partnern einer eingetragenen Lebenspartnerschaft ein weitaus engeres emotionales Verhältnis, ein weitaus stärkeres persönliches Näheverhältnis besteht als zwischen Geschwistern. Vor dem Hintergrund dieser ganz überwiegend verbreiteten Lebenswirklichkeit ist es dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich gestattet, den Ehegatten und – soweit vorhanden – ihren Abkömmlingen sowie den eingetragenen Lebenspartnern eine bevorzugte erbschaftsteuerliche Behandlung einzuräumen.
Der Umstand, dass im Streitfall die Kläger als Geschwister eine lebenslange Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft begründet haben, stellt einen Ausnahmesachverhalt dar. Ungeachtet der Frage, wie häufig ein solcher Ausnahmesachverhalt tatsächlich in der Lebenswirklichkeit vorkommen mag, ist der Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht dazu verpflichtet, diesen relativ untypischen Lebenssachverhalt hinsichtlich seiner erbschaftsteuerlichen Belastung mit dem Regelsachverhalt, dem Zusammenleben in einer Ehe gemeinsam mit Kindern bzw. in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft, gleichzustellen.
Auch wenn das Zusammenleben von Geschwistern in einer Haushalts-, Versorgungs- und Wirtschaftsgemeinschaft unter Berücksichtigung ihrer verwandtschaftlichen Beziehung, des engen räumlichen Zusammenlebens sowie des emotionalen Einstehens füreinander vergleichbar stark wie das Näheverhältnis von Ehegatten und Lebenspartnern ausgeprägt sein kann, so handelte es sich dabei jedoch um die tatsächliche Ausgestaltung ihrer Lebensführung, die aber keiner rechtlichen Verfestigung unterliegt und die damit auch nicht durch entsprechende familienrechtliche und erbrechtliche sowie steuerliche Regelungen und Vergünstigungen von anderen gemeinschaftlichen Lebensformen zwischen verwandten oder nicht verwandten Personen herausgehoben wird.
Vor diesem Hintergrund ist es dann nicht zu beanstanden, wenn das Erbschaftsteuerrecht an diese nicht gegebene familienrechtliche und erbrechtliche Privilegierung anknüpft und den Geschwistern eine höhere erbschaftsteuerliche Belastung zumutet, als sie Ehegatten und Lebenspartnern zu tragen haben.
Dass diese Betrachtungsweise nicht nur dem nationalen Verfassungsrecht gerecht wird, sondern zudem auch an europäischen Maßstäben gemessen nicht zu beanstanden ist, zeigt eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte8. Dort führt der Europäische Gerichtshof für Menschrechte aus, dass im Hinblick auf den Zweck des Diskriminierungsverbots in Art. 14 EMRK in gemeinsamem Haushalt zusammenlebende Schwestern nicht mit einem verheirateten oder mit einem in eingetragener Lebenspartnerschaft zusammen lebenden Paar vergleichbar seien. Eine diesbezügliche unterschiedliche erbschaftsteuerliche Behandlung der Schwestern verletze nicht Art. 14 EMRK i. V. m. Art. 1 des Zusatzprotokolls zur EMRK.
Aber auch aus Art. 6 Abs. 1 GG, dem Schutz der Familie, folgt im Streitfall nicht die Verpflichtung des Gesetzgebers, aus verfassungsrechtlichen Gründen Geschwister mit Ehegatten und Lebenspartnern in erbschaftsteuerlicher Hinsicht gleichzustellen.
Der Familienbegriff des Grundgesetzes knüpft ebenso wie der von ihm verwandte Ehebegriff an das bürgerlich-rechtliche Institut der Familie an. Familie ist danach die umfassende tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern. Neben der durch Geburt entstandenen Familie wird grundsätzlich auch jede andere von der staatlichen Rechtsordnung anerkannte Gemeinschaft von Eltern und Kindern geschützt. Der Verfassungsgeber hat damit die klassische „bürgerliche Kleinfamilie“ als Schutzgut des Familienbegriffs angesehen. Nachdem zunächst die Ehe praktisch als regelmäßige Vorstufe der Familie angesehen wurde, hat das Bundesverfassungsgericht aber im Laufe der Jahrzehnte und des Wandels der gesellschaftlichen und sozialen Vorstellungen vom Zusammenleben den Schutz der Familie auch auf andere Lebensformen erstreckt, etwa auf nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern, alleinerziehende Elternteile mit Kindern sowie Eltern mit Stief-, Adoptiv- oder Pflegekindern. Entscheidend ist dabei aber, dass Vertreter unterschiedlicher Generationen der Familie angehören9.
Diesem Verständnis des Verfassungsgebers vom Begriff der Familie Rechnung tragend hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt entschieden, dass Art. 6 Abs. 1 GG die Familie als Gemeinschaft von Eltern und Kindern schütze. Die in diesem Sinne von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie stelle zunächst eine Lebens- und Erziehungsgemeinschaft dar, die die sich mit wachsender Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit des Kindes zu einer Hausgemeinschaft fortentwickele und in ihrem Endstadium den Charakter einer Begegnungsgemeinschaft habe10. Zwar sei der Gesetzgeber nicht gehindert, den Familienbegriff aufgrund sachlicher und nachvollziehbarer Erwägungen zu erweitern. Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folge jedoch, dass ein solcher weitergehender Familienbegriff nicht vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG umfasst werde11. Der verfassungsrechtliche Begriff der Familie in Art. 6 Abs. 1 GG umfasse jedenfalls nur die aus Eltern und Kindern bestehende Klein- oder Kernfamilie und keine sonstigen Verwandten, etwa Geschwister12.
Auch wenn im verfassungsrechtlichen Fachschrifttum vereinzelt die Auffassung vertreten wird, es bestehe kein Grund, den Familienbegriff des Grundgesetzes auf die Kleinfamilie im Gegensatz zur Großfamilie zu beschränken, sodass auch Großfamilien mit Mitgliedern aus mehreren Generationen, Einstandsgemeinschaften von Verwandten, insbesondere von zusammenlebenden Geschwistern in den Schutzbereich mit einzubeziehen seien13, so überzeugt dieser Ansatz nicht. Denn er wird weder dem historischen Willen des Verfassungsgebers noch der rechtstatsächlichen Lebenswirklichkeit gerecht. Die Einstandsgemeinschaft von Verwandten, auch in Gestalt einer Haushalts-, Versorgungs- und umfassenden Lebensgemeinschaft von Geschwistern, stellt vielmehr grundsätzlich eine atypische Lebensform dar, die vom Schutzzweck des Art. 6 GG – dessen gegenständliche, inhaltliche Ausrichtung im Übrigen in aller Deutlichkeit den Abs. 2 – 5 dieses Grundgesetzartikels entnommen werden kann – nicht erfasst wird.
Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht zur erbschaftsteuerlichen Privilegierung des Ehegatten sowie der Kinder des Erblassers im Hinblick auf den Grundrechtsschutz des Art. 6 Abs. 1 GG klargestellt, das diese Besserstellung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Denn mit der Besserstellung begünstige das Erbschaftsteuerrecht neben dem Ehegatten als dem nächsten Angehörigen des Erblassers insbesondere die Weitergabe von Familienvermögen von einer Generation auf die nachfolgende. Dies sei ein sachgerechter Anknüpfungspunkt für eine steuerrechtliche Privilegierung14.
Dass auch in erbschaftsteuerlicher Hinsicht das Bundesverfassungsgericht den Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG allein auf die Klein- oder Kernfamilie bezieht, wird letztlich auch aus seinem Beschluss vom 22. Juni 199515 deutlich. Danach tritt neben den durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleisteten verfassungsrechtlichen Schutz des Erbrechts sowie der Testierfreiheit der Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG. Deshalb sehe das bestehende Erbschaftsteuerrecht auch das Familienprinzip als weitere Grenze für das Maß der Erbschaftsteuerbelastung vor. Der erbschaftsteuerliche Zugriff bei Familienangehörigen im Sinne der Steuerklasse I (§ 15 Abs. 1 ErbStG) sei derart zu mäßigen, dass jedem dieser Steuerpflichtigen der jeweils auf ihn überkommene Nachlass – je nach dessen Größe – zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder, bei kleineren Vermögen, völlig steuerfrei zugute komme. Hierzu gebe der Wert der persönlichen Gebrauchsvermögen einen tauglichen Anhalt. In Bezug auf einen darüber hinaus gehenden Vermögenszuwachs sei der erbschaftsteuerliche Zugriff so zu beschränken, dass die Erbschaft für den Ehegatten noch Ergebnis der ehelichen Erwerbsgemeinschaft bleibe und auch eine im Erbrecht angelegte Mitberechtigung der Kinder am Familiengut nicht verlorengehe. Im geltenden Recht nehme der Gesetzgeber diese nach Art. 6 Abs. 1 GG gebotene Abstufung in die Steuerbelastung auf, indem er die Steuersätze, welche für die Erbfolge der dem Erblasser ferner stehenden Steuerpflichtigen gelten, für die Erbfolge der nächsten Familienangehörigen deutlich verringere.
Diesen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts ist eindeutig zu entnehmen, dass die erbschaftsteuerliche Privilegierung von Ehegatten, deren Abkömmlingen sowie eingetragenen Lebenspartnern gegenüber den anderen verwandten Personen in verfassungsrechtlicher Hinsicht vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 GG nicht zu beanstanden ist, das erbschaftsteuerliche Familienprinzip vielmehr allein für die Klein- oder Kernfamilie zum Tragen kommt.
Insoweit ist auch nicht einsichtig, warum sich an dieser Betrachtungsweise etwas ändern soll, wenn Geschwister eine lebenslange Haushalts-, Versorgungs- und damit Wirtschafts- und Lebensgemeinschaft praktizieren. Dem Gesetzgeber bleibt es von Verfassungswegen unbenommen, den regeltypischen Fall des familiären und verwandtschaftlichen Näheverhältnisses zwischen Ehegatten und deren Abkömmlingen sowie zwischen eingetragenen Lebenspartnern zu bevorzugen.
Dementsprechend hat der Gesetzgeber im Rahmen der Steuerklasseneinteilung auch allein auf die formale Verbindung der jeweiligen Personengruppen abgestellt und deren persönliche enge emotionale Beziehung unterstellt, so wie diese bei Angehörigen der Steuerklasse I regeltypisch zu vermuten ist. Eine jenseits dieser formalen durch Ehe, Partnerschaft oder Verwandtschaft begründeten Anknüpfung bestehende enge persönliche Vertrautheit oder ein langjähriges gemeinsames Zusammenleben in einer Haushalts-, Wirtschafts- und Versorgungsgemeinschaft sind hingegen unbeachtlich16.
Soweit die Kläger schließlich in der unterschiedlichen Behandlung gegenüber Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnerschaften ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz, der Eigentumsgarantie sehen, so ist auch dieser Ansatz nicht durchgreifend.
Wie dargelegt können die Kläger als Geschwistergemeinschaft nicht an dem aus Art. 6 Abs. 1 GG abgeleiteten grundgesetzlichen Schutz des Familienprinzips, das nur für die sogenannte Klein- oder Kernfamilie Geltung beansprucht, nicht partizipieren. Ihre gegenüber den eingetragenen Lebenspartnern wesentlich höhere erbschaftsteuerliche Belastung hält auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung unter Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG stand.
Inwieweit durch den streitbefangenen Besteuerungsvorgang die Eigentums- und Erbrechtsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG im Hinblick auf die niedrigere Steuerbelastung von eingetragenen Lebenspartnern berührt sein soll, vermag das Finanzgericht nicht zu erkennen.
Grundsätzlich kommt dem Gesetzgeber bei der Besteuerung der Erbschaft ein besonders weitreichender Gestaltungsspielraum bzw. eine weitreichende Gestaltungsbefugnis zu. Dies gilt vor allem bei einem großen Vermögen, von dem auch der Großteil des Erbes durch eine Steuer abgeschöpft werden kann. Generell muss dem Erben jedoch ein Anteil belassen werden, der im Verhältnis zum ursprünglichen Wert des Vermögens angemessen ist. Soweit es um Ehegatten und Kinder geht, bestehen unter dem Einfluss des Art. 6 Abs. 1 GG engere Grenzen (vgl. Beschlüsse des BVerfG vom 22.06.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 sowie vom 28.10.1997 – 1 BvR 1644/94, BVerfGE 97, 1)).
Vor diesem Hintergrund unterliegt es aber keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn Geschwister bei einem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs in Höhe von knapp 120.000 € unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 20.000 € mit einem Steuersatz von 30 % besteuert werden.
Soweit die Kläger hilfsweise beantragt haben, die festgesetzte Steuer nach § 27 ErbStG zu ermäßigen, sind die Voraussetzungen dieser Vorschrift im Streitfall nicht gegeben. Denn die Ermäßigungsregelung des § 27 ErbStG erfasst nur Erwerbe innerhalb der engeren Familie, also von Angehörigen der Steuerklasse I. Da es sich bei den Klägern aber nicht um Personen der Steuerklasse I handelt und sie auch nicht aufgrund verfassungsrechtlicher Erwägungen – insoweit wird auf die in Gliederungspunkt I der Entscheidungsgründe dargelegten Ausführungen verwiesen – wie Personen der Steuerklasse I zu behandeln und zu besteuern sind, kommt im Streitfall eine Anwendung der Ermäßigungsregelung des § 27 ErbStG nicht in Betracht. Im Übrigen ist eine Anwendung des § 27 ErbStG auf Erwerber der Steuerklasse II weder nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift noch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten17.
Auch im Hinblick darauf, dass die Kläger im Streitfall als Angehörige der Steuerklasse II mit dem gleichen Steuersatz und dem identischen Steuerfreibetrag besteuert worden sind, mit dem auch Angehörige der Steuerklasse III besteuert werden, unterliegen die angegriffenen Erbschaftsteuerbescheide keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Zwar werden hinsichtlich der auf das Jahr 2009 beschränkten Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III zum Teil verfassungsrechtliche Bedenken erhoben. Diese werden damit begründet, dass das Erbschaftsteuergesetz grundsätzlich einen nach dem persönlichen Näheverhältnis zwischen Erwerber und Zuwender zum einen und nach der Höhe des Erwerbs zum anderen differenzierten Steuertarif vorsehe. Angesichts der bisherigen Betonung des Verwandtenprinzips in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erscheine daher die völlige Gleichstellung von Geschwistern mit anderen nicht verwandten Personen in dem für das Jahr 2009 geltenden Erbschaftsteuerrecht verfassungsrechtlich als bedenklich. Insbesondere sei insoweit ein Verstoß gegen das Familienprinzip des Art. 6 Abs. 1 GG in Erwägung zu ziehen, als einander verwandtschaftlich nahestehende Personen mit fremden dritten Personen hinsichtlich der erbschaftsteuerlichen Belastung gleichgestellt würden.
Angesichts der mit dem Erbschaftsteuerreformgesetz vom 01.01.2009 massiv angehobenen Steuersätze sei im Hinblick auf die Gleichstellung der Steuerklasse II mit der Steuerklasse III die Frage aufzuwerfen, ob die gesetzliche Regelung noch mit Artikel 6 Abs. 1 GG, dem Schutz der Familie, und Art. 3 Abs. 1 GG, dem Gleichbehandlungsgrundsatz, vereinbar sei. Zwar schütze Art. 6 Abs. 1 GG nur die Kernfamilie. Da bestehende verwandtschaftliche Beziehungen in Steuerklasse II verglichen mit Steuerklasse III nun überhaupt nicht mehr berücksichtigt würden, bestünden aber wegen dieser Gleichbehandlung von Verwandten und Fremden in der Gesamtschau von identischem Steuersatz und persönlichem Freibetrag nach §§ 15, 16 und 19 ErbStG erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese gesetzliche Regelung18.
Diese verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gleichstellung von Verwandten des Erblassers und fremden Personen hält das Finanzgericht für letztlich nicht durchgreifend.
Wie bereits dargelegt, wird durch Art. 6 Abs. 1 GG nur die aus den Ehegatten, den Eltern und ihren Kindern sowie aus den Lebenspartnern bestehende Klein- oder Kernfamilie verfassungsrechtlich geschützt, nicht jedoch die Beziehung unter Geschwistern oder sonstigen Verwandten und Angehörigen, auch wenn diese dabei eine Einstandsgemeinschaft bilden.
Damit kann aber die hinsichtlich der Steuerbelastung erfolgte Gleichstellung der in Steuerklasse II erfassten Verwandten mit dem in Steuerklasse III angesprochenen Personenkreis, also den Familienfremden, jedenfalls nicht unter dem Gesichtspunkt des Art. 6 Abs. 1 GG verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen19.
Aber auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG ist es im Streitfall nicht zwingend geboten, die Kläger von einer Besteuerung nach den im Zeitpunkt ihres Erwerbs im Jahre 2009 geltenden Bestimmungen der §§ 15, 16 und 19 ErbStG auszunehmen. Denn durch die Gleichstellung von Verwandten der Steuerklasse II mit Familienfremden im Sinne der Steuerklasse III werden nicht wesentlich unterschiedliche Sachverhalte einer undifferenzierten Gleichbehandlung zugeführt.
So steht es zwar auch für das Finanzgericht außer Frage, dass die Gleichstellung von Verwandten im Sinne der Steuerklasse II mit fremden Personen nach Steuerklasse III in familien- und sozialpolitischer Hinsicht absolut unbefriedigend und dazu geeignet ist, den allgemeinen gesellschaftlichen Frieden nicht unerheblich zu stören. Dass Verwandte in Person von Geschwistern, Neffen und Nichten, Onkeln und Tanten sowie Schwiegerkindern regeltypisch in einem weitaus engeren emotionalen Näheverhältnis zueinander stehen, als dies zu familienfremden Personen der Fall ist, bedarf dabei keiner weiteren Ableitungen. Von daher erscheint es unter den Gesichtspunkten der Familiengerechtigkeit und der Bedeutung intakter familiärer Strukturen für die Gesellschaft insgesamt mehr als wünschenswert, wenn diesen Zielen auch durch eine abgestufte erbschaftsteuerliche Belastung der Verwandten gegenüber Familienfremden spürbarer Ausdruck verliehen würde.
Dies ebenso sehend hat der Gesetzgeber im Rahmen des zum 01.01.2010 in Kraft getretenen Wachstumsbeschleunigungsgesetzes20 die Steuersätze für Personen der Steuerklasse II deutlich gegenüber denjenigen der Steuerklasse III herabgesetzt. In der amtlichen Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass die niedrigeren Steuersätze in Steuerklasse II dem familiären Näheverhältnis Rechnung tragen würden und die erbrechtliche Sonderstellung der nahen Verwandten gegenüber Dritten berücksichtige. Eine solche Differenzierung werde gerade vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung als gerechtfertigt angesehen. Der Gesetzgeber hat insoweit gerade den Gedanken der Familiengerechtigkeit zum Tragen gebracht21.
Aber auch unter Berücksichtigung dieser Erwägungen und Überlegungen ergibt sich im Streitfall nicht, dass wesentlich verschiedene Sachverhalte durch die gesetzliche Regelung der §§ 15, 16 und 19 ErbStG in unzulässiger Weise gleich behandelt werden. Auch wenn es sich bei Verwandten der Steuerklasse II und Familienfremden um unterschiedliche Personengruppen handelt, erfordert dies jedoch nicht, diese Personenkreise erbschaftsteuerlich in unterschiedlicher Höhe zu belasten. Denn nach dem Sinn und Zweck der erbschaftsteuerlicher Vergünstigungen in Gestalt unterschiedlicher Steuersätze und unterschiedlich hoher persönlicher Freibeträge ist nicht erkennbar, dass die Zielsetzung dieser Privilegierungen eine abgestufte steuerliche Belastung von Verwandten im Sinne der Steuerklasse II und familienfremden Personen erfordert. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in seiner – bereits dargestellten – Entscheidung zum Gebot der erbschaftsteuerlichen Gleichbehandlung von Ehegatten und Lebenspartnern vom 25.07.201022 herausgearbeitet, dass bei Ehegatten, Kindern und Lebenspartnern ein Erbanfall nicht die gleiche Leistungsfähigkeitssteigerung bewirke, wie bei entfernteren Verwandten oder Dritten. Denn erstere hätten bereits zu Lebzeiten an diesem Vermögen partizipiert, letztlich sei auch für sie dieses übergehende Vermögen gebildet worden, an dessen Entstehung sie nicht selten wesentlich beteiligt gewesen seien und dass sie möglichst ungeschmälert an die nächste Generation weitergeben sollten. Der erbrechtliche Erwerb habe zudem Unterhaltsersatzfunktion, da die dem Erblasser nahestehenden Personen mit dessen Tod Einnahmequellen und Versorgungsleistungen verlieren würden.
Diese tatsächlichen und rechtlichen Begründungselemente für eine im Rahmen von Steuersätzen und Freibeträgen abgestufte erbschaftsteuerliche Belastung greifen aber im Verhältnis zwischen den entfernteren Verwandten und Familienfremden nicht. Denn beide Personengruppen befinden sich in der Regel außerhalb der Eigentums- und Vermögenssphäre des Erblassers und partizipieren weder von seinem Vermögen noch sind sie auf seine Unterhaltsleistungen angewiesen.
Von daher handelt es sich bei Verwandten der Steuerklasse II sowie Familienfremden im Sinne der Steuerklasse III zwar um im Hinblick auf die Verwandteneigenschaft unterschiedliche Personenkreise. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck abgestufter Steuersätze und Freibeträge ist dieses Unterscheidungsmerkmal aber nicht wesentlich, zumindest aber nicht bedeutsam genug, um eine entsprechend abgestufte erbschaftsteuerliche Belastung dieser Personengruppe durch unterschiedliche Steuersätze und Freibeträge jedenfalls aus verfassungsrechtlichen Gründen aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes zwingend erforderlich zu machen23.
Zwar haben die Kläger als Geschwister ihr Leben lang in einer Haushalt-, Wirtschafts- und Versorgungsgemeinschaft gelebt, was es nahe legen könnte, dass die vorgenannten Begründungsansätze zur Rechtfertigung einer geringeren Steuerbelastung durch niedrigere Steuersätze und höhere persönliche Freibeträge auch im Streitfall zum Tragen kommen. Denn wenn die Kläger als Geschwister ein Leben lang in einer ehe- oder partnerschaftsgleichen Einstandsgemeinschaft gelebt haben und noch leben, dann bedeutet auch hier der Tod eines jeden Geschwisterteils eine Einkommens- und Versorgungseinbuße für die Verbliebenen, was wiederum auch im Streitfall für die Unterhaltsersatzfunktion des erbfallbedingten Erwerbs sprechen würde.
Dem steht jedoch entgegen, dass es sich bei der von den Klägern praktizierten Haushalts-, Wirtschafts- und Versorgungsgemeinschaft um einen Ausnahmesachverhalt handelt, dessen Existenz der Gesetzgeber im Rahmen seiner typisierenden Betrachtungsweise unberücksichtigt lassen konnte. Angesichts des für den Gesetzgeber im Bereich der Erbschaftsteuer bestehenden grundsätzlich weitreichenden Gestaltungsspielraums, dessen Grenzen durch das Familienprinzip, den Verhältnismäßigkeits- und den Gleichbehandlungsgrundsatz abgesteckt werden, erscheint es jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht bedenklich, wenn sich der Gesetzgeber darauf beschränkt die regeltypischen Formen des aufgrund Eheschließung oder Partnerschaft mit und ohne Kinder begründeten Zusammenlebens zu regeln, und mehr oder weniger atypische Sonderformen von Einstandsgemeinschaften zwischen Verwandten im übrigen unberücksichtigt zu lassen. Dies umso mehr als Geschwister und sonstige Verwandte regeltypisch nicht in einer solchen engen räumlichen Einstandsgemeinschaft zu leben pflegen.
Finanzgericht Köln, Urteil vom 16. November 2011 – 9 K 3197/10
- ständige Rechtsprechung des BVerfG: Urteile vom 21.06.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 sowie vom 09.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2/07, 1/08, 2/08, BVerfGE 122, 210[↩]
- so das BVerfG in ständiger Rechtsprechung: Urteile vom 21.06.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 sowie vom 09.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2/07, 1/08, 2/08, BVerfGE 122, 210[↩]
- BGBl. I, S. 266[↩]
- BVerfG – 1 BvF 1/01 und 1 BvF 2/01, BVerfGE 105, 313[↩]
- BVerfG – 1 BvR 1164/07, BVerfGE 124, 199[↩]
- zu diesem rechtsdogmatischen Ansatzpunkt Meincke, Kommentar zum ErbStG, 15. Auflage 2009, § 15 Rn. 1, § 16 Rn. 1; Längle in Fischer/Jüptner/Pahlke, Kommentar zum ErbStG, 1. Auflage 2009, § 15 Rn. 5, § 16 Rn. 3; Tiedtke/Wälzholz in Tiedtke, Kommentar zum ErbStG, 1. Auflage 2009, § 15 Rn. 3, § 16 Rn. 8[↩]
- BVerfG – 1 BvR 611/07 und 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400[↩]
- EGMR vom 29.04.2008 – 13378/05, NJW RR 2009, 1606 ff.[↩]
- vgl. v. Coelln in Sachs, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 15, 16; Pieroth in Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 6, 7; beide mit umfassenden Nachweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts[↩]
- vgl. Beschluss vom 18.04.1989 – 2 BvR 1169/94, BVerfGE 80, 81[↩]
- vgl. Beschluss vom 10.11.1981 – 1 BvR 894/78, BVerfGE 59, 52[↩]
- vgl. Nichtannahmebeschluss vom 24.02.1989 – 1 BvR 136/86[↩]
- vgl. hierzu Pieroth in Jarass/Pieroth, Kommentar zum Grundgesetz, 11. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 6 und 7 mit Nachweisen zu entsprechenden Stellungnahmen im Fachschrifttum[↩]
- vgl. Beschluss vom 28.10.1997 – 1 BvR 1644/94, BVerfGE 97, 1[↩]
- BVerfG, Beschluss vom 22.06.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165[↩]
- vgl. Knobel in Viskorf/Knobel/Schuck, Kommentar zum ErbStG, 3. Auflage 2009, § 15 Rn. 2[↩]
- insoweit wird auf die Darlegungen des BFH im Beschluss vom 14.07.2011 – II B 27/11, BFH/NV 2011, 1881 verwiesen[↩]
- vgl. Knobel in Viskorf/Knobel/Schuck, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, 3. Aufl. 2009, § 19 Rn. 5; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Stand Juli 2011, § 19 Rn. 2; Geck in Kapp/Ebeling, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, Stand April 2010, § 19 Rdnr. 1; Wachter, DB 2009, 2626; Stahl/Fuhrmann, DStZ 2008, 13[↩]
- vgl. insoweit auch Piltz, DStR 2010, 1913, 1922 [↩]
- BGBl. I 2009, 3950[↩]
- vgl. BT-Drucks. 17/15, S. 34[↩]
- 1 BvR 611/07, 1 BvR 2464/07, BVerfGE 126, 400[↩]
- in diesem Sinne auch FG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2011 – 4 K 2574/10 Erb, EFG 2011, 1079; gegen diese Entscheidung ist ein Revisionsverfahren beim BFH – II R 9/11 anhängig[↩]